Die letzten Drei der Albatros

 
  • Deutscher Titel: Die letzten Drei der Albatros
  • Original-Titel: Die letzten Drei der Albatros
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  • Regie: Wolfgang Becker
  • Land: BR Deutschland/Italien/Frankreich
  • Jahr: 1965
  • Darsteller:

    Joachim Hansen (Leutnant Hannes Carstens; Synchronstimme: Niels Clausnitzer), Horst Niendorf (Obermaat Walter Pitters), Harald Juhnke (Kuddel Lehmann), Horst Frank (Sven Broderson), Gisela Arden (Lt. Dany Wilkinson; Synchronstimme: Ursula Herwig), Alfredo Varelli (Medizinmann Namu; Synchronstimme: Christian Marschall), Philippe Guégari (Kaminsky; Synchronstimme: Wolfgang Hess), Eva Montes (Mona), Jacques Bézard (Chick; Synchronstimme: Kurt E. Ludwig)


Vorwort

März 1945 – der Zweite Weltkrieg liegt in den letzten Zügen, doch im Südpazifik tut sich noch was. Zum einen macht der deutsche Hilfskreuzer „Albatros“ den Allierten noch das Leben schwer, zum anderen sorgt eine Bande Piraten, die die amerikanische Jacht „Stiggins“ als Flagschiff nutzen, für Unfrieden. Dieweil der Kapitän der Albatros Obermaat Pitters auf einer Phillippinen-Insel absetzt, um dort Ersatzteile auf dem Schwarzmarkt zu kaufen, überfallen die Stiggins-Piraten eine US-Marinebasis, um some-thing-or-other zu klauen, müssen aber damit vorlieb nehmen, die Marinehelferin Dany Wilkinson zu entführen.
Die haarungekrümmte Rückgabe des Mädels sollte, so die Rechnung der Piraten, den Yankees schon 100.000 Dollar Wert sein. Der Versuch, die Girlnapper bei der Lösegeldübergabe hops zu nehmen, scheitert, aber zu ihrer überschaubaren Begeisterung erbeuten die Entführer nur 100.000 Papierschnipsel. Dieweil der ein oder andere der Gangster dafür plädiert, Dany nunmehr unbürokratisch zu Fischfutter zu verarbeiten, befiehlt der Große Boss, sie ins Hauptquartier zu schaffen.

Pitters, der das Chaos der Lösegeldübergabe ansatzweise aus erster Hand mitverfolgen dürfte, geht mit diesen Erkenntnissen bei seinem Kaleun hausieren. Normalerweise wäre das für für die Teutonen bestenfalls eine lustige Anekdote, die man zum Amüsemang der Besatzung ans schwarze Brett in der Messe nageln würde, doch da gibt’s was, was ärgerlich ist. Durch gezielte Zurücklassung einer deutschen Marinemütze haben die Gangster den Verdacht elegant auf die Crew der allierten-bekannt durch den Pazifik pflügenden „Albatros“ gelenkt, und wenn’s eines gibt, worauf der tapfere deutsche Matrosennazi wert legt, ist es sein guter Ruf! Also beschließt der Kaleun, dass man sich die „Stiggins“ zur Brust nehmen wird, so sie den Deutschen vor die Bordkanone läuft.
Doch zunächst muss die „Albatros“ Trinkwasser bunkern und eine kleine Insel, die nur von primitiven Hula-Hula-Negern bewohnt wird, scheint hierfür geeignet zu sein. Der schneidige Leutnant Carstens, Pitters und der lustige Funker Kuddel sollen die Lage peilen. Dank der üblichen Gastgeschenke werden die Deutschen freundlich aufgenommen, doch bevor Carstens in ernstliche Verhandlungen eintreten kann, verabschiedet sich die „Albatros“ zu einem dringenden, unaufschiebbaren Rendezvous mit einem amerikanischen Zerstörer (von dem der Film sich nicht mal stock footage leisten kann). Rückkehr zur Abholung des Landeteams ungewiss.
Das Trio muss sich also notgedrungen auf einen Aufenthalt zwischen „bis heut abend“ und „in ein paar Jahren mal“ einstellen, doch zumindest gibt’s noch einen weißen Mann auf der Insel. Sven Broderson betreibt eine kleine Handelsstation und hat schon seit Jahren keinen anderen Weißen gesehen. Broderson warnt die Deutschen – die Eingeborenen mögen freundlich wirken, sind aber unberechenbar. Nicht zuletzt deshalbt gibt Carstens die Devise aus, dass Verbrüderungsversuche tunlichst zu unterlassen sind. Kuddel und Pitters sind nicht sonderlich erfreut, denn die einheimische Damenwelt fährt auf die deutschen Seeleute ziemlich ab und auch Carstens muss sich der hartnäckigen Annäherungsversuche der äußerst attraktiven Häuptlingstochter Mona erwehren. Das könnte sich zu einer neckischen Robisonade entwickeln, aber die Probleme gehen erst los…

