Die Grotte der vergessenen Leichen

 
  • Deutscher Titel: Die Grotte der vergessenen Leichen
  • Original-Titel: La notte che Evelyn usci dalla tomba
  • Alternative Titel: Die Grotte der lebenden Leichen | Stumme Schreie | The Night Evelyn Came Out of the Grave | The Night She Arose From the Tomb | The Night Evelyn Left the Tomb |
  • Regie: Emilio Miraglia
  • Land: Italien
  • Jahr: 1971
  • Darsteller:

    Anthony Steffen (Lord Alan Cunningham), Marina Malfatti (Gladys), Erika Blanc (Susie), Giacomo Rossi-Stuart (Dr. Timberlane), Umberto Raho (Farley), Roberto Maldera (Albert), Joan C. Davis (Tante Agatha), Enzo Tarascio (George), Maria Teresa Tofano (Polly)


Vorwort

Alan Cunningham hat eigentlich allen Grund, mit seinem Leben zufrieden zu sein – er ist britischer Lord, und auch wenn das nicht mehr wie in den guten alten Zeiten die Möglichkeit bietet, Bauern auszubeuten, so bedeutet dies doch einen schnieken Landsitz (wenn auch teilweise dem Verfall preisgegeben) und ein umfangreiches Bankkonto (drei Millionen Pfund, und das war 1971 rum noch so richtig Asche). Dummerweise hat Alan, seit seine Ehefrau Evelyn den vorzeitigen terminalen Abschied einreichte, eine mittelschwere Vollmeise und lebt diese aus, indem er sämtliches attraktives (und käufliches) rothaariges Weibsvolk in den familieneigenen Folterkeller lotst, in Stiefel steckt, die jedem SM-Fetischisten das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen, mit der Bullenpeitsche züchtigt und anschließend abmurkst.
Zu seiner Verteidigung muss ausgeführt werden, dass Alan wohl bemüht ist, seine Schramme zu kurieren und sich hierfür sogar einen Seelenklempner, Dr. Timberlane, hält, dessen Ratschläge (sofern sie sich nicht eh innerhalb einer Szene widersprechen) allerdings aus meiner Sicht püschologisch eher fragwürdig ausfallen. So empfiehlt der Onkel Doktor dem jungen Lord umgehende neuerliche Eheschließung, alldieweil Alans eigene Versuche, mit Hilfe eines Mediums und einer Séance seinen Frieden mit der Verblichenen zu machen, erstens dem Doktor aus rein wissenschaftlichen Gründen nicht schmecken und zweitens Allans strapaziertes Nervenkostüm stark beanspruchen (was aber wohl auch daran liegen könnte, dass Evelyns Bruderherz Albert nach wie vor auf dem Landsitz lebt, Alan diverse unspezifizierte Vorhaltungen macht und von dem im Rahmen eines freundschaftlichen Erpressungsverhältnisses ausgehalten wird).

Nixdestotrotz – als Alan auf einer Party, zu der ihn sein Lieblingscousin George (schwuchtelig gezeichnet, dennoch aber ein „ladies‘ man“ und seines Zeichens Inhaber der Pole Position auf der Erbfolgeliste, vorgeblich aber an Schloss und Reichtum nicht im mindesten interessiert) mitschleppt, die hübsche Gladys kennenlernt, verliert der Lord keine Zeit und ehelicht das Mädel stantepete. Gladys wird auf dem Landsitz freundlich aufgenommen – von Alans im Rollstuhl sitzender Tante Agatha (die merkwürdigerweise jünger aussieht als er) und der von ihr angeheuerten Schar eines halben Dutzends identischer Dienstmädchen. Schon bald wird die neue Lady Cunningham allerdings von mysteriösen Vorfällen gepiesackt – verbunden mit der ihr vermittelten Familiengeschichte, wonach Evelyn bei der Geburt eines Kindes gestorben sei, obwohl ihr vorher klar war, dass die Sache äußerst riskant sein würde, und Alan an Scheidung gedacht habe, weil er seiner Holden ein Verhältnis unterstellte, bringt Gladys auf den Gedanken, Evelyn könnte – warum auch immer – ihr Ableben nur vorgetäuscht haben und entscheidet sich, die Gruft derer von und zu Cunningham mal persönlich auf korrekte Leichenanzahl hin zu überprüfen. Ob das mal ’ne gute Idee ist?
Sieht zwar aus, als würde er gleich brechen, aber keine Sorge, soviel Emotion legt Herr Rossi-Stuart nie in seine Rollen.

