Die Rache der Todesfaust

 
  • Deutscher Titel: Die Rache der Todesfaust
  • Original-Titel: Guang dong xiao lao hu
  • Alternative Titel: "The Master" mit den gebrochenen Händen | Der Meister mit den gebrochenen Händen | Jackie Chans Rache | Master with Cracked Fingers | Last Tiger from Canton | Little Tiger from Canton | Snake Fist Fighter | Snake Fist Ninja | Stranger in Hongkong | Ten Fingers of Death | Der Tiger von Kwantung |
  • Regie: Zhu Mu
  • Land: Hongkong
  • Jahr: 1971/81
  • Darsteller:

    Jackie Chan (Jackie Chan), Siu Tien Yuen (Old Master), Dean Shek (Landlord), Choi Hon Kwok (Little Frog), Yuen Biao (Pickpocket), Tien Feng (Jackies Onkel), Kwon Yeong-Mun (Big Boss)


Vorwort

Jackies Vater und dessen Bruder arbeiten für ein Gangstersyndikat, sind aber für diesen Job mit unangebrachtem Gerechtigkeitsempfinden ausgestattet und wagen es, gegen die grausamen Befehle des Bosses Protest einzulegen. Das macht die beiden bei der Chefetage freilich arg unpopulär – Jackies Vater beißt ins Gras und kann seinem Bruder nur noch auftragen, sich um seinen kleinen Sohn zu kümmern. Das tut der denn auch und erzieht Jackie ganz im Sinne der Nächstenliebe und mit strengem Kung-fu-Verbot. Das passt dem Knaben natürlich nicht – heimliches Zukucken bei der örtlichen Kung-fu-Schule findet wenig Gegenliebe des Lehrmeisters und so bleibt dem Kleinen nichts anderes übrig, als sich vertrauensselig der Ausbildung durch einen alten Bettler hinzugeben.
Der macht über die Jahre aus Jackie tatsächlich einen patenten Kampfkünstler und das ist auch gut so, hat sein Ziehvater als Betreiber eines Straßenlokals doch regelmäßig Ärger mit der Unterwelt. Aber auch, wenn Jackie Zechpreller zu Klump schlägt, ist es dem bösen Onkel nicht recht – er zwingt Jackie, seine Hände in zerbrochenes Glas zu stoßen. Der Bettelmeister pflegt Jackie zwar gesund, doch das dicke Ende kommt noch. Der Onkel wird von Syndikatsschergen, die ihn gerne zum Wiedereinstieg in die Verbrecherbranche bewegen möchten, halb tot geschlagen, und Jackie ist in der Zwischenzeit den Gangstern einmal zu oft in die Quere gekommen, so dass sie die Familienhütte abfackeln (ohne wirklich zu wissen, dass zwischen Onkel und Neffe tieferer Zusammenhang besteht). Der Onkel verbrennt und auch Jackie brennt, und zwar auf finsterste Rache. Der Bettelmeister ist nur zu gern bereit, seiner Ausbildung den notwendigen Feinschliff hinzuzufügen…


Inhalt

Ein weiteres Frühwerk von Jackie Chan erlebt unter neuem Titel („Die Rache der Todesfaust“) ein Comeback als Grabbeltisch-DVD. Selbst zu Zeiten, als beinahe im Wochentakt Jackie-Chan-Titel in die Videotheken gespült wurden, war dieser Film so unbekannt, dass mir hartgesottene Easternfans einfach nicht glauben wollten, dass es einen Film mit dem zugegeben sperrigen Titel „The Master mit den gebrochenen Händen“ wirklich geben soll…
„Herr Rechtsanwalt, da hat jemand meinen Film geklaut…“
Sehr vernünftig, das Lokal ins Freie zu stellen. Geht doch eh dauernd kaputt.

