Die Waldbewohner

 
  • Deutscher Titel: Die Waldbewohner
  • Original-Titel: Die Waldbewohner
  •  
  • Regie: Ralf Kemper
  • Land: Deutschland
  • Jahr: 2008
  • Darsteller:

    Alexandra Desoi (Sanjonara), Gerrit Reinecke (Achilles), Monica Cornelia de Reza (Samantha), Ralf Kemper (Siries), Tino Rakut (Frederik), Michael Kania (Drubadur), Christina Pflüger (Tatjana), Eva Balkenhol (Rose), Corinna Hartmann (Königin Ruhenieda), Britta Fleischhut (Ixi), Kerstin Gasch (Z), Jay Luis Martinez (Ruinendämon)


Vorwort

Vor 24 Jahren wurde Sanjonara als Baby ihren Eltern gewaltsam entrissen. Nun ist aus ihr nicht nur eine hübsche junge Frau, sondern auch eine Kräuter- und Zauberkundige geworden, und das ist im Wald wertvoll, treiben dort doch die „Waldbewohner“, seltsame grüne mordgierige Kreaturen ihr Unwesen. Deshalb hat Sanjonara mit dem Krieger Frederik auch einen eigenen Bodyguard am Start. Eine kleine Ungeschicklichkeit mit dem Kräuteräquivalent von Viagra führt aber dazu, dass Frederik bei einer Attacke der Waldbewohner kampfunfähig ist und Sanjonara sich durch eine magische Pforte stürzen muss. Sie landet bei dem leicht vertrottelten (und drogensüchtigen) Fährtensucher Achilles, der ihr dabei helfen soll, den zurückgebliebenen Frederik – der mittlerweile in die Fänge eines attraktiven Amazonentrios geraten ist und einem mehr oder minder vergnüglichen Sklavendasein entgegensieht – wiederzufinden. Achilles allerdings zieht nicht so recht mit und muss daher magisch becirct werden.
Aber auch unter ihrem Zauberbann bleibt Achilles ein ziemlicher Trottel – bei einem weiteren Kampf mit Waldbewohner entweiht er ein Heiligtum der „Altvorderen“ und ruft einen menschenfressenden Dämonen auf den Plan, in der zur Erholung von Sanjonara angesteuerten „Absolute Ruhe“ hält er sich nicht an ihre Anweisung, sich nicht zu rühren, wird prompt von Untoten angefallen und von den geheimnisvollen Frauen Ixi und Z gerettet (oder?). Nach weitere Komplikationen sind alle Parteien wieder vereint, Achilles im Besitz eines magischen Schwertes und zwei der Amazonen von Waldbewohnern niedergemetzelt. Vom weisen Magier Siries erfährt Sanjonara endlich, warum die Waldbewohner hinter ihr so besonders her sind – einer Prophezeihung nach ist Sanjonara die einzige, die den oberfiesen Bösewicht Senior (und seinen Unterbösewicht Junior) besiegen kann – der sitzt in einer anderen Dimension und treibt dort groben Unfug. Die Prophezeihung hat dummerweise den Haken, dass Sanjonara keiner lebenden Kreatur etwas antun darf, sonst muss sie *ihre* Dimension für immer verlassen…


Inhalt

Zunächst mal muss ich Abbitte leisten – ich weiß schon gar nicht mehr, *wie lange* ich diese DVD zur Besprechung hier rumliegen habe (ehrlich gesagt, wußte ich eine ganze Weile nicht mehr, dass ich sie *überhaupt* habe, was nur wieder bedeutet, dass das Verräumen der DVD-Sammlung in neue Regale etwas ist, was ein Mann selbst tun sollte. Zumindest nachdem ihn die Freundin zum siebzehnten Mal dezent darauf hingewiesen hat, dass noch 3765 DVDs unsortiert im Wohnzimmer rumstapeln…). Es liegt also gewiss nicht daran, dass ich etwas gegen die spontitotalfilm-Crew rund um Ralf Kemper habe – Moving gefiel mir ja gar nicht so schlecht (der in der CMV-Trash-Collection erschienen „Überfall der Mörderrucksäcke“ dagegen… eher nicht. Torsil Ultra – Attack of the 1 Foot Killersocks war da schon spaßiger und überstrapazierte den Gag vor allem nicht). Nichtsdestotrotz kein Grund zur Veranlassung, vor „Die Waldbewohner“ (ein etwas *sehr* generischer Titel, wenn ich gleich eingangs einen konstruktiven Verbesserungsvorschlag unterbreiten darf) Muffe zu schieben.