Erwartungsgemäß eher nicht und in der Tat beginnt der Ärger – will sagen die Killerei – jetzt erst richtig…


Inhalt

Als erfolgversprechendes Hausmittel bei Schreibblockade hat bei mir noch meistens gewirkt, das blockierte Review erst mal auf die lange Bank zu schieben, blind ins DVD-Regal zu greifen und das nach dem fairen Lottoverfahren ermittelte Filmwerk ersatzweise zu besprechen. Hauptgewinner war gestern abend dann eben dieser Film mit seinem reißerischen englischen Titel „The Night Evelyn Came Out of the Grave“ (eine akkurate Übersetzung des italienischen Originaltitels, der nicht arg viel mit dem Film selbst zu tun hat, aber immerhin noch mehr als die alternativen deutschen Titel „Die Grotte der vergessenen Leichen“ bzw. „Die Grotte der lebenden Leichen“. Der dritte deutsche Titel „Stumme Schreie“ liegt dann GANZ neben der Spur). Der Streifen wird von Italo-Enthusiasten gerne mal angeführt, wenn’s um das Thema „Gialli, nicht von Argento, und nicht aktiv beschissen“ (ha, gleich mal wieder mit der Zielgruppe verscherzt. I rule!) geht und macht’s Reviewern schon allein durch eine schier unüberschaubare Zahl von Schnittfassungen schwer – allein NEUN unterschiedliche englischsprachige Versionen soll’s geben, und die bauen einzelne Segmente offenkundig nach dem Zufallsprinzip zusammen (allerdings, wenn ich den typischen Giallo so paroli laufen lasse – es dürfte schwer sein, da den Unterschied zur gewollten Fassung zu bemerken).

Regisseur Emilio Miraglia ist ein vergleichsweise wenig umtriebiger Genosse – gerade mal sechs Filme hat er inszeniert, dabei aber wenigstens die wichtigsten Italo-Genres mitgenommen: Western, Polizeifilm („The Falling Man“ mit Henry Silva soll gar nicht mal so schlecht sein) und natürlich Horror – nach dem hier gewürdigten Werk führte er noch bei „La dama rossa uccide sette votta“ (hierzulande offensichtlich mal als „Horror House“ gelaufen und international unter dem Titel „The Lady in Red Kills Seven Times“ geläufig oder auch nicht) Regie. Für seinen ersten Ausflug in horrible Gefilde bediente er sich eines Scripts des Teams Massimo Felisatto/Fabio Pittorru, das gerade dabei war, sich von Kurzfilm-Dokus über Sexklamotten („Rufnummer Kopenhagen Sex Sex Sex“, „Als die Frauen das Bett erfanden“) zu „höherwertigen“ Aufträgen hochzuarbeiten (Pittorru schrieb später das Bio-Drama „Mussolini – Die letzten Tage“ mit Rod Steiger in der Titelrolle, später dann aber auch wieder Schmarrn wie „20 im Auto, 40 im Bett“; dieweil Felisastto, der sich nach dem Martino-Polizzotto „Der lautlose Killer“ selbständig machte, u.a. „Der geheimnisvolle Killer“ für Andrea Bianchi schrieb. Zu ihren bekannteren Gemeinschaftsarbeiten gehört das love-triangle-Drama „Il Corpo“).

