Die Nacht der offenen Särge

 
  • Deutscher Titel: Die Nacht der offenen Särge
  • Original-Titel: Dracula contra Frankenstein
  • Alternative Titel: Dracula, Prisoner of Frankenstein | Dracula vs. Dr. Frankenstein | Dracula Against Frankenstein | Screaming Dead |
  • Regie: Jess Franco
  • Land: Portugal/Frankreich/Liechtenstein
  • Jahr: 1972
  • Darsteller:

    Dennis Price (Dr. Frankenstein/Dr. Exorzio), Howard Vernon (Graf Dracula/Graf Sartana), Paca Galbadon (Maria, als Mary Francis), Alberto Dalbes (Dr. Jonathan/Emmanuel Seward, als Alberto D’Albes), Carmen Yazalde (Vampirin, als Britt Nickols), Genevieve Robert (Aira, als Genevieve Deloir), Luis Barboo (Morpho), Fernando Bilbao (Frankenstein-Monster), Brandy (Werwolf), Josyane Gibert (Estele), Anne Libert (erstes Vampiropfer)


Vorwort

Es gibt nur eiiiiiin‘ Jess Franco, eiiiiiin‘ Jess Franco… und das ist auch gut so, mehr hielte dieser fragile Erdenball zweifellos nicht aus, sondern würde unter dem schieren Gewicht eines Outputs von 200 Filmen pro Franco zusammenbrechen.

Ich bin nicht der härteste Francologe der Welt, aber knapp 40 hab ich mittlerweile gesehen und bin mir immer noch nicht sicher, ob ich den Mann für ein verkanntes Genie oder einen verkappten Wahnsinnigen halten soll. Naja, und letztlich schließt sich das ja keinesfalls aus. Fakt ist, dass ich manchmal richtig viel Spaß an Francos Lichtspielen habe, manchmal aber noch nachträglich Francos Leiche ausbuddeln möchte, um sicherheitshalber noch mal einen Holzpflock reinzustecken, nicht dass er noch mal wiederkommt. Das Schwierige an Franco ist dabei auch, dass man vor Sichtung kaum weiß, in welche Richtung sich das entwickeln wird, weil Franco zu jeder Phase seines Schaffens irrlichternde Kunstwerke oder unabsehbare Gülle fabrizieren konnte (vielleicht mal von seinem „Spätwerk“ ab Ende der 80er abgesehen, als Jesse eh jeglichen Anschein aufgab, er würde Filme für irgendjemand anderen als sich persönlich und seine voyeuristischen Neigungen produzieren. Da weiß man schon von Anfang an, woran man ist).

Aber gerade die Zeit so um 1970 rum ist besonders „ergiebig“ – nicht nur, dass Franco hier mal locker sieben-acht Filme in einem Jahr runterkurbelte, es kamen einige seiner besten Arbeiten dabei heraus (wenn man „beste“ als filmisch einigermaßen konventionell, solide finanziert und mit bemerkenswertem Darstellerensemble verbindet), gerade in seiner Zusammenarbeit mit Harry Alan Towers, der Franco mit für seine Verhältnisse üppigen Budgets ausstattete, dafür aber den Spanier in „kreativer“ Hinsicht an der relativ kurzen Leine hielt, aber auch einige seiner mysteriösesten, undurchschaubarsten – wie DIE NACHT DER OFFENEN SÄRGE, augenscheinlich back-to-back mit dem nicht minder kuriosen EINE JUNGFRAU IN DEN KRALLEN VON FRANKENSTEIN mit dem praktisch identischen Cast entstanden. Für Franco ist der Streifen schon eine Art Meilenstein, ist es doch das einzige Mal (soweit ich weiß), dass er mit Frankenstein-Monster, Graf Dracula und Werwolf gleich drei große Horror-Archetypen aufeinander loslässt. Wovon man in der deutschen Fassung allerdings nur ansatzweise etwas hat, denn aus unerfindlichen Gründen hielt es der damalige deutsche Verleiher für eine exzellente Idee, Dr. Frankenstein einen gewissen „Dr. Exorzio“ und aus dem Grafen Dracs einen noch gewissenen Graf „Sartana“ (noch warm und schon Sand drauf!) zu machen. Für einen Film, der im Original „Dracula contra Frankenstein“ heißt, eine, äh, sagen wir mal, „interessante“ Herangehensweise. Na dann, ans Werk…


Inhalt

Wir befinden uns, ohne dass uns dies jemand im Filmverlauf verbal bestätigen würde, irgendwo in den tiefsten Karpaten (naja, faktisch irgendwo an der portugiesischen Küste. Muss Meister Jess halt aufpassen, dass er nicht versehentlich mal das Meer filmt. Ist wahrscheinlich die gleiche Gegend, in der auch EINE JUNGFRAU… gedreht wurde), und wann? Wann? Das ist eine gute Frage. Einerseits tut der Film so, als würde er in der relativen Gegenwart spielen, es gibt Autos und in den Kneipen moderne Zapfanlagen, andererseits verhalten sich praktisch alle Figuren (von Charakteren zu sprechen verbietet sich aus nachfolgend noch breit auszuführenden Gründen), als wären sie direkt aus dem 19. Jahrhundert importiert – was auch für Kleidung und die bevorzugte Fortbewegungsmethode einer Hauptfigur, Pferdekutsche, gilt. Und wo wir gerade dabei sind, klarzustellen, was hier alles nicht klarzustellen ist, sei auch gleich erwähnt, dass für DIE NACHT DER OFFENEN SÄRGE wie auch EINE JUNGFRAU IN DEN KRALLEN VON FRANKENSTEIN gilt, dass Jess Franco zufolge Dialoge für Pussies sind. Es sprechen zwar Menschen in diesen Filmen, aber NIE miteinander, sondern ausschließlich in Monolog-Form (der einzige „Dialog“ dieses Films ist dann auch von der deutschen Synchronfassung hingetrickst, damit man überhaupt einigermaßen aus dem Ding schlau wird, und findet so in der Originalfassung nicht statt). Das Blu-Ray-Booklet behauptet, der Film sei komplett improvisiert – keine Ahnung, ob das stimmt, aber er sieht auf jeden Fall so aus und fühlt sich auch so an. So enter at your own risk…

