Die Geheimnisse der Spiderwicks

 
  • Deutscher Titel: Die Geheimnisse der Spiderwicks
  • Original-Titel: The Spiderwick Chronicles
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  • Regie: Mark Waters
  • Land: USA
  • Jahr: 2008
  • Darsteller:

    Freddie Highmore (Jared Grace/Simon Grace), Mary-Louise Parker (Helen Grace), Sarah Bolger (Mallory Grace), Nick Nolte (Mulgarath), Andrew McCarthy (Richard Grace), Joan Plowright (Tante Lucinda), David Strathairn (Arthur Spiderwick)


Vorwort

Nach der Trennung von ihrem Ehemann zieht Helen Grace mit ihren drei Kindern Mallory (Fechtmeisterin), Simon (Junior-Nerd) und Jared in die alte Villa von Tante Lucinda Spiderwick, die in einem Sanatorium lebt, weil sie steif und fest behauptete, ihr Vater Arthur sei von Feen entführt worden, und sich auch sonst reichlich wunderlich benahm. Jared, der dem Umzug für eine ausgesprochen bescheuerte Idee hält und dem Irrglauben anhängt, sein Dad würde ihn schleunigst abholen, entdeckt schon bald, dass an dieser Geschichte etwas dran sein muss, entdeckt er doch Arthurs Vermächtnis – ein Buch, in dem er sein gesamtes Wissen über die für die Augen von Normalsterblichen unsichtbare Welt von Feen, Trollen und anderen Fabelwesen zusammengefasst hat. So kommt er auch dem Geheimnis einiger verschwundener Gegenstände auf die Spur – die wurden nämlich von einem Irrwicht, einem wütenden Wichtel namens Thimbletack gemopst. Thimbletack ist allerdings nicht das Problem – schon eher der Oger Mulgarath, der schon seit Arthur Spiderwicks Zeiten (und die sind 80 Jahre her) das Buch gerne hätte, weil er mit dem dort versammelten Wissen problemlos über die anderen magischen Kreaturen herrschen (oder sie zumindest ersatzweise umbringen) könnte. Als ihm durch Jareds taktischen Fehler, das Buch außerhalb eines „Schutzkreises“ um die Villa, den Arthur noch angelegt hat, mitzunehmen, bekannt wird, dass es wieder „verfügbar“ ist, hetzt er seine Kobold-Armee auf die Grace-Kinder. Da Jared und Simon Zwillinge sind, kidnappen die Kobolde zunächst versehentlich den falschen Knaben. Es gelingt Jared mit Müh und Not, Simon wieder in die Sicherheit des Schutzkreises zu lotsen und nachdem auch Mallory durch eine Kobold-Attacke schnell davon überzeugt ist, dass ihre jüngeren Brüder nicht heimlich magic mushrooms genascht haben, um von Feen, Ogern und ähnlichen Fabelwesen zu halluzinieren, ist klar, dass Mulgurath bekämpft werden muss. Die Kinder verfallen auf den Gedanken, Lucinda zu befragen, doch Jareds Leichtsinn, das Buch dabei mitzuschleifen, verschafft dem Oger zumindest einige Seiten des Schmökers, z.B. jene, die verrät, wie man den magischen Kreis durchbrechen kann. Und dann kann Lucinda noch nicht mal entscheidend weiterhelfen, das könnte ihrer Ansicht nach nur Arthur Spiderwick und der ist irgendwo im Reich der Feen…


Inhalt

Man müsste Joanne K. Rawling und den Harry-Potter-Büchern und -Filmen ja beinahe schon böse sein – der durchschlagende Erfolg der Geschichten um den bebrillten Zauberlehrling führte dazu, dass quasi jede erdenkliche juvenile-fantasy-Buchserie für eine Filmadaption herhalten musste, von C.S. Lewis‘ Narnia-Geschichten über Lemony Snicket: Rätselhafte Ereignisse bis hin zu „Tintenherz“. Im Bestreben, von dem lukrativen Kuchen der Young Adult-Fantasy auch einen ordentlichen Batzen abzubeißen, investierte Paramount Pictures ein sattes 90-Millionen-Dollar-Budget in die Leinwandversion einer fünfteiligen Jugendbuchreihe von Tony DiTerlizzi und Holly Black (von der ich selbstverständlich nie etwas gehört hatte. Lustigerweise scheint die einzige YA-Fantasy-Reihe, die ich gerne verfilmt sehen würde, nämlich „Artemis Fowl“, so ziemlich die einzige zu sein, für die sich noch kein Produzent interessiert hat).