Mit dem abendfüllenden Werk stellt sich Regisseur/Autor/Kameramann/Editor/Effektkünstler Kemper eine ziemlich große Aufgabe – „Die Waldbewohner“ (ein erweitertes Remake eines früheren Kurzfilms des Kemper-Teams) ist von der Anlage her ein epischer Fantasyfilm komplett mit eigenständiger Mythologie und entsprechendem Vokabular, einer komplexen, ambitionierten Story, die sich trotzdem nicht zu bierernst nimmt und einige humorige Einlagen (und parodistische Anspielungen auf eine gewisse spektakuläre Fantasy-Trilogie eines ehemaligen Splatterfilmers, ähem) beinhaltet, einem für Independent-Verhältnisse geradezu riesigen Cast und einem Schwung digitaler Effekte der gar nicht mal so peinlichen Art. Da kann man ja sogar darüber hinweg sehen, dass eigentlich doch wieder nur ein paar Nasen durch den Wald rennen…

Problematisch ist rein grundsätzlich halt, dass ein Indie-/Amateurfilm nicht unbedingt das ideale Geläuf für eine große epische Fantasystory ist (bei Dunkel – Das erste Kapitel funktionierte das recht gut, zugegeben) – es sind ein wenig arg viel Ideen für einen Film, der naturgemäß gar nicht die Möglichkeiten haben kann, sie alle angemessen umzusetzen; insbesondere, dass Film und Script die Karten nicht offen auf den Tisch legen, sondern die komplizierte Backstory mit den verschiedenen Abhängigkeiten der Charaktere voneinander erst nach und nach aufdröseln, macht den Zugang zur Story schwierig – so bleibt z.B. schon der schlichte Wechsel von „unserer“ realen Welt, in der der kurze Prolog um Sanjonaras Entführung spielt, in die „Walddimension“, die in der Folgezeit hauptsächlich den Backdrop für die Geschichte abgibt, unkommentiert und lässt den Zuschauer schon gleich zu Beginn Fragezeichen spielen. Immer wieder muss „Die Waldbewohner“ seine Story für dringend notwendige Erklärungen unterbrechen, mal mehr, mal weniger elegant Exposition einbauen, neue Charaktere etablieren und im Schlussakt mehr oder weniger sogar einen komplett *neue* Quest aufbauen – bei der Unmenge von kreuz und quer miteinander verbundenen Figuren und einem leicht konfusen Storytelling speziell im Schlussakt muss ich konstatieren: im Finale hab ich echt nix mehr begriffen. Okay, ich hab direkt zuvor Double Agent 73 gesehen, was vermutlich – rein gehirnkrebstechnisch – nicht die ideale Voraussetzung für intellektuelle Ruhmestaten darstellt, aber ab so ca. 20 Minuten vor Schluss musste ich mich schweren Herzens dazu entscheiden, nicht mehr verstehen zu wollen, was der Film uns sagen will, sondern nur noch die Imagery zu genießen und zu hoffen, dass sich im Nachhinein ungefähr aufklären wird, was ich verpasst habe (tat es nur andeutungsweise, auch der einführende und abschließende voiceover half da nicht wirklich weiter. Der Story hätte ein kurzer expository crawl, der ein paar grundsätzliche Regularien der Welt klärt, nicht geschadet).

Ganz witzig ist das wohl rollenspiel- und/oder Anime-beeinflußte Gimmick des MANA: „MANA“ ist sozusagen die Maßeinheit für Zauberkräfte und Sanjonara ist von ihrer Gönnerin nur mit einer begrenzten Anzahl „MANA-Punkten“ ausgestattet worden, was dem Zuschauer durch eine entsprechende Skala, immer dann, wenn sie magische Fähigkeiten einsetzt, verdeutlicht wird – ein netter Kniff, da Sanjonara sich so nicht einfach aus jeder x-beliebigen Bredouille herauszaubern kann, sondern ihre limitierten Ressourcen sinnvoll einsetzen muss (auch wenn sie im Filmverlauf erfährt, wie sie „MANA-Punkte“ auftanken kann).

