Die Mumie

 
  • Deutscher Titel: Die Mumie
  • Original-Titel: The Mummy
  •  
  • Regie: Karl Freund
  • Land: USA
  • Jahr: 1932
  • Darsteller:

    Boris Karloff (Imhotep/Ardath Bey), Zita Johnson (Helen Grosvenor/Anck-es-en-Amon), David Manners (Frank Whemple), Arthur Byron (Sir Joseph Whemple), Edward van Sloan (Dr. Muller), Bramwell Fletcher (Ralph Norton), Noble Johnson (Der Nubier), Kathryn Byron (Frau Muller), Leonard Mudie (Prof. Pearson)


Vorwort

1921 entdeckt eine britische archäologische Expedition unter der Fuchtel von Sir Joseph Whemple die Mumie des ägyptischen Hohepriester Imhotep, den offensichtlich das garstige Schicksal ereilt hat, bei lebendigem Leibe mumifiziert zu werden. Dazu findet sich eine geheimnisvolle goldene Kiste an, die mit dramatischen Todesflüchen belegt ist. Okkultismusexperte Dr. Muller warnt vor der Öffnung der Kiste, Whemples jungscher Assistent Norton kann sich natürlich nicht beherrschen, öffnet die Box und entdeckt einen Papyrus, den er gleich mal transkribiert. Während Muller Whemple darüber informiert, dass er vermutet, die Kiste beinhalte den „Scroll of Thoth“, mit dessen Zaubersprüchen man Tote ins Leben zurückrufen könne, muss Norton feststellen, dass der Okkult-Spezi vollkommen richtig getippt hat. Imhotep erwacht zum Leben, schickt Norton gönnerhaft nur in den Wahnsinn, klaut den Papyrus und verschwindet in der Wüste.

Elf Jahre später (seltsamerweise reitet der Film auf einer zeitlichen Distanz von 10 Jahren herum, obwohl explizit das Jahr 1932 genannt wird) versucht Whemples Sohn Frank weitgehend erfolglos, in die Fußstapfen seines Vaters, der seit den rätselhaften Vorfällen um die Imhotep-Mumie Ägypten nicht mehr betreten hat, zu treten. Ein geheimnisvoller Ägypter, der sich Ardath Bey nennt, dirigiert Frank zur Entdeckung eines ungeöffneten altägyptischen Prinzessinengrabes. Die Relikte inklusive der Mumie der Prinzessin werden im Museum zu Kairo ausgestellt, dafür kommt sogar Sir Joseph zurück nach Ägypten. Natürlich ahnen die Whemples nicht, dass Bey alles andere als uneigennützig gehandelt hat. Mithilfe des „Scrolls of Thoth“ will er die Prinzessin reanimieren, wird aber von einem Wachmann gestört. Doch des Ägypters mystische Worte verfehlen nicht ihre Wirkung – auf die Gouverneurstochter Helen Grosvenor, einen Logiergast von Dr. Muller. Hypnotisiert versucht Helen ins Museum einzudringen und bricht vor dem Portal (und vor den Füßen des sofort in Liebe entflammten Frank) bewusstlos zusammen, nicht ohne vorher einige altägyptische Worte von sich zu geben, darunter den Namen „Imhotep“. Der hinzugerufene Dr. Muller fürchtet Ungemach, und Recht soll er haben. Bey, selbstverständlich niemand anderes als der untote Hohepriester, stellt zu seiner eigenen Überraschung fest, dass die Seele der Prinzessin in Helen reinkarniert ist, was eine Änderung seines Plans notwendig macht.

