Die Pagode zum fünften Schrecken

 
  • Deutscher Titel: Die Pagode zum fünften Schrecken
  • Original-Titel: Five Golden Dragons
  •  
  • Regie: Jeremy Summers
  • Land: Großbritannien/Liechtenstein/BR Deutschland
  • Jahr: 1967
  • Darsteller:

    Bob Cummings (Bob Mitchell), Margaret Lee (Magda), Rupert Davies (Commissioner Sanders), Klaus Kinski (Gert), Maria Rohm (Ingrid), Sieghardt Rupp (Peterson), Roy Chiao (Inspektor Chiao), Brian Donlevy (Drache #3), Dan Duryea (Drache #1), Christopher Lee (Drache #4), George Raft (Drache #2), Maria Perschy (Margret)


Vorwort

Ein nervöser dicklicher Mann kommt in Hongkong an. Schon vom Flughafen an wird er verfolgt, was er durchaus bemerkt und seinem Taxifahrer einen Brief zusteckt. Am Ziel seiner Fahrt, einem Appartmenthaus hoch über Downtown Hongkong, erwartet ihn erst mal eine leere Wohnung und ein maskierter Killer, der ihm vom Balkon schubst…

Die Polizei ist ratlos, bis sich der Taxifahrer meldet und den Brief abgibt. Der ist an einen gewissen Bob Mitchell gerichtet und hat nur drei Worte Inhalt: „fünf goldene Drachen“. Das sagt den Cops ungefähr genauso viel wie dem pflichtschuldigst vernommenen Adressaten, einem augenscheinlich harmlosen Playboy, der das Mordopfer zufällig eine Woche vorher in einem Hotel in Manila kennen gelernt hat. Und eigentlich interessiert sich Mitchell auch nicht sonderlich für die Geschichte, weil er als ordnungsgemäßer amerikanischer Playboy eigentlich lieber bei der hübschen Ingrid, ihrer nicht minder hübschen, wenn auch etwas abweisend-schroffen Schwester Margaret, oder im Idealfall gleich bei beiden einfädeln will. Margaret gibt sich große Mühe, eine Kamera, mit der Bob sie und ihre Schwester abgelichtet hat, zu vernichten, und durchsucht auch sein Hotelzimmer. Als der Playboy in einer „transportablen Dunkelkammer“ in seine Kemenate stolpert, hält Margaret ihn für einen „goldenen Drachen“ und will ihn am liebsten erschießen. Es gelingt Bob aber, das Mädchen von seiner Harmlosigkeit zu überzeugen. Aber auch Bob bemerkt, dass jemand die Schwestern beschattet – ein chronisch suspekter kettenrauchender Typ, der zudem von Klaus Kinski gespielt wird.

Der Versuch, von Margaret nähere Auskünfte über die Angelegenheit zu erhalten, endet in einer spontanen Liebesnacht in Bobs Hotelzimmer. Als Inspektor Chiao von der Hongkong-Police ihn am nächsten Tag zu einem kleinen informellen Plausch im Polizei-HQ abholen will, ist die Situation für Bob ausgesprochen peinlich – weil Margaret nicht *nur* in seinem Hotelbett liegt, sondern darüber hinaus auch tot ist, bedeckt von einer Robe der „Goldenen Drachen“. Zu meiner Verblüffung wird Bob nicht als chronisch mordverdächtig sofort vorläufig hingerichtet, sondern bleibt auf freiem Fuß und erhält sogar ein paar Informationen – die „fünf goldenen Drachen“ sind ein illegales Kartell von zwielichtigen Geschäftsmännern, die den internationalen Goldhandel unter sich aufgeteilt haben. Und zum ersten Mal in der Geschichte dieser Vereinigung soll es jetzt in Hongkong ein Treffen aller fünf „Drachen“ geben. Angesichts der sich häufenden gewaltsamen Todesfälle spekuliert Commissioner Sanders, dass irgendwer anlässlich dieses Meetings irgendwelchen Schindluder zu treiben beabsichtigt.