Also, nochmal von vorn. Wir sind in einem Karpatendorf, und zwar in einem solchen, das sich einer gar gräßlichen Vampirplage ausgesetzt sieht. Der Graf Dracula himself (Howard Vernon, DIE NONNEN VON CLICHY, SIE TÖTETE IN EKSTASE, IN DEN KRALLEN DES UNSICHTBAREN) flattert in seiner Fledermausform munter durch die Nacht und beamt sich ins Schlafgemach eines hübschen jungen Frauenzimmers (Anne Libert, SECHS SCHWEDINNEN IM PENSIONAT, INTIME SPIELE JUNGER MÄDCHEN), um ihr, wie es der Vampire Art und Sitte ist, die Zähne in den Hals zu rammen und ihr Blut zu schlürfen. Vernon dürfte dabei als eine der traurigsten Gestalten, die dem Namen Dracula Schande gemacht haben, in die Filmgeschichte eingehen (sein wüstes Augenrollen ist jedenfalls ne Schau).

Das Ableben der holden Maid aufgrund eindeutiger Vampirmalträtion wird von der Dorfgemeinschaft kritisch gesehen, und ganz besonders vom Oberhaupt der Seward-Klinik, Dottore Emmanuel (oder Jonathan, je nach Sprachfassung) Seward höchstselbst (Alberto Dalbes, TENDER AND PERVERSE EMANUELLE, DIE STUNDE DER GRAUSAMEN LEICHEN, TODESMARSCH DER BESTIEN). Seward, ähemptähempt, „untersucht“ die Leiche, kommt zu den naheliegenden Schlüsseln und ergreift die Präventionsmaßnahme, der Gebissenen einen Silbernagel durchs linke Auge zu treiben. Gehört jetzt zwar nicht unbedingt zu den mir bekannten und allgemein wissenschaftlich erprobten Anti-Vampir-Aktionen, aber er muss es ja wissen. Nachdem Seward eine Weile das hysterische Gekreische und Wehklagen seiner offenkundig einzigen stationären Patientin, einer gewissen Marie (auch hier – den Namen verrät uns den Film über keine Sau, aber er steht so in der IMDb, und darauf verlasse ich mich mal. Ist auch einfacher als ständig „die Irre aus Sewards Klinik, die mit Narrenhänden Bilder malt, die ein Dreijähriger nicht schlimmer hinkriegen und stolz seiner Mami zum an den Kühlschrank pinnen in die Hand drücken würde“ zu schreiben; Paca Galbadon, als „Mary Francis“, CANNIBAL MAN, PATRICIA – 1 X HIMMEL UND ZURÜCK, ALLEIN UNTER NACHBARN) mitangehört hat, der der Graf des Öfteren mal vor ihrem Holzauge erscheint und keiner weiß, ob das Visionen sind oder der Vampir sie tatsächlich besucht, hat er offenbar allein schon aus Ruhestörungsgründen die Faxen dicke, packt seine Vampirbekämpfungsledertasche und macht sich (umständlich und langsam) auf den Weg zu des Grafen Schloss.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Trägern seines Namens ist dieser Dracula eine Vollpfeife und hat keinerlei Vorsichtsmaßnahmen gegen vorwitzige Vampirkiller getroffen. Seward kann ungestört in die Katakomben des Schlosses stiefeln, Dracs Sarg entdecken und aufmachen. Der Vampir pennt den Schlaf der Ungerechten, und so kann Seward den Holzpflock ansetzen und mit einem Medizinmann-Reflexhämmerchen (urgh) in die gräfliche Hühnerbrust treiben. Das verwandelt den Grafen in seine putzige Fledermausform und den Holzpflock aus mir schleierhaften Gründen in einen Silbernagel, der die Vampirmaus festpinnt und damit nach allen Regeln der Kunst unschädlich macht.

ENDE. Na, war doch gar nicht so schlimm. Bisschen kurz vielleicht, aber… jaja okay, es geht weiter. Verdammt. Ein nur in der deutschen Fassung vorhandener voice-over-Kommentar, der, was wir uns auch selbst zusammenreimen müssen, aus der Perspektive von Dr. Frankenstein/Exorzio (ich bleibe mal bei Frankenstein, denn das entspricht ja der, hüstel, erzählerischen Intention) nuschelt, dass Dr. Seward durch seine vampirkillende Aktion den Plänen des Erzählers energisch im Wege stehe, ebenso wie eine weitere potentielle Kontrahentin, ein Zigeunermädchen namens Amira.

Kucken wir also mal, wer oder was diese Amira ist. Amira (Genevieve Robert, THE CROWD INSIDE, QUARTIER DE FEMMES, und ich glaube der IMDb hier mal nicht, wenn sie behauptet, Mme. Robert wäre auch die Regisseurin von GAR KEIN SEX MEHR?) ist, huch, welch Überraschung, ein Zigenuermädchen attraktiven Zuschnitts, Mitglied einer hier vor Ort ansässigen Zigeunersippe und in selbiger zuständig für Heilungen, Kräutermagie und Vorhersagen und Prophezeihungen aller Art. Eine Madame Ouspenskaya in jünger und hübscher, also. Momentan tut sie noch nichts, was für den Fortgang unserer, äh, Handlung in irgendeiner Form relevant wäre, also lassen wir sie erst mal in Frieden.

