Die fliegenden Monster von Osaka

 
  • Deutscher Titel: Die fliegenden Monster von Osaka
  • Original-Titel: Sora no daikaiju Radon
  • Alternative Titel: Rodan | Radon |
  • Regie: Ishiro Honda
  • Land: Japan
  • Jahr: 1956
  • Darsteller:

    Kenji Sahara (Shigeru Kawamura, Bergbauingenieur), Yumi Shirakawa (Kiyo, Shigerus Geliebte), Akihiko Hirata (Professor Kashiwagi, Biologe), Akio Kobori (Polizeichef Nishimura), Minosuke Yamada (Zechenchef Osaki), Yoshifumi Tajima (Izeki, Reporter von Seibu Nippon)


Vorwort

Wassereinbruch in einem Kohlebergwerk am Mt. Aso – im gefluteten Schacht findet Ingenieur Shigeru eine Leiche. Doch der tote Kumpel ist offensichtlich nicht dem Unglück zum Opfer gefallen, sondern ermordet worden! Der Verdacht fällt auf seinen vermissten Kollegen Goro, mit dem sich der nunmehr Verblichene vor Schichtbeginn noch eine Schlägerei geliefert hatte. Shigeru, romantisch verbunden mit Goros Schwester Kiyo, mag nicht glauben, dass Goro ein Killer ist. Und schon gar kein Serienmörder, denn wenig später werden drei Männer, die den Schacht durchsuchen, ebenfalls brutal getötet.
Der Killer besucht Kiyo und Shigeru an einem weniger schönen Abend daheim – es ist ein insektoides Larven-Monster, das sich als weitgehend kugelfest erweist, noch ein paar Leute tötet und sich dann wieder in den Berg verzieht. Der hinzugezogene Biologe Kashiwagi identifiziert das Untier als eigentlich eine längst ausgestorbene urzeitliche Libellenart. Da das zwar eine tolle wissenschaftliche Entdeckung sein mag, aber einem ordentlichen Bergbaubetrieb und dem Seelenfrieden der angeschlossenen Siedlung nicht zuträglich ist, wird die Armee hinzugezogen.

Die Anti-Libellen-Strafaktion fördert zu Tage, dass es von den possierlichen Viechern ein ganzes Rudel gibt – nähere Untersuchungen verhindert ein Erdbeben, das Shigeru verschüttet. Der taucht etwas später im Krater eines Erdrutsches wieder auf, physisch lädiert und amnesisch.
Noch während die Doktoren und Kiyo herauszufinden versuchen, was den Ingenieur so schwör bedellt hat, sorgt ein unbekanntes Flugobjekt für Wirbel – riesig, überschallschnell und mit der Fähigkeit zu vernichtenden Druckwellen richtet es in Peking, Manila und auf Okinawa Schäden an – nicht zu Unrecht befürchtet man in Japan, dass das, was immer es ist, auch Japan attackieren wird.
Als bei Shigeru endlich der geistige Groschen fällt, wird alles klar – im Berg Aso lagen Pteranodon-Eier, und günstige Umweltverhältnisse (Kashigawa vermutet die Atombomben) haben die Biester jetzt zum Schlüpfen veranlasst. Tatsächlich legen die zwei Flugsaurier Fukuoka in Schutt und Asche…


Inhalt

Als „Godzilla Raids Again“ 1955 mit guten Einspielergebnissen, aber mauen Kritiken und Publikumsreaktionen aus den japanischen Kinos kam, war man sich bei Toho zwar sicher, dass man das kaiju-eiga-Genre weiter pflegen wollte, aber nicht, ob man das unbedingt in Form einer Serie mit einem ständig wiederkehrenden Hauptmonster machen sollte. Letztlich wurde Godzilla erst mal auf Eis gelegt und erst sieben Jahre später, nach dem Deal mit RKO, zum großen Monster-Showdown mit King Kong reaktiviert. Statt dessen sollte ein völlig neues Monster mit eigener Storyline es richten – Rodan!