In dem Zusammenhang kann ich anmerken, dass „Die Waldbewohner“ insgesamt einen recht anständigen Sinn für trockenen und selbstironischen Humor hat, der dem Film über manche dramaturgische oder strukturelle Schwäche hinweghilft (eine meiner Lieblingsszenen betrifft den örtlichen Gandalf-Verschnitt Siries, der der beim Aufbruch zum finalen Quest noch mal kurz in seine Hütte zurückgeht, um sich einen GRÖSSEREN Zauber- und Wanderstab zu organisieren).

Ralf Kemper, der schon in Moving ein Faible für parallel existierende Dimensionen (dort durch Drogenkonsum zu erreichen) pflegte und sich hier mit Regie, Drehbuch, Produktion, Kamera, Schnitt, Effekten UND Schauspielerei gleich sieben Hüte – und damit vielleicht zwei zuviel – aufsetzt, gelingt es zumindest, allein schon aufgrund der Vielzahl an Charakteren und Handlungselementen das Tempo für seinen abendfüllenden Streifen hoch genug zu halten, dass nie Aufmerksamkeitsverlust (Verständnisverlust schon eher) droht (darunter litt der „Überfall der Mörderrucksäcke“ schon, der war erheblich zu lang und zu langsam für seine Idee) – natürlich auch, weil der Streifen eine ganze Legion Ideen an die virtuelle Wand patscht (von den unterschiedlichsten Dimensionen, in denen die Figuren rumturnen, über die Bezeichnungen für allerhand seltsame Kräuter – wobei „Fluxwegkraut“ für eine Pflanze, die den Draufrumkauer an den Punkt bringt, an den er gerade hinmöchte, mein Favorit ist -, bis hin zu auftretenden Zombies, kannibalischen Dämonen, die auf Spanisch parlieren, „seelenfressenden“ Dimensionsportalen und in Reimen sprechenden Barden) und dabei zwangsläufig die ein oder andere kleben bleibt. Das ist nicht immer arg sinnig (und manchmal logisch bedenklich – woher Krieger Frederik in einer Welt, die ansonsten den modischen Stile einer renaissance fair pflegt, seine Armeetarnklamotten her hat, wäre schon eine Ergründung wert), aber eben immer wieder überraschend genug, um bei Laune zu halten; wann immer einer dieser Einfälle nicht zündet oder Gefahr läuft, sich totzulaufen, schüttelt Kemper sich eine neue Idee aus dem Ärmel. Langweilig wird’s nie, verwirrend ab und an schon.

Der betriebene Aufwand an Sets und Locations ist überschaubar – die meiste Zeit spielt der Streifen in guter alter Amateurfilmtradition im Wald, aber man hat immerhin mit den „Ruinen“ und dem Portal in die andere Dimension ein paar Bauten hingezimmert. Dafür gibt’s einen – wie gesagt – sehr umfangreichen Cast mit liebevoll gestalteten Kostümen (mit Ausnahme vielleicht der etwas cartoonesken grün gewandeten und mit Laub verzierten „Waldbewohner“, dafür aber hat man wenigstens einen ganzen Schwung dieser Kostüme gebastelt – und die Schwerter könnten etwas weniger offensichtlich aus Plastik sein. Da hat man wohl den nächstbesten LARP-Shop geplündert), ein paar atmosphärische Szenen in einem Kellergewölbe, eine beeindruckend „kalte“ Sequenz in der „Zwischenwelt“, die die Dimensionen voneinander trennt und die in Schwärze gehüllte „absolute Ruhe“ – für ein wenig visuelle Abwechslung ist also gesorgt. Kameraführung und Schnitt bewegen sich im oberen Amateur-/Indie-Bereich, die musikalische Untermalung (für die u.a. die bereits bei „Moving“ eingesetzte Mittelalter-Rock-Kapelle „Die Schnitter“ sorgt) ist meist passend.