Nach einer ersten Konfrontation mit Muller und den Whemples, die Imhotep/Bey kraft seiner übernatürlichen Fähigkeiten für sich entscheidet, lotst er auf hypnotischem Wege Helen zu sich und eröffnet ihr die Backstory: dereinst haben Imhotep und Prinzessin Anck-es-en-Amon sich verbotenerweise geliebt. Als das Prinzesschen krankheitsbedingt den Löffel reichte, versuchte Imhotep, sie mit dem „Scroll of Thoth“ ins Leben zurückzuholen, wurde aber vom Pharao erwischt und wegen dieses bösen Sakrilegs zum Tod durch lebendiges Mumifizieren verurteilt. Nun möchte er, wieder lebendig, die ewige Liebe wiederaufnehmen. Dieweil bedrängt Muller Sir Joseph, den Scroll, den Imhotep bei seinem ersten Reanimationsversuch zurücklassen musste, zu vernichten. Sir Joseph ist willig, wird aber von Imhotep aus der Ferne umgebracht und kann über einen mental von ihm versklavten Diener den Papyrus wieder an sich bringen.

Helen siecht kränkelnd vor sich hin und versucht immer wieder, zu Imhotep gebracht zu werden (es ist die Seele der Prinzessin, die versucht, die Oberhand zu gewinnen). Endlich hat Imhotep seine Vorbereitungen abgeschlossen. Er schaltet Frank temporär aus und lockt Helen ins Museum, wo er das Ritual vollziehen will. Der nicht von der Hand zu weisende Nachteil seines Plans ist, zumindest für Helen/Prinzessin, dass er sie, bevor er sie per Scroll zum ewigen Leben reanimieren kann, vorher töten muss, und darauf hat auch das Prinzessinen-Selbst, das mittlerweile die Herrschaft über Helens Geist und Körper an sich gerissen hat, nicht wirklich Bock. Können Muller und Frank Imhoteps Pläne noch durchkreuzen?


Inhalt

Endlich geht’s weiter mit den Besprechungen der Universal-Monster-Legacy-Box. „Die Mumie“ gehört neben „Dracula“ und „Frankenstein“ zu den „großen“ drei Horrormotiven, die Universal Pictures Anfang der 30er Jahre in kurzer Folge auf das Publikum losliess. Im Gegensatz zu den beiden 1931 entstandenen beiden anderen Filmen beruht „Die Mumie“ auf keiner klassischen Vorlage, sondern entstand sozusagen am Reißbrett, im erklärten Willen, dem durch „Frankenstein“ zum Star gewordenen Boris Karloff (der dann tatsächlich als „Karloff the Uncanny“ kreditiert wurde) ein neues Star-Vehikel zu bescheren. Seinen Ursprung fand das Projekt dann in einem Treatment namens „Cagliostro“, das von Nancy Potham, normalerweise Autorin von proto-frauenrechtlerischen Artikeln und Kurzgeschichten für Magazine, entwarf und zu einem Drehbuch ausarbeitete. In „Cagliostro“ ist die Hauptperson ein viertausend Jahre alter ägyptischer Priester, der sich durch eine Nitratlösung am Leben erhält, in San Francisco damit beschäftigt, als Spiritist „Dr. Astro“ Schindluder zu treiben, mit einem Todesstrahl seine Feinde zu killen, Nitratvorräte zu klauen und jede Reinkarnation einer ägyptischen Prinzessin, die ihn dereinst betrog, umzubringen. Wie man hört, war dieses Script eine eher konfuse Angelegenheit, so dass Universal John L. Balderston, den Bühnenautor, der „Dracula“ und „Frankenstein“ für amerikanische Theater adaptiert hatte und dessen Fassungen den Universal-Verfilmungen zugrundelagen, mit einer Überarbeitung zu beauftragen. Balderston eliminierte den pseudowissenschaftlichen Mumpitz, veränderte Schauplatz, Charaktere und Aussage des Scripts (vom ursprünglichen „Cagliostro“, dessen Name sich daraus herleitet, dass der unsterbliche Ägypter im 18. Jahrhundert eben diese Identität angenommen hatte, ist in „Die Mumie“ kaum etwas übrig), baute dafür den für „Die Mumie“ essentiellen Baustein „Jahrtausende überdauernde Liebe“ ein und verwendete dafür relativ zwanglos Elemente aus seiner eigenen „Dracula“-Adaption als auch aus H. Rider Haggards Fantasyabenteuer „She“, mit dessen Drehbuchadaption Universal Balderston zeitgleich beauftragt hatte (Universal gab das „She“-Projekt 1934 dann samt Balderstons Drehbuchfassung an RKO weiter).