Ich hatte beim Betrachten so einiger Gialli das Gefühl, die Italiener wären irgendwie neidisch auf das britische Inselvolk und deren viktorianische Grusel-Gothik der besseren Hammer-Produktionen – auch „Die Grotte der vergessenen Leichen“ versucht, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und gothische Gruselatmosphäre mit dem neumodischen, gegenwartsbezogenen Giallo-Kram zu kombinieren (ein anderes Beispiel dafür ist Margheritis Sieben Tote in den Augen der Katze. Zurückführen kann man diese krude Mischung von Gothikhorror in Gegenwartssetting im italienischen Kintopp z.B. auf „Bloody Pit of Horror“ mit Mr. Universum und Mr. Jayne Mansfield Mickey Hargitay). Man kann sicherlich nicht per se behaupten, diese Mixtur könnte nicht funktionieren, allerdings wissen wir andererseits gut genug, dass der typische italienische Giallo-/Horror-Autor ein schlüssiges, spannendes Script im Normalfall nicht erkennt, wenn’s vor seinen Augen mit der Schreibmaschine Lambada tanzt; will sagen – wer gemeinhin schon damit überfordert ist, „nur“ einen gegenwartsbezogenen Horrorthriller zu schreiben, findet in einem Gothik-Setting nur noch mehr Gelegenheit für unlogische Abschweifungen, sinnlose Subplots und als „Atmosphäre“ getarnten Absurditäten.

Was dann ziemlich genau auch das Problem der „Grotte“ ist, dessen Clou – SPOILER ahoi – mal wieder die gute alte „treib Person XY in den Wahnsinn“-Plotte ist, nur mal mit dem „modernen“ Twist, dass es ausnahmsweise mal ein Kerl ist, den’s ins Bockshorn zu jagen gilt. Da nun aber sogar den Kollegen vom Stiefel wie Schuppen aus den Haaren rieselte, dass diese „Idee“ vermutlich zu den drei ältesten Motiven der narrativen Erzählung gehört und schon ungefähr 7.369 mal verfilmt wurde, verfielen sie auf den naheliegenden Gedanken, ihren Schmu mit aufgesetzten übernatürlichen Motiven zu tarnen, die dann – das überrascht uns als Kenner der Materie natürlich *sehr* – größtenteils Kappes und komplett unsinnig sind. Ich wiederhole sicherheitshalber noch mal meine SPOILER-Warnung, bei einem 40 Jahre alten Film, der unter Genrefreunden nun auch nicht *so* unbekannt ist, hab ich wenig Hemmung, entscheidende Plotpunkte auszuplaudern, da’s ansonsten auch schwer fallen würde, den Nonsens zu entlarven – wobei sich das letztlich auf zwei wirklich große Hämmer kapriziert (okay, sagen wir drei mit einem Twist im Schlusstwist). Relativ zu Beginn des Films veranstaltet Alan eine Séance, um mit seinem toten Weib Kontakt aufzunehmen, ein Unterfangen, das… gelingt?? Es erscheint zumindest eine Geister-Evelyn (die Alan so erschreckt, dass er in Ohnmacht fällt). Wenn nun alles, wie’s der Schlusstwist uns einredet, ein abgekartetes Spiel war, war dann auch diese Erscheinung ein Fake oder war die „real“?
Problem Nr. 2 ist die Gruft-Öffnung durch Gladys, als die in Begleitung des Friedhofswärters in Evelyns Sarg kuckt und dort nur ’ne Menge Luft und Liebe entdeckt (dieweil im Hintergrund der ominöse Killer Albert per Giftschlange killt). Wenn nun aber Gladys – wie am Ende enthüllt wird – mit dem Killer gemeinsame Sache macht (bei der Gelegenheit: die Identität des Killers ist wohl eines der schlechtestgehüteten Mysteries der Filmgeschichte. Verdächtige haben wir maximal zwei, einer davon – Albert – wird zeitig abserviert, einer bleibt übrig, und der ist’s dann halt auch), wieso kuckt sie in den Sarg? Sie WEISS doch, dass, egal, ob da drin ein vermodernder Kadaver liegt oder nicht, das für ihren Plan keinen Unterschied macht. Und wenn sie schon „rausfindet“, dass die Leiche fehlt, warum geht sie – eingedenk ihres Planes, Alan zurück in die Klapse zu schicken – nicht mit dieser Erkenntnis hausieren?
Der angesprochene dritte Hammer im Schlussakt ist besonders dämlich: nachdem der Plan der Fieslinge, Alan in eine permanente Klatsche zu erschrecken, funktioniert hat, taucht, als Oberfiesling, seine Komplizen erfolgreich losgeworden, gerade seinen Sieg feiert, Dr. Timberlane auf und verklickert dem verblüfften Bösewicht, die letzte Attacke auf Alan nur vorgetäuscht zu haben. Prinzipiell könnte ich das schlucken, wenn man uns nicht AUSDRÜCKLICH und als große Schock-Enthüllung im Rahmen eben dieser Attacke erstmals gezeigt hätte, WER sich da als Evelyn-Geist getarnt hat (und ja, es war ein Mitglied der Bande des Bösen) – zur Ehrenrettung des Films sei gesagt, dass ich aufgrund des oben geschilderten Fassungswirrwarrs nicht sicher bin, die intendierte Szenenreihenfolge gesehen zu haben…

