Die Herren Dracula

 
  • Deutscher Titel: Die Herren Dracula
  • Original-Titel: DRACULA PERE ET FILS
  • Alternative Titel: DRACULA AND SON |
  • Regie: Edouard Molinaro
  • Land: Frankreich
  • Jahr: 1976
  • Darsteller:

    Christopher Lee (Dracula)
    Bernard Menez (Ferdinand)
    Marie-Hélène Breillat (Nicole Clement)
    Catherine Breillat (Herminie Poitevin)
    Mustapha Dali (Khaleb)
    Bernard Alane (Jean)
    Claude Génia (Marguerite)
    Jean-Claude Dauphin (Cristéa / Christian Polanski)
    Anna Gaël (Miss Gaylor)


Vorwort

Da fällt mir gerade siedend heiß ein: Wir hatten in diesem Jahr ja noch gar keine Review zu einem Film mit Christopher Lee. Ein Jahr ohne eine Christopher-Lee-Review? Das kann weder rechtens, noch gesetzlich sein (von der moralischen Frage ganz abgesehen). Der allmächtige Cinematus weiss, nicht wenige Werke auf der Vita des adeligen Altmimen haben es ehrlich verdient, dass man sie in diesen altehrwürdigen Hallen bespricht, verspottet und anschließend teert und federt – auch wenn Sir Christopher nur in den seltesten Fällen daran schuld war. Aber ausnahmsweise nehmen wir uns diesmal einen Film vor, auf den Lee (auch ausnahmsweise) einmal zu Recht stolz ist und stolz sein darf. Aus einer Zeit, in der das Vampir-sein noch eine ehrliche und ernstzunehmende Sache war – zumindest bis ein dahergelaufener Haufen von chargierenden Teenies dem Vampirfilmgenre einen finalen Holzpflock ins Herz rammte. Außerdem hat man selbst uns hier bei Badmovies gute Manieren in die Kinderwiege gelegt (etwa alten Damen in der U-Bahn den Sitz wegnehmen oder Christopher Lee zum 93ten Geburtstag zu gratulieren, zumindest ist so viel hängengeblieben). In diesem Sinne: Hoch die Tassen auf den König der Vampire, möge er die 200 erreichen und bis dahin die Hauptrolle im „Silmarillion“ spielen! Den Rest der Sterblichen viel Spaß beim vertilgen der folgenden Buchstaben.


Inhalt

Rumänien, im Jahre 1770: die junge, bildhübsche Hermine (Catherine Breillat) ist mittels Postkutsche auf den Weg zu ihrem zukünftigen Ehemann. Doch dort wird sie nie ankommen. Nicht etwa Wegelagerern oder die Männer von der Steuer lauern der Kutsche in den düsteren Wälder Transsylvaniens auf, sondern Häscher eines vampirischen Grafen (Sir Christopher Lee; „Graf“ und „Christopher Lee“ ergibt in filmischer Rechnung eigentlich Dracula, obwohl der Name im Film nie genannt wird).

Der blaublütige Blutsauger hat ein bestimmtes Begehr: er wünscht sich einen Nachfolger und da die Produktion eines Selbigen nur mit einer Lebendigen funktioniert, kommt es erst zum klassischem Beischlaf, dann zum nicht minder klassischem Halsschlagaderbiss. Aber das junge Familienglück währt nicht lange: die frisch vampirisierte Hermine vergisst bei ihrem ersten Fütterungsausflug die vampir-typische Sonnenallergie und verstaubt in der aufgehenden Morgensonne.