Einige passable digitale Effekte werden immer dann eingesetzt, wenn’s um Magie geht – wird niemand mit Industrial Light & Magic verwechseln, ist aber völlig zweckdienlich. Für die Splattercrowd gibt’s eine Handvoll Gore-Effekte, die’s wegen mir (und der Story wegen auch) nicht unbedingt gebraucht hätte und den insgesamt eher leichten Ton des Films nicht treffen und die „große Actionszene“, in der Sanjonara und die Amazonen gegen ein Rudel der Waldkreaturen kämpft, ist für Amateurverhältnisse gut choreographiert und inszeniert.

In Punkto Darsteller gratuliert Chauvinistenschwein Doc erst mal dazu, dass eine wirklich erstaunliche Anzahl hübscher junger Damen zur Mitwirkung genötigt werden konnte, und die allermeisten machen auch schauspielerisch nicht die schlechteste Figur. Die meisten Aktiven gehören zu Kempers Stamm-Company und waren schon in „Moving“ und/oder bei den „Mörderrucksäcken“ am Start. Alexandra Desoi ist eine angemessen fragile, zarte Sanjonara, Gerrit Reinecke überzeugt als unvorsichtiger Achilles. Für Siries hätte ich mir einen etwas prägnanteren Akteur gewünscht als den Regisseur selbst und Tino Rakut (der die gleiche Rolle schon im 2002er-Film spielte) hat zwar ein-zwei gute Sprüche am Start, aber nicht ganz die Präsenz, die seine Figur als apostrophierter „Krieger“ haben müsste. In kleineren Rollen haben mich vor allem Christine Pflüger als Amazonen-Chefin Tatjana und in seinem mehr als amüsanten Kurzauftritt Jay Luis Martinez als Dämon für sich gewinnen können. Insgesamt ist festzuhalten, dass die Schauspielerei für die Verhältnisse eines Amateurfilms mehr als nur in Ordnung geht – keiner blamiert sich, niemand fällt extrem negativ auf (vielleicht einige unbedeutende Bit Parts).

Vertrieben wird die „Die Waldbewohner“ DVD-technisch von D.O.T.H. und bietet einen soliden Bildtransfer (ca. 1.85:1, non-anamorph), gut verständlichen Dialogton und angemessenen Musikmix – da kann sich so manches Budgetlabel für professionelle Releases die ein oder andere Scheibe abschneiden. Als Zugaben gibt’s neben einem Rudel Trailer für andere spontitotalfilm-Projekte 13 Minuten Outtakes sowie den Kurzfilm „Unter Merryland“, einen eher kryptischen „Blair Witch“-Verschnitt undurchschaubaren, aber stimmungsvollen Zuschnitts. Solides Package.

Zusammenfassend: „Die Waldbewohner“ ist ein ambitioniertes Projekt für einen Amateurfilm – Ralf Kemper nimmt sich eine Menge „scope“ vor, packt Ideen für drei Filme in den Plot und scheitert insgesamt ein wenig am eigenen Anspruch. Das Drehbuch geht zum Finale hin etwas sehr in Konfusion auf und das große epische Feeling mag sich angesichts der verständlicherweise begrenzten Möglichkeiten nicht wirklich einstellen, aber – und das ist ein großes Aber – insgesamt ist der Film dank der vielen schrägen Ideen und des nicht sonderlich ernsten Grundtons absolut ansehbar und unterhaltsam, auch dank der gut aufgelegten Akteure und der soliden Regiearbeit. Vielleicht hätte Kemper noch mal einen „Externen“ über’s Script sehen lassen sollen, um die ein oder andere haklig-unübersichtliche Stelle etwas zu begradigen und etwas mehr Struktur in die Geschichte zu bringen, handwerklich sind die Fortschritte gegenüber „Moving“ unverkennbar und im Vergleich zum müden „Überfall der Mörderrucksäcke“ (der letztlich ein weiterer Beweis dafür ist, dass beabsichtigter Trash nur selten funktioniert) hat „Die Waldbewohner“ mehr als genug Substanz für abendfüllende Laufzeit. Aufgeschlossene Fans des gepflegten Amateurfilms sollten mal reinschauen.

3/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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