Die Sklavinnen

 
  • Deutscher Titel: Die Sklavinnen
  • Original-Titel: Die Sklavinnen
  • Alternative Titel: Die Sexhändler | Swedish Nympho Slaves |
  • Regie: Jess Franco
  • Land: Schweiz
  • Jahr: 1977
  • Darsteller:

    Lina Romay (Arminda), Martine Stedil (Martine Radek), Vitor Mendes (Amos Radek), Esther Moser (Martha), Peggy Markoff (Vicky), Jess Franco (Radeks Assistent), Aida Gouveia (Lola), Raymond Hardy (Raymond), Yvonne Eduser (Ebenholz), Ronald Weiss (Rock), Eric Falk


Vorwort

Dem Vorsteher einer abgelegenen Polizeiwache läuft ein halbnacktes Mädel in mittelschwer verwirrtem Zustand vor die Füße. Der tapfere Gesetzeshüter findet heraus, dass es sich um eine Zwangsnutte handelt, die im Luxuspuff von Arminda schuftete. Aufgrund der Aussage der Geflüchteten wandert Arminda, der bislang nichts Illegales nachzuweisen war, hinter portugiesische Gardinen, doch ihre ehemalige Angestellte Lola assistiert ihr schon wenig später bei der Flucht.

Doch wie Arminda schnell feststellt, resultiert die Fluchthilfe nicht aus Menschenfreundlichkeit oder auch nur einem soliden Angestellten-Chef-Verhältnis, sondern weil sie mittlerweile auf der Lohnliste des Blobs, eh, will sagen, des fetten Millionärs Radek steht. Und Radek hätte so ein-zwei Fragen an Arminda… 1. Wo ist seine Tochter Martine, die zuletzt bei Arminda gesehen und dann entführt wurde? 2. Wo sind die fünf Millionen Dollar Lösegeld, die er für seinen Augenstern gelatzt hat? Durchaus berechtigte Fragen, meint Arminda (auch wenn die sie sich nicht ganz sicher ist, was davon Radek nun wichtiger ist), aber leider solche, die sie nicht beantowrten kann. Begreiflicherweise ist Radek von dieser Auskunft nicht sonderlich begeistert und übergibt Arminda in die fürsorglichen Hände seines hauseigenen Henchman und Folterknechts (der Regisseur garselbst). Und siehe da – ein kleines bisschen Haue und die ein oder andere auf den Möpsen ausgedrückte Zigarette regen das Gedächtnis Armindas dann doch an.

Martine, erinnert sie sich, war ihr bei einem ihrer regelmäßigen Scouting-Trips bezüglich im Bordell einsetzbaren Frischfleisches aufgefallen, doch zu ihrer eigenen Verwunderung verliebte sie sich in das Mädel und Martine gewann dem lesbischen Verhältnis nach anfänglichem Zögern auch so einiges ab. Mehr als drei Monate privaten Spaß mochte Arminda sich aber nicht gönnen. Auch auf Drängen ihres Geschäftspartners Raymond setzte sie Martine unter gedächtnisauslöschende Drogen und lieferte sie in ihren Puff ein. Das wäre auch gut gegangen, wäre Arminda nicht so ziemlich die einzige gewesen, die nicht ahnte, dass es sich bei Martine um eine international bekannte Jetsetterin und Millionenerbin handelt. Armindas Rivalin Ebenholz z.B., die der Konkurrenz nur zu gerne mal ausgiebig ans Bein pinkeln würde, kommt zu Ohren, dass Martine Rade in Armindas Puff anschafft. Ebenholz plant, Martine zu entführen, das Lösegeld zu kassieren und den ganzen kriminellen Akt elegant Arminda in die Schuhe zu schieben. Doch Arminda bekommt Wind von der Sache…


Inhalt

Der Jess. Der Franco. Der Manera. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber obwohl ich nun wirklich sehr sehr wenig Franco-Werke gesehen habe, die ich als „unterhaltsam“, „sehenswert“ oder – gasp – „gut“ einschätzen würde, ich kann dem 2013 gen Walhalla aufgefahrenen Oberzausel des Schundfilms irgendwie nix übelnehmen. Weswegen ich auch kürzlich, als die OFDb die Goya-Collection, also die Werkschau der Franco-Filme, die unter der Ägide von Erwin C. Dietrich entstanden, zum Spartarif rauskloppte, auch gnadenlos zuschlug und die Franco-Sektion meiner Filmothek um sieben Titel erweiterte.

