Die eiserne Rose

 
  • Deutscher Titel: Die eiserne Rose
  • Original-Titel: La rose de fer
  • Alternative Titel: Rose of Iron | The Iron Rose |
  • Regie: Jean Rollin
  • Land: Frankreich
  • Jahr: 1973
  • Darsteller:

    Francoise Pascal
    Hugues Quester
    Nathalie Perrey
    Mireille Dargent


Vorwort

Abt. Wir machen’s französisch…

Ich weiß es ja. Ich weiß es ja. Dem Ouevre des Arthouse-Spezialisten unter den Schmuddelfilmern habe ich mich noch nicht in sonderlicher Breite gewidmet (meine Wenigkeit hat bislang ja nur den eher untypischen „Pestizide“ unter die Lupe genommen, aber zumindest „Draculas Braut“ hat ja ein Gastreview-Treatment bekommen [hmpf, mein Review zu „La morte vivante“ vergisst er natürlich – manhunter]). Jean Rollin wird zwar immer wieder gern in eine Schublade mit Haubentauchern wie Jess Franco & Konsorten geworfen, spielt aber schon in einer anderen Liga – Rollin, der sich nie zu schade war, der schnöden Kohle wegen Pornos zu drehen (und selbige dann nötigenfalls als revolutionär-politische Protestaktionen zu verstehen bat) ist zweifellos einer der Gesellen, dem man von Herzen ein GROSSES Budget wünschen würde, denn dass der Meister weiß, wie man ’ne Kamera aufstellt und damit eindrucksvolle Bilder zaubert, dürfte Allgemeingut sein. Aber anstelle mal an einen amtlichen Etat rangelassen zu werden, musste Rollin u.a. seine Miete damit verdienen, an schon von Haus aus lächerliche Franco-Schundprodukte noch Zombie-Schwachfug ranzutackern (das ist Eurociné für euch und nennt sich „Eine Jungfrau in den Krallen vom Zombies“). Auf der anderen Seite mag gerade die chronische Finanzklammheit Rollins Kreativität beflügelt haben – wer weiß also schon, ob ein Rollin-Film mit richtig Asche in der Hinterhand ansehbar geworden wäre…

Sei’s drum – Rollin hatte nie Kohle, und deswegen gibt’s seine Semiklassiker wie „Fascination“ halt nicht tausendfach in jeder Provinzvideothek, sondern in limitierten Auflagen für Hartboxfetischisten oder gar nur als Import. In den meisten Fällen jedenfalls – „Die eiserne Rose“, von denen, die’s eigentlich wissen müssten, als Rollins opus magnum gehandelt und in einschlägigen Kreisen Kult, hat’s via des Bethmann’schen Dritt- oder Viertlabels CCI und dank offensichtlicher Überproduktion sogar an das Sonderposten-Display bei real,- an der Kasse geschafft. Vier Euronen – das ist Doc-kompatibel (speziell, wenn’s aus der CCI-Serie dann noch ein halbes Dutzend anderer Titel gibt und ich natürlich alles haben will… GIER). Nachdem ich mich auch ordentlich über den gesetzlich vorgeschriebenen Deppen-Schreibfehler auf dem Cover amüsiert hatte („GHOTIC HORROR“) und ungefähr zehn Minuten ratlos an dem Pappschuber rumfummelte, um das Amaray rauszupfriemeln (aber dafür hat man neuerdings ’ne Freundin, die in solchen Dingen etwas gefühlvoller ist), fühlte ich mich dann tatsächlich auch der Herausforderung gewachsen, einen Film, der, wenn ich dem Buschfunk glauben darf, nicht wirklich so etwas wie eine Handlung im Wortsinne hat, in Reviewlaune zu konsumieren.

Noch werden Wetten angenommen, ob ich trotzdem acht Seiten brauche…


Inhalt

Wir beginnen mit einem Tag am Meer. Das Wetter ist leider nicht so dolle, deswegen kann sich das am Strand herum spazierende Mädel auch nicht nackig machen. Ich protestiere energisch. Zumal sie nicht nur nicht nackig ist, sondern sogar noch einen extrem libidotötenden (und nicht sonderlich strandtauglichen bodenlangen) Rock… damit kann man die Küche fegen, aber doch nicht am Strand spazieren gehen. FKK-Wetter oder nicht, es hindert unsere Amateur-Putze nicht daran, in der Gischt eine eiserne Rose (aha) zu finden und ob dieses spektakulären Funds enthusiasmisiert zu sein. Lächelnd fummelt unser Girl an der Rose rum, untersucht den Artefakt zärtlich und wirft ihn dann energisch (ungefähr anderthalb Meter weit, sportliche Niete) zurück ins Meer (d.h. ungefähr an den ersten vom Wasser umspülten Stein). Obwohl die sportliche Leistung alles andere als bemerkenswert ist, sieht das Mädel recht zufrieden mit sich und der Welt aus, zuckt lächelnd die Schultern und spaziert weiter. Sicher sehr symbolisch.

