Die Legende von Barney Thomson

 
  • Deutscher Titel: Die Legende von Barney Thomson
  • Original-Titel: The Legend of Barney Thomson
  • Alternative Titel: Barney Thomson |
  • Regie: Robert Carlyle
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 2015
  • Darsteller:

    Robert Carlyle (Barney Thomson), Emma Thompson (Cemolina), James Cosmo (James Henderson), Ray Winstone (Hodall), Ashley Jensen (Robertson), Brian Pettifer (Charlie), Martin Compston (Chris)


Vorwort

Glasgow stöhnt unter einer geheimnisvollen Mordserie – der Killer hat das besondere Gimmick, dass er Teile der fabrizierten Leichen per Post von allen möglichen Ausflugsorten an die Angehörigen schickt. Inspektor Holdall ist ratlos – zwischen den Opfern besteht keinerlei Zusammenhang, außer, dass sie männlich sind. Wegen akuter Erfolglosigkeit wird Holdall der Fall abgenommen und dem weiblichen Emporkömmling Robertson zugeteilt, für die Holdall – Misanthrop und Misogynist – nun auch noch Handlangerdienste schieben darf.

Dieweil hat Barney Thomson, viertklassiger Frisör in einem drittklassigen Herrensalon, ganz andere Sorgen. Nicht nur, dass er mit 50 immer noch unter der Fuchtel seiner spiel- und wettsüchtigen Mutter Cemoline steht, nein, auch bei seinem Boss, Wullie, steht Barney nicht grad hoch im Kurs. Seine Weigerung, mit den Kunden Smalltalk zu treiben, sein eingeschränktes Berufstalent und seine gelegentlichen cholerischen Anfälle machen in weder bei Kundschaft noch Kollegen beliebt. Jetzt muss er sogar noch seinen angestammten Fenster-Stuhl aufgeben und wird an den Katzentisch unter den Frisörstühlen verbannt. Was einem Freund am nächsten kommt, ist der verschrobene Charlie, der als Kundenanlocker auf der Hunderennbahn und dem Jahrmarkt arbeitet (sein Job ist es u.a. den ganzen Tag im Kinderkarussell zu fahren, um andere Gäste anzulocken. Nur, dass er das nicht alleine machen darf, „weil ich sonst aussehe wie ein Pädophiler“. Der von ihm mitgeschleifte Barney merkt zurecht an: „Und jetzt sehen wir aus wie zwei Pädophile.“).

Die Degradierung ist aber nicht Barneys letzter Schritt nach unten – Wullie eröffnet ihm, dass ein Cousin in die Stadt komme und einen Job brauche – Barneys Job, um genau zu sein. Es kommt zu einer kleinen handgreiflichen Auseinandersetzung, beide stürzen zu Boden und am Ende hat sich Wullie ganz unabsichtlich, dennoch nicht weniger fatal Barneys Schere in die Brust gejagt. Barney hat jetzt eine Leiche am Hals und keine rechte Ahnung, wie er sie beseitigen soll. Unerwartete Hilfe kommt von seiner Mutter, die einwilligt, den Kadaver einstweilen in ihrer Wohnung zu verstauen.

Wullie wandert auf die Liste von Vermisstenfällen, die Holdall als potentielle Opfer des Serienkillers abarbeitet. Auch Barney wird routinehalber verhört, doch seine Nervosität macht Holdall misstraurisch. Von der Theorie eines mordenden Frisörs will Robertson aber nichts hören, doch Holdall lässt nicht locker. Dieweil stellt Barney fest, dass seine liebe Mama Wullie eigenhändig zerstückelt und fein säuberlich abgepackt und beschriftet in die Tiefkühltruhe gelegt hat.

Doch erst, als er erneut ganz versehentlich seinen Kollegen Chris umbringt, als der ihn wegen Wullie zur Rede stellt, und beim Versuch, auch ihn in Mamas Kühltruhe zu packen, feststellt, dass sich dort schon massig anderweitige Leichenteile befinden, realisiert Barney die Wahrheit – der gefürchtete Serienkiller ist niemand anderes als seine Mutter…


Inhalt

Wenn es jemanden gibt, der dafür geschaffen zu sein scheint, sympathische Loser-Typen zu spielen, ist es Robert Carlyle („Trainspotting“, „The Tournament“, „Once Upon a Time“). Dieser Meinung scheint niemand geringeres als Mr. Carlyle selbst prominent anzuhängen, weswegen er die Romanadaption von „The Long Midight of Barney Thomsen“ gleich mit sich selbst in der Hauptrolle inszenierte.

