- Deutscher Titel: Die Pranke des gelben Löwen
- Original-Titel: Nan bei shi wang
- Alternative Titel: Roar of the Lion | Lion vs. Lion |
- Regie: Yueh Sheng Chien, Hsia Hsu
- Land: Hongkong
- Jahr: 1981
- Darsteller:
Lo Meng (Ah Yue), Wong Yue (Ah Cun), Wang Lung Wei (Bill Zhu), Yang Pan Pan (Red Lady), Chen Yueh Sheng
Vorwort
China, mal wieder in den Wirren der Auseinandersetzungen zwischen Mandschu-Kaiserlichen und Han-Chinesen der Qing-Dynastie. Loyale Han-Patrioten haben die Mitgliedsliste ihrer Geheimgesellschaft in zwei Teile getrennt, die nur zusammengefügt lesbar sind. Die Liste soll zu Bill Zhu, der in einer Provinzstadt eine Kung-fu-Schule betreibt. Red Lady, die Han-Agentin, die für den Transport des ersten Listenteils verantwortlich ist, rekrutiert den naiven, gerade wegen unerwarteter Unbestechlichkeit gefeuerten Ex-Polizisten Ah Yue als Ablenkungsmanöver. Yue, der keine Ahnung hat, was er (bzw. eigentlich nicht) zustellen soll, gelingt es wider Erwarten tatsächlich, das Paket bei Zhu abzuliefern. Das beeindruckt die Lady genug, um Yue auch für den Transport der zweiten Liste anheuern zu wollen, doch der Ex-Bulle (und selbstverständlich famose Kung-fu-Kämpfer) ist mittlerweile Ah Cun auf dem Leim gegangen, einem Gelegenheitsgauner, der die Chance wittert, seinen Grips (oder das, was er dafür hält) und Yues Muskelkraft gewinnbringend zu kombinieren.
Nachdem das Duo zunächst mal Ah Cuns Boss, einen Sargtischler, lukrativ foppt, verfällt Ah Cun auf den Gedanken, eine Kampfschule zu gründen, mit Yue als Instruktor. Da Schülerzahl und somit Umsatz einer Schule wesentlich von deren Renomée abhängt, verkloppt Yue auf Cuns Geheiß die Lehrer der Konkurrenz. Letzter Rivale am Orte ist schließlich die Schule von Bill Zhu…
Der traditionelle Löwentanz-Wettbewerb ist Zhus Spezialgebiet und da Meister Bill davon ausgeht, dass es eh niemand mit seiner Schule aufnehmen will, wird die zweite Mitgliederliste in das Siegesband integriert. Dumm nur, dass Ah Cun und Ah Yue sich spontan entscheiden, Zhu herauszufordern und unter Zuhilfenahme zahlreicher unerlaubter Mittel die Competition für sich entscheiden. Das ist jetzt nicht nur blöd für die Han-Rebellen und Zhus guten Ruf, denn kaiserliche Agenten sind begreiflicherweise ebenfalls hinter der Liste her und ganz besonders doof, zumindest jetzt mal für Cun und Yue, ist, dass Bill Zhu ein fieser Verräter ist und eigentlich für Kaisers arbeitet…
Inhalt
Stoff von den Shaw Brothers – das sollte eigentlich für Qualität bürgen und deswegen hatte ich auch keine großen Hemmungen, beim Woolworth-Grabbeltisch zuzuschlagen, als es dort Shaw-Klopper aus der ruhmreichen Celestial-Remaster-Neuauflage für den Gegenwert eines durchschnittlichen „Great Movies“-Schlonzers zu erstehen gab. Wie so oft wäre aber vorab der Blick in ein Nachschlagewerk angebracht gewesen, denn hätte ich auf Anhieb gewusst, dass der von mir verhaftete „Die Pranke des Gelben Tigers“ von 1981 datiert, ich hätte es mir womöglich anders überlegt (oder auch nicht).
Denn eins wissen wir auch als Gelegenheits-Asia-Gedöns-Kucker und Filmfreunde, die nicht die Castliste jedes Chang-Cheh-Films bis hin zum 28. imperialen Soldaten links herunterbeten können, schon – 1981 war der Stern des Shaw Brothers-Studios schon ein wenig verblasst, weil man (und das ist eine ganz witzige Parallele zu den britischen Hammer Studios, mit denen Shaw Mitte der 70er ja mehrfach kooperierte) die Zeichen der Zeit verpasst hatte, immer noch hauptsächlich an den bewährten Mitteln und Methoden von vor zehn Jahren festhielt und wenn man mal vorsichtig über den eigenen Tellerrand hinweg schielte, gerne mal spektakulären Trash produzierte ([Invasion aus dem Innern der Erde], hust-hust).