Die Dietrich-produzierten Streifen geltend unter Francologen gemeinhin ja als so etwas wie die „silberne Ära“ des Maestros (zu unterscheiden von der „Gold-Ära“ um das Ende der 60er, als Franco für Produzenten wie Harry Alan Towers oder Atze Brauner arbeitete und mit halbwegs brauchbaren Budgets und internationalen Stars zumindest der zweiten Reihe arbeiten konnte.

Der Schweizer Dietrich war sicherlich kein Fan der künstlerischen Meriten der besten Franco-Filme, sondern jemand, der Leute suchte, die für wenig Geld schnell kommerziell erfolgreichen Kram drehen konnte und „kommerziell erfolgreich“ hieß Mitte der 70er übersetzt ungefähr soviel wie „Sex sells“. Es fällt auf, dass Franco für Erwin C. Dietrich fast ausschließlich sleazige Erotikfilme drehte (was seinem Voyeurismus sicherlich gefiel), aber wenig einbaute (oder einbauen durfte), was nur entfernt nach „Horror“ roch („Jack the Ripper“ und „Das Bildnis der Doriana Gray“, die zwei am ehesten als Horrorfilme einzuordnenden Streifen der Dietrich-Ära, kann man ja durchaus auch als Crime-Thriller respektive „Literaturverfilmung“ sehen]], den man ideologisch möglicherweise als einen frühen „torture porn“-Vertreter sehen könnte. Praktisch alle Franco/Dietrich-Kollaborationen drehen sich um gefangene/entführte/sonstwie gepiesackte Frauenzimmer und wiewohl das Genre für Franco auch kein komplettes Neuland war (Der heiße Tod mit Seelchen Maria Schell war sein erster Frauenknast-Ausflug, aber nun im Vergleich zu seinen späteren Werken wirklich ein erstens zahmer und zweitens hochpolitischer solcher, auch wenn seine Message [Liberalität ist zum Scheitern verurteilt, nur Autorität bringt Erfolge] vielleicht schon ein früher Abgesang auf die Hoffnungen der 68er-Bewegung war und Francos Namensvetter, dem General, eigentlich gefallen haben müsste), ist diese Phase von Jesses Karriere schon recht einseitig.

Immerhin – bei Dietrich hatte Franco keine üppigen, aber zumindest meßbare Budgets, die auch für Dreharbeiten an pittoresken südeuropäischen Locations reichten, mit Walter Baumgartner einen fähigen Kameramann und mit Peter Baumgartner einen soliden Komponisten, während die Darsteller sich abseits von Francos neuester Muse Lina Romay hauptsächlich aus Dietrichs Stammschauspieler-Fundus rekrutierten (weswegen z.B. Franco-Regulars wie Howard Vernon hier nicht zu sehen sind).

Nach dieser langen Vorrede kommen wir dann endlich zu unserem heutigen Film, dem etwas übertrieben reißerisch betitelten „Die Sklavinnen“ (denn letztlich geht’s ja nur um eine „Sklavin“). Eindeutig zu den „kleineren“ Produktonen der Dietrich-Ära zu zählen (womöglich sogar nur ein Nebenprodukt, dass Franco schnell heruntergekurbelte, wo er doch wegen der „Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne“ eh gerade in Portugal werkelte), mit überschaubarem Cast, überschaubarem Aufwand an Sets und Locations und, ähm, überschaubarem Aufwand bezüglich des Drehbuchs, entpuppt sich „Die Sklavinnen“ nach einer ganz netten Teaser-Sequenz, die sich, wie schon gesagt, beinahe 1:1 im nachfolgenden „Greta – Haus ohne Männer“ wiederfinet, als ziemlich dröges Sexdrama ohne ganz große Reize.