Und er tat gut daran, denn seine zweite Regiearbeit nach einer Episode „Stargate: Universe“ mag zwar kein cineastischer Meilenstein esin, ist aber auf alle Fälle ein gefundenes Fressen für die Freunde der schwarzhumorigen britischen Komödie, und zu dem Kreis sollte sich eigentlich jeder zählen.

Die Geschichte erinnert ein wenig an den formidablen irischen Genrebeitrag „A Film With Me In It“, indem ebenfalls ein totaler Loser völlig ohne bösen Willen, nur durch unglückliche Umstände und Zufälle, mit einem ständig wachsenden Leichenberg gestraft wird. Dort wie auch hier scheint das Schicksal es ganz besonders darauf angelegt haben, den Protagonisten nach allen Regeln der Kunst zu ficken, jede Drehung, jede Wendung reitet Barney, ohne dass er etwas dafür kann, außer vielleicht ein etwas seltsames Gemüt zu haben, weiter in die Scheiße, und jeder noch so vermeintlich brillante Einfall zur Problemlösung macht die Katastrophe noch schlimmer. Es spricht für Briten und Iren, dass sie es in beiden Fällen, die Kurve noch zu einem Happy End zu kriegen, aber bis wir dahin kommen, haben einige Menschen auf gewaltsame Weise ihr Leben zu unserem Amüsemang gelassen…

Carlyle erzählt die Geschichte auf ruhige Weise, lässt den skurrilen Charakteren viel Raum und legt’s nicht auf Teufel komm raus drauf an, hier noch einen Gag, da noch einen Brüller einzubauen, sondern bevorzugt die lakonisch-schottische Herangehensweise – lieber ein Wort zu wenig als eins zu viel, um maximale Wirkung zu erzeugen. Das funktioniert ziemlich gut, auch weil die Geschichte eindeutig im Unterschicht-Millieu angesiedelt ist – „Henderson’s“, der Frisiersalon, nur für Herren, versteht sich, liegt in einer heruntergekommenen Straße in einem ebensolchen Viertel, und auch wenn der Laden sauber ist, ist klar, dass sich hier seit fünfzig Jahren nichts mehr verändert hat, von den Frisörstühlen bis zu den Gesprächsthemen (Boxen) – die Sorte Laden, in dem sich selbst die Kundschaft in fröhlicher Selbsterkenntnis als „Wichser“ einschätzt. Barney ist hier gestrandet, er hat mit 50 Jahren keine Perspektive, irgendwas anderes zu machen, und selbst wenn der Laden, Kollegen und Kunden ihn ankotzen, es ist „seins“, er hat nichts anderes (zumal die Alternative darin besteht, seine Mutter zum Bingo und zum Hunderennen zu begleiten). Auch, wenn es ihm eine Heidenangst einjagt, seine Leichen und die aufdringliche Polizei bringen auf einmal Spannung und „Lebensfreude“ in sein freudloses Dasein.

Regisseur Robert Carlyle hat, wie gesagt, in Schauspieler Robert Carlyle auch die ideale Besetzung für die Barney-Rolle. Immer ein wenig trübsinnig-depressiv wirkend, die ganze Gestalt ein Verlierer, Carlyle IST Barney Thomson. Und wenn seine Mutter dann noch die ganz auf Krampfadern-Geschwader-Vorsteherin-Alptraum gestylte Emma Thompson („Harry Potter“) ist, bleibt kein Auge trocken, da müssen Carlyle und Thompson schon gar nicht mehr viel dafür tun.

Auch die weiteren Nebendarsteller überzeugen – James Cosmo („Die Chroniken von Narnia – Prinz Kaspian von Narnia“, „Trainspotting“) als Wullies eigentlich schon im Ruhestand brummelnder Vater, der ob der Umstände plötzlich wieder einspringen muss, Ray Winstone („Hugo Cabret“, „The Departed“) als unleidlicher Bulle auf der richtigen falschen Spur oder Ashley Jensen („Des Teufels Anwalt“, „Alles Betty“, „The Lobster“) als taffe neue Inspektorin.

Die DVD des ohne großen Tamtams hier gestarteten Streifens kommt leider sehr nackig ohne jegliche Extras, dem Filmvergnügen selbst tut das aber kaum Abbruch. „Barney Thomson“ ist eine spaßige schwarze Komödie mit großartigen Darstellern, die jedem Freund des morbiden britischen Humors wie Öl runtergehen sollte.

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 2

BIER-Skala: 7


mm
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