Auf der anderen Seite des Berges sind die „Tiapolos“ zu Hause und der Rabatz, den diese bösen Geistern veranstalten, erinnert Carstens verdächtig an Handgranaten. Da liegt er nicht verkehrt denn die andere Seite der Insel, vom Medizinmann praktischerweise zur Tabuzone erklärt, liegt das Hauptquartier der Piraten und Broderson ist deren Boss! Mit dem Komplizen in der höheren Stammeshierarchie gelingt es Broderson, eine Intrige gegen die störenden Deutschen zu spinnen…


Inhalt

Pidax mal wieder, das habt Ihr Euch vermutlich schon gedacht – heute aber kein Fernsehspiel, sondern ein honest-to-goodness richtiger Kinofilm.

Wir befinden uns im Jahr 1965 – zwanzig Jahre sind seit der Nazizeit vergangen. Da könnte man doch, jetzt, wo so’n bisschen Gras über die ganze Kriegs- und KZ-Geschichte gewachsen sind, langsam mal daran gehen, die ganze Nummer als Backdrop für launige Abenteuerfilme herzunehmen… seien wir mal froh, dass sich in Deutschland keine Filmkultur herausgebildet hat, die wie die amerikanischen Vietnamfilme ’nen verlorenen Krieg noch nachträglich auf der Leinwand gewinnt.
Nun gut – „Die letzten Drei der Albatros“ gibt sich bewusst un-ideologisch und stellt Vertreter der Kriegsmarine in den Mittelpunkt. Die bzw. deren Verantwortliche hatten nach dem Krieg ja immer wieder gern betont, dass sie sich – von Lappalien wie dem totalen U-Boot-Krieg mal abgesehen – ja nichts wirklich zu schulden hätte kommen lassen und einen sauberen, ehrenvollen Krieg geführt habe (es ist immerhin zuzubilligen, dass es bis zum „Laconia-Zwischenfall“ durchaus bei den U-Boot-Kommandanten nicht selten vorkam, dass sie nach erfolgreicher Versenkung eines feindichen Schiffs Überlebende bergen ließen). Ich würde das jetzt nicht hundertprozentig unterschreiben wollen und selbst wenn – leichtes Bauchgrimmen bei einer Abenteuergeschichte, deren Ober-Held, auch wenn der Film nach allen Regeln der Kunst drum herumdruckst, ein Nazioffizier ist, darf man wohl schon haben.

Wie bereits ausgeführt, Werner P. Zibaso („Weiße Fracht für Hongkong“, „Der Arzt von Stalingrad“, „Hausfrauen-Report 1-3“, „Zärtliche Cousinen“), der seine ersten Drehbücher tatsächlich noch zu Führers Zeiten zu Papier brachte, vermeidet nach Kräften, seine Helden als Nazis erkennbar zu halten – wäre nicht auf ihren Mützen ein mikroskopisch kleines Hakenkreuz. In Dialogform wird lediglich Broderson (den Carstens gerade geringschätzig als „Neutralen“ klassifiziert hat. Dürfte daher wohl Schwede sein) ein „Wollen Sie mich heim ins Reich holen?“ in den Mund gelegt. Aber gut – lassen wir historische Implikationen mal außen vor und betrachten „Die letzten Drei der Albatros“ als das, was er mal gedacht war, als simpler Abenteuerfilm vor exotischer Kulisse.

Als solches reißt das Ding keine Palmen aus, ist aber beinahe überraschend, hm, wie soll ich sagen, „undeutsch“ – kann an der französischen und italienischen Beteiligung vor und hinter der Kamera liegen, an der Tatsache, dass man sich tatsächlich den Spaß gönnte und vor Ort im Südwestpazifik drehte, daran, dass Produzent Wolf C. Hartwig einer der wenigen deutschen Nachkriegsfilmmagnaten war, der keine Berührungsängste mit Genreproduktionen hatte (auf sein Kerbholz gehen u.a. „Ein Toter hing im Netz“, „Die Insel der Amazonen“, „Heißer Hafen Hongkong“, „Ein toter Taucher nimmt kein Gold“, „Steiner – Das eiserne Kreuz“ oder „Die Säge des Todes“, aber auch die „Schulmädchenreports“ und „Die jungen Ausreißerinnen“, der Überraschungshit beim 2011er-badmovies-Filmfest).
Egal was die Ursache war – das Resultat ist ein seltenes Tierchen – ein reinrassiger deutscher Nachkriegs-Unterhaltungsfilm, der sich nicht als Heimat- oder Schlager-/Musikfilmchen tarnen muss, keinen mahnenden Zeigefinger erhebt und sich eben nicht dafür rechtfertigt, als Backdrop den großen Krieg herzunehmen. Man kann’s Beschönigung nennen oder auch einfach, wie’s Hollywood seit jeher tat, sich an historischen Realitäten nicht weiter stören und den zeitgeschichtlichen Hintergrund als plausible Ausrede dafür hernehmen, warum ein paar deutsche Matrosen im tiefsten Pazifik unterwegs sind…

