
- Deutscher Titel: Die Spur führt nach Soho
- Original-Titel: The File of the Golden Goose
- Regie: Sam Wanamaker
- Land: Großbritannien
- Jahr: 1969
- Darsteller:
Yul Brynner (Pete Novak), Edward Woodward (Arthur Thomsen), Charles Gray (Eule), Walter Gotell (Leeds), Karel Stephanek (Müller), Graham Crowden (Smythe), Adrienne Corri (Angela Richmond), Anthony Jacobs (Firanos), Hilary Dwyer (Ann Marlowe), John Barrie (Sloane), Ken Jones (Stroud), Ivor Dean (Reynolds)
Vorwort
Frankreich, England, die USA – eine Verbrechenswelle überzieht den Globus, und der gemeinsame Nenner sind ausgezeichnet gefälschte US-Dollar-Noten. Hier ist offensichtlich ein international tätiger Fälscherring am Werk, der vor keiner Gewalttat zurückschreckt, um unliebsame Mitwisser auszuschalten. Aber auch die aufrechten Männer des Gesetzes, die hinter den Fälschern her sind, leben gefährlich. So wird der amerikanische Schatzaamtagent Owens, der mit Scotland Yard in England arbeitet, im Zug von Liverpool nach London erstochen. Und Pete Novak, der jenseits des Großen Wassers die amerikanische Seite des Falls beackert, trifft’s ganz besonders tragisch. Das auf ihn verübte Attentat streckt nicht ihn, sondern seine Freundin Ann, der er gerade noch verklickert hat, dass er sie nicht heiraten will, um sie nicht jung zur Witwe zu machen, fatal nieder. Das erledigt zumindest die Witwenproblematik und motiviert Novak ganz persönlich, als man ihm den Vorschlag unterbreitet, Owens‘ Nachfolge als amerikanischer Vertreter in London anzutreten.
Novak hat ganz eigene Vorstellungen von der Handhabung des Falles. Am liebsten würde er als Einzelkämpfer arbeiten, Scotland Yard drängt ihm allerdings als Partner Arthur Thomsen auf, der so gar nicht Novaks Vorstellungen des taffen Haudrauf-Agenten entspricht und zudem ausgesprochener Familienmensch (mit Frau und zwei Kindern) ist. Doch der Ami muss sich mit der Vorgabe arrangieren. Owens hat immerhin so viel herausgefunden, als dass eine Spedition in Liverpool irgendwie im Blütenvertrieb hängt. Novak entwirft einen Plan – neulich gab’s in Schottland einen Goldraub, dessen Täter sich per feurigem Autocrash gen Walhalla verabschiedet haben. Allerdings *könnten* doch zwei Bandenmitglieder überlebt haben und nun auf der Flucht vor der Polente sein. Das wären dann Novak und Thomsen, ersatzweise jetzt Bruckner und Davis, die sich in Liverpool in einer bekannten Gangsterabsteige einmieten. Es dauert in der Tat nicht lange, bis die vermeintlichen Ganoven dem Chef der Spedition, George Leeds, vorgestellt werden, und der kann ambitionierte Nachwuchskräfte stets in seinem Unternehmen brauchen. Kurze Zeit später haben sich die Agenten genug Vertrauen erarbeitet, um eingeweiht zu werden. Leeds‘ Firma übernimmt in der Tat die Verteilung der Blüten in der Region – weil polizeilich gesucht, sollen Davis und Bruckner im „Innendienst“ arbeiten. Leeds‘ rechte Hand Martin traut den Neuen aber nicht so recht über’n Weg und blöderweise kennt er eine vormalige Schnalle des in Schottland verglühten Goldräubers, deren Bande unsere Helden ja angeblich angehörten. Die entsprechende Konfrontation mit Novak/Bruckner endet mit einem unfreiwilligen Asphaltköpfer Martins vom Dach.
