Die Geschichte vom weinenden Kamel

 
  • Deutscher Titel: Die Geschichte vom weinenden Kamel
  • Original-Titel: Die Geschichte vom weinenden Kamel
  •  
  • Regie: Byambasuren Davaa, Luigi Falomi
  • Land: Deutschland
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Janchiv Ayurzana (Janchiv), Chimed Ohin (Chimed), Amgaabazar Gonson (Amgaa), Zeveljamz Nyam (Zevel), Odgerel Ayusch (Odgoo), Ikhbayar Amgaabazar (Ikchee), Enkhbulgan Ikhbayar (Dude), Uuganbaatar Ikhbayar (Ugna), Guntbaatar Ikhbayar (Guntee), Nunkhbayar Lhagvaa (Violinlehrer)


Vorwort

Die Wüste Gobi in der südlichen Mongolei: wir begleiten eine Nomadenfamilie, die von Schaf- und Kamelzucht lebt, in ihrem Alltag. Zurzeit kommen grad die Jungkamele zur Welt, zuletzt wird ein schönes Fohlen mit weissem Fell geboren, doch das Muttertier nimmt es nicht an. Egal, was die Züchter versuchen, das Kamel stösst sein Junges immer wieder von sich, selbst die religiöse Zeremonie einiger Lamas (die buddhistischen Mönche, nicht die spuckenden Paarhufer) kann nichts ausrichten.

Da müssen die ganz schweren Geschütze ran und das heisst: Ein Hoos-Ritual. Selbiges kann aber unmöglich ohne die traditionelle Pferdekopfgeige vonstatten gehen (und jemanden, der das Ding spielen kann, braucht es auch noch). Also werden die beiden Jungs Dude und Ugna ins Aimak-Zentrum (eine Art kleinstädtische Siedlung) geschickt, um einen entsprechenden Musiker zu engagieren (und, wenn sie schon mal dort sind, Batterien einzukaufen). Werden sie es rechtzeitig schaffen?


Inhalt

Die Mongolin Byambasuren Davaa und der Italiener Luigi Falorni lernten sich auf der Münchener Hochschule für Fernsehen und Film kennen, die diesen Film dann auch mitproduziert hat. Der kleine Film erlebte anschliessend eine rechte Erfolgsgeschichte und schaffte es schliesslich sogar, 2005 für die Kategorie des besten Dokumentarfilms nominiert zu werden (allerdings ohne zu gewinnen, irgendwas ist immer).

Wobei „Die Geschichte vom weinenden Kamel“ nicht gerade ein typischer Dokumentarfilm (oder überhaupt ein Dokumentarfilm) ist, beschränkt sich der Streifen doch nicht nur auf die eigentliche Dokumentation von Menschen, Natur und Landschaft, sondern erzählt er auch eine Geschichte (basierend auf mongolischen Legenden), die offensichtlich entsprechend inszeniert wurde (wenngleich an den Originalschauplätzen und mit Laiendarstellern – die ganz natürlich wirken, aber das sag ich als Westler, hüstel). Es gibt keine Erzählerstimme, keine Interviews, keine Erklärungen, die eigentliche Informationsvermittlung rückt in den Hintergrund – der Zuschauer erfährt gerade mal, wo sich die Geschichte abspielt, ansonsten wird er ganz dem Gezeigten überlassen und muss sich selbst einen Reim darauf machen. Was ein Aimak-Zentrum eigentlich ist? Wie Kamele in die Mongolei kommen? Wie die Nomaden Handel betreiben? Wird nicht vermittelt. Der Film dröselt nicht alles schön für den Zuschauer auf und setzt ihm irgendwelche Wissensbrocken vor, sondern begnügt sich damit, ihm einen unkommentierten, (weitgehend) neutralen Einblick zu geben.

Dementsprechend lässt sich der Streifen auch jede Menge Zeit, lässt quasi den Zuschauer alltägliche Handlungen und Geschehnisse eins zu eins nacherleben – was nach und nach zu einer ziemlichen Geduldsprobe werden kann, mein lieber Scholli. Trotzdem, faszinierend ist das schon: das harte Leben, die karge Vegetation, die Sandstürme, das Fehlen von fliessend Wasser oder Strom, die Geburt und Aufzucht der Kamele, die grandiose Landschaft, der Gesang und die Musik. Interessant auch der Gegensatz zwischen der traditionellen Lebensweise der Nomaden und der modernisierten, westlich geprägten Lebensweise der Menschen im Aimak-Zetrum. Die „Nachbarn“ unserer Familie haben bereits einen Fernseher in der Jurte stehen, im Zentrum stechen die beiden Jungen, die hingeschickt werden, mit ihrer traditionellen Bekleidung geradezu aus der Masse heraus.
Dude und Ugna auf ihren Wüstenschiffen

Ein wenig Ethno-Kitsch leistet sich der Film dabei, wenn der Verlust der ursprünglichen, naturnahen Lebensweise der Nomaden beklagt wird – die Lamas bedauern, dass der Mensch die Erde immer stärker ausbeute und sich deshalb die Geister zurückgezogen hätten, aber die Zivilisation mit ihrem technischen „Teufelszeug“ ist halt nicht aufzuhalten: der kleine Ugna wird auf der Reise ins Zentrum fernsehsüchtig und gibt nicht auf, bis sich auch seine Familie einen der Apparate anschafft. Das ist schon etwas moralinsauer (selbst wenn die beiden Macher beschwören, diese Entwicklung nicht beurteil gewollt zu haben) und zudem nicht sonderlich tiefgründig.

Ansonsten bleibt der Film glücklicherweise erfreulich kitschfrei; die eigentliche Geschichte vom weinenden Kamel wird weitaus weniger tränendrückerisch inszeniert, als ich befürchtet hätte, und verkommt neben den dokumentarischen Ansätzen manchmal gar fast zur Nebensache.

Die DVD von Sunfilm enthält den Film auf Mongolisch oder Deutsch. Deutsche Untertitel sind vorhanden (übersetzen aber nur etwa die Hälfte der Dialoge, vielen Dank auch). Im Bonusmaterial finden sich Interviews mit Davaa (die unter anderem Interessantes übers Nomadenleben und die moderne Mongolei erzählt – 10 Minuten), Falroni (der eher über die Dreharbeiten als solche berichtet – 13 Minuten) und Tobias Siebert, dem Produzenten (erzählt über die technischen Aspekte des Drehs – 9 Minuten). Ferner gibt es Behind-the-Scene-Aufnahmen von ungefähr einer Viertelstunde (die deutlich zeigen, dass es hier mit blosser Dokumentation nicht weit her ist) und eine Fotogalerie mit Produktions- sowie Werbebildern. Ferner hat’s Trailer zu weiteren Filmen aus dem Sunfilm-Programm.

Fazit: „Die Geschichte vom weinenden Kamel“ ist keine Dokumentation, sondern ein Doku-Spielfilm-Hybride. Als solcher ist der Film glücklicherweise nicht im Entferntesten so kitschig, wie ich immer befürchtet habe, und bietet einen interessanten Einblick in diese fremde Kultur sowie Natur. Was den konstatierten Unterschied zwischen naturverbundenem Nomadenleben und technisierter Moderne angeht, ist der Film allerdings etwas naiv und oberflächlich, zudem muss man eine Menge Geduld mitbringen, um ihn durchzustehen. Eine verhaltene Empfehlung also.

3/5
(c) 2009 Gregor Schenker


mm
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