Überwiegend als Flashback erzählt (Arminda erinnert sich unter der garstigen Folter an die Vorfälle um Martine) dröselt sich eine ziemlich unspannende Geschichte auf, deren Hook – die Entführung Martines – nicht mal die Story selbst interessiert. Was mit Martine tatsächlich passiert ist (sofern wir Armindas Geschichte überhaupt ernst nehmen können, unreliable narrator, newa), bleibt unausgesprochen, am Ende geht’s dann doch nur um die verschwundenen Kohlen. Vom Narrative, falls man davon reden will, her gesehen zerfällt der Streifen dank seiner Struktur in verschiedene kurze Episödchen ohne großen Zusammenhang, es gibt keinen echten Flow in der Story, weil die Vignetten nur mühselig durch ein paar überleitende Sätze der gefolterten Arminda verbunden werden, keinen richtigen „Plot“ (im Sinne einer Story, die sich schlüssig von Punkt A über Event B zu Resultion C entwickelt) und natürlich gibt’s da auch das altbekannte Problem, dass Arminda in ihren Flashback von Vorfällen berichtet, die sie unmöglich kennen kann (z.B. die Besprechungen von Ebenholz und ihrem Handlanger). Wobei kurioserweise Arminda nicht nur die Flashbacks mit voice-over begleitet, sondern auch die Szenen in der „relativen Gegenwart“, was angesichts des Endes (oops) erst recht keinen Sinn macht (es sei denn, wir gehen davon aus, es nach Scared to Death mal wieder mit einem Film zu tun zu haben, der von einer Leiche narrated wird) – sieht alles sehr danach aus, als hätte Dietrich, der als Autor kreditiert ist, ein grobes Konzept gestrickt, Franco dann nach der „we make shit up as we get along“-Methode gearbeitet und dann versucht, per voice-over die ganze vermaledeite Chose noch irgendwie in ein Storykorsett zu pressen. Hat nich‘ so funktioniert.

Was natürlich auch daran liegt, dass „Die Sklavinnen“ ohne einen einzigen ansatzweise „positiven“ Charakter auskommt. Okay, ein gewisses pessimistisches Weltbild zieht sich wie ein roter Faden durch Francos Werk (nicht zuletzt repräsentiert durch seine verschiedenen de-Sade-Adaptionen) – dass das „Gute“ vom „Bösen“ entweder ausgenutzt oder korrumpiert wird, ist in einer ganzen Fuhre seiner Filme mehr oder weniger unterschwelliges Thema, aber in „Die Sklavinnen“ wird’s schon richtig nihilistisch. Alle, und zwar durch die Bank ALLE Figuren sind selbstsüchtige, verabscheuungswürdige Arschlöcher, und das schließt die nominelle Protagonistin Arminda (wir erinnern uns – Chefin eines Zwangsbordells und Rauschgiftdealerin) ebenso ein wie Martine (eine oberflächliche reiche Schickse, deren einziges Lebensziel es zu sein scheint, Papas Moneten zu verprassen, ohne selbst auch nur mal einen Finger zu rühren), naja, und der Rest der Figuren lässt sich aus keinem Blickwinkel der Welt als etwas anderes als „fieser Schurke“ bezeichnen (freilich ist Franco insoweit entschuldigt, als das Script, wie gesagt, von Herrn Dietrich verfasst wurde).

Das macht die ganze Sache natürlich ein wenig unspannend, wenn wir niemanden haben, dem wir – ob des vagen Plots wofür auch immer – die Daumen drücken können; gleichzeitig sind diese Bazillen aber auch nicht so abstoßend, dass wir uns mit einem fetten Grinsen im gesicht daran delektieren, wenn sie zwangsläufig ins Gras beißen (was dann, um dem Faß die Krone ins Gesicht zu schlagen, in erheblich geringerer Quantität geschieht als erhofft).

Trotz der kurzen Laufzeit von etwas über 70 Minuten gestaltet sich „Die Sklavinnen“ daher recht ermüdend – ja, es gibt erheiternde Episödchen wie die aufregendste Gefängnisflucht seit Alcatraz (Arminda seilt sich vom einer ungefähr eineinhalb Meter hohen Rampe ab, die Zweijährige ohne fremde Hilfe rauf- und runterklettern könnten), aber es gibt auch – wen wundert’s – langweilige Nachtclub-Stripszenen mit Damen von eher zweifelhafter Attraktivität und ein weiteres Franco-Trademark, die Inszenierung einer potentiell lustförderlichen lesbischen Sexszene auf die möglichst unästhetischte und unerotischte Art.

Die Kameraarbeit ist etwas sorgfältiger als bei den Eurociné-Produktionen aus den 70ern, steht doch mit Walter Baumgartner jemand hinter der Kamera, der durchaus weiß, wie’s geht – allerdings geizt Baumgartner mit den Franco-typischen Exzentritäten wie rätselhaften Zooms oder durch-irgendwas-durchfilmen. Der Score ist gewohnt lässig-beschwingt, wie man’s von Peter Baumgartner gewohnt ist, und zweifellos das Highlight des Films.