Über Ingrid führt die Spur Bob in einen zwielichtigen Nachtclub, der vom nicht minder zwielichtigen Peterson und der scharfen Magda geleitet wird, dieweil die vier auswärtigen Drachen mit allen möglichen Verkehrsmitteln in der Metropole eintreffen. Und langsam wird auch klar, was der fiesen Sache dunkler Sinn ist. Der Nervösling von zu Beginn war der Repräsentant eines amerikanischen Syndikats, das sich in die Drachen-Gruppe einkaufen wollte. Dies allerdings deuchte den Drachen ein so eklatanter Bruch des Sicherheitsprotokolls zu sein, dass sie ihre Gemeinschaft jetzt glatt auflösen wollen. Und bei der Gelegenheit gibt’s natürlich reichlich Kohle zu verteilen…


Inhalt

Am Edgar-Wallace-Boom der 60er wollten so einige mitverdienen, so auch unser aller Freund Harry Alan Towers, immer da zu finden, wo’s ne schnelle $Währung-Ihrer-Wahl zu verdienen gibt. Nun hatte der gute Harry das Problem, an den klassischen Krimistoffen des Maestros keinerlei Rechte zu besitzen, aber jemanden wie Harry, der von und mit juristischen Bedenken nicht so leicht ins Bockshorn zu jagen war, kann das nicht schrecken. Wallace hatte ja auch Abenteuerstoffe geschrieben, wie z.B. die Serie um den afrikanischen Kolonialinspektor Sanders, von denen auch ein oder zwei in England verfilmt worden waren und von Rialto in Deutschland als Bestandteile der Wallace-Reihe vermarktet worden waren (ohne jemals den Kultstatus der hauseigenen Krimis zu erreichen). Towers, unter seinem berühmt-berüchtigten Autoren-Pseudonym Peter Welbeck, vergriff sich an einer unbekannten Sanders-Geschichte, schrieb sie völlig um – er verlegte sie in die Gegenwart und nach Hongkong, womit er gleichzeitig die Welle der exotischen Action- und Abenteuerfilme a la „Kommissar X“ auszuschlachten gedachte – gerade Hongkong war in den späten 60ern ein ausgesprochen beliebter Schauplatz für deutsche Actionfilme.

Naturgemäß wurde der Streifen in Deutschland wieder als Wallace-Vehikel vertrieben (obwohl der Autor nicht mal kreditiert wurde), aber vom Verleih, der Constantin, um satte 25 Minuten beschnitten. Da darf man sich wundern, weil Towers ja nicht unbedingt dafür bekannt ist, zuviel Material zu produzieren. Der aktuelle DVD-Release von Koch Media beinhaltet als Bonus erstmals die ungeschnittene englische Originalfassung (ohne Untertitel, ohne deutsche Synchro), die ich mir natürlich zu Gemüte geführt habe, man will den Film ja so sehen, wie er von seinem Regisseur und seinem Produzenten gedacht war. Hat man sich dann aber durch die 100-Minuten-Version gekämpft, kann man dem damaligen Verleih nur dazu gratulieren, den Film auf „so kurz und schmerzlos wie möglich“ gekürzt zu haben…

Will sagen, „Die Pagode zum fünften Schrecken“ (oder „Scgrecken“, wie sich der hinreißend verhunzte DVD-Spine auszudrücken beliebt) ist in seiner Langfassung ein Schnarcher vor dem Herrn. Aber die Langeweile ist nicht das einzige Problem des Films. In fact sind es drei Themenkomplexe, die „Die Pagode“ zu einer außerordentlich trüb flimmernden Funzel der Unterhaltung werden lassen.

