Die Nonnen von Clichy

 
  • Deutscher Titel: Die Nonnen von Clichy
  • Original-Titel: Les démons
  • Alternative Titel: The Demons | She-Demons | The Sex Demons |
  • Regie: Jess Franco
  • Land: Frankreich/Portugal
  • Jahr: 1973
  • Darsteller:

    Anne Libert (Kathleen), Britt Nichols (Margaret), Doris Thomas (Mother Rosalinda), Karin Field (Lady De Winter), Changir Gaffari (Lord Justice Jeffries), Luis Barboo (Truro), Howard Vernon (Lord Malcolm De Winter), Alberto Dalbes (Thomas Renfield)


Vorwort

In einem europäischen Königreich (je nach Sprachfassung franko- oder anglophon) tobt die Inquisition, und im Gegensatz zur landläufigen Meinung über die Hexenverfolgung scheint’s doch öfter mal die Richtigen zu treffen. Die warzenbewehrte Vettel jedenfalls, die grad auf den Scheiterhaufen geschleift wird, ist augenscheinlich eine echte, authentische Satansjüngerin mit Gütesiegel und verbringt ihre letzten Augenblicke mit dem üblichen Fluch – alle, die an ihrem Leiden schuld sind, werden sterben usw., dafür werden schon ihre Töchter sorgen.

Bei Inquisitors, namentlich Großinquisitor Jeffries, seinem Henchman Renfer (bzw. Renfield, in der französischen OV) und der Adeligen Madame de Winter, die das Hexenfoltern offenbar als Hobby betreibt, weil ihr Ehemann, der Marquis, sich primär der Astrologie widmet, ist man beunruhigt. Meinte die alte Hexe jetzt Töchter im metaphorischen Sinn oder echte, leibhaftige Kinder? Was gewisses weiß man nicht…

Dieweil, im Kloster von Clichy, hat die Mutter Oberin ihr Kreuz mit Schwester Katherine zu tragen. Die, wie ihre (biologische) Schwester Margarete, als Waise ins Kloster gekommen, spürt nämlich gänzlich unchristliches sexuelles Verlangen. Wenn Katherine sich erotische Träume träumend auf ihrer Pritsche nackig wälzt, wird selbst die Oberin rollig. Als Madame de Winter wenig später eintrifft, um sich nach potentiellen Satansbraten zu erkundigen, ist Kathy schnell verpetzt und nach eingehender Untersuchung durch die Madame auch als nicht-mehr-Jungfrau gebrandmarkt und damit 1A-Hexenmaterial.

Katherine wandert in des Winter-Schlosses Folterkeller, wo zunächst Renfer gewissen Gefallen an ihr findet und etwas später auch der Schlossherr selbst, der bei der Erwähnung zweier im Kloster untergebrachter Waisenschwestern etwas sehr hellhörig geworden ist. Der Marquis verhilft Katherine zur Flucht. Madame de Winter glaubt irrtümlich, Renfer hätte sie befreit und würde ihn (der nebenher auch ihre Affäre ist und ihre masochistischen Neigungen befriedigt) gern umbringen, doch hat Renfer bei Jeffries noch genügend Steine im Brett, um die Operation „Katherine wieder einfangen“ persönlich übernehmen zu dürfen.

Während Katherine temporär Asyl bei einem Kunstmaler findet, betet Margerete um ihrer Schwester Seelenheil und wird statt dessen vom Geist ihrer toten Mutter (der Hexe) und dann vom Satan himself besucht, der sie per Koitus auf die dunkle Seite der Macht zerrt. Mit ihren neuen Satanspowers verführt Margarete die Oberin, die sich daraufhin lieber in den Tod stürzt als zur Satansanbeterin zu werden. Margarete flüchtet entsetzt über ihre Tat aus dem Konvent, landet aber in der Obhut einer weiteren Satansjüngerin.

Renfer entdeckt Katherine beim Malersmann, bringt’s jedoch nicht übers Herz, das Mädel auszuliefern. Die geplante Flucht nach Holland wird jedoch von Jeffries‘ Männern unterbunden und so können Renfer und Katherine sich auf ein gemeinsames Ableben vorbereiten.

Doch Madame de Winter und Jeffries haben die Rechnung ohne Margarete, die sich mittlerweile als belgische Prinzessin getarnt in den Winterschen Haushalt integriert hat, und den Marquis, der insgeheim Vorsteher einer Widerstandsgruppe gegen die Schreckensherrschaft der Inquisition ist, gemacht…


Inhalt

Als Ken Russell mit „The Devils“ 1971 das internationale Kino aufschreckte, muss das für Jess Franco so etwas wie eine persönliche Beleidigung gewesen sein. Da drehte er selbst schon seit Anfang der 60er Sleaze, und dann kommt auf einmal ein britischer Emporkömmling daher, deklariert seine filmischen Schweinereien frech als Kunst und kommt damit auch noch – zumindest bei den aufgeschlosseneren Teilen von Kritik und Publikum – durch! Unerhört sowas! Nie jemand gewesen, der solch Missetat ungesühnt ließ, machte sich Jess schnell ans Werk, um seine eigene Variante des Themas auf die Bahnhofskinos dieser Welt loszulassen, mutmaßlich nach einem französischen Skandalroman.