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„Die Familienähnlichkeit ist frappierend!
Mit 93 sehe ich genauso aus
(nur mit Bart)!“

Als allein erziehender Vater – Graf hin, Vampir her – hat man es nicht leicht. Besonders weil Sohnemann Ferdinand (Bernard Menez) sich gar unvampirisch gibt: Ferdinand ist ein gutmütiger Trottel, der nie rechten Appetit auf Blut entwickelt hat und seine Atzung immer noch aus einer Nuckelflasche zu sich nimmt. An seinem 100ten Geburtstag hat der Graf die Faxen dicke und will dem verweichlichten Sohn anständige Vampirmanieren beibringe. Als Trainingsobjekt soll ein altes Mütterchen im Wald herhalten, was aber nur damit endet, dass Ferdinand ihr beim Reissiechsammeln assistiert. Der Herr Graf quittiert das mit seinem Standardsatz, „der Teufel sei verflucht“.

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Dracula Junior fehlt es offensichtlich an der Erfahrung des Herrn Papa.

Aber es soll noch schlimmer kommen: 200 Jahre später ist im Rumänien der Kommunismus ausgebrochen. Der Sichel & Hammer schwingende Pöbel schwingt das Tanzbein und tanzt ausgerechnet im gräflichen Schloss den Stalin-Polka. Es hilft alles nichts: der Graf und sein Filius müssen die Beine in die Hand nehmen und suchen ihr Heil in der Flucht. Man versucht sich als blinder Passagier – in standesgemäßen Särgen – in den güldenen Westen einzuschiffen, hat aber dabei die altehrwürdigen Brauch der Seebestattung vergessen. Kurz, man kippt die Särge in den Ozean und hier trennen sich die Wege des Vater-Sohn-Teams (zumindest kurzzeitig).

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Man hatte bekanntlich wenig in Rumänien und der DDR.
Aber zumindest Hammer und eine Sichel zum Vampirabschrecken
(nicht dass es viel genützt hätte).

Ferdinand strandet an der französischen Küste und endet unter den Fittichen arabischer Gastarbeiter, die ihn als ihresgleichen sehen (sprich: ein Illegaler) und ihm nicht nur Unterschlupf im Keller ihrer elenden Unterkunft gewähren – in einer umgebauten Gemüsekiste – sondern ihm auch zu einem Job als Nachtwächter verschaffen (den ist Ferdinand dank eines bestechlichen Kollegen aber schnell wieder los). Auch ein Job als Nachtwächter in einer Leichenhalle entpuppt sich im Nachinein als Reinfall, da die Leiche einer jungen Frau zwar appetitlich anzusehen (da wird mir Jörg Buttgereit recht geben), aber leider schon so steinhart ist, dass es nur zu einem verdächtiges Knacken in Ferdinands Vampirbeissern führt. Nun versucht er sein Glück in einer Blutbank, wird beim Blut-klauen von einer Krankenschwester erwischt und, als Kompensation für die aus Schusseligkeit verschütteten Konserven, selbst zur Ader gebeten. Dass er als Vampir ein komplettes Tunichtgut ist, stellt Ferdinand ein für allemal unter Beweis, da es ihm nicht einmal gelingt, einen Straßenkater zu einer Mahlzeit zu verarbeiten (sondern abermals wieder Blut lassen muss). Selbst ein Besuch bei einer wohlbeleibten Prostituierten („die macht es auch für Ausländer“, so Ferdinands Freund Khaleb (Mustapha Dali)), trägt keine Früchte, da Prostituierte bekanntlich Spiegel über ihrer Wirkungsstätte haben.

Der Graf, den Fischer in einem Fischnetz aus der See fischen (Fischers Fritze fischt frische Vampire, wie es so schön heißt), landet auf der anderen Seite des Kanals, im Kaiserreich Großbritannien. Leider gilt dort der rumänische Adelstand wenig und Herr Graf muss ein recht armseliges Dasein als vampirischer Tippelbruder fristen. Auch kommt der Blutsauger mehr schlecht als recht mit der modernen Welt zurecht, versucht zunächst seinen Blutdurst an einer (wir nehmen an, ihm bis Datum unbekannten), blutleeren „Stummen Ursel“ zu stillen.

Hier zunächst Frau Alice Schwarzer zum 72ten Geburtstag alles Gute!