Als Regisseur wurde Karl Freund, der berühmte expressionistische Kameramann, der für zahlreiche Murnau-Werke die Fotografie besorgte und auch Tod Brownings zwiespältigem „Dracula“ seinen optischen Stempel aufdrückte, angeheuert; wer die Hauptrolle spielen sollte, war überhaupt keine Frage, nämlich Karloff, für die weibliche Hauptrolle wurde die ungarischstämmige Broadway-Schauspielerin Zita Johann (badmovies.de-Affecionados aus dem filmhistorisch interessanten Drama „The Sin of Nora Moran“ bekannt) verpflichtet (Autor Balderston hatte übrigens Katherine Hepburn vorgeschlagen, die man auch hätte vorsprechen lassen, wäre die Hepburn nicht justament zu diesem Zeitpunkt nach New York gegangen). Den Rest des Ensembles füllte Universal mit routinierten und teilweise bereits horrorerfahrenen Akteuren wie David Manners („Dracula“, „The Black Cat“) oder Edward von Sloan („Dracula“, „Frankenstein“) auf. Die für Universal-Verhältnisse aufwendige und sehr sorgfältig hergestellte Produktion erhielt nach Premiere allerdings überwiegend negative Kritiken und wurde finanziell kein Erfolg (das hinderte Universal acht Jahre später, als das Studio händeringend Horrorstoffe für schnell herstellbare B-Movies suchte, nicht daran, das Motiv zu exhumieren und eine Reihe nicht wirklich bemerkenswerter Mumien-Filme mit u.a. Westernstar Tom Tyler und Lon Chaney jr., der damit den vierten großen Horrorarchetypen auf seiner to-do-Liste abhaken konnte, herunterzukurbeln). Seinen heutigen unbestrittenen Klassikerstatus erarbeitete sich der Film recht mühsam über die Jahre.