In Deutschland kam der Film natürlich nur in einer extrem beschnippelten Rumpffassung in die Kinos, die der zeitgenössischen Kritik ebenso natürlich ausreichte, um Franco mal wieder alle Expletives rauf und runter zu heißen. Dabei ist der Streifen objektiv betrachtet eindeutig einer der besseren Beiträge zu Francos Kanon (als direkter Vergleich bietet sich der zeitgleich mit einem Großteil des gleichen Ensembles realisierte „Erotic Rites of Frankenstein“ an – hat man den gesehen, weiß man, das die „Nonnen“ zumindest jede formale Qualifikation an den Terminus „Film“ mühelos erfüllen, was man von der Frankenstein-Mär nicht behaupten kann).

Nicht nur, dass Franco hier mit für seine Verhältnisse großem Aufwand, der sich auch an Kulissen und Kostümen messen lässt (auch wenn die Kostüme manchmal etwas albern sind, so z.B. Howard Vernons Astrologentracht), arbeiten kann (und auch fast zwei Stunden Laufzeit veranschlagt), er hat sogar einen Plot! Und der ist gar nicht mal so schlecht! In Grundzügen lässt sich die Story mit der von einem anderen Franco-Karrierehighlight, „Marquis de Sade: Justine“, vergleichen. Hier wie dort stehen zwei charakterlich höchst unterschiedliche Schwestern im Mittelpunkt – eine ist „unschuldig“, hat davon aber nichts, weil das Universum sie offensichtlich als punching ball ausersehen hat, die andere ist vielleicht nicht direkt „böse“ (obschon die „Nonnen“, im Vergleich zu manch anderem Nunsploiter, klar stellt, dass hier wirklich der Satan im Spiel ist, aber man natürlich auch auf dem Standpunkt stehen kann, dass die Hexen nichts wirklich „Böses“ tun, sondern allenfalls amoralisch sind und sich keine Vorschriften hinsichtlich ihrer Sexualität machen lassen), aber gewillt, alles, was ihrem Vorteil dient (oder, im Fall der „Nonnen“, dem Racheplan), mitzunehmen. Sogar die kurze Episode von Justines Glück bei einem Künstler findet hier ihren Widerhall in den wenigen glücklichen Wochen, die Katherine bei dem Maler (der sich später als Mitglied der Resistance entpuppt) verbringt.

Natürlich ist die Geschichte kein Weitwurf, aber es ist, gerade wenn man Jess kennt, eine runde Story, die weitgehend Sinn ergibt und in denen die Charaktere einigermaßen stimmig handeln (Renfers Fimmel für Katherine bleibt ein wenig unerklärlich, aber, meine Güte, wo die Liebe hinfällt). Und freilich ist ein plausibler Plot für Senor Franco natürlich bestenfalls glüklicher Zufall, jedoch keineswegs zwingend und bestimmt nicht primäre Motivation. Franco war zeitlebens Voyeur und der Stoff bietet reichlich Möglichkeiten für den Meister, seine Darstellerinnen aus den Gewändern zu schälen und ihre Körper ausgiebig abzufilmen, und, naja, 1973 hatte Jess seinen Frauengeschmack noch nicht im Austausch gegen achtzehn Stangen Zigaretten am Kiosk abgegeben. Zwar haben wir keine Soledad Miranda am Start, aber mit Anne Libert („Eine Jungfrau in den Krallen von Zombies“, „Dracula’s Daughter“), Britt Nichols („Die Nacht der offenen Särge“; „Dracula’s Daughter“) und Karin Field („Blutrausch der Vampire“, „Der Würger kommt auf leisen Sohlen“) attraktive Frauen ohne Kamerascheu (Doris Thomas, aus „Die Sexsklavinnen von Schloss Porno“, macht sich als Mutter Oberin ebenfalls nackt). Und Franco inszeniert die Sexszenen (Solo oder im Duett) durchaus ästhetisch.

Die zweite zwingende Zutat in einem Franco-Fetzer ist abgefeimte Gewalt, und in einem Film, der stärker nach dem klassischen Hexenjäger-Schema funktioniert als nach dem meist stärker sexuell orientierten Nonnenfilm, gibt’s dafür freilich auch ausreichend Gelegenheit. Die Folterszenen sind allerdings nicht so hart wie z.B. in „Hexen bis aufs Blut gequält“, dafür aber freizügiger.

Die darstellerischen Leistungen sind für Genreverhältnisse ordentlich. Franco-Regular Howard Vernon darf sich mal in einer positiven Rolle versuchen, den Inquisitor Jeffries spielt der Türke Cihangir Gaffari (auch zu sehen in „Hundra“ und „Bloodsport“) durchaus verachtenswert, Eurotrash-Veteran Luis Barboo („Der Schwanz des Skorpions“, „Conan der Barbar“) spielt Jeffries‘ zweiten Henchman, und Alberto Dalbes („Todesmarsch der Bestien“) müht sich redlich (aber eher vergeblich) als Renfer.

Gewohnt launig ist der Score, der in den Sex-Szenen ordentlich auf die Gitarrenflitzefingertube drückt.

Die DVD von X-Rated bringt den Film (weitgehend) ungekürzt (ein paar aufgrund Filmrissen oder fehlendem Ton nicht restaurierte Mikro-Szenen, die aber nichts von annähernder Bedeutung zeigen, finden sich als Bonusmaterial), wobei in der dt. Fassung geschnittene Szenen auf Französisch mit Untertiteln gezeigt werden. Der Ton hat – speziell in der Verführungsszene der Oberin – einige Schwankungen.

Aufgrund seiner Zugänglichkeit dank des nachvollziehbaren Plots, der recht stringenten Handlung und des ordentlichen Aufwands einer der Francos, die ich Einsteigern in sein Werk empfehlen würde – er hat viele seiner Trademarks, ist dabei aber „richtiger“ Film.

3,5/5
(c) 2016 Dr. Acula


mm
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