Der „Gelbe Löwe“ ist traditionell – mit dem integralen Problem, dass „traditionelles Kung-fu-Kino“ gerade dabei war, sich obsolet zu machen bzw. im B-Bereich der anspruchslos heruntergeholzten „Knochenbrecher“-Filme zu versumpfen. Und das ist das nächste Problem – wie so viele der „Knochenbrecher“-Klopper sollte der „Gelbe Löwe“ nicht nur Action, Kung-fu und Pathos beinhalten, sondern auch, stockschwerenot, „lustig“ werden. Wie „lustig“ Hongkong-Komödien, wenn nicht Naturtalente wie Jackie Chan, Sammo Hung oder der Hui-Clan beteiligt sind, gerne mal werden, weiß mein Therapeut, und wie „gut“ pathoserfülltes Melodrama und Holzhammer-Komedypopomedy Marke HK zusammenpassen, wird man dereinst als meine Grabsteininschrift bewundern dürfen.
Sezieren wir exemplarisch die ersten paar Minuten dieses Films – wir steigen ein am Mandschu-kaiserlichen Hofe, wo der sieben Jahre alte Kaiser einen Han-„Boxer“ (ja, es ist die Phase, in der deutsche Synchros aus Kung-fu-Kämpfern grundsätzlich Boxer machten) gegen eine Mandschu-Fighter antreten lässt. Der Han gewinnt und wird zur Belohnung umgehend von kaiserlichen Bogenschützen zum Stachelschwein umoperiert. Von dieser harschen Szene (in der auch nicht an Blut gegeizt wird) schalten wir um zu Yues Polizeirevier, wo die Polizisten ausgiebig darüber diskutieren, wer „den Längsten“ (Zopf, that is – weil der mit dem längsten Zopf wird der neue Chef!) hat. Brüller! (Und das ist noch einer von den geistreicheren Späßen…).
Nu ja, es ist also ’ne recht simple Sache – Grundlage dessen, was wir in Ermangelung eines besseren Wortes mal so „Plot“ nennen wollen, ist ’ne 08/15-Mandschu-Schmandschu-Rebellion-und-Verrat-Geschichte, die wir höchstwahrscheinlich schon x-tausendmal (und, um eine arg strapazierte Formulierung einmal mehr zu gebrauchen, oft und gern auch besser) gesehen haben, hier aber mehr oder weniger nur das framing device für die reichlich unlustigen Eskapaden zweier vollgenerischer Stereotypen (der Kleingauner, dem’s nach Größerem steht, und dem naiv-tumben, gutmütigen Kämpfer, der sich ausnutzen lässt) darstellen, denn – so ziemlich genau die mittlere Stunde des eh für ein nicht gerade Premiumklassen-Kung-fu-Produkt nicht gerade kurzen Streifens lang interessiert uns die ganze Han-Qing-Rebellen-Kaiser-Liste-Agenten-Geschichte nicht die Bohne; und wenn’s dann endlich so weit ist, dass die „politische“ Seite der Story wieder ins Rollen kommt, muss das Script einen völlig unglaubwürdigen character turn für eine bislang nicht mal andeutungsweise „böse“ gezeichnete Figur (ach was, ich hab’s ja oben schon gesagt, Bill Zhu ist das fiesmorchelige Verräterschwein) aus dem Hut zaubern – und flugs wird aus der nicht mal mit Fäkalhumor geizenden Buddy-Komödie Heroic Bloodshed vom Melodramatischten – everybody dies! (Äh, SPOILER?). Ein echter Feelgood-Schlussakt!
Ich weiß, das HK-Kino ist auch heute noch anfällig für die unglückliche Genre-Kombinationen (auch Jackie Chan ist davon nicht gefeit – sowohl Der Mythos mit seiner todernsten wuxia-Flashback-Erzählebene als auch Little Big Soldier mit seinem tragischen, nationalchinesischem Pathos-Ende sind schuldig im Sinne der Anklage), aber einen Film, dessen Humorniveau durchaus Gemmen wie „den Gegner beim Löwentanz anpinkeln“ beinhaltet, mit dem blutigen, splattrigen und, wie erwähnt, vollkommen, äh, todernst inszenierten Tod aller Hauptfiguren ausklingen zu lassen, ist für Langnasen wie unsereins wohl doch recht unverdaulich (wobei nicht mal das absolute Finale ganz „tonecht“ ist, alldieweil sich das Script an der Stelle noch einen Ausflug in ein „Geisterhaus“ leistet. Da spukt’s nicht wirklich, aber trotzdem…).