Also analysieren wir das Teil mal – zunächst zum Drehbuch. Eine der gravierendsten Änderungen, die Balderston am ursprünglichen „Cagliostro“-Konzept vornahm, war die völlige Umkehrung der Motivation seines „Monsters“. Imhotep tötet nicht aus Hass, sondern aus Liebe. Der alte Romantiker ist nach 3700 Jahren immer noch Hals über Kopf in sein Prinzesschen verschossen und will eigentlich nichts, außer mit ihr glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage (und dank Unsterblichkeit wären das einie) zu leben. Zu mörderischen Maßnahmen greift er nur, wenn sich jemand diesen Plänen in den Weg stellt. Balderston arbeitet das tragische Element dieser Geschichte schön heraus (welch traurige Figur Imhotep wirklich ist, zeigt sich exemplarisch im Finale, als die Prinzessin ihn bzw. seine Pläne für ein gemeinsames Weiterleben in alle Ewigkeit zurückweist) und macht aus einer eindimensionalen und grundsätzlich nicht besonders tiefschürfenden und variantenreich einsetzbaren Horrorgestalt wie der Mumie (die in den meisten anderen Mumien-Filmen, von denen keiner die Qualität dieses Streifens erreicht, schlicht stupide Grabwächter bzw. Exekutivorgane eines der handelsüblichen Flüche sind; nicht, dass Balderston den durch die Tut-Ench-Amun-Ausgrabung und die von der Sensationspresse ausgeschlachteten Todesfälle unter den Ausgräbern durch Einbau eines Grabfluches, der allerdings für die Story überhaupt keine Rolle spielt, nicht des guten Willens halber bestätigt hätte; und interessanterweise orientiert sich Stephen Sommers Mega-Blockbuster „Die Mumie“ in den Story-Grundzügen sehr deutlich an *dieser* „Mumie“) eine in gewisser Weise sogar sympathische Figur (etwas, das ansatzweise auch im „Dracula“-Mythos mitschwingt und natürlich auch in „Frankenstein“ vorkommt, wobei „Die Mumie“ in dieser Hinsicht sicherlich besser herausgearbeitet ist). In gewisser Weise ist „Die Mumie“ also ein Liebesfilm (eine These, die auch Balderston enthusiastisch bejahen würde; im übrigen findet sich der „unsterbliche Liebe“-Aufhänger auch im erwähnten „She“ von Haggard, mit umgekehrter Geschlechterrolle. Balderstons Idee, die Frau „reinkarnieren“ und den Mann „warten“ zu lassen, griffen die Hammer-Studios, die in den 60er Jahren ein überaus erfolgreiches „She“-Remake produziert hatten, in ihrer Fortsetzung des Stoffes, dem hier besprochenen „Vengeance of She“ dankbar auf), der demzufolge sehr zurückhaltend bleibt, was den Horrorgehalt angeht. Nun sind bekanntlich die meisten Horror-Classics dieser Epoche kaum mehr angetan, einem heutigen Publikum auch nur den Anflug einer wohligen Gänsehaut zu bescheren, aber „Die Mumie“ spielt sich auch im Vergleich zu zeitgenössischen Genreprodukten wirklich eher wie ein schwermütiges romantisches Drama denn ein „erschreckender“ Gruselfilm – so tötet Imhotep durch bloße Willenskraft, ohne physische Anstrengungen, was ihm, speziell dank Boris Karloffs noch zu würdigender Schauspiekunst, eine durchaus wirkungsvoll unheimliche Präsenz verleiht, aber halt nicht wirklich erschreckend ist (zumal bis auf Sir Josephs Tod alle Morde [naja, die zwei, die’s noch gibt] off-screen stattfinden).

SPOILER: Interessant ist auch der Umstand, dass die „Helden“, also Muller und Frank Whemple, selbst für einen Universal-Horrorfilm der 30er selten unnütz sind. Zwar konstruiert der Film sein Finale durchaus „klassisch“ auf ein „die Helden erreichen in letzter Sekunde den Ort der beabsichtigten bösen Tat“ hin, doch das erste, was Muller und Frank dort widerfährt, ist, dass Imhotep sie mühelos mittels seiner übernatürlichen Kräfte als Bedrohung ausschaltet. Es gelingt also weder der „aufgeklärten Ratio“ (personifiziert durch Whemple, der zuvor seine Motivation in einem netten Dialog auf drei Worte reduziert hat – als Helen ihn fragt, warum er der Prinzessin Mumie ausgewickelt hat, entgegnet er knapp: „Had to! Science!“) noch dem Okkultismusexperten (Muller) den Tag zu retten, es bleibt den von Helen/Anck-es-en-Amon angerufenen übernatürlichen Kräften der guten Götter vorbehalten, dem Film ein Happy End zu ermöglichen. SPOILERENDE

Darüber hinaus fällt auf, dass Balderston die ein oder andere Szene aus seiner „Dracula“-Bühnenadaption beinahe 1:1 in „Die Mumie“ übernimmt (die erste Konfrontation von Muller/van Helsing mit Imhotep/Dracula, Helens/Lucys spontane „Genesung“ nach Siechtum) – sogar die Dialoge scheinen nur rudimentär der neuen Situation angepasst worden zu sein. Das stört allerdings nicht wirklich, da die Szenen auch im „Mumie“-Kontext Sinn ergeben (und „Die Mumie“ sowieso ein um Klassen besserer Film als „Dracula“ ist). Insgesamt ist das Drehbuch sehr schlüssig (auch wenn einige erklärende Szenen aus Pacing-Gründen entfernt wurden, ebenso eine längere Flashback-Sequenz, in der Helen einige ihrer früheren Inkarnationen vorgeführt werden) und kompakt – da gibt’s keine überflüssigen Subplots, die nirgendwohin führen.