Wichtiger ist nämlich, dass, wie uns der voice-over Frankensteins erklärt, er nun schon ein ganzes Weilchen auf der Suche nach Draculas Schloss sei (steht der nicht in den Gelben Seiten?) und deswegen danach herumfragen lasse. Und so fährt ein erstaunliches Automobil, eine Art Blech- und Glasblase auf Reifen, die ich kaum zu beschreiben vermag und die insgesamt so aussieht, als wäre sie für eine Live-Action-Verfilmung der JETSONS konzipiert worden, in unserem Karpatenkaff vor der Dorfschänke vor. Der Chauffeur entert die Kneipe, um directions für den Weg zum Schloss zu erfragen. Mit Frankensteins Genie kann’s in diesem Film nicht weit her sein, sonst wüsste er, dass es verhältnismäßig unpraktisch ist, solche Erkundigungen durch jemanden einziehen zu lassen, der der verbalen Sprachausübung und des gemeinen Hörens nicht mächtig ist, nämlich… seufz, Morpho (Luis Barboo, DAS GEHEIMNIS DER MONSTERINSEL, CONAN DER BARBAR, SCHOCK, THE LORELEY’S GRASP), Frankensteins taubstummes Faktotum. Wenigstens hat Morpho einen Zettel mit seinem Begehr dabei, und nach mucho huumphing und haroomphing hat Morpho dem Barbesitzer (Daniel White, Jess Francos hier in seiner eigentlichen Profession beschäftigungsloser Stammkomponist), nachdem der zunächst der bewährten Methode „mit einem Taubstummen muss man LAUT UND LANG SAM RE DEN“ frönte, eine brauchbare Wegbeschreibung aus dem Daumen gelutscht (eigentlich ist das Schloss ja groß genug und nicht zu übersehen, aber weiß schon, wohin in den „Karpaten“ die Wege führen).

Auf dem Schlosse angekommen, Goldgeschmeide, Sakram-, eh, tschuldigung, bin wieder in Richtung meiner EAV-Sammlung gebogen… auf dem Schlosse angekommen flattert Dr. Frankenstein (Dennis Price, ADEL VERPFLICHTET, DER REBELL, VAMPYROS LESBOS, zwanzig Jahre älter aussehend als seine 58 Lenze und, nach allem was man so hört, permanent sternhagelvoll) und Morpho zwar ein Fledermäuschen um die Ohren, aber ansonsten hindert sie nichts daran, sich hier häuslich einzurichten. Morpho (der sich manchmal sogar daran erinnert, dass er neben seiner Taubstummheit auch ein lahmes Bein hat) schleift einen schweren Metallcontainer herein, der zum Bestandteil eines in Windeseile im Schlosskeller errichteten Mad-Scientist-Labor erster Strickfaden-Güte wird. Frankenstein findet auch das Objekt seiner Begierde, den genagelten Vampirgrafen in Fledermausform. Der Nagel ist schnell herausgezogen, aber zur vollständigen Wiederherstellung des Grafen braucht’s noch eine Spezialzutat, wenig überraschenderweise das Blut einer gesunden jungen Frau. Allgemeine Vermutung, zumindest meine, war nun, dass sich hierfür Maria anbietet (zumal wir gerade mal wieder eine ihrer Visionen erlebt haben, in deren Rahmen sich das Mädel rollig auf dem Boden herumrollt), aber nöö…

Bevor aber an eine Entführung gedacht werden kann, bedarf es noch eines Entführers. Frankenstein selbst ist aus klar auf der Hand liegenden Gründen für nichts zu gebrauchen, das auch nur ansatzweise mit körperlicher Betätigung verbunden ist (Price schafft es mit Müh und Not, unfallfrei zu stehen, sofern er sich irgendwo anlehnen kann), und Morpho… naja, der würde es vermutlich tun, ist aber nun auch nicht der Geschickteste, Stärkste oder Schnellste. Doch just aus diesem kühnen Grunde hat Frankenstein ja seinen Metallschrank mitgebracht und stöpselt den nun an allerlei sinnfrei aneinandergeklebte Geräte mit vielen Schaltern, Reglern und bunt blinkenden Lichtern an. SCIENCE!!! Die Unterstromsetzung der Kiste macht erstaunlicherweise ihren Deckel transparent (ich sehe Chancen in der freien Marktwirtschaft für diese Erfindung!) und offenbart, dass in der Kiste das Frankenstein-Monster (Fernando Bilbao, DIE BRUT DES BÖSEN, THE EXECUTOR – DER VOLLSTRECKER, ZWEI TOLLE HUNDE IN HONGKONG) parkt und seine Batterien aufgeladen werden. Kleiner Einschub: PFFRZAMUAAAAHWAAAAAAAHAHAHAAAAAAAA! Ich hielt Bilbao als silberbläulichmetallic-lackiertes Frankenstein-Monster in EINE JUNGFRAU IN DEN KRALLEN VON FRANKENSTEIN ja schon für eine extrem dämliche Monstervariante, aber gegen DAS hier war das Boris Karloff, Christopher Lee und Robert DeNiro rolled in one and then some… Heute hat’s nur dafür gereicht, Bilbao ungesund-gelbsüchtig zu schminken und die „Nähte“ des zusammengeflickten Gesichts AUFZUMALEN! Huuuhaaaaahuuuuaararrrghaaaaahahahahahahaahaaaaa… prust… schnauf… allein dieser Anblick war die 17 Euro Investition in die Blu-Ray LOCKER wert… Das Monster soll also des Grafens persönlicher Lebensrettungsgirlapportierer werden. Fehlt nur noch das persönliche Lebensrettungsgirl.