Vom Hunger geschwächt, macht sich der Graf erneut auf die Jagd nach Mädchenblut, aber erneut macht ihm die moderne Technik einen Strich durch die Rechnung und Herr Graf rennt Kopf zuerst in eine Glastür. Das haut natürlich selbst den stärksten Vampir aus den Socken. Doch diesmal meint es der Liebe Gott (?) gut mit dem Blutsauger, denn ein zufällig herumstreunendes Filmteam eilt ihm zu Hilfe. Beim Anblick der vampirischen Beißerchen bricht eitel Freude aus, denn man ist gerade auf der Suche nach einem Hauptdarsteller – ausgerechnet für einen Vampirfilm. Flugs avanciert der Graf zum Filmstar und knabbert von nun an den Hälsen seiner weiblichen Co-Stars. Man bringt den Streifen auch in die französischen Kinos und bei einem Pressetermin kommt es zu einem Wiedersehen zwischen Vater und Sohn. Für Ferdinand hat das Elendsdasein zunächst ein Ende und der Herr Papa schenkt ihm als erstes einen brandneuen Luxussarg.

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Prinzipiell schöne Aussichten, aber es gibt gewisse Dinge,
da spielt auch ein Vampirzahn nicht mit.

Doch die familiäre Idylle währt nur kurz: Vater und Sohn werfen zur gleichen Zeit ein Auge auf Nicole (Marie-Hélène Breillat), die der verstorbenen Hermine nicht nur bis aufs Haar gleicht, sonder auch versucht, den Grafen als Werbeträger für eine Zahnpastawerbung zu bezirzen. Dies führt zum Twist zwischen den Vampiren. Bein Versuch, Nicole vor der vampirisierung zu retten, wird Ferdinand beinahe zum Vatermörder, indem er die Uhr umstellt und gar den Sarg seines Papas aus dem Fenster schmeisst, was den vampirischen Adeligen dazu nötigt, in der Kanalisation zu nächtigen (oder sollte es nicht „tägigen“ heißen?). Ferdinand kehrt darauf hin seinem Vater und dem Luxus den Rücken, und jobbt ab nun als Fleischhauer in einer Fleischfabrik, muss aber bald feststellen, dass ihm Rinderblut schwer im Magen liegt. Der Graf ist sich dann doch zu gut als Zahnpasta-Spokesmann und so versucht Nicole ihr Glück beim Sohnemann. Dem fehlt natürlich das vampiristische Charisma seines Erzeugers, aber zumindest gewinnt der gutmütige Einfaltspinsel Nicoles Gunst, die ihm eine Liebesnacht in deren Apartment einbringt. Aber wie es so oft in solchen Situationen passiert, verliert man dabei schnell das Zeitgefühl. Da ist der Schrecken groß, als Nicole ihm ein post-koitales Frühstück anbietet und draußen fröhlich ein Hahn den Morgen begrüßt (in einer Großstadt? Gut, Paris, Frankreich, wird schon seine Richtigkeit haben).

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„Warum ausgerechnet ‚V für Vampir‘?
Warum nicht ‚V für Vegetarier‘!?“

Flux springt unser Held in seine Hosen, nimmt erneut die Beine in die Hand und macht sich schleunigst auf den Weg zum heimatlichen Sarg. Zu spät: in der Pariser Metro treffen ihn die ersten Strahlen der Sonne. Aber Wiedererwartung macht ihm dies nicht den Garaus. Ferdinand ist sich zwar nicht sicher, ob Nicoles Liebe ihn vom Vampirfluch befreit hat oder er sich bei den Genen seiner Frau Mama bedanken soll, aber in dem Moment ist es ihm auch egal. Mit Nicole macht er sich auf den schnellsten Weg zum nächsten Bistro, frißt dort erst einmal die Speisekarte rauf und runter, und kann sich so zum ersten mal in 200 Jahren den Bauch richtig vollschlagen.