Aber auch anderweitig hält der Film so einige Rätsel (der nicht unbedingt plot-innewohnenden und unaufgeklärten Art) für uns bereit – das beginnt bei der kurzen Prologsequenz, die offensichtlich eine frühere Flucht Alans aus Timberlanes Sanatorium schildert (bzw. den Verusch einer solchen), setzt sich über schräge Ideen wie die nach eineiigen Vier- bis Fünflingen (ich hab hier leider nur einen 4:3-Print – kann sein, dass ich eins der Hausmädchen nicht sehen konnte) aussehenden Dienstmädchen, einen als plotpoint hingeworfenen Diebstahl wertvollen Geschirrs, und, last, but not least, die komische Tante Agatha an sich, die in einem coolen Elektro-Rolli durch die Gegend brummt, diesen aber offensichtlich – im Gegensatz zum Wissensstand ihrer Restfamilie – nicht braucht, sondern, kurz bevor sie ins Gras beißt, ziemlich gut zu Fuß unterwegs ist. Sehr seltsam, das alles. Könnte aber trotzdem noch recht nette Unterhaltung sein, hätten wir im ganzen Film auch nur ansatzweise EINEN sympathischen Charakter – Alan ist, so sehr der Film ihn schlussendlich zum Opfer stilisieren will, ein Psychopath, der mindestens einen Mord begangen hat; das fällt dann sogar den Autoren auf, die ungefähr zur 50-Minuten-Marke einen strategischen Protagonistenwechsel vornehmen, Alan ins zweite Glied zurücktreten lassen und Gladys auf die vakante „Helden“-Position schieben (was aus oben genannten Gründen eben auch nicht so recht funktioniert, da bei aller Freundschaft irgendwann mal klar ist, dass sie mit jemandem paktiert, nur noch nicht hundertprozentig, mit wem). Die weiteren Figuren sind eh bestenfalls dafür geeignet, red herrings abzugeben und mühen sich also ebenso redlich wie zumeist vergeblich, Verdacht auf sich zu lenken.

Von der technischen Seite her hält sich mein Mecker in Grenzen – gut, was Kameramann Gastone de Giovanni, der immerhin bei Prestigeproduktionen wie „Hochwürden Don Camillo“ oder „Scheidung auf Italienisch“ lernte, ehe er eine vergleichsweise undistinguierte Karriere als Chef-D.O.P. verfolgte) sich an Bildkompositionen so vorstellte, bleibt im mir vorliegenden Vollbildprint überwiegend sein Geheimnis, es deutet sich aber an, dass er etwas mehr auf der Pfanne hat als die üblichen rumpeligen Eurozooms (von denen es aber selbstredend ein paar gibt). Interessanterweise setzen er und Miraglia verstärkt auf Großaufnahmen von Gesichtern, was einige Dialogszenen doch deutlich intensiver wirken lässt. Der Kontrast zwischen Hammer-artigem viktorianischen Herrenhaus-Plüsch, gothischem Folterkeller und der hippen 70er-Jahre-Inneneinrichtung so mancher gezeigten Wohnstube ist auf den ersten Blick reizvoll, lässt das Gesamtprodukt – das inhäherente Risiko eines jeden Genre- oder setting-mash-ups – aber uneinheitlich, zerrissen wirken; es sieht hübsch aus, ebenso wie manche Kostüme der Damenwelt (Malfatti darf sich in so manches enthüllende Nightie wickeln, und das Kostüm, das sie beim ersten Treffenmit Steffen trägt, hat sie zweifellos der „bezaubernden Jeannie“ direkt aus der Flasche geklaut), aber es verhindert, dass die „Grotte“ einen wirklich fassbaren „Ton“ trifft.