Für Karl Freund war „Die Mumie“ die erste echte Chance, selbst Regie zu führen, auch wenn es einige Filmhistoriker gibt, die glauben, er hätte bei „Dracula“ mehr als nur die Kamera geführt. Durch Freunds Inszenierung muss man den Film zwangsläufig als Fortsetzung des legendären deutschen expressionistischen Stummfilmsstils verstehen – im Gegensatz zu Tod Browning, der bei „Dracula“ schmählich am Umstieg von Stumm- auf Tonfilm scheiterte, versteht Freund es aber durchaus, die „bewährten“ Mittel der Stimmungserzeugung durch Kameraführung mit dem neuen Medium „Ton“ gelungen zu kombinieren. Anders als bei „Dracula“ wartet man nicht auf die Einblendung der nächsten Texttafel, der Film ist sehr flüssig inszeniert, seine Dialogpassagen wirken ungekünstelt (wobei es sicher nicht schadet, dass viele der Darsteller Bühnenerfahrung hatten), aber, er ist dafür, in der Tradition des deutschen Kinos der 20er Jahre, sehr langsam. Freund inszeniert den Film extrem über die Kameraführung – im Gegensatz zu seinen meisten zeitgenössischen US-Kollegen weiß er die Kamera sehr wohl zu bewegen, baut Kamerafahrten und Schwenks ein, das seinerzeit zur Verfügung stehende Equipment erlaubt aber eben nur verhältnismäßig langsame Kamerabewegungen. Während seine US-Rivalen Tempo durch zwar statische Aufnahmen, dafür aber „Storytelling“ durch den Schnitt, einbrachten, lässt Freund lieber seine Kamera sanft dahingleiten – natürlich kann auch er, wenn es der Sache, ergo der Atmosphäre dienlich ist, kurze Einstellungen perfekt aneinanderschneiden, lieber ist es ihm aber, die Kamera spricht für sich alleine (sehr schön verdeutlicht wird das durch die Sequenz, in der die Mumie zum Leben erwacht: Der Assistent murmelt den Totenauferweckungszauber und ahnt nicht, dass sich hinter ihm das Unheil schon zusammenbraut. Die meisten Regisseure hätten dem Zuschauer dies durch einen kurzen Zwischenschnitt auf den Sarkophag verdeutlicht. Freund lässt in der Szene die Kamera vom Schauspieler weg, auf den Sarkophag und wieder zurück ziehen). Damit gelingt es Freund ansatzweise, die von Murnau oder auch Dreyer in „Vampyr“ zur Vollendung gebrachte „alptraumhafte“, „unwirkliche“ Stimmung aufzubringen, oft und gern mit über den „deutschen“ Weg der Licht- und Schattenspiele – ansatzweise deswegen, weil „Die Mumie“ letztlich kein Kunstfilm, sondern Kommerzkino ist und Freund sicher ein paar Kompromisse eingehen musste (glaube ich zumindest). Jedenfalls zeigt Freund auf, dass er, was die Kameraarbeit angeht, ein Visionär war. Auch sein Umgang mit Ton, Musik und Geräuschen ist ausgezeichnet – Hintergrundmusik wird dezent eingesetzt (die Mumien-Erweckungsszene z.B. ganz ohne Score) und ist, wenn vorhanden, nicht von der überdramatisierenden Sorte, wie sie in Filmen dieser Ära gerne mal benutzt wurde (als Titelthema verwendet Universal übrigens nicht zum letzten Mal Tschaikowskys „Schwanensee“).