Der Graf ist immer noch von der Idee besessen, Nicole zu einer Vampirin zu machen und beobachtet das junge Glück mit Missgunst. Er bricht in Nicoles Wohnung ein. Ferdinand erkennt in letzter Sekunde die vor der Wohnung parkende Luxuskarosse seines Vaters, und die beiden fliehen in ein altes Herrenanwesen außerhalb von Paris, das einst Nicoles adeligen Eltern gehörte. Dracula, pardon, der Graf bleibt ihnen natürlich auf den Fersen und bald kommt es zu einer längeren Verfolgungsjagd zwischen Vampir, ex-Vampir und Angebeten. Der Graf staunt nicht schlecht, dass Ferdinand das Kunststück fertig bringt, ihn mit einem Kreuz abzuwehren. Nicole ist immer noch davon überzeugt, dass es keine echten Vampire gibt und das Gehabe der Beiden für ein Gimmick hält, hat die Nase von dem Getue voll und zieht die Vorhänge auf. Pech für den Grafen, der den Hahnenschrei ignoriert hat und, wie es im Hause Lee Sitte ist, sich in einen Haufen Asche verwandelt.

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„Ruhig Blut, Mon-Cherie! In der Familie läßt sich alles ausdiskutieren!
Notfalls auch mit Kruzifix und Holzpfahl!“

Jahre später, immer noch in Paris: Ferdinand und Nicole sind längst verheiratet, führen ein gutbürgerliches Dasein und haben zwei Kinder. Die tun das, was Kinder eben tun: sie spielen und balgen sich im geschwisterlichen Twist. Als sich das Schwesterlein beim Herumbalgen ein blutiges Knie einfängt, bemerken Nicole und Ferdinand an ihrem Sohnemann eine Facette, die nur von seinem Großvater väterlicherseits stammen kann: zwei spitze Vampirzähne und ein äußerst hungriges Glitzern in den Kinderaugen.

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LE FIN

Analyse

Was kommt einem beim Stichwort „Vampirkomödie“ als erstes in den Sinn? Ganz klar: Altersgeiler Regisseur aus Polen, minderjährige Nymphen, Skandal, etc. Beziehungsweise, natürlich Roman Polanskis TANZ DER VAMPIRE, die Mutter und Großmutter aller Vampirkomödien. Das ist einerseits richtig (und ich persönlich halte DIE HERREN DRACULA neben besagtem Tanzfilm immer noch für die zweitbeste Vampirkomödie aller Zeiten), andererseits sollte man nicht den Fehler begehen und beide Streifen direkt vergleichen. Es besteht Weltenunterschied zwischen den Filmen, aber – abgesehen vom Thema – haben beide eines gemeinsam: DIE HERREN DRACULA ist keine reine Genre-Satire oder gar Klamauk a la LIEBE AUF DEN ERSTEN BISS oder gar DRACULA – TOT ABER GLÜCKLICH, sondern nimmt das Konzept Horrorkomödie beim Wort. Kurz, es ist eine Komödie, die sich beim Horror-Genre bedient, oder besser gesagt, beide Elemente gekonnt vermischt. Das merkt man insbesondere im ersten Viertel und dem Handlungsstang in Transsylvanien, der die Atmosphäre der Hammer-Dracula-Schinken perfekt emuliert. Sollte noch erwähnt werden, dass diese Vermischung danach, meines Wissens nach, nur noch ein einziges mal funktionierte, namentlich in FRIGHT NIGHT – DIE RABENSCHWARZE NACHT (das Original, nicht dass vermaledeite Remake, versteht sich).