Wenn Sir Run Run Shaw (der sein Geld etwa zur gleichen Zeit wesentlich sinnvoller in einen gewissen „Blade Runner“ investierte) schon am Script sparte (denn ich bin fast ernstlich bereit zu glauben, dass für die Minuten 20 bis 85 nicht mehr im Script stand als „Yue und Can machen irgendwelches lustiges Zeuch“), so ließ er sich anderweitig nicht lumpen. Wie die meisten traditionellen Shaw-Wuxia und Kung-fu-Streifen ist auch „Die Pranke des Gelben Löwen“ geradezu opulent ausgestattet, die Studio-Sets (die auch für die meisten Außenaufnahmen herhalten und die schon aus den „One Armed Swordsman“-Filmen bekannte und beliebte, leicht „other-wordly“ wirkende Atmosphäre erzeugen) großartig – sicher ist das alles „nur“ ein Aufguß all jener Sets und Locations, die die Shaw-Filme seit zwei Dekaden rauf und runter abfilmten (klar, es gibt auch eine größere Sequenz in einem Bambuswald), aber es ist mit solcher handwerklichen Expertise, mit so beeindruckendem Aufwand gewerkelt, dass es eben auch noch beim zwanzigsten Film mit Anerkennung zur Kenntnis genommen wird (auch wenn das Kostümdepartment bei Zhus Western-Outfit-meets-Superhelden-Kostüm vielleicht *etwas* überdreht hat).
Das dramaturigsch völlig unnötige, nichtsdestotrotz aber als Herzstück des Films konzipierte set piece des Löwentanzes ist, abgesehen von seinen erwähnten Ausflügen in Fäkalhumor, von Aufwand und Gestaltung her ebenfalls absolut beeindruckend (und Leute, die so etwas wissen, behaupten, es wäre der erste Fall, in dem filmisch die Unterschiede zwischen „nördlichem“ und „südlichem“ Löwentanz akkurat dargestellt würden. Muss ich wohl glauben) – aber eben eher auf einer völkerkundlich-dokumentarischen denn einer film- und plotrelevant dramatischen Schiene.
In den Action-/Kampfszenen lassen die Co-Regisseure Yueh Sheng Chien (normalerweise eher bit-part-player in Shaw-Filmen wie „Der Schlaghammer von Shanghai“ oder „Eine Prise für tödliche Pfeifen“ – ey, *ich* denke mir diese Titel nicht aus! – und ansonsten als Regisseur nicht in Erscheinung getreten) und Hsia Hsu (ein routinierter Stuntchoreograph, der auch schon mit Jackie Chan in „Sie nannten ihn Knochenbrecher“ und „Fearless Hyena II“ gearbeitet hatte) wenig anbrennen. Sie pflegen eine Art Mittelding zwischen dem althergebrachten „wir-zeigen-alles-aus-der-Totalen“-Stil und dem von Bruce Lee, Wang Yu und Jackie Chan popularisierten neuen „mit-der-Kamera-nah-ran-an-die-Leute“, was teilweise recht gut funktioniert – ein-zwei der Kampfszenen sind humorig inszeniert (ohne Jackie-Chan-Level zu erreichen, fraglos), der Rest ist ernst und teilweise splattrig (ein Höhepunkt ist der Kampf zwischen Bill Zhu und dem kaiserlichen Agenten, in den Hsu, der auch die Kampfchoreographie ausführte, einige einfallsreiche Momente einbaut). Auch die Kameraführung kann mit einigen Überraschungen aufwarten (für HK-Klopperkino von der Stange ungewöhnliche Einstellungen und Perspektiven – mal von unten, mal aus Charakter-POV, mal komplett auf die Seite gelegt). Dass im Finale ab und zu mal ein wenig am Geschwindigkeitsregler gespielt und hochgespeedet wird, ist ärgerlich, aber noch nicht in einem Maße, dass es mich wirklich aufregt.