Denn wer jetzt auf ausgiebige abseitige Ausschweifungen perversester Art hofft, was bei der Kombination Jess Franco + Titel „Die Sklavinnen“ ja nun nicht völlig von der Hand zu weisen ist, sieht sich enttäuscht. Der Streifen ist relativ handzahm. Ja, es gibt Nacktheiten in allen Ausprägungen (inkl. Pillemann), aber alles ist für 70er-Jahre-Bahnhofskino geradezu überraschend harmlos (speziell, wenn man’s mit dem ungefähr zur selben Zeit entstandenen und außergewöhnlich mean-spirited angelegten „Greta – Haus ohne Männer“ vergleicht): alles schön schmierig und schmuddlig, doch wenig explizit.

Darstellerisch ist überwiegend Schonkost geboten. Lina Romay sieht zwar – speziell im Sarong (was mich wieder darauf bringt, dass der in Lissabon und Umgebung gedrehte Film peinlichst vermeidet, sich geographisch festzulegen) – dieses Mal sehr schnucklig aus, aber ’ne große Schauspielerin war sie nie (auch und gerade im Vergleich zu vorherigen Franco-Starlets wie Janine Reynaud oder Soledad Miranda). Außer Lina hat eh kaum jemand – schon allein aus Screentime-Erwägungen – großartig Gelegenheit, sich in den Vordergrund zu spielen. Martine Stedil („Frauengefängnis“, „Downtown – Die nackten Puppen der Unterwelt“) ward außerhalb von Franco-/Dietrich-Produktionen nicht gesehen – wundert mich nicht, denn die Dame ist offensichtlich talentbefreit. Fettsack Vitor Mendes (wundert mich ehrlich gesagt nicht, dass es den Herren im zarten Alter von 42 Jahren ins Jenseits befördert hat) ist auch in den Franco-Werken „Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne“ und „Der Ruf der blonden Göttin“ zu sehen, bringt aber außer seiner enormen Körperfülle nichts Gewinnbringendes ein. Peggy Markoff spielte einige kleine Rollen in der Franco-/Dietrich-Ära und verschwand dann von der Bildfläche (wie ihre hiesige Kollegin Esther Moser tauchte sie per Archivaufnahmen noch in Bruno Matteis Mondo „Libidomania“ auf). Für Yvonne Eduser („Ebenholz“) stellt „Die Sklavinnen“ nach kleinen Auftritten in „Mädchen im Nachtverkehr“ und „In 80 Betten um die Welt“ Abschluss und Höhepunkt ihrer Filmkarriere dar. Sichtlich gute Laune am bösen Spiel hat Maestro Franco selbst, der sich mal wieder die beste Rolle selbst zugedacht hat und den sadistischen Henchman des fetten Millionärs mimt, der Lina Romay foltern darf (ich denk immer wieder drüber nach, was für eine lustige Ehe das doch gewesen sein muss).

Bildqualität: Besser als Ascot Elite in der Goya-Collection kann man wohl solche billigen Schmuddelfilme kaum für das Heimkino reanimieren. Der 1.85:1-Print ist sicherlich nicht auf einem Level mit aktuellen Hochglanzproduktionen, aber schön sauber, but und kontraststark. Daumen hoch!

Tonqualität: Ausschließlich deutscher Ton in Dolby 2.0 mit optionalen englischen Untertiteln. Brauchbar, aber auch nicht mehr.

Extras: Neben einer Trailershow findet sich hier ein 45-minütiges Audio-Interview mit Jess Franco aus der Zeit der Entstehung dieses Films. Das Interview wird auf Französisch geführt und ist deutsch untertitelt. Persönlich finde ich aber – mangels ausreichender Franzmannsprach-Kenntnisse – diese Art von „Lesestoff“ recht anstrengend und hab’s nur drei-vier Minuten laufen lassen…

Fazit: Wenn Francos Zeit mit Erwin C. Dietrich seine „silberne“ Ära war, dann ist „Die Sklavinnen“ wohl der dabei angefallene Ausschuss – ein langweiliges, weitgehend plotfreies Möchtegernsexdrama, das sich sehr mühsam über seine 75 Minuten Laufzeit schleppt. Für Lina Romays Knuddligkeit und Jess Francos Folterknecht-Performance verleihe ich einen Bonuspunkt, doch merket auf: das ist ein Film für Franco-Komplettisten und nicht für Einsteiger.

2/5
(c) 2015 Dr. Acula


mm
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