Man darf nur keine Feuerwerke des Klamauks und Gags in Sekundenschnelle, wie bei den oben genannten Spoofs, erwarten. Die Gags sind in dem Verhältnis zwar spärlich, aber dafür wohlplaziert. Etwa der Gag mit der angebißenen Aufblas-Thusnelda; der Ausdruck im Gesicht des Vampirgrafen allein ist schon eine Sichtung wert. Da wir uns in den 1970ern befinden, musste es auch noch nicht immer politisch-korrekt sein. Etwa in jener Szene, in der Ferdinand in der Kanalistation Schutz vor dem Morgengrauen sucht und Khaleb, nichtswissend dass sein Kumpel ein Vampir ist, von zwei Dockarbeitern dabei ertappt wird, wie er, auf einem Gulli-Deckel kniend, dessen Namen ruft. „Bist du verrückt geworden, du Araber“, ist da natürlich die einzig logische Frage, die Khaleb mit der einzig logischen Antwort begründet: „Monsieurs, ich spreche gerade meine Gebete“ (worauf hin sich Khaleb, mit ryhtmisch-muselmannisch Vor- und Zurückbewegungen, seiner ‚Andacht‘ widmet und sein Gebet erklingen läßt: „Ferdinand! FERDIN-NA-HA-AND!“). Hätte Molinaro heutzutage vermutlich auf eine Liste gebracht – und wir meinen damit nicht die Gästeliste des Filmfestivals von Cannes.

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„Gehet hin und küsset jenen heil’gen Gullideckel,
den solches ist der Pfad ins Paradies …“

„Nicht schlecht, Herr Specht“, kann man da dem Regisseur Edouard Molinaro, einem Veteran der leichten-Muse-Schule, attestieren. In einer Klasse mit Claude Zidi, hat Molinaro praktisch schon mit jedem Namenhaften französischen Komödianten zusammengearbeitet, sei es mit Louis de Funes (OSCAR), Pierre Richard (DER GROSSE BLONDE AUF FREIERSFÜSSEN) oder Lino Ventura (DIE FILZLAUS, einer meiner persönlichen Favoriten; liegt vielleicht am Titel). Zu seinen wohl bekanntesten Werken dürfte die Schwulen-Komödie EIN KÄFIG VOLLER NARREN – man kann sagen, der Vorgänger von DER BEWEGTE MANN – zählen, der 1996 als ein Robin Williams / Gene Hackman Vehikel in den USA neu verfilmt wurde (und für dessen Drehbuch Molinaro teils verantwortlich war). Wir sind, was leichte Unterhaltung angeht, befinden wir uns also in besten Händen.

Hier viele Worte über Christopher Lee zu verlieren, wäre wie Hähne nach Frankreich zu tragen. Vielleicht nur, dass DIE HERREN DRACULA, neben der Spaghetti-Komödie SCHLECHTE ZEITEN FÜR VAMPIRE, einem 10 Sekunden Auftritt als Schiffsvampir THE MAGIC CHRISTIAN und einem 3 Sekunden Auftritt in dem Sammy Davis Jr.-Vehikel DIE PECHVÖGEL, eine der wenigen Vampirsatiren ist, in der Lee den Grafen mimte. Ingesamt sieben mal durfte / musste Lee den Dracula für die Hammer-Reihe geben (die Reviews zu DRACULA BRAUCHT FRISCHES BLUT und DRACULA JAGT MINI-MÄDCHEN sind hier nachzulesen). Lee war es nur einmal vergönnt, in einer werkstreuen Adaption des Bram Stoker-Stoffes zu spielen, NACHTS, WENN DRACULA ERWACHT, die zwar für Trash-Verhältnisse nicht schlecht war, im Endeffekt aber an der typischen Schundarbeit von Regisseur Jess Franco scheiterte.

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Hatte wohl selten so viel Spaß in der Rolle des Vampirgrafen:
Sir Christopher Lee.