Die Komplikation erweist sich aber als günstig für das weitere Vorgehen, erlaubt es Novak/Bruckner, sich wütend aus Leeds‘ Organisation abzuseilen und nach London zu tingeln, wo sich die „Eule“, ein bekannter Fälscher, der Leeds mit den zu verteilenden Blüten versorgt, herumtreiben soll, dieweil Davis/Thomsen sich bei Leeds in der Hierarchie bis auf Martins Job hocharbeitet. Novak spürt die Eule, Fan von schwulem Sex und türkischen Bädern, in London auf und erweckt mit ein paar strategisch verteilten falschen Dollarscheinen sein Interesse. Novak kassiert zwar erst mal eine Tracht Prügel für unautorisiertes Falschgeldverteilen im Eulenrevier, doch hat er einen Trumpf im Ärmel. „Seine“ Druckplatten, von einem in Amiland einsitzenden deutschen Fälscher, sind von besserer Qualität als die der Eule, die dafür über das authentischere Papier verfügt. Eule schlägt eine Zusammenarbeit vor. Da Novak verständlicherweise aber nicht an der Mittelmanagement-Ebene des Fälscherrings interessiert ist, besteht er darauf, nur mit dem Boss der Bosse verhandeln zu wollen. Inzwischen wächst auch sein Misstrauen gegenüber Thomsen, denn der berichtet ebenso verdächtig wenig über eigene Ermittlungsfortschritte wie ihm augenscheinlich sein neues Leben als Leeds‘ Nummer Zwo Gefallen bereitet…
Inhalt
Bekanntermaßen bin ich ein großer Fan von Pidax – das umtriebige Indie-Label widmet sich nun schon seit einigen Jahren dem Ausgraben vergessener Film- und Serienware und hat mittlerweile ja auch seinen Fokus etwas verbreitert – standen zunächst hauptsächlich deutsche oder deutschsprachige Produktionen im Vordergrund der Pidaxschen Produktpalette, kümmert sich das Label mittlerweile auch um internationalen Stoff, der in Programm „gewöhnlicher“ DVD-Anbieter kaum eine Chance hätte. Sicher kann man heutzutage jeden unterbelichteten Schwachmatenhorrorfilm an die Genresammlercrowd in teuren Mediabook-Releases andrehen (wobei ich grundsätzlich nix gegen teure Mediabook-Releases gesagt haben will – ich bin nur nach wie vor der Meinung, dass nicht jeder Debilenslasher von 1983 ein solches braucht. Es MUSS ja schließlich auch nicht zwanghaft alles veröffentlicht werden, für das es keinen rentablen Markt gibt), aber Non-Genre-Produktionen haben’s da schon deutlich schwerer, und dass Pidax sich auch um Titel kümmert, die selbst innerhalb eines Nischenmarktes noch ein Nischendasein fristen, und das dann auch noch zu erschwinglichen Preisen. Letzteres insbesondere dann, wenn der Laden seine Restbestände über den eigenen Webshop zu Kampfpreisen verschleudert. Da kauft der Doc dann regelmäßig und gerne ein 🙂
Und erst recht natürlich, wenn’s einen Thriller mit Diplom-Lockenköpfchen Yul Brynner zu erstehen gibt. Yul-Brynner-Filme kann man eigentlich nicht genug haben, denn ähnlich wie bei Chuck Norris oder Charles Bronson macht einen jeder Datenträger mit Yul-Brynner-Film drauf automatisch 10 % maskuliner und entsprechend attraktiver für’s andere Geschlecht. Und noch erst rechter natürlich, wenn’s ein Thriller mit Yul Brynner ist, von dem zumindest ich noch nie auch nur ein Sterbenswörtchen gehört habe. Mag am Originaltitel gelegen haben, dass der Streifen filmhistorisch gesehen keinen gesteigerten Fußabdruck hinterlassen hat, „The File of the Golden Goose“ ist jetzt nicht gerade ein testosteronstrotzender Titel, der Kinopublikum in Scharen die Lichtspielhäuser stürmen lässt. Der deutsche Verleihtitel „Die Spur führt nach Soho“ ist ein bisschen besser, aber immer noch nicht sonderlich aufregend (zumal der Stadtteilname Soho nicht ein einziges Mal im Film ausgesprochen wird. Spezifischer als „London“ wird’s geographisch nämlich nicht). Im Umkehrschluss bedeutet das für den geneigten Filmnerd, dass hier möglicherweise eine Entdeckung zu machen ist…
Wir haben’s mit einer britischen Produktion zu tun, die von David E. Rose, einem alten Hollywood-Haudegen, der schon den Senior-Douglas Fairbanks beraten hatte und für United Artists, Samuel Goldwyn Productions und Paramount Pictures hochrangige Vorstandspositionen bekleidet hatte, ehe er sich mit einer eigenen Firma in Großbritannien selbständig machte, angeschoben wurde. U.a. hatte er das Sidney-J.-Furie-Frühwerk „Doctor Blood’s Coffin“ produziert. „The File of the Golden Goose“ sollte seine letzte Produktion werden. Das Drehbuch schrieben John C. Higgins („The Black Sleep“, „Robinson Crusoe auf dem Mars“) und Vielschreiberling Robert E. Kent (einige „Dick Tracy“-Programmer in den 40ern, „Zombies on Broadway“, die 1962er-Version von „Tower of London“) – Profis, fraglos, aber auch verhältnismäßig, eh, alte Säcke, die nicht mehr unbedingt ganz auf dem Stand der Dinge waren. Ya see, 1969… da war die große Eurospy-Welle auch schon wieder rum, und selbst die mussten sich ja mit immer grandioseren Plotten schmücken, um mit James Bond mitzuhalten (der hierzumindest mal dialogtechnisch referiert wird) – wenn’s nicht um Weltherrschaft, totale Gedankenkontrolle oder mindestens den atomaren Erstschlag geht, tut man sich schwer, den Zuschauer hinterm sprichwörtlichen Ofen hervorzulocken, und die hiesige Mär um den garstigen Falschgeldring ist schon ein bisschen… unspektakulär, würde eigentlich eher in einen zeitgenössischen Edgar-Wallace-Film passen als in ein Ding, das schon irgendwo als Bond-Konkurrenzprodukt gedacht sein dürfte.