Und wenn wir schon nicht Maria nehmen, ist das doch eine exzellente Chance für Jess Franco, endlich eine seiner beliebten (bei ihm) und gefürchteten (beim Publikum) Nachtclubszenen einzubauen. Wobei… Nachtclub trifft es dieses Mal nicht ganz, heute räkelt sich keine halbnackte bis nackte Frau zu Smooth-Jazz-Klängen ekstatisch bis orgiastisch vor zahlendem Publikum, heute bekommen wir eine (ziemlich schauderhafte) Cabaret-Gesangsnummer, die mal wieder ganz gut ins Jahr 1880 passen würde. Estele (Josyane Gilbert, TÄNZERINNEN FÜR TANGER, DER SARG BLEIBT HEUTE ZU) schmettert einen französischen und mutmaßlich lustigen Changsong (also genau das, was in einer Karpatenkneipe um 1970 gesungen werden würde, ne?) zum Gaudium des Publikums und begibt sich nach vollständiger Zelebrierung ihrer Nummer in ihre Garderobe, die wahrscheinlich noch Rübezahl selbst aus dem nackten Felsgestein gemeißelt hat. Dort besucht sie umgehend das Monster, macht BUH und erschreckt Estele nach einem Kreischer in die wohlverdiente Ohnmacht. Das Monster klemmt sich Estele sprichwörtlich unter den Arm, bleibt aber nicht unbeobachtet. Einer der typischerweise schlechte Nachtclubvorstellungen in voller Uniform beiwohnenden Karpatencops brennt dem Monster zwei blaue Bohnen auf den Pelz, was das Monster allerdings ebenso wenig kratzt wie die handgreiflichen Versuche verschiedener Clubbesucher, die unrechtmäßige Sängerinnensubtraktion zu unterbinden.

Ergo findet sich Estellchen wenig später im Frankensteinschen Labor an eine Liege gefesselt wieder (eher unerwartererweise hat sie bis dato niemand ausgezogen. Aber das sei auch gesagt – für Franco-Verhältnisse ist es ein relativ prüder Film) und wird einem amtlichen Aderlass unterzogen. Der Fledermausgraf hockt in einem Glasbehälter und wird mit Tomatensaft, eh, „Blut“, übergossen (was dem Tierchen sichtlich ziemlich gut gefällt bzw. schmeckt, zumindest, bis es kurz davor ist, in dem Behälter abzusaufen), und PRESTO, Vampir in voller Lebensgröße. Das freut den Doktor, denn von nun an wird der Graf, warum auch immer er das tun sollte, des Frankensteines Biddings verrichten. Mentale Kontrolle durch irgendeins seiner Geräte? Vertrauen auf die vampirliche Dankbarkeit? Who knows. Morpho wird mit der Entsorgung des toten Weibsstücks beauftragt und weil der arme Kerl ja sonst nirgendwo zum Zug kommt, schlabbert er die Leiche erst mal in sexueller Ekstase ab, ehe er sie in den schlosseigenen Verbrennungsofen schiebt. Nennt man „to add insult to injury“, wenn man Estele ist.

Was soll nun eigentlich der ganze Tinnef? Nun, Frankenstein schreibt zwischen diesen enorm aufregenden Action- und Horrorsequenzen erfreulicherweise couragiert ein Tagebuch, auf dass wir zumindest ansatzweise schlau aus dem Kram werden. Offensichtlich strebt unser feiner Doktor nach nichts weniger als der Weltherrschaft an und für sich und hat sich ausgerechnet, dass er mit Frankenstein-Monster und Graf Dracula an seiner Seite ganz gute Aussichten dahingehend hat. Ich halte das zunächst noch für eine verdammt optimistische Einschätzung der Sach- und Rechtslage, aber, immerhin, auch Frankenstein denkt in ähnlichen Bahnen. Er hat den Grafen primär darum erweckt, weil der ja NEUE Vampire erschaffen kann und offensichtlich funktioniert die Befehlskette so, dass Dracula auf Frankensteins Befehle hört und die von Dracula erschaffenen Vampire auf eben den, dadurch by proxy Frankenstein eine ihm gegenüber loyale Vampirarmee aufbauen kann. Zugegeben, damit sieht die Sache dann doch wieder anders aus.

Aber an eins hat das Genie nicht gedacht – Dracula hat ja schon vor der feindlichen Übernahme seines freien Willens Vampire erschaffen und DIE sind, zumindest nach Logik dieses Films (ha, „dieser Film“ und „Logik“. I’m killing myself here), nicht an Frankensteins mentale Kontrolle gebunden. So z.B. (und eigentlich auch abschließend) ein blondes Vampir-Chick (Carmen Yazalde, besser bekannt als Britt Nichols, JUNGFRAUEN-REPORT, DRACULA’S DAUGHTER, EINE JUNGFRAU IN DEN KRALLEN VON ZOMBIES), das nach Krauchen aus dem eigenen Sarg einen ziemlich missbilligenden Blick auf den schlafenden Grafenden richtet und sich dann in Fledermausform in die Nacht hinaus auf die Jagd begibt. Was sie zwanglos ins Schlafzimmer eines jungen Zigeunermädels namens Amira (STOCKSCHWERENOT!) führt. Wäre das ein etwas, eh, zeigefreudigerer Film, hätten wir als Zuschauer auch noch was davon, so aber bedeckt die Vampirin die Saugaktion mit ihrem Cape der Barmherzigkeit. Weil in diesem Film Vampire immer so funktionieren, wie’s der Meister Franco grad braucht, ist das in diesem Fall aber nicht sofort tödlich, sondern Amira steht für den weiteren Filmverlauf noch zur Verfügung.

Nun gut, also Aufbau einer Vampirarmee. Dafür müssen zwangsläufig Leute vom Grafen gebissen werden, und Nr. 1-Kandidatin ist dann eben doch Maria (I Like It Loud!). Dracula flattert also zu Sewards Klinik in Marias Kemenate und beißt ihr in den Hals ohne Salz. Da dies mit Geräusch verbunden (nach den anfänglichen Schreien hört sich’s schwer nach Lustgestöhne eines drittklassigen Pornos an), ruft es Seward auf den Plan, der, wie meistens, an seinem Schreibtisch hockt und irgendwelchen Schmonz studiert, vielleicht aber lieber überlegen sollte, ob er zukünftig seine Patientenzimmer nicht besser auf der gleichen Etage wie sein Büro anlegt, dann erspart er sich nicht nur lästiges Treppensteigen, sondern kommt vielleicht auch mal rechtzeitig, um eine ihm anvertraute Patientin vor dem gierigen Raffzahn eines Vampirs zu retten. Jetzt jedenfalls tut er’s nicht.