Fast schon ein kleines Wunder, dass man Lee hier zum 11ten und letzten mal dazu überreden konnte, sich das Vampircape umzuhängen. Der Hass des Altmimen auf dieses Typecasting ist bekanntlich sprichwörtlich. Lee ließ sich nur unter einer Bedingung breitschlagen: Der Name Dracula durfte weder im Skript noch im Film selbst vorkommen. Wie wir heute wissen, war das den französischen, deutschen und amerikanischen Verleihern egal wie nur irgendetwas; in der Englischen Fassung wird der „Baron“ (in der Originalfassung) flux wieder Dracula selbst und selbst mit Van Helsing-Referenzen wird nicht gespart (davon aber später mehr).

Obwohl in „Der Vampir von Paris“, der Vorlage von Claude Cauvin (der Künstlername des unter dem bemitleidenswerten Namen Claude Klotz geborenen Schriftstellers), durchaus von Graf Dracula die Rede ist. Zwar hält sich Molinaro recht eng an den Roman, hat aber doch hie und da künstlerische Freiheit walten lassen (im Roman wird aus Dracula ein Immobilienmakler mit Karies, dessen Schloß in eine Tankstelle umfunktioniert wurde; ein netter kleiner Schmöcker mit ettlichen Seitenhieben auf den modernen Kapitalismus, obwohl an Cauvin / Klotz kein Ephraim Kishon verloren gegangen ist).

Offensichtlich hatte Lee Spaß am Dreh, darf er hier doch sein komödiantisches Talent unter Beweis stellen und seine Paraderolle veräppeln, ohne sie dabei durch den Dreck zu ziehen oder gar zu beschmutzen. Dass er in DIE HERREN DRACULA mehr Dialog hatte, als in allen Hammer-Draculas zusammengenommen, mag ein weiterer Grund für Lees Enthusiasmus gewesen sein. Soll noch angemerkt werden, dass Lee in der französischen Fassung spricht, der englischen Version seine Stimme leiht und in der deutschen Fassung von Klaus Miedel synchronisiert wird. Miedel dürfte dem Ohr vor allem als Sprecher von Sir Connery bekannt sein (oder den Hörspiel-Fans als Sprecher von Professor Zweistein in der Science-Ficton-Serie „Jan Tenner“). (Anmerkung: Schande und Asche über mein Haupt. Natürlich sprach Miedel nie den Connery. Habe ich den guten Mann doch tatsächlich mit dem Organ von Gert Günther Hoffmann verwechselt. Aber dass Miedel Louis De Funes, Dean Martin und eben Christopher Lee in DIE HERREN DRACULA gesprochen hat, dafür lege ich die Hand von Dr. Acula ins Feuer.). Aber wo wir gerade die Synchronisation ansprechen, müssen wir leider auf ein leidiges Thema kommen:

Dass man im englischsprechendem Raum nicht für die Synchronisationskünste bekannt ist, ist hinläufig bekannt. Schon ettliche Filme, etwa DAS BOOT oder CHRISTIANE F. – WIR KINDER VOM BAHNHOF ZOO wurden in den englischen Fassungen buchstäblich verhunzt und mussten dadurch im englischsprechenden Markt der Nichtigkeit anheimfallen. Da macht die englische Fassung von DIE HERREN DRACULA keine Ausnahme. Was heißt Ausnahme? (Fast) noch schlimmeres Schindluder hat man hier getrieben, da konnte selbst Lees prägnante Stimme nichts mehr reissen. Die meisten eingeenglischten Gags und Worstpielereien hätten sich eher in einem 70er Jahre Porno mit Handlung wohlgefühlt und damit auch jeder merkt, dass der Film „peppig“ ist, hat man zu allem Unglück auch noch einen Großteil des Soundtracks geschnitten und durch Pop- und Disco-Mucke ersetzt. Würden wir hier ganz unserem Motto treu bleiben (was nie & nimmer passieren wird), Badmovies hätte DRACULA AND SON besprochen, nicht aber DIE HERREN DRACULA. Nur um die Schlechtigkeit im Filmformat anzusprechen, haben wir extra den amerikanischen Trailer beigefügt (und außerdem ließ sich kein deutscher Trailer finden).