Regie führt der renommierte Charakter-Darsteller Sam Wanamaker („Berrenger’s“, „Superman IV“, „Billy Jack Goes To Washington“), der sich immer wieder mal als Regisseur versuchte („Sindbad und das Auge des Tigers“, „Catlow – Leben ums Verrecken“). Wanamaker und die Autoren täuschen zunächst ein Buddy-Movie-Motiv ein und spannen zwei ungleiche Charaktere zusammen, den harten Hund Novak, der ständig damit rechnet, in seinem Job über den Haufen geschossen zu werden und „richtige“ Beziehungen scheut, und den jovialen, umgänglichen und wenig gewaltaffinen Thomsen, die sich trotz ihrer unterschiedlichen Ansichten und Attitüden zusammenraufen müssen. Doch schon mit Ende des ersten Akts löst sich die Bindung zwischen den beiden nominellen Hauptfiguren und der Film entscheidet sich dafür, Brynners Novak zu verfolgen (Thomsen steigt dann erst wieder im Schlussakt so richtig ein), und das ist auch die richtige Entscheidung. Der Plot, stellen wir fest, reißt keine Bäume aus, aber durch Brynners motiviertes Spiel bleibt der Streifen absolut in der Spur. Es ist ein wahres Vergnügen, Brynner/Novak dabei zuzuschauen, wie er durch schiere Willenskraft, Sturheit und Aggressivität in der Organisation vorankommt, sich mit seiner rotzigen Ihr-könnt-mich-mal-Attitüde Ebene um Ebene in der Hierarchie hocharbeitet, bis er sich zur wahren Chefetage durchpokert, ganz egal, ob er dabei Scotland Yard nervt, aus unerfindlichen Gründen auf die Idee kommt, sein Partner hätte sich kaufen lassen oder seine Gang-Gegenüber so brüskiert, dass die irgendwann auf die Idee kommen könnten, der Deal mit ihm sei die Mühe nicht wert. Im Stile eines 80er-Jahre-Actionhelden onelinert er seine Gegner an und wirkt stehts wie ein angezündetes Dynamitpaket kurz vor’m Hochgehen. Da ist nur schade, dass das Script Brynner wenig wirkliche „Action“ ins Script schreibt (und die wenigen größeren Actionszenen auch nicht sonderlich patent inszeniert sind).
Wenngleich Thomsen als zweiter Held relativ blass bleibt und über seinen leutseligen Everyman-shtick hinaus wenig zu bieten hat (aber immerhin eine lustige Szene hat, in der er sich in der Eule Begleitung einer Zufallsbegegnung mit seiner Frau und ihrer plappernden Freundin zu entwinden versucht), haben wir trotzdem ein paar interessante Nebenfiguren. Einen offen schwul lebenden Charakter in einem Mainstream-Film von 1969 zu sehen, der nicht *komplett* als verlachenswerte comic-relief-Figur oder Satan persönlich gezeichnet wird, sondern durchaus auch Charme ausspielen darf, ist durchaus bemerkenswert und der sadistische Regenschirm-Killer Smythe hat eine gewisse Kinski-artige Creepiness. Unglücklich ist da schon eher der Aufbau der finsteren Organisation, bei der jede neue Enthüllung einer neuen Führungsfigur eine neue Enttäuschung auslöst – der „final reveal“ fällt sogar total auf die Schnauze (was aber insofern auch passt, weil auch der Auftakt verhunzt ist. Wenn die Gang Novak schon ausschalten will, noch ehe der überhaupt so richtig mit dem Fall befasst ist, kennen sie ihn ja wohl. Wie kann er dann so unauffällig die Gang infiltrieren, ohne aufzufallen?).