Seward nimmt die Sache wenigstens angemessenerweise persönlich, packt die Leiche auf den Co-Pilotensitz seiner Kutsche und gibt der vorgespannten Schindmähre die Sporen. I don’t knooooow exactly was er vorhat – mein erster Gedanke war, dass er rachedurstig zum Schloss unterwegs ist, um nachzusehen, ob Dracula da immer noch ordnungsgemäß gepfählt rumliegt, aber dafür müsste er ja die tote Maria nicht mitschleifen. Dann erinnerte ich mich wieder daran, dass ich in einem dialoglosen, womöglich improvisierten Franco-Horrorfilm von 1972 aufenthaltig bin und hier nichts irgendwelchen Sinn ergeben muss. Es sind bunte Bilder in bewegter Form, und das ist das Maximum an Logik, das ich einem solchen Film zutraue. Egal wohin er unterwegs ist, er kommt eh nicht hin (also von wegen „wherever you go, there you are“. Soviel zur Wahrheit von Buckaroo-Banzai-Bonmots) . Seward steigt vom Kutschbock, vermutlich um dem Monster zu sagen, wie dämlich es aussieht, und wird zum Dank dafür windelweich geprügelt und vom Monster in irgendeinen Strauch geworfen.

Also landet nun Maria auf Frankensteinchens OP-Liege, denn der Vampirbiss allein genügt offenbar nicht, um das Mädel auch in eine Fangzahnbraut zu transformieren. Warum auch immer. Der Doktor legt ihr ein paar Elektroden an und jagt ein paar tausende Ampere durch ihren Körper, und DAMIT ist die Umwandlung in eine blutsaugende Untote dann vollzogen. Ich versteh’s doch auch nicht. Immerhin hat Frank N. Stein ihr schon einen hübschen Sarg der gleichen Modellreihe wie Draculas Liegestätte besorgt. Woher eigentlich? Fällt sowas nicht auf, wenn jemand Särge en gros bestellt, dabei aber keinen persönlichen Friedhof betreibt? Immerhin – der Film macht dem Titel alle Ehre, die Särge sind offen. Wer unter Frankenfuchtel steht, verwirkt wohl das Anrecht auf Privatsphäre.

In meinem jugendlichen Leichtsinn ging ich davon aus, Seward hätte das Handtuch geworfen, und das meinen zuerst auch die zwei Zigeunerkinder, die den vom wilden Monster Verprügelten in der Botanik abseits der Buckelpiste finden. Bis sie allerdings bei ihrer Sippe eingetroffen sind, sind sie sich uneins – „er ist verletzt“ vs. „er ist tot“. Man einigt sich schließlich auf „schwer verletzt“ und schleift den Bewusstlosen zu Amira, auf das die endlich mal was tut, was ihre vorige Herausstellung als potentielle Frankenstein-Untergangsbringerin rechtfertigt. Das beschränkt sich zunächst darauf, dem Verunfallten ein paar Heilkräuter einzutrichtern und seine gebrochene linke Obergräte in eine Schlinge zu legen. Den Ersthelferkurs somit erfolgreich einer nützlichen Verwendung zugeführt, lässt sie Seward erst mal ein paar Tage auskurieren (nehme ich zumindest an, die Schilderung von Zeitabläufen ist, wie so vieles, Sache des Films nicht). Seward fällt bei Betrachtung seiner Krankenpflegerin durchaus auf, dass die ein Bissmal (aber komischerweise auch nur EINS und keine zwei. Leidet Blonde Vampire Chick unter akutem Zahnausfall?) am Halse Spazieren trägt. Das sollte Seward angesichts seiner eigenen Erfahrungen gelinde beunruhigen, aber, Ihr wisst ja schon, it’s not this kind of film.

Wir kommen zu der Szene, die ich ganz oben schon mal angedeutet habe – während für einen Betrachter der Originalfassung alles, was sich ab jetzt abspielt, mindestens genauso unverständlich geblieben sein muss wie das, was sich bisher ereignet hat, haben wir als Teutonen mit unser eigenen höchstselbigen Synchronfassung einen unfairen taktischen Vorteil, denn der Synchronautor erlaubt sich die – was Franco angeht, wahrscheinlich unsägliche – Frechheit, ein bisschen was zu erklären, indem Amira Seward über einer Handvoll magischen Prophezeihungsdrecks, in dem sie eifrig rumrührt, die weiteren Geschehnisse erläutert, sicherheitshalber, da die „echte“ Amira in dieser Szene weitgehend die Klappe hält, weitgehend über Einstellungen, in denen das Zigeunermädchen nicht im Bild ist. Wenn sich’s nicht vermeiden lässt, das Frauenzimmer zu zeigen (weil Franco sie nun mal gefilmt hat und man nur deswegen, weil man jetzt was erklären will, das Material nicht wegwerfen kann), sind die versiegelten Lippen der Maid deutlich zu sehen, während ihr voice-over daherbrabbelt… Nun, „erklären“ ist vielleicht jetzt auch wieder geringfügig übertrieben, aber man kann sich zumindest anhand ihrer Rede ausmalen, was passiert. Seward ist einer der wenigen mutigen Männer, der überhaupt in der Lage ist, die Stirn gegen das fiese Vampirantentum zu heben, und Amira gehört auch dazu, ist aber, being bitten bei the Blonde Vampire Chick, dem Tode geweiht und wird persönlich nicht mehr stark eingreifen können (so viel also zu Frankensteins Ansicht, die Tussi könnte ihm gefährlich werden), aber deswegen soll sich Seward jetzt nicht zu sehr grämen, denn zum nächsten Vollmond wird ein anderer Verbündeter aus dem Grab steigen, um den bösen Bösewichtern auf die Mütze zu hauen, nämlich der Werwolf. Warum auch immer DEN das interessieren sollte (und warum es offensichtlich genau EINEN Werwolf gibt), bleibt Amiras finsteres Geheimnis.