Dabei ist wie so oft schon allein die Produktionsgeschichte des Streifens ziemlich absonderlich… „The Master“ war Jackies aller-allererste Filmhauptrolle und dafür, dass er 1971 ein ziemlicher Nobody war, ließ ihm der als Regisseur eher mit einer undistinguierten Karriere gesegnete Zhu Mu (auch verantwortlich für „Police Woman“, der unter Titeln wie „Young Tiger“ oder „Rumble in Hong Kong“ auch gerne als Jackie-Chan-Klassiker vermarktet wird, obwohl er dort nur eine kleine Nebenrolle als Gangster spielt, und den hier besprochenen Eagle Shadow Fist) überraschend freie Hand bei der Gestaltung der Kampfszenen. Leider ging der Produktion unterwegs das Geld aus, der unvollständige Streifen lag jahrelang auf Halde (bis auf eine angeblich 1974 für den taiwanesischen Markt hastig zusammengeklöppelte Fassung), bis Jackie Chan mit „Die Schlange im Schatten des Adlers“ und „Drunken Master“ plötzlich und unerwartet (weil Lo Wei ja jahrelang vergeblich versucht hatte, aus Jackie einen Bruce-Lee-Nachfolger zu formen) zum Superstar wurde. Ein findiger Produzent erinnerte sich an den alten Heuler, organisierte sich, auf welchem halblegalen Weg auch immer, ein paar Minuten „Drunken Master“-Footage, engagierte „Drunken Master“-Co-Star Siu Tien Yuen und den Dritte-Klasse-Kung-fu-Comedy-“Star“ Dean Shek (Karate Bomber, „Schlitzohr und Schlitzauge“), drehte mit denen noch eine Comedy-Kampfroutine und überbrückte ein paar pick-up-shots mit einem (nicht gerade überzeugenden) Jackie-Chan-Double und, presto, quasi ohne Aufwand war ein neuer Jackie-Chan-Film entstanden, den man den Naivlingen auf den internationalen Märkten andrehen konnte – es wundert nicht, dass der umtriebige Schundproduzent Dick Randall (Söldner des Todes, Fröhliche Weihnacht) seine gierigen Griffel bei dieser Operation im Spiel hatte.
Beim Vogeltanz ist er die Nummer Aaans…
Kick it like Chan-ham.

War’s dann die Mühe wert? Naja. Sagen wir mal so – für einen frühen prä-Weltstarruhm-Jackie-Chan-Film ist „The Master“ erträglich. Es ist nun mal ein traditioneller Martial-Arts-Klopper, und für kaum ein anderes Genre gilt das alte Mantra „kennt man einen, kennt man alle“. Von einer Story im Wortsinne kann nicht gesprochen werden, es werden halt ein paar mehr oder weniger zusammenhängende Episoden abgespielt, die mühselig von einer Art Rahmenhandlung zusammengehalten werden und in die mit eher überschaubarer technischer Expertise die diversen „Drunken Master“- und nachgedrehten Clips eingestreut wurden. Gerade der Einbau dieser ursprünglich filmfremden Elemente sorgt für eine ziemliche Unausgeglichenheit. In seiner geplanten Urfassung war der Streifen schätzungsweise recht ernst gemeint, aber die neu hinzugefügten Szenen ziehen die Sache halt – weil pure Comedy – ins Lächerliche, zumal sich die Comedy auf dem für 70er Jahre typischen Hongkong-Holzhammer-Niveau bewegt (also wird z.B. auch nicht vor beherzten Furzgags zurückgeschreckt). Gut, die Chinesen haben da andere kulturelle Vorstellungen, aber auch wenn man diese Differenzen ins Kalkül zieht, bleibt es dabei, dass sich der eher pubertäre Humor (der dann auch dazu führt, dass schon mal eine für den Lacher gespielte „Kampfszene“ mit der Melodie von „Popeye, der Seeman“ beschallt wird) mit den dramatischen Szenen (neben dem Abbrennen der Hütte samt Onkel wird auch noch der Taschendieb, der mit Jackie sort-of-befreundet ist, vom Syndikat ermordet) heftig beißt. Bei einem Patchwork-Job muss einen das freilich nicht wundern und insgesamt ziehen sich die Produzenten hier noch relativ achtbar bei dem Versuch, eine kohärente Storyline zu entwerfen, aus der Affäre.
„Schicke Lampe, Chef. Bei IKEA gekauft?“
„Komm nur her, ich bin Bruce Lee. Nee, Lai. Nee, Li. Ach, egal. Lass kloppen!“