Thema Nummer 1 ist das Script. Wer sich mit seinem Ouevre ausführlicher beschäftigt hat, der weiß, dass Towers ein findiger Produzent war, der alle möglichen legalen und manchmal auch illegalen Mittel ausschöpfte, um einen Film zu drehen, aber als Drehbuchautor ist er allenfalls… „serviceable“. „Welbeck“-Bücher tun im Allgemeinen genau das Minimum, was getan werden muss, um eine halbwegs erträgliche Geschichte zu erzählen, aber ein bisschen Hirnschmalz zu opfern, um ein Script mal etwas *besser* zu machen, nicht nur „lowest common denominator“-mäßig runterzurasseln und nach Checkliste die nötigen Beats abzuhaken, wäre Towers nie im Traum eingefallen. Das „Pagode“-Script macht da keine Ausnahme, es ist eher noch ein wenig dämlicher als der durchschnittliche „Welbeck“-Klopper. Towers beabsichtigt, den Zuschauer so lange wie möglich im Unklaren zu lassen, was eigentlich genau das Mystery des Films ist, und wie Held Bob Mitchell damit verbunden ist. Prinzipiell ein tauglicher Gedanke, auch wenn Alfred Hitchcock das wohl anders gesehen hätte, aber das Rätseln und Versuchen, selbst als Zuschauer Zusammenhänge herzustellen, kann ja durchaus Spaß machen. Sofern man die Chance dazu hat… Towers gibt allerdings keinerlei Hinweise und als ihm zur Halbzeit auffällt, dass streng genommen noch niemand auch nur einen sanften Schimmer davon haben konnte, worum’s in dem Film überhaupt geht, delegiert er seinen Helden einfach zur Polizei, die ihm den Plot erklärt. Jawohl, ohne Vorwarnung wird in einer Exposition-Sequenz einfach die ganze Hintergrundgeschichte um die Drachen erzählt. Das ist dann tatsächlich ungefähr so spannend wie das Lesen der Seite Aa-Ac des Telefonbuchs. Und dann macht diese erklärte Geschichte eh keinen Sinn – see, SPOILER voran, die Krux der ganzen Geschichte ist, dass es zwar „Fünf goldene Drachen“ heißt, aber keinen fünften Drachen gibt – der „fünfte Drache“ ist in Wahrheit ein vierköpfiges Gangsterteam um Peterson. Wieso das ein Problem ist, das nur durch Mord & Totschlag gelöst werden kann, erklärt wiederum niemand – es wird durch einen ultraspäten Twist (den man uns als Zuschauer auch erst im Nachhinein erklärt) angedeutet, dass es in dieser Bande Meinungsverschiedenheiten gibt, aber *was genau* jetzt der Plan der Bande ist und warum er letztlich schief geht… ich weiß es nicht, und Harry Alan Towers wusste es vermutlich auch nicht, musste halt nur irgendwie das Script zu Ende bringen (und ging vielleicht eh davon aus, dass das Publikum zwischendurch ein Nickerchen eingelegt hatte und hirnrissige Drehungen und Wendungen in den letzten fünf Minuten nicht mehr hinterfragen würde).

Thema Nummer 2 ist die Regie. Jeremy Summers ist im britischen Kino gewiss keine große Nummer – sein größter Streich dürfte, ebenfalls für Harry, der unmittelbar zuvor entstandene „Die Rache des Dr. Fu Man Chu“ gewesen sein, und wer die Fu-Man-Chu-Filme gesehen hat, weiß, dass die allesamt keine sonderlichen Weitwürfe waren. Ansonsten war Summers überwiegend ein Mann fürs Fernsehen und kurbelte massenhaft Folgen für britische TV-Ware wie „The Protectors“, „The Saint“, „Der Doktor und das liebe Vieh“, „Jason King“ und sogar die Endlos-Daily-Soap „Coronation Street“ runter. Nicht unbedingt der Mann, den ich einen spannenden Actionfilm vor exotischer Kulisse verantworten lassen würde. Summers‘ Inszenierung ist tranig – zwar gelingen ihm ein paar solide Verfolgungsjagden durch Hongkong und seinen Hafen, sowie ein paar nicht ganz stimmungslose Einblicke in den Folterkeller der Bösewichter, aber sobald das Geschehen dramatisch wird, Exposition verbreitet oder, Himmel hilf, „witzig“ sein will, stirbt der Film einen qualvollen Tod vor den Augen des Betrachters. Für Comedy fehlt Summers jedes Timing, für Dramatik jedes Geschick im Umgang mit Charakteren und Schauspielern und für’s Tarnen der Exposition generell an Willen oder Talent.