Während für die Regie Mark Waters („Freaky Friday“, „Mean Girls“) angeheuert wurde, fiel die Aufgabe, (so wie ich das ermitteln konnte) die *komplette* fünfbändige Reihe in einem Film unterzubringen, einem Autoren-Triumvirat zu (wer da wessen Draft neu gefassen durfte, abänderte oder komplett über den Haufen warf, ist mir freilich unbekannt): Karey Kirkpatrick („Chicken Run“, „James und der Riesenpfirsich“, „Der kleine Vampir“, „Per Anhalter durch die Galaxis“), David Berenbaum („Buddy – Der Weihnachtself“, „Haunted Mansion“, „Zoom“) und Großmeister John Sayles (Men of War, Der Horror-Alligator, „City of Hope“, „Wenn er die Hölle will, lass ihn gehen“) – wenn man so will, ein richtig richtig guter Autor (Sayles), ein solider Auftragsschreiberloing (Kirkpatrick) und einer, naja, der nicht gerade für Qualität bürgt (Berenbaum).

Wenn das Endresultat dieser Kollaboration repräsentativ für die literarische Vorlage ist, dann… dann muss man DiTerlizzi und Black wohl dazu beglückwünschen, erfolgreich eine reichlich dünne Story über fünf Bände geschleppt zu haben (aber wenn man bedenkt, dass im sechsten Potter-Band bis auf die letzten 50 Seiten ja auch so ziemlich *nichts* passiert, ist das wohl für YA ein erstrebenswertes Ziel), denn die Abenteuer der Grace-Kids geben mit viel gutem Willen gerade ebenso einen knapp anderthalbstündigen Film her (es gibt wohl noch eine gut zehn Minuten längere „unrated“-Fassung – mit dem ganzen Splatter und Gore, wa? -, die sich allerdings nicht auf die deutsche Leih-DVD verirrt hat), speziell, wenn man bedenkt, wieviel Stoff bei den (bisherigen) Potter-Filmen, die sich ja gut und gerne 130 Minuten PRO Band Zeit nehmen, auf der Strecke blieb.

Konstruiert ist die Geschichte zweifellos aus dem Setzkasten „Young Adult Fantasy for Dummies“ – unser Held ist das unverstandene „Stiefkind“ (nicht im wörtlichen, verwandschaftlichen Sinne) der dysfunktionalen Familie, geplagt mit einer herrisch-zickigen Schwester, einem mehr oder weniger unnützen Bruder, der im familiären Beziehungsgeflecht keine Stellung beziehen will (und daher Platitüden wie „Ich verabscheue Konflikt“ oder „Ich bin Pazifist“ von sich geben darf) und einer Mutter, die ihm nicht zuhört, keine Zeit widmet und sich prinzipiell nicht die geringste Mühe gibt, ihn zu verstehen. Das sind fraglos bewährte Klischees, aber eben, Himmel nochmal, eben auch *Klischees* – man könnte auf den Gedanken kommen, ohne eine verkorkste Familie hat man heutztage als Kurzer überhaupt keine Chance mehr, eine amüsant-abenteuerreiche Kindheit zu verbringen (wäre ich acht Jahre alt, würde ich versuchen, meine Eltern in die Scheidung und meine Mutter in den Suff zu treiben, weil das eine verdammt große Chance eröffnet, dass sich unter meinem Bett ein Dimensionstor in eine tolle Fantasy-Welt auftut, in der ich tierisch Spaß haben könnte). Anders ausgedrückt wäre es auch mal nett, wenn an dieser offenkundig gesetzlich vorgeschriebenen Konstruktion auch mal wieder was variiert würde. Zur Ehrenrettung sei gesagt, dass auf dem naheliegenden Punkt „keiner glaubt Jared, wenn er von Kobolden und Feen redet“ nicht lang herumgeritten wird, sowohl Simon, Mallory als auch – sobald sie für die Handlung wirklich relevant wird – Helen Grace müssen recht schnell, weil von den Fabelunholden attackiert, einsehen, dass Jared wohl doch nicht ganz neben der Spur liegt; es reicht für die vorgeschriebenen dramatischen Konflikte, damit die Familie (weitestgehend) zum Happy End wieder glücklich vereint ist (und Jared seiner Mama, der er zwanzig Filmminuten vorher noch ein „Ich hasse dich“ an den Kopf geschleudert hat, vermitteln kann, dass er doch nicht bei Papa leben will).