Na, dann hilft nur warten auf den Vollmond. Bis dahin vertreiben wir uns halt die Zeit. Während Blonde Vampire Chick weiter von Frankenstein unbehelligt ein und aus geht, um ihr eigenes Ding zu machen, wird Maria mit dem Grafen auf ihren ersten Kampfeinsatz geschickt. For some reason or other hat der Madde Doktor ein Ehepaar als nächste Opfer auserkoren, und es ist jetzt schon gelinde amüsant, wie sich Franco mittlerweile bewusst darum drückt, Dialoge zu schreiben. Der Männe kommt von einer Geschäftsreise nach Hause und sein Frauchen begrüßt ihn mit der Aussicht auf eine warme Mahlzeit und Sex, aber er reagiert auf ihre entsprechenden Vorschläge nur mit „hmms“, „hrrrs“ und „hnnngss“. Und in der Schlafstatt dann übernimmt er das Sprechen und sie sagt nix mehr klar Artikuliertes. I’m actually kinda impressed in a perverse way. Jedenfalls stürzen sich die Vampire auf die den Poppvorgang vorbereitenden Eheleute, aber weil heute nix mehr sein wird, wie’s mal war, beißt der Graf den Kerl und Maria das Weib. Und die gräflichen Kulleraugen schieben Rollüberstunden. Auch die frisch Gebissenen landen auf des Doktors Liege und werden per Elektroschock endgültig vampirisiert, um sich fürderhin auf Nimmerwiedersehen aus der „Handlung“ zu verabschieden. Muss schön sein, wenn man einfach nur das filmen darf, was einem gerade durch die fusel- und nikotinumwaberte Rübe schwirrt.

Endlich! Vollmond! Hurra! Und da ist er auch schon, der König der Zottelviecher, Papst der kläffenden Flohtüten, Obermacker aller Straßenköter, der Werwolf (Brandy, hauptamtlicher Stuntman, als solcher u.a. beschäftigt in DIE DREI MUSKETIERE, MARSCHIER ODER STIRB oder DAS LICHT AM ENDE DER WELT). Sieht auch aus wie Nachbars Lumpi, da denkt man als wehmütig an das lebensechte Werwolfs-Make-up von Paul Naschy als der ewige Waldemar Daninsky. Zottelwuff verliert keine Zeit und führt sich selbst zum Grafenschloss Gassi, um sich mit dem von Frankenstein in seinen Weg geschickten Monster anzulegen. Wuffelschnuff ist ein wahrer Springinsfeld und wesentlich schneller und quirliger als das ungelenke Monster, aber das kann unser gelbsüchtiger Monsterfreund durch rohe sinnlose Gewaltanwendung kompensieren. Während sich also im Schloss die muntere Monsterbalgerei vollzieht, macht Amira den Abflug zu ihren Ahnen und sammelt Seward seine neuen Zigeunerfreunde zum amtlichen Fackel- und Mistgabelsturm (okay, zugegebenerweise primär mit Fackeln). Frankenstein ist besorgt – und „besorgt“ ist eigentlich kein Ausdruck, denn binnen Sekunden ist der Doktor felsenfest davon überzeugt, dass er a) verloren hat und das b) alles die Schuld der verräterischen Vampire ist. Fragt mich doch nicht, wie er auf das schmale Brett kommt. Von den Vampiren käme als „Verräter“ einzig Blonde Vampire Chick in Frage, und dass er sich um die Tussi nicht gekümmert hat, ist seine eigene Schuld, und abgesehen davon hat die auch nicht wirklich irgendwas gemacht, außer ihm technisch gesehen Amira vom Hals zu schaffen, vor der er sich ja in die Buxe gemacht hat. Also kurz gefragt: HÄ? Wovon redet der Mann?

Der Mann redet aber nicht nur, er macht auch Nägel mit Köpfen. Obwohl das Monster augenscheinlich den Werwolf zu einem Bettvorleger verarbeitet hat (den Ausgang des Kampfes konnte uns Jess Franco leider nicht zeigen, weil wir da dringend eine Einstellung von den fackelschwingenden Zigeunern auf ihrem Weg zum Schloss brauchten), beordert Frankenstein das Monster zurück in seinen Metallschrank und jagt dann einen tödlichen Stromstoß in seine Kreatur. Während Morpho immerhin gerade von Blonde Vampire Chick in ihrer Fledermausform niedergerungen wird, macht sich der Doktor auf in den Keller, wo der Graf und Maria friedlich in ihren Särgen ruhen und pfählt die undankbare Vampirbaggage eigenhändig. Ich wiederhole mich. HÄ? Der Mad Doctor ward von nun an nicht mehr gesehen und Seward, der, wie wir alle gesehen haben, mitsamt seiner Zigeunersippe exakt jack and shit zum Untergang des Frankensteinschen Imperiums beitragen hat, lässt sich als großer Held des Tages feiern. FINE.

Wenn ich das nicht schon öfter nach Franco-Filmen gesagt hätte, ich würde es an dieser Stelle glatt wieder behaupten: Halleluja, das is’n Ding! Selbst für gestählte Franco-Freunde ist das schon ein ordentlicher Stück Kantholz, den der gute Jesus uns da zwischen die Kauleisten dengelt. Da hat man schwer dran zu schlucken. Ich bin ja einiges gewohnt, halte VAMPYROS LESBOS tatsächlich für ein Meisterwerk (ob es dem guten Jesse absichtlich so entsprang oder nicht, ist ja zweitrangig) und kann auch der JUNGFRAU IN DEN KRALLEN VON FRANKENSTEIN einiges an Unterhaltungswert abgewinnen, aber mit DIE NACHT DER OFFENEN SÄRGE hängt unser aller Lieblingsspanier die Messlatte noch eine ordentliche Nummer höher (oder tiefer, je nach Standpunkt).