Wie auch der nächste Shot – wir schalten um auf eine nebelumwaberte Lichtung. Aus dem weißen Rauch schält sich die Gestalt unseres Staubwischermädels. Sie marschiert auf die Kamera zu und wir spannen vor, äh, bewundern den Vorspann, hinter dem sich ein Pärchen (darunter unser Girl) auf dem Stoßfänger (oder wie immer man das bei Loks nennt) einer Dampflock abschlabbert.

Nachdem wir uns vergewissert haben, einem Film de Jean Rollin beiwohnen dürfen zu wollen, präsentiert selbiger uns die ganze Pracht einer ruinösen französischen Kleinstadt, die sichtlich ein schweres Opfer Artillerietrommelfeuers anno 1917 wurde und bei der sich keiner die Mühe gemacht hat, sie danach wieder aufzubauen. So sind sie, those wacky frenchmen. Leben lieber in verfallenen Ruinen, als Maurerkelle und Zementmischer anzufassen. Jedenfalls wirkt gegen diese City ein libanesisches Flüchtlingslager richtig einladend. Zusammenfaselnd – das lebendigste an dem Kaff scheinen die Straßenköter zu sein, alles ist kalt, hässlich und abweisend. Jo, ist Frankreich (außerhalb von Paris).

Strandgirl nimmt an einer großen Familienfeier teil. Alles redet durcheinander und versucht krampfhaft, so natürlich zu wirken wie man halt wirkt, wenn jemand bei einer Familienfeier den Camcorder zückt und sagt „Jetzt benehmt euch mal ganz natürlich“. Gefeiert wird Hochzeit und nach geschlagenen 6 Minuten und 24 Sekunden stellt sich der erste Dialog ein (Hallo Dialog! – Hallo Zuschauer!). Aber noch ist’s nur belangloser Smalltalk (this being a Rollin art film, besteht natürlich noch die nicht zu vernachlässigende Chance, dass die Dialoge nicht belangvoller werden). Auf jeder Familienparty gibt’s natürlich auch die Loser, die am Katzentisch sitzen müssen – sind zwar normalerweise immer die Teenager, die mit dem ganzen Klatsch & Tratsch nix anfangen können, hier sind’s aber ein namenloses blondes Ding (ohne weitere Bedeutung, auch wenn ich sie zunächst für die Freundin des noch zu würdigenden Protagonisten hielt) und ebenjener, unser Protagonist, der, da Franzmann, natürlich Pierre heißt (diese Info entnehme ich aber ausschließlich EINER – in Worten: 1 – Erwähnung auf der deutschen Untertitelspur… der Film selbst drückt sich reviewerfreundlich um jede Namensnennung. Ich hasse solche Filme schon mal rein grundsätzlich). Immerhin dürfen die beiden Allohol, und, this being a french film, damit Rotwein (huch, das tu ich ja auch grad!) süffeln. Alkohol hat, wie sicher viele Mitleser bestätigen können, die unangenehme Eigenschaft, dass man sich nach übermäßigem Genuss gerne mal öffentlich zum Vollhorst macht, und so geht’s auch Pierre. Mitten in die schönste Tralala- und Hopsassa-Stimmung erhebt sich Pierre mit dem Wunsch, nunmehr ein Poem rezitieren zu wollen.

„Im Schlafe sterbend erlebte er sich im Traum, sein Traum war die Welle, die zum Strand aufzog. Die Welle, die hinab stieg. Deine Augen in diesen Augen. Deine Lippen auf diesen Lippen, an dich richte ich mein Adieu ans Leben…“ usw. usf. Hm. Eher ein Stimmungskiller, Allerdings scheint sich die Ansprache auch weniger an die Allgemeinheit, als an die der dramatischen Wiedergabe derlei morbiden Gedankenguts gelinde amüsiert rezipierende (äh?) Strandmieze zu richten. Die gesellige Runde spendet, vermutlich mit einem gedachten „den laden wir auch NIE wieder zu ’ner Fete ein“, Höflichkeitsapplaus und geht wieder zum Saufen, Spaßhaben und Balztanzen über.