D.h. eigentlich Radon (als Verkürzung der biologischen Bezeichnung PteRAnoDON), aber als der Streifen mit der üblichen Verspätung in die Staaten kam, wurde daraus, um Verwechslungen mit dem chemischen Element zu vermeiden, Rodan, und daran orientierte sich der Rest der Welt (es ist ein Wunder, dass man das Vieh in den 60ern in Deutschland nicht umbenannte, um Verwechslungen mit Perry Rhodan aus dem Weg zu gehen. Andererseits ist „Rodan“, überspitzt gesagt, ein besserer Rhodan-Film als der Perry-Rhodan-Film…).
Ebenfalls gelebte Geschichte ist der Umstand, dass der Streifen in einer Vielzahl von Schnittfassungen kursiert – die US-Version wurde gekürzt, teilweise sinnentstellend synchronisiert und generell etwas weniger „düster“ gestaltet, die deutsche Fassung noch weiter runtergeschnippelt („Die fliegenden Monster von Osaka“, was ein mal wieder dämlicher Titel ist, weil Osaka so ziemlich die einzige japanische Stadt ist, die in „Rodan“ nichtmal im Dialog vorkommt, läuft immerhin noch stolze 69 Minuten), die ungeschnittene japanische Fassung wurde dem westlichen Publikum erst durch die US-DVD-Veröffentlichung von Classic Media zugänglich gemacht. Die liegt mir jetzt allerdings vor – good times…

Eins ist unschwer festzustellen – nachdem das „Monsterklopperei“-Modell in „Godzilla Raids Again“ ausprobiert, aber vom Publikum nicht wie gewünscht angenommen wurde, kehrte Toho in Form seiner Drehbuchautoren Takeshi Kimura („Weltraum-Bestien“, „Das Grauen schleicht durch Tokio“, Matango) und Takeo Murata („Half Human“, „Godzilla“) zum bewährten „Godzilla“-Konzept zurück: ernsthaft, düster, ohne großes human-interest-Gedöns… „Rodan“ klebt fast sklavisch am Vorbild, geht praktisch als Blaupause durch, in der man nur die Namen und Locations ein wenig verändert hat. Statt auf hoher See beginnt das Treiben nun an Land, die wahre Bedrohung bleibt lange off-screen (den ersten wirklichen Auftritt in voller Glorie haben die Radons nach einer knappen Stunde – zuvor huschen sie ein paar Mal als Schemen durchs Bild), es gibt keine durchgängigen Hauptfiguren, sondern der Film schnitzt sich seine für die jeweilige Sequenz passenden Figuren nach Bedarf, die große Stadtzerstörungssequenz und damit der dramaturgische Höhepunkt kommt zu Beginn des dritten Aktes, das Finale findet auf dem „Terrain“ des Monsters statt und müht sich um große Tragik.
Vom Makel einer bloßen 1:1-Umsetzung des ersten Godzilla-Films mit einem anderen Monster löst sich „Rodan“ lediglich dadurch, dass die Suspense bis zum ersten Auftritt des Titelmonsters hier nicht durch Andeutungen, Hinweise und „Teaser“ gehalten wird, sondern durch die stellvertretenden „Ersatzmonster“, die Libellenlarven „Meganulon“ (die später in der Millenium-Serie in „Godzilla vs. Megaguirus“ ein Update erhielten).

Wie schon das große Vorbild hat auch „Rodan“ nicht das Feeling einer echten Spielfilm-Dramaturgie, sondern ist von seiner Machart stärker mit dem urdeutsch-öffentlich-rechtlichen Genre des Dokudramas verbunden – zwischen den beinahe dokumentarisch wirkenden Monstersegmenten und Sequenzen aus den Krisenstäben und Hauptquartieren wirken die human-interest-Szenen wie die nachgestellten Spielszenen eines „Stauffenberg“-o.ä.-Dokudramas, jeden Moment erwartet man den betroffenen voice-over eines elder-statesmen-Off-Sprechers, der „noch ahnte Shigeru nicht, dass sein Leben sich in wenigen Minuten für immer ändern würde“ über die laufenden Dialoge sülzt und den Zuschauer endgültig aus der Illusion, hier ein dramaturgischen Gesetzen folgendes Werk zu sehen, reißt (erwähnte ich, dass ich Dokudramen hasse? Macht Dokumentationen oder macht Spielfilme – entscheidet euch!). Was bei „Godzilla“, der in seinen besten Passagen zwischen bedrückendem Horror*film* und eindringlicher „Kriegsberichterstattung“ pendeln konnte, prächtig funktionierte, mag bei „Rodan“ nicht recht zünden.