Mit den herkömmlichen Mitteln der Filmkritik ist Herrn Franco ja schon in Normalform kaum beizukommen, wie soll das dann bei einem Werk funktionieren, das mal wieder vollkommen bewusst an allen Konventionen herkömmlichen Erzählkinos vorbeikonzipiert und –inszeniert wurde? Nichts lag Franco einmal mehr ferner, als einen kohärenten, in sich schlüssigen Horrorfilm zu drehen, in dem es nachvollziehbare Charaktere gibt, die nachvollziehbare Dinge auf nachvollziehbare Weise tun, nein, hier befriedigt Franco mal wieder seinen persönlichen Fetisch traumwandlerischer Bilder ohne tieferen Zusammenhang, lose basierend auf Genre-Archetypen, ohne auch nur anzutäuschen, es wäre hier eine echte Geschichte zu erzählen. Was man eben schon daran merkt, dass beinahe alles, was die Ereignisse im Film zumindest andeutungsweise in einen narrativen Kontext setzt, vom vermutlich frei fabulierenden deutschen Synchronautor eingebracht wurde (Frankensteins voice-over und Amiras Expositions-Dump), der Betrachter der Originalversion hat außer Frankensteins Tagebucheinträgen (und auch da besteht zumindest die Theorie, dass Franco die nur für die englischsprachige Auswertung vorgesehen hatte) ja eigentlich gar keine Anhaltspunkte, an denen er sich entlanghangeln und versuchen kann, aus den wirren Bildern so etwas wie, hüstel , Sinn zu extrahieren.

Es stellt sich also wie so oft die Frage – wer zur Hölle gab Jess Franco in voller Kenntnis dessen, was der ohne Towers-artige Gängelung bei freier künstlerischer Entfaltung ablieferte, immer wieder Geld (wenn auch nicht viel) um MEHR davon zu machen? Gab es wirklich einen Markt für Filme wie diesen? Ich meine, bei aller Freundschaft und Vaterlandsliebe sind auch europäische B-Film-Produzenten nicht die Wohlfahrt und hoffen daher auf einen gewissen Return-on-Investment. Sure, wenn Franco an die Leine gelegt und gezwungen wurde, Filme zu machen, die halbwegs kommerziellen Erwägungen entsprachen, stellte sich gern gewisser Publikumserfolg ein (sonst hätte Franco sich nicht an der Edgar-Wallace-Reihe vergreifen oder Fu-Man-Chu-Filme drehen dürfen), aber ein frei flottierender Franco fernab finanzieller und kommerzieller Erwartungen? Nun, in diesem Fall waren es gleich drei Produktionsfirmen aus Portugal, Frankreich und Liechtenstein – da wollte am Ende vermutlich doch wieder nur jemand Steuern sparen…

Worüber ungeübte Franco-Newbies sicher als erstes stolpern werden, ist Francos Umgang mit dem gesprochenen Wort. Bis im Film selbst eine Silbe ausgesprochen wird, dauert es sage und schreibe 16 Minuten. Auch danach gibt’s immer wieder lange wortlose Passagen, und wenn gesprochen wird, dann, wie erwähnt, nicht in Dialogform, sondern nur in einer Abfolge von Monologen, die am Ende nichts aussagen. Keine Ahnung, ob Franco hier bewusst einer gewissen Stummfilmästhetik nacheifert (dafür würde ja auch Howard Vernons wüstes Grimassieren sprechen) – Einschub am Rande: das hätte ich tatsächlich spannend gefunden – einen Franco-Stummfilm -, oder beim „Improvisieren“ auch keiner der Beteiligten eine vage Idee hatte, worüber die Figuren denn sprechen sollten. Es ist eine ähnliche Herangehensweise wie in EINE JUNGFRAU IN DEN KRALLEN VON FRANKENSTEIN (der mit diesem Film und dem vor ein paar Wochen besprochenen DRACULA’S DAUGHTER eine lose, nicht inhaltlich, aber zumindest formal und thematisch zusammengehörige Trilogie bildet), die dort aber „besser“ funktioniert, weil der Film an sich surrealer ist. DIE NACHT DER OFFENEN SÄRGE hätte prinzipiell ja eine einigermaßen simple Horrorgeschichte zu erzählen, und gerade weil man sich vorstellen könnte, dass irgendwo hinter den Bildern und Monologfetzen eine sinnvolle Story stecken könnte, gibt’s hier eben eine Bruchstelle zwischen Zuschauer und Filmemacher, die EINE JUNGFRAU… so nicht hat, weil man dort als Zuschauer gar nicht erst mit diesen Brotkrumen einer Story konfrontiert wird, sondern sich völlig in den Irrwitz versenken kann.

Bei den OFFENEN SÄRGEN will dieses Abgleiten nicht funktionieren, weil jede Faser zumindest meines Körpers gequält aufschreit, wenn hier Szenen aufeinanderfolgen, ohne einer logischen oder wenigstens innerhalb einer etablierten „Filmlogik“ schlüssigen Entwicklung zu folgen, obwohl man meint, dass sie es müssten, dass Frankensteins Plan doch um Verrecken irgendeinen Sinn machen müsste, es eine Erklärung dafür gibt, warum Dracula Frankensteins Befehlen folgen sollte, warum man Vampiropfer erst elektroschocken muss, um sie endgültig zu vampirisieren, welche Rolle Amira eigentlich spielt und woher zum Geier am Ende der verdammte Werwolf kommt und warum den das alles überhaupt interessieren sollte… ganz zu schweigen natürlich vom Finale, in dem Frankensteins Monster mit dem Wolf den Boden aufwischt und es keinen Grund gibt, warum die Vampire und das Monster nicht auch mit Sewards traurigem Zigeunerhaufen Schlitten fahren könnten, Frankenstein aber auf einmal beschließt, besiegt zu sein und beleidigt all seine Schöpfungen vernichtet. I just don’t know, man, maybe it makes more sense on drugs.