Die Feierlichkeit findet übrigens auf einem Schlosse statt (keine Ahnung, ob das wem von der Chose gehört oder nur angemietet wurde), und Schlösser haben, speziell in Fronkreisch, gerne die Eigenschaft, von ausladenden Gärten umgeben zu sein. Nun ist nicht jeder Schloßgarten der von Versailles, dieser ist jedenfalls mit Wald + Rasen ausreichend beschrieben. Zierrabatten sind auch nicht jedermanns Sache (merkt man, dass ich schon jetzt Zeilen schinde?). Jedenfalls steht Pierre erwartungsvoll im Garten rum – seine Gebete werden erhört. Strandgirl (verdammt, ich brauch irgendein griffigeres Kürzel für die Tussi. Hm, Tussi vielleicht?) kommt tatsächlich raus. Denn sie hat, was ja ob seines relativ direkten Starrens nicht sooo schwierig war, geschnallt, dass das Gedicht eine spezielle Darbietung für sie war. „Es war der einzige Weg, mit ihnen zu reden“, behauptet Pierre (gerade bei einer Familienfeier mag ich das nicht so recht glauben. Da quasselt doch jeder mit jedem). Man smalltalked munter vor sich hin – Tussi offenbart, dem klassischen Tanze zu frönen, Pierre kontert mit seinem Faible für’s Radfahren. Fahrradfahrenmögen scheint als Anbaggermasche sträflich unterschätzt zu werden… die Einladung für ein trautes Date am Sonntag ist schnell ausgesprochen und noch schneller angenommen. Vor lauter Begeisterung über die ersichtlich unerwartete Zusage haut sich Pierre am nächstgelegenen unschuldigen Baumstamm gleich mal die Knöchel kaputt. Tussi findet das ziemlich luschtich.

Ort der Zusammenkunft ist der Bahnhof (things I really could live without knowing: in Frankreich hat man offenbar noch bis in die jüngere Neuzeit Dampfloks benutzt), wo Pierre sein Fahrrad laufen lässt. Begleitet von ihrem programmatischen Nebel und gekleidet in ein eher geschmacksneutrales ockergelbes Oberteil und einen auch nur durch modische Entgleisungen zu erklärenden karierten Minirock (also das Karomuster ist die Entgleisung, gelle, der Mini kleidet die Dame schon passabel). Unsere Tussi erklimmt den Führerstand einer parkenden Lok. Er lässt sein Rad stehen und setzt ihr per Pedes nach. Die Jungverliebten (tja, geht schnell in Franzenland) albern herum, spielen Fangen – mit dem zu erwartenden Siegerlohn: Can it be hug tiems pleaz now?