Auf der Antagonistenseite haben wir den shapeshiftenden Oger Mulgurath (keine Frage, dass er die Fähigkeit, sich in jedes andere Wesen zu verwandeln, auf eine Weise ausnutzt, die ganz prima in die diversen Konflikte der Grace-Familie hineinspielt – eineinhalbmal dürft ihr raten), der aber leider kein sonderlich interessanter Gegenspieler ist, vom Storytelling her gesprochen. Er ist eher ein Vertreter der märchenhaften „generic evil“-Schule ohne eine spezielle eigene Note, ohne einen wirklich formulierten Masterplan (die „Bedrohung“, Mulgurath würde die Fabelwelt unterjochen und dann wahrscheinlich auf die Menschenwelt losgehen, entspringt weniger so offen ausgesprochener Ideen des Bösewichts als vielmehr den Vermutungen der Guten), bis zum Showdown hält er sich weitestgehend im Hintergrund und überlässt seiner Kobold-Armee (angeführt vom sprücheklopfenden Oberböskobold Redcap) die Drecksarbeit. Das ist alles zwar tauglich und speziell im Rahmen eines Films, der sich an ein jüngeres Publikum richtet, sicher verständlich, aber etwas mehr Komplexität wäre schon willkommen gewesen, zumal gerade der Potter-Erfolg ja zeigt, dass die Kids heutzutage mehr verarbeiten können als ihnen autoren- und speziell produzentenseits oft und gern zugetraut wird.

Strukturell ist „Spiderwick“ recht altbacken, sprich episodenhaft ausgefallen – nach der set-up-Phase gilt es in Reihenfolge Simon aus den Händen Mulguraths zu befreien, aus dem belagerten Haus zu Tante Lucinda vorzudringen, Arthur Spiderwick im Feenland zu finden und zu guter Letzt das Haus gegen den Mulguraths Generalangriff zu verteidigen – es gibt wenig Bezüge der einzelnen Vignetten untereinander, es ist ein dramaturgisch zwar nicht uneffektives, aber eher schlichtes, wenig raffiniertes Aneinanderreihen von Plotpunkten in Reißbrettmanier (sicherlich verständlich, da, so wie ich das sehe, diese Episoden jeweils den Stoff eines der Bücher abbilden – Lemony Snicket machte das mit Umstellungen in der Erzählreihenfolge etwas eleganter). Nebenfiguren wie Wichtel Timblethack und der Greif, auf dem die Kids zu Arthur ins Feenland reiten (was für mich eh ein Plothole darstellt – einerseits postuliert der Film, dass die Welt der Trolle, Feen und Kobolde um uns herum existiert, aber wir sie einfach nicht sehen können, wenn die Fabelwesen es nicht wollen, andererseits gibt’s dann doch ein komplett paralleles Feenreich) sind nicht unbedingt dazu angetan, „Spiderwick“ von „Harry Potter“ abzusetzen (wenn wir uns an dienstbare Hausgeister und reitbare Fabelwesen aus der Rawling-Saga erinnern). Wie gesagt, das alles ist durchaus routiniert und drückt die richtigen Knöpfe, aber es *ist* eben „nur“ Routine, ohne große Überraschungsmomente und Aha-Effekte, in vielerlei Hinsicht vorhersehbar und insgesamt sehr auf den kleinsten gemeinsamen Nenner heruntergerechnet (allerdings auch, und das ist ein positiver Aspekt, ohne großartiges Sendungsbewusstsein und nicht sonderlich moralinsauer).

Jenseits der Story, die weniger, ähm, „relevant“ ist, als man es bei John Sayles‘ Mitwirkung erhoffen durfte, bietet der Streifen allerdings durchaus die Schauwerte, die man von einer millionenschweren Major-Produktion erwarten darf. Zwar wird die optische Grandezza der besten Potter-Streifen nicht erreicht (schon allein, weil das Setting in einer alten, verstaubten Villa keine großen epischen set pieces ermöglicht) und ist die CGI in manchen Szenen nicht ganz perfekt (Thimbletack z.B. ist zwar recht liebenswert animiert, aber nicht immer wirklich „realistisch“ in die Szenerie eingepaßt). Die Kobolde sind in ihrer Krötenhaftigkeit angemessen hässlich, Mulguraths finale Erscheinungsform als fieses Monster ziemlich eindrucksvoll und comic-relief-Schweinekobold Hogsqueal auf die richtig hässliche Weise putzig, und auch die Feen, die sich als Blüten tarnen, gefallen, aber alles, wie auch der Greif, ist in ungefähr das, was man erwarten konnte – es gibt also auch im creature design (von Phil Tippett, übrigens) wenig Überraschungen, nicht viel Fantasie (am ehesten eben noch bei den Feen in ihrer leisen, verspielten Poesie). Der richtige „sense of wonder“ kommt am ehesten beim Flug ins Feenland auf (die spezielle Feen-Unterart, die Arthur Spiderwick entführt hat, als eine Art Schwarm-Spezies zu zeichnen, ist übrigens auch der einzige echte kreative Moment), in dem der Greif u.a. durch Eiskanäle taucht (auch nicht gerade ein radikal neues Konzept für eine Effektsequenz, aber zumindest gut gemacht). Waters hat zumindest keine Probleme damit, den Streifen recht flott voranzutreiben, da zwischen den verschiedenen Abenteuer-Episoden nicht viel Zeit mit Leerlauf verschwendet wird, das rollt alles passabel dahin, ist ordentlich, wenn auch nicht herausragend von Caleb Deschanel („The Passion of the Christ“, „Der Stoff aus dem die Helden sind“) fotografiert, der Score von James Horner („Star Trek II/III“) ist ebenfalls routiniert, gut eingesetzt, aber ohne Erinnerungswert.