Von der technischen und kampfsportlichen Seite her kann man konstatieren, dass Jackie hier schon sehr früh einiges von dem ausprobieren konnte, was er sieben-acht Jahre später perfektionierte. Sein Kampfstil hebt sich bereits deutlich vom althergebrachten Muster ab, ist deutlich stärker auf Akrobatik denn auf Realismus angelegt – lediglich der Showdown unterwirft sich den traditionellen Genrezwängen, beeindruckt aber durch eine solide Kampfchoreographie, obwohl beide Kämpen mit verbundenen Augen agieren, was die Sache für den ausführenden Martial Artist selbstredend ungleich schwieriger macht (zumal hier auch ein wenig Swordsplay ins Spiel kommt). Die Inszenierung der Kampfszenen erfolgt in einer aus heutiger Sicht seltsamen Mischform – speziell im schon erwähnten Showdown regiert, wie im traditionellen Martial-Arts-Film üblich, die Totale bis Halbtotale, die Fights, die eindeutig Jackies eigener Kampfchoreographie entsprechen, sind schon eine vorsichtige Andeutung des auch von Chang Cheh und Wang Yu mit der The One-Armed Swordsman-Seire geprägten Stilmittels, mit der Kamera dicht an das Kampfgeschehen heranzugehen, die Fights dynamisch um flexible Kamerapositionen zu choreographieren anstatt, wie’s der Väter Sitte war, die Kamera starr aufzustellen und dann halt abzufilmen, was die Herren Kämpfer denn so anstellen. Wie gesagt – das ist noch lange nicht perfekt, doch schon ein aus historischer Sicht recht spannender Indikator für die Entwicklung des Stars und des Hongkong-Kampfsport-Kinos allgemein.

Die Patchwork-Natur des Films lässt sich freilich auch in der handwerklichen Machart bemerken – die Continuity ist von der eher bedenklichen Sorte (und in einer Szene bei Bösewichtens Daheim baumelt eine verflucht modern aussehende, eindeutig elektrische Deckenlampe in einem Wohnzimmer, was vom geschichtlichen Kontext nicht ganz hinhauen sollte), die eingefügte Comedy-Szene mit Dean Shek passt stilistisch nicht wirklich zum Restfilm und die abenteuerliche Schnittechnik, mit der während einiger Kämpfe Jackies auf den aus dem Hintergrund Motivationsfloskeln absondernden Bettelmeister geschnitten wird, ist schon stellenweise arg lachhaft (Jackie kämpft am Hafen mit irgendwelchen Goons und per Zwischenschnitt brüllt der Bettler aus einem Wald heraus taktische Anweisungen).

Was überrascht ist, dass Jackies „screen persona“ hier schon wesentlich stärker ausgeprägt ist als in anderen, späteren Werken aus seiner „Übergangsphase“ wie dem bereits zitierten „Karate Bomber“ – Naivling, der sich selbst in Schwierigkeiten bringt, das ist eine Formel, die Jackie in den kommenden Jahren zur Perfektion weiterentwickeln sollte. Das ist sicherlich zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere noch sichtlich ausbaufähig, aber auch hier schon eine leichte Andeutung folgender Großtaten. Sie Tien Yuen macht in seinen neugedrehten Szenen nichts anderes als eben beim „Drunken Master“, Dean Shek zelebriert eine schwuchtelige Comedy-Routine, für Freunde der späteren Chan/Hung/Biao-Kollaborationen gibt’s einen frühen Auftritt von Yuen Biao („Powerman“, „Righting Wrongs“) als übel endendem Taschendieb.