Danach wird durch die Gegend geradelt. Wohin geht die Reise? Zum perfekten Platz für ein erstes Date – dem örtlichen Friedhof. Bela B. wäre begeistert. Okay, Pierres Argument pro Leichenverbuddelungsareal ist die Ruhe. Es handelt sich um einen dieser riesigen, alten, leicht chaotisch angelegten Friedhöfe voller riesiger Grabsteine und Kryptas. Unsere Tussi hat scheinbar mal „Plan 9 from Outer Space“ gesehen und wird von einem unbestimmten Unwohlsein geplagt. Auch Pierre hat das Geläuf noch nicht persönlich in Augenschein genommen, findet das Ambiente aber beruhigend. „Es ist wie auf dem Land, viele freie Flächen“, behauptet er wider besseres Wissen (so ziemlich das einzige, was es auf diesem Friedhof NICHT gibt, sind freie Flächen größer als zwei Quadratmeter). Aber er mag halt nun mal die City nicht (was ich ihm angesichts * dieser * Stadt auch nicht verübeln kann. Trotzdem würde ich meine neue Freundin zum ersten Date nicht auf einen Friedhof führen, auf dem ich selbst noch nie war). Heutiges Programm ist ein romantisches Picknick, und, since we’re in France, gehört dazu, zuminest dem Geklimper aus dem Beutel nach, die ein oder andere Pulle Rotwein. Tussi will nun wieder „Fangen“ spielen, aber der Friedhof schlägt ihr immer noch auf’s Gemüt. „Willst du wirklich rein?“, fragt sie Pierre und Dumpfbacke, Chefromantiker und Frauenversteher hat nix besseres zu tun, als ihr den guten alten „ihr, die hier eintretet…“-Spruch reinzureichen. Jerk. Erstes surreales Bild: ein Typ in einem Vampir-Cape begibt sich in eine Gruft. Aha. Kann er ja machen. Vielleicht ist er ja Chiropraktiker (unneccessary „Plan 9“-Reference). Ein alte Dame legt an einem Grab Blumen nieder (gut, das soll auf Friedhöfen vorkommen). Unsere jungen Liebenden haben sich ein geeignetes Picknick-Grab ausgekuckt, wo Dipl.-Trot. Pierre gleich mal das eiserne Kruzifix umschmeißt und es wieder aufrichten muss. Ob dat man nicht ein schlechtes Omen sein tut… und Tussi wird dadurch auch nicht ruhiger. Zur Nervenberuhigung gibt’s aber Schoki aus dem Picknickbeutel. Mahlzeit, sach ich mal. Pierre spekuliert, Schokolade wäre libidofördernd und versucht, das Mädel zu küssen, aber sie wehrt, immerhin lachend, ab und und läuft mal wieder weg. Pierre eilt hinterher und erwischt so, so dass unsere Turteltäubchen händchenhaltend eine geeignetere Stelle für Abschmatzereien auskucken können. Wo man schon mal an passender Stelle ist, kann man ja auch gleich mal über Gräber, den Tod und den ganzen Rest philosophisch austauschen. Atheist Pierre glaubt nicht an ein Leben nach dem Tod, das Girl schonn. Zudem hält Pierre aufwendige Gräber für schlichte Geldverschwendung (wenn die alten Pharaonen auch so gedacht hätten…). „Ich ziehe die Liebe des Lebens der Liebe des Tods vor,“ fasst er seine gesammelte Altersweisheit zusammen. Das Pärchen läuft halt so rum, aber wenigstens sind dem Mädel die Nippel steif (und woah, WIE…).

Pierre hält’s für enorm sinnstiftend, eine Gruft zu öffnen und sich dort drin mal umzusehen, was Tussi nicht unbedingt für die beste Idee seit der Erfindung geschnittenen Brotes. „Es ist Tag“, beruhigt Pierre, und deswegen habe man nichts zu befürchten (aber nachts, da kommen dann die Zombies). Nicht wirklich überzeugend, aber da gerade ein buckliger Kerl grimmigen Blicks vorbeiläuft, entscheidet sich das Mädel spontan, die Grabexkursion prophylaktisch mitzumachen.

Unten in der Gruft ist es überraschend hell (hm, die Toten zahlen wohl ordentlich die Stromrechnung). Aber zumindest „feucht“ isses, wie’s Mädel fachkundig anmerkt. Stichwort Fachkunde, über die verfügt auch Pierre. Die Feuchigkeit ist von wegen der Verwesung, doziert er, sonst würden die Kadaver ja nie verrotten. In einem weiteren rätselhaften Shot beobachten wir nun, wie ein Clown (?) traurig über den Friedhof schlurft, Blumen ablegt und von hinnen schleicht. Oh. Err. Whatever?? (Jou, das ist sicher eine schwer metapherige Metapher über das Leben, das Universum und den ganzen Rest). Uns Held hat sich dieweil schon das Hemd ausgezogen und wagt noch einen kurzen Ausflug nach oben, weil er doch noch etwas zusätzliche Beleuchtung in Kerzenform organisieren muss (oder hat der damit was anderes vor, der Schlingel?). Seine Tussi hat sich erfreulicherweise tutti kompletti aus ihren clamötts geschält. 23 Minuten hat der alte Schlawiner Rollin dafür gebraucht, und, ja, ich danke ihm dafür, denn der Anblick ist erfreulich (gut, die Ansicht des rudimentär behaarten Franzmannrückens von Pierre hätte ich jetzt nicht gebraucht, aber man muss halt Kompromisse eingehen). So, die Voraussetzungen sind geschaffen, jetzt gibt’s Sexgeschichten aus der Gruft.