Die FSK 6 ist beinahe schon liberal, da das Thema insgesamt doch eher düster ist und die Kobolde im Dutzend – und auch einigermaßen graphisch – weggesplattert werden (durch Einsatz von Tomatensoße, der auf Kobolde wie ätzende Säure wirkt).

Freddie Highmore (um den ich mir langsam Sorgen mache… der sieht mit 16 immer noch aus wie 12… den hätten sie als Potter casten sollen), den wir aus „Charlie und die Schokoladenfabrik“ und „Arthur und die Minimoys“ schon gut kennen, bewältigt die Doppelrolle der Zwillingsbrüder Jared und Simon durchaus gut (das grenzt an mein genetisch höchstmögliches Lob für Kinderdarsteller), Sarah Bolger (die ist nur ein Jahr älter als Freddie, sieht aber mindestens fünf Jahre älter aus, zu sehen in „Stormbreaker“ und demnächst in „Iron Cross“) ist mir anfänglich etwas zu bitch-y als Mallory und nicht immer glaubwürdig. Die Erwachsenen sind Beiwerk – Mary-Louise Parker („Weeds“, „The West Wing“, „Roter Drache“, „Grüne Tomaten“) ist ähnlich wie Bolger etwas zu eindimensional (wie auch bei Bolger macht das den character turn zum „Guten“ hin etwas problematisch), aber insgesamt adäquat. Nick Nolte ist als Mulgurath in genau einer Szene zu sehen und lässt sich ansonsten durch seine Stimme für die CGI-Kreatur vertreten, Andrew McCarthy („Mannequin“, „Immer Ärger mit Bernie“) absolviert auch nicht mehr als einen Cameo-Auftritt. David Strathairn (bei dem ich nie müde werde, an seinen Start in der Troma-Komödie Zurück zur Natur zu erinnern; „Das Bourne Ultimatum“, „L.A. Confidential“, „Die Firma“) muss als Arthur Spiderwick auch nicht viel mehr als milde blicken. Joan Plowright („George und das Ei des Drachen“, „Tee mit Mussolini“, „101 Dalmatiner“) spielt Rollen wie die verschrobene Lucinda Spiderwick vermutlich im Schlaf.

Bildqualität: Paramount legt den Streifen in erwartungsgemäß hochwertigem anamorphen 2.35:1-Widescreen vor, gestochen scharf, mit guten Kontrastwerten und kräftigen Farben.

Tonqualität: Wie für eine Major-Veröffentlichung üblich liefert der Publisher alle wesentlichen Sprachfassungen in klaglosem Dolby Digital 5.1 nebst dem ebenso üblichen Rudel Untertitelspuren.

Extras: Neben der kundenfreundlichen Option, die vorgeschalteten Zwangstrailer durch MENÜ-Tastendrück überspringen zu dürfen, gibt’s eine Featurette, die sich mit der Entwicklung und den Legenden-Hintergründen der verschiedenen Kreature befasst, ein Promo-Making-of mit diversen Interviewschnipseln sowie „Auszüge“ aus Spiderwicks Buch, die sich auf Wunsch auch als „in-movie“-Funktion beim Auftreten der Wesen im Film einschalten lässt.

Fazit: „Die Geheimnisse der Spiderwicks“ ist letztlich ein routinierter, handwerklich durchaus sorgfältig gearbeiteter, aber insgesamt „harmloser“ Familienfantasyfilm, der bewährte Stilmittel und erprobte Charaktere einsetzt, um sich relativ unverblümt an den Boom der Young Adult-Fantasy im Allgemeinen und Harry Potter im Speziellen anzuhängen und diesen Umstand noch nicht mal sonderlich kaschiert. Das ist durchaus kurzweilig anzusehen, hat seinen Schwung gut gemachter, aber nicht wirklich herausragender set pieces, einen Schuss Humor und unterhält auf alle Fälle auf anspruchslose Weise ganz gut, hat aber keinen gesteigerten Erinnerungswert. Wer auf Originalität keinen besonderen Wert legt, wird mit den „Spiderwicks“ inoffensiv-ansehbar bedient; die Sorte Film, die man sich an einem Sonntagnachmittag mit der ganzen Familie ansehen kann, aber spätestens am Dienstag morgen vergessen haben wird. Eine eigene Identität hat „Die Geheimnisse der Spiderwicks“ jedenfalls nicht…

3/5
(c) 2009 Dr. Acula


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