Dem deutschen Publikum wird Bernard Menez höchstwahrscheinlich als Dieter Hallervorden Kollaborateur und französischer Sidekick in DIDI VOLL AUF TOUREN ein Begriff sein. Im Franzenland ist er jedenfalls ein Star (wenngleich nicht vom Kaliber eines Pierre Richard, Belmondo oder Gerard Depardieu, natürlemont) und spielte einige Jahre zuvor schon neben Peter Cushing in der erotischen Vampirkomödie TENDRE DRACULA. Den einen oder anderen Nostalgikern wird er vielleicht noch aus Farcen wie HILFE, MEIN DEGEN KLEMMT oder LOUIS, DER GEIZKRAGEN bekannt sein, aber es gibt schon einen guten Grund warum Menez im Prinzip als zweite Geige prädestiniert ist: Der Komiker ist sehr blaß, und nicht nur, weil er einen (Halb)-Vampir spielt. Menez hat es in der englischen Synchro vielleicht am übelsten erwischt: Dort klingt sein Ferdinand wie ein geistig zurückgebliebener Woody Allen, der lispelt.

Ansonsten wäre Schauspieler-technisch eigentlich nur noch die Love-Interest Marie-Hélène Breillat zu erwähnen. Hübsch anzusehen, kennt man sie vielleicht am ehersten aus einer kleinen Nebenrolle in DER LETZTE TANGO VON PARIS, und dass sie hier eine relative große Rolle hat, mag damit zusammenhängen, dass sie just zu dieser Zeit mit dem Regisseur verheiratet war. Bei jener Marie-Hélène handelt es sich auch um die Zwillingsschwester von Catherine Breillat (auch DER LETZTE TANGO VON PARIS), was dem Fakt, dass Ferdinand sich ausgerechnet in das lebende Spiegelbild seiner Mutter verliebt, ein wenig abmildert. Aber nur ein klein wenig. Alles was recht ist – Ödipus-Komplex hin, Freud’sche Schweinereien her – man kann’s mit dem Französisch-sein auch übertreiben.

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Ein Lächeln, 1,000 Taler breit und
praktisch ein juristisches Einverständnis des Vertrauens.

Zu erwähnen sei dann nur noch der exzellente Soundtrack, bei dem sich Meister Vladimir Cosma sogar ein wenig zurückhält, und eher auf dustere, atmosphärische Klänge setzt, die aber trotzdem – wie von ihm gewohnt – locker ins Ohr gehen. Das der Mann bis dato hunderte von Filmen mit seiner pompösen Chansson-Variation veredelt hat, darunter etwa LA BOUM – DIE FETE, DAS AS DER ASSE oder BRUST ODER KEULE, das muss man dem geneigten Filmkenner wohl nicht noch extra unter die Nase reiben.

Fazit: Halten wir uns hier kurz und bündig. Freunde der leichten, französischen Komödie, Hammer-Film-Fans und natürlich den Christopher-Lee-Anbetern ist DIE HERREN DRACULA uneingeschränkt zu empfehlen. Die erste Hälfte, mit seiner düsteren Atmosphäre und Scharm ist zwar deutlich die stärkere, da die Elemente Familienfede / Liebesgeschichte später doch ein wenig die Überhand über die Vampirkomödie bekommen, aber das ist eine Winzigkeit, die sich bei einer Spiellänge von 92 Minuten leicht verkraften lässt. Der einzige Wermutstropfen ist nur die potthäßliche Aufmachung der DVD von Universum Film / Tobis, die vermutlich ein Praktikant während einer Mittagspause zusammengestöpselt hat. Aber gut, man kann sich beim herausnehmen der Scheibe auch kurz die Augen zuhalten, dann geht’s. Ansonsten ist alles im grün-blutrotem Bereich und wenig zum meckern

© 2015 Thorsten Atzmueller


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 7


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