Die Dramaturgie des Scripts ist eher locker zu nennen („entspannt“ würden die Optimisten sagen, „ziellos“ die Pessimisten). Nach der recht ausführlichen Eröffnungssequenz mit Entführung und gescheiterter Festnahme der Girlnapper stellt sich der „Plot“, also die Abenteuer unserer drei lustigen Marinesoldaten, nach so gut 20 Minuten vor (bei einem Film, der die 80-Minuten-Marke deutlich unterläuft, ist das schon ein ziemlich später Zeitpunkt, seine Hauptfiguren gewinnbringend einzusetzen) – und auch dann gibt’s erst mal eine ganze Weile lang Südseeromantik mit Hula-Hula, Blütenkranz und Ukulele (erstaunlicherweise, und das unterscheidet den Film dann doch ein wenig von den „Road to…“-Vehikeln um Bing Crosby, die mal als entfernte Verwandte anführen könnte, wird nicht gesungen), und wenn wir nicht ab und zu zu Bösmanns-ihr-finsteres-Gemäuer umschalten würden (bzw. nicht einen strengen Verdacht hätten, dass jemand wie Horst Frank, der so tut, als wäre er Klaus Kinski, höchstwahrscheinlich gar Übles im Schilde führt), wir wüssten nicht auf Anhieb, wie der Südsee-Liebe-Triebe-Herz-und-Schmerz- und der Kriminalplot zusammenlaufen sollten. Interessanterweise reicht dem Script die Entführungsgeschichte nicht aus, es konstruiert dadurch, dass Brodersen aktiv die Deutschen bei den Eingeborenen in Ungnade fallend manöveriert, eine „persönliche“ Ebene (dass deutsche Soldaten einfach so einer Amerikanerin helfen könnten, war Zibaso dann vielleicht doch etwas zu gewagt).

Im Schlussakt wird dann das Drama und Action ausgepackt, wenn dann die offene Feldschlacht (ähm) ausgerufen wird und die Deutschen ihr Heer aus mit Pfeil und Bogen bzw. Speeren bewaffneten Eingeborenenkriegern gegen die Gangster führen (da wird dann auch fleißig gestorben. Natürlich nicht bei den wichtigen Leuten) – bis dahin halten sich clevere Ideen (die „Tiapolos“, vor denen die Eingeborenen sich fürchten, sind der einzige „Erfolg“ einiger spanischer Missionare, die vor „diabolos“, also „Teufeln“ warnten) und, naja, weniger vernünftige Einfälle (Brodersens Konzept, einen Bedarfswarenladen zu führen, der von amerikanischen Zigaretten bis Ukulelen-Saiten alles führt, was der Mikronesier von Welt so braucht, erscheint Zweifelhaft, wenn er, wie er behauptet, nur alle paar Jahre einen Weißen – und damit eine potentielle Warennachschubquelle trifft) die Waage.
Wer einen Harald Juhnke im Ensemble hat, gibt ihm natürlich auch den Großteil der humoristischen Einlagen (aber auch Niendorf als Pitters darf den ein oder anderen Gag setzen), wobei der Film nie zur Klamotte degenieriert – der Humor entwickelt sich vergleichsweise organisch aus den Situationen, in die das Script seine Figuren setzt.

Regisseur Becker macht’s quasi nach dem Lehrbuch – im ersten Akt und im Finale ist das Tempo hoch, dazwischen ist’s ruhig-gemütlich und lässt Zeit für Romanzen und Charakterkrams. 76 Minuten ist, wie gesagt, nicht gerade eine Marathondistanz, aber auch die könnte man durchaus langweiliger gestalten als Becker es tut. Es hilft natürlich enorm, dass „Die letzten Drei der Albatros“ augenscheinlich komplett on location, auf den Philippinen und irgendwelchen greifbaren poly- oder mikronesischen Inseln gedreht wurde, das wirkt dann doch alles recht authentisch und aufwendiger, als der Film es trotz der internationalen Ko-Produktion vermutlich war.