Ein großer Spannungsregisseur ist Freund zweifellos nicht – wenn der Film versucht, Suspense zu erzeugen, wirkt er nicht immer überzeugend, man ahnt, dass diese Elemente weniger aus künstlerischen Gründen eingebaut wurden als vielmehr der Erwartungshaltung des Publikums entgegenzukommen. Dennoch wird der Film bei seinen 70 Minuten Laufzeit nicht langweilig – ein Verdienst der Atmosphäre und der schauspielerischen Leistungen. Auch wenn man sich aus filmhistorischer Sicht ärgern mag, dass die vor dem Kinostart geschnittenen Szenen offenbar rettungslos verlorengegangen sind, dem Film an sich kann die Straffung nicht geschadet haben, in seiner vorliegenden Form ist er ideal.

Kommen wir zu den Effekten. Das Make-up, das Jack Pierce dem armen Boris Karloff für die Ganzkörperverwandlung auferlegte (man munkelt von acht Stunden, die es dauerte, bis Karloff eine echte Mumie war), ist grandios. Und dennoch widersteht Freund der Versuchung, es zu ausgiebig zu zeigen (wäre ich Karloff, hätte ich mich aber gefragt, warum ich mich dieser Tortur unterziehen muss, wenn im Endeffekt mein Kopf, mein Oberkörper und meine Arme im Bild sind…). Im Mumien-Outfit gibt’s Karloff nur in der Eröffnungsszene zu sehen – den Rest des Films bestreitet er (unerklärterweise) in menschlicher Form, mit einem dezenten, aber extrem wirkungsvollen „old age“-Make-up, dessen unheimliche Wirkung nicht zu verleugnen ist. John Fulton steuert einige Überblendungstricks im Finale (SPOILER: wenn Imhotep über verschiedene „Verwesungsstufen“ zu Staub zerfällt SPOILERENDE) und den ein oder anderen optischen Effekt für Imhoteps „magischen Pool“, in dem er die Tätigkeiten seiner Gegner beobachtet und Helen ihr früheres Leben vorführt, bei. In der Flashbacksequenz ist elaborates Production Design für das „alte Ägypten“ zu bewundern, dito ein für 1932 erstaunlich rüder Splattereffekt, als ein nubischer Sklave ausgesprochen graphisch von einem Speer durchbohrt wird).

Das uneingeschränkte Highlight des Films ist fraglos Boris Karloffs Performance. Man kann schon verstehen, warum viele Kritiker nicht seine bekanntlich ausgezeichnete Leistung in „Frankenstein“ und „Frankensteins Braut“ als seine beste Darbietung ansehen, sondern eben diese als Imhotep. Eine gewichtige Rolle spielt dabei der Umstand, dass Karloff hier eloquent sprechen darf – und er hat eine sehr distinguierte Stimme, die er subtil einsetzen kann. Allein seine Aussprache verschafft seinen Dialogen eine immense Kraft. Gepaart mit seinem sehr zurückhaltenden physischen Acting (Karloff spielt Imhotep mit möglichst wenig Bewegung, um so die unheimliche Unwirklichkeit des Charakters zu verstärken) ergibt dies ein Gefühl der stetig lauernden unterschwelligen Bedrohung, auch wenn Imhotep on-screen gerade in smalltalk verstrickt ist.

Mit Zita Johann habe ich ein, zugegeben, recht chauvinistisches Problem – sie ist mir für den Charakter einfach nicht hübsch genug. Ihr Look ist sicherlich einigermaßen exotisch (eine Halb-Ägypterin, die sie laut Script sein soll, nehme ich ihr trotzdem nicht ab) und sie hat im Finale auch kein Problem, sich in ein verhältnismäßig enthüllendes altägyptisches Kostüm zu kleiden, aber dieses Objekt jahrtausendelanger leidenschaftlicher Begierde (und die instant-Entflammung Franks), da komm ich nicht ganz ‚mit klar. Johann, selbst bekennende Reinkarnations-„Gläubige“ und ein sehr eigensinniges Köpfchen, kam von der Broadway-Bühne nach Hollywood, kehrte L.A. aber nach wenigen Jahren frustriert den Rücken. Zwischen ihr und Karl Freund herrschte am Set stetige Mißstimmung, was ihrer schauspielerischen Leistung aber keinen Abbruch tut. Spielen kann sie zweifellos.