Bildqualität: Die ist natürlich nicht der Rede wert. Das 2.35:1-Format des Films wurde auf ein ca. 1.56:1-Letterbox zusammengecropped. Schärfe- und Kontrastwerte sind allenfalls knapp unterdurchschnittlich, Defekte und Verschmutzungen halten sich zwar in Grenzen, sind aber auch nicht zu übersehen (ebenso wie ein vertikaler schwarzer Schatten, der sich zur Filmmitte mal fast formatfüllend über die Mattscheibe zieht). Die FSK-12-Fassung ist zudem in den härtesten Szenen (u.a. der den früheren deutschen Titel hergebenden „Hände-in-Glas-brechen“-Szene) geschnitten, die ebenfalls geschnittene FSK-18-Version ist ca. 2 Minuten länger. Es scheint hier einmal mehr einen unübersichtlichen Wust diverser Auflagen aus dem Best-Entertainment-Umfeld zu geben (meine firmiert unter dem Herausgeberkürzel NUM und besticht einmal mehr mit einem Etikettenschwindel, da mit einem Chan-Foto etwa zu „Rumble in the Bronx“-Zeiten becovert).

Tonqualität: Ausschließlich deutscher Ton in Dolby 2.0-Qualität. Es scheint sich hierbei zumindest teilweise (aufgrund der sehr sterilen Dialogtonqualität) um eine Neusynchro zu handeln, auch der Soundtrack scheint überwiegend, wahrscheinlich hier aber schon vom Lizenzgeber, neu zu sein. Der größte Teil der Shek/Yuen-Kampfszene liegt auf Englisch mit festen deutschen Untertiteln vor.

Extras: Eine Bildergalerie.

Fazit: Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die wenigsten Jackie-Chan-Filme, die vor „Drunken Master“ entstanden, wirklich etwas taugen, aber „The Master“ zieht sich noch einigermaßen passabel aus der Affäre. Der Film wurde durch die Nachbearbeitung zwar eindeutig zu seinem strukturellen Ungunsten in das Comedy-Format gezwängt, das Jackie durch „Drunken Master“ etablierte und das Recycling des „DM“-Materials ist per se indiskutabel, ich kann dem Film aber nicht absprechen, dass er schon schüchtern aufzeigt, in welche Richtung Chan sich noch entwickeln sollte – und das in einem Film, der entstand, bevor Jackie sich als Stuntman in Bruce-Lee-Filmen verdingen musste. Unter dieser Maßgabe – kein speziell wirklich * guter * Film, aber einer, den Jackies echte Fans wohl doch haben müssen (und auf jeden Fall dringlicher als Eagle Shadow Fist oder „Rumble in Hong Kong“). Sollte einem die Scheibe auf dem Supermarktgrabbeltisch für 2 Euro über’n Weg laufen, darf seitens dieser Zielgruppe – ungeachtet der technischen Schwächen der DVD – zugegriffen werden. Daher mit zwei zusammengekniffenen Augen und Berücksichtigung der „filmhistorischen“ Aspekte gaaaanz knappe drei Punkte.

Mittlerweile hat der Film von MIG einen amtlichen Blu-Ray-Release unter dem Titel „Der Meister mit den gebrochenen Händen“ spendiert bekommen. Die Fassung der Wahl. Wer’s preiswert mag, findet den Film unter dem Titel „Jackie Chans Rache“ auf einer von einem namenlosen Label aus dem Great-Movies-Umfeld vertriebenen Jackie-Chan-Blu-Ray-Box, die zwölf Filme in SD-Qualität auf eine blaue Scheibe presst und ist dabei einer der wenigen Beiträge in der Box, in denen Jackie tatsächlich eine Hauptrolle spielt (überwiegend bekommt man dort Frühwerke mit Jackie in Nebenrollen oder in späteren Cameo-Auftritten zu sehen).

3/5
(c) 2010/17 Dr. Acula


mm
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