Das Tempo, das Miraglia anschlägt, ist eher im mittelschnellen Bereich angesiedelt (auch wenn sich so manche Passage erst im Nachhinein als Leerlauf herausstellt); der Auftakt mit den Ausflügen in Cunninghams Folterkeller ist schwungvoll, mit dem Stilwechsel vom Psychopathen-Horror zum pseudo-übernatürlichen Geistermumpitz macht sich aber ein ziemlicher Durchhänger breit; erst in den letzten 25 Minuten nimmt das Prozedere dann wieder Fahrt auf. Die Kills sind in der mir vorliegenden Fassung nicht sonderlich brutal (aber zumindest dahingehend wurde ich vorgewarnt, dass die US-Billig-DVD um die heftigsten Gewaltspitzen gekürzt ist), als Ausgleich dafür gibt’s ein Rudel nackter Tatsachen, vorgetragen von Malfatti, Blanc und Tofao, und das sieht alles durchaus lecker aus…

Nicht zu vergessen ist freilich der aparte Score von Bruno Nicolai, der auch einige dissonante progrock-artige Nummern in sein Repertoire aufgenommen hat.

Schauspielerisch wird mangels des eigentlich gesetzlich vorgeschriebenen abgetakelten Ex-Hollywood-Stars eher Magerkost geboten. Anthony Steffen (eigentlich Antonio de Teffe, Sohn eines brasilianischen Rennfahrers und Diplomaten), Star zahlloser Spaghettiwestern der zweiten Liga (und immerhin mehrfacher Django), den wir an dieser Stelle schon in Die Liebeshexen vom Rio Cannibale oder Inferno unter heisser Sonne gewürdigt haben, kann in keiner Sekunde die Zerrissenheit, die psychische Fragilität seines Charakters, angemessen verkörpern. Um’s salopp zu sagen, er wirkt *immer* wie ein potentiell gewalttätiges Arschloch, was es dann doch relativ schwer macht, ihn als Protagonisten, bemitleidenswertes Opfer oder gar Helden zu sehen.
Enzo Taraschio, dessen Vita wenig bemerkenswerte Einträge umfasst (am ehesten noch das lesser Spencer/Hill-Vehikel „Der Kleine und der müde Joe“ und der obskur-kuriose Giallo-/supernatural-horror-Mix „Das Geheimnis des gelben Grabes“) macht sich als George passabel, Giacomi Rossi-Stuart („Die toten Augen des Dr. Dracula“, „Orion 3000 – Raumfahrt des Grauens“, „Mörderbestien“, The Last Man on Earth) erschafft mit seiner Performance des Dr. Timberlane eine völlig neue Defintion der Begrifflichkeiten „hölzern“ und „steif“.
Die Damenwelt ist dann schon deutlich besser aufgelegt – Marina Malfatti (später auch in Miraglias zweitem Giallo aktiv, dito in „Das Rätsel des silbernen Halbmonds“, dem Kinski-Western „Ein Einsamer kehrt zurück“ und dem hier besprochenen Psychomaniacs) wäre prinzipiell eine exzellente Giallo-Heroine (und löst bei mir eine heftige Mylene-Farmer-vibe aus), laboriert aber an dem fürchterlich geschriebenen Charakter (bzw. dem völlig unglaubwürdigen „turn“).
Erika Blanc macht ihrem Namen mal wieder alle Ehre und zieht selbiges, also blank, was niemand verurteilen dürfte. Man sah sie u.a. auch in „Die toten Augen des Dr. Dracula“, „Das Folterhaus der Lady Morgan“, „Hexen – geschändet und zu Tode gequält“ und der Senta-Berger-Sexklamotte „Die Herrenreiterin“). Abgesehen von ihren körperlichen Vorzügen zeigt sie in einer Ausdruckstanzszene auch, dass ihr für *diese* Profession Takt- und Rhythmusgefühl abgehen (aber wer weiß, welche Musik sie am Set hörte).
Maria Teresa Tofano (Mordopfer gleich zu Beginn und ebenfalls sehr knusprig anzuschauen), fand sich zwölf Jahre später in Pupi Avatis ungewöhnlichem Untoten-Film „Zeder“ wieder. Joan C. Davis, zu der ich keine weiteren Informationen ausgraben konnte, spielt die Tante Agatha durchaus unheimlich-geheimnisvoll.