Zu David Manners hab ich mich schon öfters ausgelassen – warum diese farblose Type in so vielen Horrorfilmen der 30er den „romantic lead“-Posten übernehmen durfte, frage ich mich noch immer. Zugegeben, in „Die Mumie“ scheint er mir deutlich besser aufgelegt als z.B. in „Dracula“ oder „The Black Cat“. Edward van Sloan greift praktisch seine van-Helsing-Rolle aus „Dracula“ wieder auf (inklusive angedeutetem deutschen Akzent), aber diesen Charakter hat er einfach drauf, keine Frage.

Bildqualität: Universal legt „Die Mumie“ im Rahmen der „Monster Legacy“ in der „Classic Monster Collection“ auf. Der Film präsentiert sich in 4:3-Vollbild, wie sich das gehört, und in bemerkenswert gutem Zustand obendrein. Der Print wird zwar von einigen wenigen Laufstreifen und minimalen Defekten „geziert“, gelegentlich gibt’s auch Helligkeitsschwankungen, aber insgesamt ist das für einen mittlerweile über 73 Jahre alten Film eine ausgezeichnete Umsetzung. Schärfe, Kontrast und Kompression sind ohne Zweifel nicht besser hinzubekommen.

Tonqualität: Aus mir momentan unerfindlichen Gründen existiert für „Die Mumie“ keine deutsche Synchronisation (mehr? Ich weiß ehrlich nicht, ob der Film prä-DVD im deutschen Sprachraum nicht existent war), was aber den unbestreitbaren Vorteil hat, dass man sich Karloffs bemerkenswerte Stimme anhören MUSS. Der Audiotrack (Dolby Digital 2.0) kommt mit einem durchaus zu hörenden Grundrauschen, das aber nicht weiter stört – das hat man nach einigen Minuten ausgeblendet, da die Sprachqualität an sich ausgezeichnet ist. Untertitel sind selbstverfreilich u.a. in Deutsch, englisch und Französisch verfügbar.

Extras: Auch hier kein Grund zur Klage – geboten wird ein Audiokommentar des Filmhistorikers Paul Jensen, der ausführlich auf die entfallenen Szenen und das Original-Konzept „Cagliostro“ eingeht, aber viel zu oft einfach nur nacherzählt, was gerade auf dem Bildschirm passiert (sinngemäß „now Imhotep reads the magic scroll that brings the princess back to life“, danke, ich SEHE es). Des weiteren gibt’s eine dreißigminütige Dokumentation namens „Mummy Dearest“, die anhand von Interviews mit u.a. Sara Karloff und Rick Baker die Entstehungsgeschichte des Films beleuchtet und auch auf die spätere „Mummy“-Serie Universals eingeht. Eine Galerie mit Szenenfotos, aber auch vielen Poster- und Aushangfotomotiven sowie ein Wiederaufführungstrailer aus den 40ern ergänzen das Bonusmaterial.

Fazit: Mit „Die Mumie“ präsentiert Universal einen Meilenstein des klassischen Horrorkinos, und das in hervorragendem Gewand. Obwohl für moderne Sehgewohnheiten sicherlich schwerer zugänglich als James Whales vergleichsweise moderne „Frankenstein“-Filme, ist der Streifen für den filmhistorisch interessierten Horrorfan absolutes Pflichtprogramm. Dank Freunds atmosphärischer Regie und Karloffs phänomenalem Acting vergehen die 70 Minuten trotz des traumwandlerischen Tempos beinahe wie im Flug, sofern man die Bereitschaft mitbringt, sich auf die Machart des Films einzulassen. Dieses Wagnis lohnt sich aber auf alle Fälle – zu Recht einer der ganz großen Classics!

4,5/5
(c) 2006 Dr. Acula


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