Das liegt schon einmal grundsätzlich daran, dass „Rodan“ dem Genre nicht wirklich neue Ideen hinzufügt. Die von „Godzilla“ abgepauste Struktur bietet keinerlei Überraschungen, ausgekuckte Schockmomente (wie Rodan, der sich an den Meganulons labt) sind nicht mal halb so schockierend wie die Macher sich das vorstellen. Auch bei „Godzilla“ gab’s keine echte durchgängige Protagonisten, aber die menschlichen Charaktere waren zumindest sinnvoll mit der Story verknüpft (Ogatas Liasion mit Emiko bringt überhaupt erst Serizawa, der Godzilla letztlich vernichtet, ins Spiel) – hier sind sie das nicht; warum Shigeru, nachdem er sein Gedächtnis wieder erlangt hat (was zu dem Zeitpunkt längst bedeutungslos ist, weil die Rodane schon eifrig rumflattern und Blödsinn anrichten), weiterhin mit dem Krisenstab rumhängt, ist rätselhaft, Kiyo hält keinen Vergleich zu Emiko aus – man braucht sie nicht mal als damsel-in-distress, und der Professor, der kommentiert eh nur das Offensichtliche oder hält eine Schautafel in die Kamera.

Ein weiterer Grund ist Rodan selbst, der, seien wir mal ehrlich, einfach kein gutes Monster ist. „Fliegende Monster“ sind von Haus aus eine schwierige Aufgabe für die japanische Suitmation-Methode und gerade bei einem explizit an einem realen, paläontologisch belegten Urzeitviech angelehnten Monster werden die Limitierungen der Technik deutlich sichtbar – was da in einem dezent lächerlichen Monsteranzug durch die Gegend stapft, sieht nicht mal ansatzweise so aus, als könnte es sich tatsächlich in die Lüfte erheben (für zukünftige Appearances schraubten die Anzugbastler auch die „Ähnlichkeit“ zu realen Flugsauriern zurück – was dem Vieh aber auch nicht zum Vorteil gereichte – in Frankensteins Monster im Kampf gegen Ghidorah sah Rodan eher noch lachhafter aus). Ghidorahs Drachen-Design ist da wesentlich „runder“ (und die ständig in Bewegung befindlichen drei Köpfe des Monsters lenken durch schiere Agilität von der „Unpraktikabilität“ des Suits ab).

Der nächste und vielleicht wichtigste Grund hängt mit dem Monsterdesign mittelbar zusammen – die Farbfotografie („Rodan“ ist der erste Toho-kaiju eiga in Farbe, ob man den Film als überhaupt „ersten“ Farb-kaiju zählt, hängt davon ab, ob man Daieis „Warning from Space“ mitrechnen will. Für mich ist der allerdings eher ein gewöhnlicher tokusatsu, d.h. SF-Film, in dem ein paar schräge Alien-Suits vorkommen) tut der „Seriösität“ des Films nicht gut. Die stimmungsvolle Schwarz-Weiß-Kamera von „Godzilla“ übertünchte Effekt-Unzulänglichkeiten (mal beiseite gelassen, dass Godzillas „Echsigkeit“ von Haus aus wesentlich bedrohlicher wirkt als der Gen-Unfall, den Rodan darstellt), und da Honda clever genug war, Godzilla bei Nacht Tokio planieren zu lassen, kam ihm auch dieser Umstand noch zu Hilfe. In gloriösem Technicolor und bei hellem Tageslicht erkennt man zwar den Aufwand an den liebevoll-detaillierten Modellstädten besser, aber das Unheimliche, Furchteinflössende, geht dabei verloren. Es kann sich kein Bild derart unvergesslich ins Gedächtnis einbrennen wie der bösartige Godzilla, der einen Zug zerfetzt, wenn das, was wir sehen, halt wirklich nur ein Mann in einem schlechten „Vogel“-Kostüm ist, der verzweifelt mit den Flügeln schlägt (wobei die ledrige Flügel-Konsistenz tatsächlich etwas ist, was am Suit gut aussieht) – und von den Larvenmonstern der Meganulon wollen wir gar nicht sprechen, die haben schon was von Augsburger-Puppenkiste-Ausschuss…

Der Versuch, aus den Rodans sympathische Monster zu machen, deren Untergang zum Filmende melodramatische Gefühle auslösen soll, schlägt ebenso fehl – die Monster haben keine Persönlichkeit wie King Kong. Ihnen sprichwörtlich in der letzten Minute Emotionen anzudichten, klappt nicht; und auch der „Umkehrschluss“, sie als besonders gefährliche Ungeheuer darzustellen, haut nicht hin, weil Toho im Gegensatz zu „Godzilla“ der Mut fehlt, den „carnage“, die Opfer der Monsterattacken darzustellen (es gibt nur ein ganz hübsches Panorama des brennenden Fukuokas).