Thema Nummer 3 ist die geradezu unangenehme Fehlbesetzung der Hauptrolle. Schon klar, Towers und Summers wollen einen „unlikely hero“ in den Mittelpunkt stellen, jemand, der in einen Kriminalfall verwickelt wird, ohne es zu wollen und ohne im geringsten dafür qualifiziert zu sein, in selbigem herumzupfuschen. Trotzdem – die Besetzung des Bob Mitchell mit dem 57 Jahre (!) alten Comedian Bob Cummings ist sehr fragwürdig, und zwar in jeder Beziehung. Cummings‘ komödiantischer Stil, in gewisser Weise als „bumblin‘ fool“ durch den Fall zu stolpern, passt nicht zum aufgebauten Thriller-Szenario; die deutschen Wallace-Filme hatten zumindest die Einsicht, ihre comic-relief-Charaktere nur als Nebenfiguren einzusetzen und in den Hauptrollen schlagkräftige Kerle, echte Haudegen, zu beschäftigen. Cummings, der immerhin zweimal bei Hitchcock gespielt hatte (in „Sabotage“ und „Bei Anruf Mord“) und schon in den 50ern eine eigene Sitcom im US-TV hatte, ist nicht nur als Komödiant fehlbesetzt, sondern auch vom Alter her – klar, sein Trademark war ein „boyish charme“, den er lange konservieren konnte, aber 57 ist 57 und viel jünger wirkt er nicht – im Gegensatz zu den Mädels, mit denen er poussieren darf, und die allesamt 30 bis 35 Jahre jünger sind als er. Das ist schon etwas… quesy… Nicht altersdiskriminierend sei allerdings festgestellt, dass Cummings die Rolle wie in einem Disney-Film spielt. In einer flockigen Krimikomödie wäre das auch okay, in einem ernsten Spannungsfilm allerdings ist das die denkbar falscheste Entscheidung.

Da hilft dann auch ein durchaus ansprechender supporting cast nicht mehr viel, zumal viele gute Schauspieler in Nullitätenrollen verheizt werden. Kinski, z.B., der wieder aus jeder Pore Wahnsinn ausstrahlt (und hier den Tick hat, seine nächste Zigarette mit dem Stummel der letzten anzuzünden), aber keine drei Lines hat und so hauptsächlich seine Creepyness spazieren trägt. Oder den guten Sieghardt Rupp („Die große Sause“, „Unter Geiern“) als Peterson, dessen durchaus vorhandene „menace“ durch den saublöden Schlusstwist versaubeutelt wird. Von den „Goldenen Drachen“ selbst gar nicht zu reden – da hat man mit George Raft, Brian Donlevy, Dan Duryea und – natürlich vor allem – Christopher Lee vier anerkannt großartige Schauspieler, und was macht man mit ihnen? Man steckt sie in lustig-doofe Kimonos, lässt sie Drachenköppe aufsetzen und jeden von ihnen maximal drei Zeilen aufsagen (okay, sie werden auch nur als „Gaststars“ kreditiert. Leicht verdientes Geld war ja vor allem Christopher Lee nie ein Graus). Die Fans des gepflegten Hongkong-Kintopps freuen sich über Roy Chiao („Bloodsport“, „Game of Death“, „Indiana Jones und der Tempel des Todes“, „Der Protector“, „Mad Mission 4“) als Polizeiinspektor, Rupert Davies („Draculas Rückkehr“, „Witchfinder General“) spielt als Commissioner den Erklärbären und zitiert Shakespeare-Dramen. Die Damenwelt ist attraktiv, bleibt aber zugeknöpft – Maria Perschy („Das Geisterschiff der schwimmenden Leichen“, „Die Folterkammer des Dr. Fu-Manchu“), Maria Rohm („Nachts, wenn Dracula erwacht“, „99 Women“, „Marquis des Sade: Justine“) und Margaret Lee („Der Hexentöter von Blackmoor“, „Das Schloss der blauen Vögel“, „Venus im Pelz“) muss also anderweitig überzeugen, und, naja, große Aktricen sind sie alle drei nicht…

Der Print auf der Koch-DVD ist schick (2.35:1 Widescreen anamorph), die deutsche Fassung ist als Hauptfilm auf der Scheibe (die englische Langfassung verbirgt sich im Bonusmaterial), ansonsten gibt’s noch einen Trailer und ein hübsches Booklet.

Wer Edgar-Wallace-Filme als Krimis schätzt, braucht sich den hier aber nicht auf die Einkaufsliste zu schreiben. Der Streifen ist schlicht und ergreifend nicht spannend, leidet unter seinem mauen Drehbuch, der müden Regie und dem völlig fehlbesetzten Hauptdarsteller. Gerade aus der Hongkong-Welle des europäischen Abenteuer- und Actionfilms der 60er gibt’s genügend bessere, unterhaltsamere und aktionsreichere Filme. „Die Pagode zum fünften Schrecken“ ist einer für die Komplettistenfraktion und beinharte Harry-Alan-Towers-Fans und Kinski-Alles-sehen-Müsser.

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 4


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