Kameraarbeit und Schnitt entsprechen gediegenem 60er-Jahre-Eurodurchschnitt, wobei Becker und sein Team sich vermutlich durchaus die Rechnung aufmachten, ob der exotischen Kulisse und dem „novelty value“, dass dort tatsächlich mal keine Hollywood-Stars, sondern deutsche Schauspieler rumliefen, nicht die hohe Schule auspacken zu müssen. Es ist in allen Belangen professionell gewerkelt (ein Pyro-/Explosionsstunt im Finale ist sogar richtiggehend *gut*), aber Palmen, Baströckchen, Blumengirlanden und Perlen ersetzen eben manchmal doch zufriedenstellend innovatives Handwerk…

Bemerkenswert noch, dass der Streifen – letztlich ja doch recht biedere Familienunterhaltung – vor Oben-Ohne-Hulamädchen nicht zurückschreckt…

Der Cast ist ganz manierlich – warum Joachim Hansen („Hunde, wollt ihr ewig leben“, „Boys from Brazil“, „Welt am Draht“), der den „romantic lead“ Carstens ordentlich schneidig, aber auch ausreichend „mit Herz“ gibt, von Roger-Moore-Synchronsprecher Niels Clausnitzer nachsynchronisiert wurde, ist mir unbekannt.
Horst Niendorf („Nessie, das verrückteste Monster der Welt“, „Fußballtrainer Wulff“) als eher grobmotorischer Maat und Juhnke als Sprücheklopfer/Aufschneider ergänzen sich Hansens Sidekicks prächtig (auch wenn Juhnke insgesamt wenig zu tun hat – im Finale darf er nicht mitmischen).
Horst Frank („Albino“, „Fluchtweg St. Pauli“, „Die neunschwänzige Katze“) leidet natürlich etwas darunter, dass er, wie sein Zeitgenosse Klaus Kinski, mit dem Schurken-Image verheiratet war, die falsche Fährte, ihn zunächst den Deutschen gegenüber freundschaftlich auftreten zu lassen, ist da natürlich vergebene Liebesmüh… Aber er ist nun mal auch ein prima Bösewicht.
Die Filipina Eva Montes (die auch in Horrorfilmen wie „The Blood Drinkers“ mitwirkte und offenkundig bei Cirio H. Santiago unter Vertrag stand) macht ’nen hübschen Eindruck – mehr als dekorativ an Hansen hängen muss sie nicht.
Gisella (Kim) Arden, die in diversen Italo-Mantel- und Degen- bzw. Piratenfilmen (wie Frauen für die Teufelsinsel oder „Piratenkapitän Mary“ spielte), hat als Entführungsopfer auch nicht wahnsinnig viel zu tun (sie absolviert aber die „Weiße-Frau-Erotik“ und lässt sich immerhin im BH ablichten).
In der Rolle des Chef-Henchman der Bösewichter, Kaminsky, lässt sich Philippe Guégan (synchronisiert von Bud-Spencer-Stimme Wolfgang Hess) blicken, der, wenn man der IMDb glauben darf, bis heute als Stunt-Koordinator bei praktisch jeder französischen Großproduktion tätig ist.

Bildqualität: Pidax hat einen schmucken Print ausgegraben – der anamorphe 2.20:1-Transfer ist schön bunt, ordentlich scharf und kommt mit nur leichten Gebrauchsspuren daher; für einen Film dieser Altersklasse und mit nicht gerade Klassikerstatus ist das durchaus prima.

Tonqualität: Der Ton (Dolby Mono 2.0) ist ebenfalls gut ausgefallen – natürlich kein Vergleich in Dynamik und Differenziertheit zu aktuellen Releases, aber mit nur minimalem Grundrauschen, guter Sprachqualität und ordentlcihem Musikmix.

Extras: Pidax-üblich keine Extras in bewegter Bildform, doch dafür ein hübscher Nachdruck des zeitgenössischen Filmprogramms.

Fazit: Sicher muss man die Kirche im Dorf lassen – „Die letzten Drei der Albatros“ ist jetzt nicht der vergessene Klassiker deutschen Abenteuerkintopps, aber es ist ein solide gearbeiteter, gut unterhaltsamer und passend besetzter kleiner Film mit exotischem Südseeflair, sanfter Komik und annehmbarer Abenteuer-Action, fernab von jeder Message oder Bedeutung (weswegen dann auch das Setting nicht wirklich ins Gewicht fällt). Den kann man auch mal mit Oma und Opa zum Sonntagskaffee kucken, ohne sich selbst zu langweilen (die Gefahr, dass Opa die Vorführung durch blumige Kriegsmarineerinnerungen eigener Art stört, dürfte sich ja langsam, aber sicher, auf biologischem Wege erledigt haben…).

3/5
(c) 2012 Dr. Acula


mm
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