Bildqualität: Puristen werden mich hauen, aber ich hatte zum Review die Billig-US-DVD von Alpha Video – seinerzeit von AIP in den USA veröffentlicht und nie dort copyright-geschützt, ist der Streifen jenseits des Großen Wassers ins Public Domain gefallen. Bei Alpha Video muss man normalerweise mit dem Schlimmsten rechnen, „The Night Evelyn Came Out of the Grave“ ist noch erträglich ausgefallen; offensichtlich aus verschiedenen Quellen zusammengesetzt (und mit einem entzückend gestauchten Vorspann) ist die Bildqualität arg schwankend, meistens brauchbar, streckenweise ganz gut, aber auch dann und wann grausig (leider auch in der finalen Attacke auf Alan, die völlig in der kontrastarmen Dunkelheit versinkt).

Tonqualität: Ausschließlich englischsprachiger Mono-Ton. Das Dubbing ist für die Verhältnisse eines importierten Eurofetzers noch recht ansprechend ausgefallen, man hat sich sogar Mühe gegeben, den Sprechern andeutungsweise britische Akzente oder wengistens eine gestelzte Ausdrucksweise zu verpassen. Nicolais Score kommt natürlich in diesem Mix nicht gut zur Geltung, aber zumindest versteht man die Dialoge.

Extras: Nur ein paar Hinweise (keine Trailer) auf andere Alpha-Releases.

Fazit: Auch wenn sich das jetzt weitgehend negativ angehört hat, so möchte ich „Die Grotte der vergessenen Leichen“ keineswegs verreißen; im direkten Vergleich mit anderne Italo-Schwachmatigkeiten schneidet der Streifen in der Tat noch relativ gut ab – seine krude Atmosphäre, seine simple Verweigerung, einen echten „Helden“ (oder eine Heldin) in den Mittelpunkt zu stellen und seine zaghaften Verweise in Richtung Clouzots Klassiker „Die Diabolischen“ (dem die „Grotte“ wahrhaftig einiges schuldet) halten – bei allen Aussetzern des Scripts und dem teilweise wenigstens fragwürdigen Schauspiels – zumindest aus Kuriositätsgründen bei der Stange, zudem erfreuen eben drei leckere Babes das Auge des (männlichen) Betrachters. Ich kann also – auch wenn mir der Streifen *als Film* insgesamt zu unbefriedigend ist (ich bin, wie schon oft erwähnt, Storyfetischist, daher in Gialli beinahe aus Prinzip falsch und nur eingeschränkt über „Atmosphäre“ und „Stimmung“ zu ködern), kann ich bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen, was Italo-Fans an dem Film finden; nicht in letzter Konsequenz, aber genug, um einer ungeschnittenen Version in korrektem (2.35:1)-Bildformat (X-Rated bietet eine solche in der Giallo-Reihe an, auch wenn eine der Coveralternativen Anthony Steffen etwas sehr irrefeührend in Richtung Indiana Jones stilisiert und eine andere extrem hässlich ist) glatt auf den Leim gehen zu können…

3/5
(c) 2011 Dr. Acula


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
1 Kommentar
älteste
neuste beste Bewertung
Inline Feedbacks
View all comments
mm
Webmaster
Thomas Hortian
5. November 2017 17:49

Buh!