Honda, der hier übrigens Jun Fukuda als assistant director an seiner Seite wusste, gelingt es einfach nicht, „Rodan“, dem Film (wie Rodan, den Monstren), eine eigene Identität zu geben. Es ist halt noch ein Lernprozess für alle Beteiligten…

Positiv zu vermelden ist dagegen der Score von Ifukube-san – es hört sich einmal mehr zwar ein wenig danach an, als hätte der Maestro versucht, wie er seine Godzilla-Themen mit leichter Abwandlung erneut anbringen kann, aber es sind halt einfach großartige Themen, die auch in verlangsamten, beschleunigten oder anders arrangierten Varianten toll klingen.

Schauspielerkino ist das kaiju-Genre nie gewesen und schon gar nicht hier – Kenji Sahara, zukünftiger Geneveteran, überlässt das Spielen hauptsächlich seiner Tolle, auf die Elvis neidisch gewesen wäre. Yumi Shirakawa machte auf Ishiro Honda genug Eindruck, um von ihm in einer Reihe seiner SF-Filme wie „Das Grauen schleicht durch Tokio“; „Weltraum-Bestien“ oder „Ufos zerstören die Erde“ eingesetzt zu werden, im kaiju-Genre selbst wurde sie aber nicht mehr gesichtet. Akihiko Hirata, in „Godzilla“ als Serizawa noch überzeugend, ist in der wesentlich eindimensionaleren Rolle des Professor Kashiwagi sehr hölzern. Auch Hirata sollte zum Stammpersonal der Toho-kaiju avancieren.

Bildqualität: Die US-DVD von Classic Media bringt den Film wahlweise im US-Cut oder japanischen Originalschnitt. Die Bildqualität des Nippon-Cuts ist für das Alter des Streifens ausgezeichnet – es gibt da und dort ein paar Schlieren, aber nichts wirklich gravierendes (1.85:1-Widescreen anamorph). Der US-Cut läuft 72 Minuten, ist in 4:3 und ziemlich ramponiert. Die DVD ist übrigens nur in einem 2-Disc-Set mit „War of the Gargantuas“ („Frankenstein – Zweikampf der Giganten“) erhältlich (bitte beachten: die Screenshots 1-3 repräsentieren den US-Cut).

Tonqualität: Der US-Cut kommt, überraschenderweise, mit dem US-Dubbing, der Japan-Cut in Originalsprache mit optionalen Untertiteln (Dolby Digital 2.0). Sprachqualität ist klar, Musik- und Effektmix angemessen.

Extras: Als Bonusmaterial gibt’s eine von mir noch nicht gesichtete Doku „Bringing Godzilla Down to Size“. Diese fast 70-minütige, 2008 neu gedrehte Doku, die von Kultregisseur Alex Cox moderiert wird, befasst sich hauptsächlich mit der japanischen FX-Kunst, beleuchtet aber auch inhaltliche Aspekte und soll den Vernehmen nach sehr sehr gut sein.

Fazit: Rodan wird nie mein Lieblings-kaiju werden – als Monster ist der olle Flugsaurier einfach nicht eindrucksvoll genug: weder richtig realistisch-gruslig noch outlandish-verrückt (wie Gigan), sondern nur irgendwie „da“. Sein Debütfilm verdient das gleiche Prädikat – der Versuch, das Erfolgsrezept des originalen Godzilla-Films getreulich zu imitieren, macht den Film an und für sich (aus historischer Sicht ist er natürlich allein schon als erster Toho-Klopper in Farbe wichtig) ziemlich überflüssig – es ist ’ne zweitklassige Godzilla-Kopie, die Fans hauptsächlich der Vollständigkeit halber in ihrer Sammlung wissen sollten. Es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis Toho den richtigen Groove für ihre Monsterfilm-Reihe finden würde…

3/5
(c) 2013 Dr. Acula


mm
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