Wanamakers Regie ist zweckmäßig, wenig innovativ, aber – bis auf die erwähnt eher lahmen Actionszenen – durchaus praktikabel, wenngleich der Streifen weder von Aufwand, Scope noch Energie mit einem Bond-Film (oder einem besseren Bond-Imitat) mithalten kann. Es ist Brynner, der per schierem „force of will“ den Streifen vorantreibt und dafür sorgt, dass es nie langweilig wird. Dass Brynner in dieser Karrierephase oft besser als die Drehbücher waren, nach denen er zu spielen hatte, ist nichts grundlegend neues, fällt aber hier ganz besonders auf, wenn er ein 08/15-Script, das mit irgendwelchen britischen TV-Nasen ein betulicher Krimi geblieben wäre, zumindest in eine Liga hebt, in der man sich ob des Dargebotenene nicht um sein Eintrittsgeld betrogen fühlt, auch wenn Kameraarbeit, Stuntwork oder Musik strikt in der „nothing special“-Ecke bleiben. Völlig sparen sollen hätten sich Wanamaker und die Produzenten einen ziemlich furchtbaren voice-over, der gerade in der Anfangsphase viel zu viel zukleistert und Dinge erklärt, die uns nicht interessieren.
Die darstellerische Leistung von Yul Brynner habe ich jetzt genug herausgestellt, also können wir uns in diesem Absatz auf seine Kollegen konzentrieren. Edward Woodward, später selbst einer der men’s men als „Equalizer“ (und natürlich berühmt aus dem „Wicker Man“), spielt hier seine erste Kino-Hauptrolle und wer ihn nur aus der Kult-TV-Serie aus den 80ern kennt, wird sich wundern, wie komödiantisch Woodward seine Rolle hier als der lockere, beschwingte Part des Buddy-Duos anlegt. Charles Gray hatte schon einen Bond-Auftritt in „Man lebt nur zweimal“ hinter sich und sollte in Connerys Comeback „Diamantenfieber“ Erz-Bösewicht Blofeld verkörpern, bevor er spätestens durch seinen Part als „Criminologist“ in der „Rocky Horror Picture Show“ Unsterblichkeit erlangte. Als schwule „Eule“ ist er durchaus gut, legt den Charakter durchaus flamboyant, aber nicht zu sehr over-the-top an. Den fiesen Killer Smythe verkörpert der schottische Veteran Graham Crowden („Jenseits von Afrika“, „In tödlicher Mission“) angemessen schuftig, Walter Gotell (Genral Gogol in diversen Bond-Filmen, „Puppet Master III“) ist als Leeds noch der eindrucksvollste Banden-Vertreter, Anthony Jacobs („Doctor Who“) und Adrienne Corri („Doktor Schiwago“, „Uhrwerk Orange“) sind als höherrangige Bandenmitglieder ziemlich langweilig. Karel Stepanek („Unser Mann vom Secret Service“, „Die letzte Fahrt der Bismarck“) hat einen amüsanten Part als Fälschungsexperte der Bande, Hilary Dywer („Witchfinder General“) wird als Novaks Freundin gleich zu Filmbeginn erschossen (ein „Frauenfilm“ ist „Die Spur führt nach Soho“ definitiv nicht).
Pidax zeigt den Film in einem Print aus dem MGM/UA-Lizenzbestand in ordentlicher, aber nicht herausragender 1.66:1-anamorph-Qualität. Farben und Kontrast sind okay, in Totalen wird’s gelegentlich etwas breiig. Englischer und deutscher Ton werden jeweils in Dolby 2.0 geboten, Extras gibt’s nicht.
Insgesamt – „Die Spur führt nach Soho“ ist jetzt kein großer Klassiker, der zu Unrecht der Vergessenheit anheim gefallen wäre, aber ein solider Thriller, der mit einer konzentrierten Kraftanstrengung Yul Brynners, eine Energieleistung sondersgleichen, aus dem „meh“-Territorium ins Sehenswertland gehievt wird. Fans der Glatze sollten also unbedingt reinsehen.
(c) 2018 Dr. Acula
BOMBEN-Skala: 5
BIER-Skala: 6
Review verfasst am: 11.03.2018