Auch filmisch-handwerklich kann man Franco bei einer solchen Herangehensweise kaum an den Karren fahren. Was soll ich denn bitteschön als Goof oder Idiotie bezeichnen, wenn der verdammte Film in einem Paralleluniversum spielt, in dem die Leute gleichzeitig mit Mercedes-Benzen und mit Pferdekutschen unterwegs sind? Kann man, wenn man will, als Hommage an dieses obskure, nie wirklich definier- und greifbare Pseudo-19.-oder-ist-es-doch-das-20.-Jahrhundert der Universal-Horrorfilme, insbesondere ihrer späteren Low-Budget-Vertreter ab „Ghost of Frankenstein“ sehen, muss man aber nicht. Und ob eine Szene nun bei Tag oder Nacht spielt, ist einem Jess Franco doch eh schon immer egal gewesen, warum sollte man das also jetzt ausgerechnet hier ankreiden, wo der Regisseur sich sowieso von jeder Logik hat per ärztlichem Attest entschuldigen lassen. Eine helle Freude ist die Kameraführung, die alles beinhaltet, was des Franco-Freundes Herz begehrt – rumpelige Tracking shots, haklige Schwenks, Filmen aus und in alle denkbaren reflektierenden Oberflächen und mit kindlicher Begeisterung durchgeführte Zooms.

Als „Horrorfilm“ ist DIE NACHT DER OFFENEN SÄRGE denn auch völlig untauglich, außer ein paar Blutspritzern, der „blutbesudelten“ Visage von Howard Vernon und den Bissmalen der Opfer gibt’s hier nichts, was geeignet wäre, auch die zartest besaiteten Gemüter in Angst und Schrecken zu versetzen (gut, Howard Vernons und Fernando Bilbaos Make-up-Katastrophen können einem im Traum nachgehen), und, da bin ich wirklich ein wenig sauer, Franco lässt hier seine Grazien wenig Haut zeigen, und das, obwohl er vielleicht keine Soledad Miranda, aber doch einiges an attraktivem Weibsvolk im Ensemble hat. Wäre ich der Meinung, man könnte einen Film wie diesem generell einem breiten Publikum zugänglich machen, ich würde das Ding ab 12 freigeben. Bin ich aber nicht…

Zumindest tönt es einigermaßen anständig – der Score ist von Bruno Nicolai und erfüllt damit ein gewisses Mindestqualitätslevel, ist aber nicht für diesen Film entstanden, sondern für den ein Jahr älteren George-Cukor-Streifen JUSTINE aka ALEXANDRIA – TREIBHAUS DER SÜNDE (der natürlich nichts mit der deSade’schen Justine zu tun, aber immerhin auch einen Vernon, wenn auch John, im Cast hat). Passt dann natürlich nur dann und wann zum Prozedere auf der Leinwand.

Schauspielerisch… ach, was soll ich drum rum reden. Wer könnte sich hier auszeichnen? Okay, Dennis Price wäre nüchtern sicher besser gewesen – es ist eine wirklich peinlich berührende Performance, der alte Schlucki tut einem beinahe leid. Alberto Dalbes könnte vielleicht einen passablen Helden spielen, wenn die „Story“ auf ihn abstellen würde, und Howard Vernon… meine Güte, der ist der nun wirklich zweitschlimmste Dracula nach Carlos Villarias aus dem spanischen Universal-DRACULA von 1931. Vernon als zylindertragender Graf sieht keine Sekunde aus wie ein bedrohlicher Vampirfürst, sondern wie ein zwölftklassiger Jahrmarktszauberer… Die Mädels sind lecker anzuschauen, tragen aber eindeutig zu viel Textil, und keine davon muss etwas tun, das auch nur entfernt mit Schauspielerei zu tun hat. Luis Barboo sorgt als Morpho für ein paar kurze Lacher, ebenso wie der arme Fernando Bilbao in seinem Kinderschminken-für-Arme-Frankenstein-Make-up. Seufz.

Und für sowas geben sich Publisher Mühe (und ich danke ihnen dafür). Colosseo Film hat für den Blu-Ray-Release (den weltweit ersten!) eine aufwendige Restauration des überlebenden 35-mm-Materials vorgenommen. Dass keine absolute High-End-Spitzenqualität bei rumkam, ist entschuldbar – es ist sicher der bestmögliche Transfer, den dieser Film erleben kann. Ordentliche, wenn auch schwankende Schärfe, brauchbarer Kontrast, okaye Farben, wenig Defekte, ein paar kurze Filmrisse konnten nicht kompensiert werden uns sorgen für ein paar „jumps“, und für Puristen ist auch noch genug Filmkörnung geblieben… Der deutsche Ton wirkt manchmal etwas zu steril. Als Extras gibt’s eine Featurette mit Jess und seiner Muse Lina anlässlich eines Festivals in München 2001, ein kurze Textcrawl-Sequenz, die der englischen Fassung anstelle des Prologs mit Sewards erster Pfählung Draculas vorangestellt wurde, und einen Einblick in den Restaurationsprozess. Die Blu-Ray kommt im hübschen Pappschuber.

Soderla – was sagen wir also? Ich hab keine Ahnung. DIE NACHT DER OFFENEN SÄRGE ist ein Vertreter der Sorte Film, die sich jeder kritischen Bewertung und Analyse glatt entziehen, es ist ein Film, der nie dafür gedreht wurde, um „zu gefallen“ oder objektiv bewertet zu werden. Man kann sich auf Francos eigentümliche und einzigartige Herangehensweise einlassen oder es bleiben lassen. Ich kann’s im Normalfall (siehe meine Liebe für VAMPYROS LESBOS und meinen zumindest extrahierten Unterhaltungswert aus EINE JUNGFRAU IN DEN KRALLEN VON FRANKENSTEIN), aber bei diesem Film fand ich’s auch zunehmend schwer, am Ball zu bleiben und einfach nur Francos persönliche Vision auf mich wirken zu lassen. Ich bin froh, den Film endlich gesehen zu haben, aber… weiterempfehlen würde ich ihn wirklich nur Hardcore-Franco-Fanatics.

© 2019 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 9

BIER-Skala: 4


mm
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Andre
Andre
7. Juli 2021 13:15

Unterhaltsame und witzige Analyse…kann mich dem nur anschließen.
Unterhalten wurde ich trotzdem bei dem „Machwerk“ :).