Objektive Minuspunkte, die sich in subjektive Trashpunkte umwandeln, verdient sich der Film durch den Einbau von gleich drei hysterischen Spezialwaffen, mit denen die Shaw Brothers womöglich die „fliegende Guillotine“ emulieren oder parodieren wollten – eine tödliche Kette, die wie eine Art Lasso/Peitsche geschwungen wird (und die sich ihr Nutzer gelegentlich auch um den Hals wickelt. Sollte ihn eigentlich köpfen), eine Art Zweiklingen-Schmetterlingsmesser, das die Red Lady verwendet und, OH MEIN GOTT, ein ungefähr eineinhalb Meter langes RASIERMESSER (eine Zwei-Mann-Waffe, da ein Kämpfer dazu benötigt wird, das dazugehörige Schärfband in adäquater Größe zu halten), mit dem im Showdown Zhus Bruder wütet. Seufz…
Die Darsteller sind okay, nicht mehr, nicht weniger – Lo Meng („Die unbesiegbaren Fünf“, „Die fünf Kampfmaschinen der Shaolin“, Gallants, „Ip Man 2“) spielt den naiven Yue nah an der Grenze zur offensichtlichen Dämlichkeit – seine Fights sind fraglos aller Ehren wert (als einer der „Five Deadly Venoms“ ist das aber auch von ihm zu verlangen), aber Comedy ist sicher nicht seine Stärke, zumal er mit Wong Yue („Meister aller Klassen 3“, „Die fliegende Guillotine“, „Die 36 Kammern der Shaolin“) nicht unbedingt blendend harmoniert. Dankbar darf man allerdings dafür sein, dass Yue für die Verhältnisse von HK-„broad comedy“ noch vergleichsweise zurückgenommen agiert.
Wang Lung Wei (Master of the Flying Guillotine, „Vier gnadenlose Rächer“, „Die Rückkehr zu den 36 Kammern der Shaolin“, „Shanghai Police“, „Projekt B“, „Twin Dragons“) mimt den Bill Zhu mit all der Würde und der Gravitas, die sein hysterisches Kostüm ihm lässt, und ist in den Fights selbstredend ausgezeichnet.
Von Yeung Pan Pan („Duell der sieben Tiger“, „Born to Fight 2/6“) hätte ich gern die ein oder andere Kampfszene mehr gesehen…
Bildqualität: Bei den Celestial-Neuauflagen der Shaw-Klassiker kann man sich zumindest darauf verlassen, dass das Bild soweit wie irgend möglich hochgejazzt wurde, dass nicht mal ein deutscher Vertrieb von, sagen wir mal, zweifelhafter Klasse wie MiB das noch richtig versaubeuteln könnte. Der non-anamorphe Widescreentransfer kommt mir fast sogar breiter vor als das angegebene 2.35:1 (da kann allerdings mein Fernseher eventuell beim Upscale ein bissl mitgespielt haben) – die Farben sind prächtig, der Kontrast auch und überwiegend ist’s auch schön scharf – hin und wieder geht die Schärfe in der Bildtiefe verloren, an ein-zwei Stellen wird das ganze Bild mal für eine halbe Sekunde oder so schwammig. Dennoch: das ist nah an originaler Kino-Glorie und kein Vergleich zu der Qualität, mit der uns Budgetlabel wie Best oder VZM behelligen würden.
Tonqualität: Deutsche Synchro (okay, mit Ausnahme dieses „Boxer“-Dingens, das ich aber unter „persönliches pet peeve“ abbuche) in solidem, wenn auch nicht sehr „surroundigem“ Dolby 5.1-Upmix oder Mandarin in Dolby 2.0 ohne Untertitel (und daher nur für ambitionierte Sinologen brauchbar).
Extras: Filmographien für Hsia Hsu und Wang Lung Wei, eine Texttafel mit ein paar oberflächlichen Informationen über den Film, der HK-Kinotrailer und eine Celestial-/Shaw-/ MiB-Trailershow.
Fazit: Bei aller professionellen Routine, die die Shaw-Studios nach Dutzenden Martial-Arts-Filmen der Oberklasse nun mal fraglos in Tüten besassen, werde ich mit „Die Pranke des Gelben Löwen“ nicht glücklich – seine unangehme Mischung aus infantilem Buddy-Movie mit toilet humor und hochdramatischem, blutigen bloodshed der heroischen Art, seine miserable „Story“-Struktur, die plumpen Charaktere, das verleidet mir die passablen, wenn auch nicht ausnehmend memorablen Fights. Der Film ist nun mal im Grund seines Herzens ein müder, krampfhaft auf „lustig“ gebürsteter Abklatsch jeder Menge von Shaw-Filmen, die dieses Terrain besser, eindrucksvoller und einheitlicher beackert haben und zu denen man jederzeit greifen kann. Da braucht’s ein studioeigenes „Comedy“-Rip-off ganz gewiss nicht. Wer die Celestials der Vollständigkeit halber sammelt, kann zugreifen (und teuer ist die Scheibe ja nicht mehr), aber der Gelegenheits-Kung-fu-Kucker hat mit den bekannteren Klassikern sicher mehr Spaß.
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(c) 2012 Dr. Acula