Leider vergessen unsere jungen Rammler bei der ganzen heißen Action ein wenig die Zeit… die alte Dame ist nämlich die letzte Stammkundin des Friedhofs und schießt eigenhändig das schwere Friedhofstor. Die Lover haben fertig verrichtet – die plötzliche Dunkelheit wird von Dummschnalle Tussi zunächst für unberechtigtes Zufallen des Gruftdeckels gehalten (oi, die is‘ aber auch nicht sonderlich gut eingerichtet im Oberstübchen). Kalt geworden ist’s auch. Und creepy. Während Tussi noch über Dunkelheit und damit artverwandt morbide Themen philosophiert, denkt Pierre maskulin-praktisch: „Mein Licht am Rad geht nicht. Lass uns gehen.“ Zum „Gehen“ an sich benötigt der Durchschnittsbürger jedoch einen Weg, und der ist weg. Tja, hat man euch nicht erklärt, dass die Gehwege hier nach Einbruch der Dunkelheit hochgeklappt werden? Nun ist guter Rat teuer, da wieder keiner sein Navigerät dabei hat und der serienmäßige Orientierungssinn bei beiden Gestalten eher nicht ausgeprägt ist. Blödblinse Pierre hat vor lauter Rumgeficke in der Gruft sogar seine Uhr vergessen. Man hastet sinnlos durch die Gräberreihen. „Wir drehen uns im Kreis“, stellt Pierre nach einer Weile fest und schlägt vor, zur Kopulationsgruft zurückzukehren, primär allerdings zwecks Rückholung des Zeitmessers (dabei kann sich Pierre bestimmt keine Rolex leisten, also fuck it). Da das angespannte Nervenkostüm unserer Protagonisten von klappernden Gruftdeckeln und ähnlichen furchteinflößenden Geräuschen stark strapaziert wird, schreckt man vor dem neuerlichen Besuch in der Gruft zurück und hastet lieber weiter. Z.B. zu einem großen Gebäude, das ich in meinem jugendlichen Leichtsinn spontan für die Aussegnungshalle halten möchte, von unseren beiden Haubitzen als „Verwaltungsgebäude“ identifiziert und für aussichtsreich hinsichtlich eventuell anwesender menschlicher Gestalten gehalten wird. „Bestimmt werden wir ausgeschimpft“, macht sich Pierre schon mal vorsorglich ins Hemd. Drin ist aber nix außer Särgen, denn, haha, es IST die Aussegnungshalle. Typisch gottlose Franzosen, haben auch von gar nichts ’nen Schatten. In den Särgen liegen aber keine frischen Leichen, sondern morsche Knochen aus vermutlich ausgelösten Gräbern. Unser Mädel kriegt nun ’nen kleinen moralischen Krisenanfall und muss von Pierres starken Armen wieder ins Freie getragen werden.

Die Tussi heult Rotz und Wasser, was er nun wieder für eine dezente Aufforderung hält, sie diskret abzuschlabbern. Es geht trotzdem weiter, weil Pierre plötzlich meint, auf dem rechten Weg zu sein. „Schließ die Augen, ich führe dich“, bietet er seiner verheulten Husche an. Macht sie glatt, auch wenn seine Positionsangaben („wir sind jetzt am Gitter“) glatt gelogen sind. Zwar begrabbeln ihre Hände wirklich ein Gitter, halt nur nicht das des Friedhofszauns, sondern nur das eines x-beliebigen Grabs. „Du hast mich angelogen“, kreischt sie und flüchtet im Laufschritt in die Arme-Leute- oder neue-Gräber-Abteilung des Friedhofs, wo nur Holzkreuze rumstehen. Pierre packt sie und möchte sie durch überlegene Körperkraft von der Richtigkeit seines Tuns überzeugen, aber sie stößt ihn zu Boden, wobei er ein Kreuz kaputt macht. Das bringt sie auf eine Idee – sie rupft ein Kreuz aus dem Boden und geht damit auf ihn los. Der beherzte Schlag mit dem Grabmarker macht aber nur selbigen entzwei und nicht den bösen Pierre. Sie rennt weg, er setzt nach. Wie jedes flüchtende Weibsstück stolpert sie allerdings über ihre eingen Quanten, wodurch er sich auf sie stützen, mit ihr kämpfen und – sehr wichtig – ihre Möpse auspacken kann. Sie revanchiert sich durch einen Biß. Weitere Gräber werden verwüstet. Das Girl hat sich bei der ganzen schönen Balgerei ein Aua zugezogen, ist mightily pissed und schreitet zur spontanen Steinigung des Übeltäters. Der kontert mit einer Ohrfeige. Erzürnt schmeißt sie einen Grabstein um, der ersichtlich nicht für die Ewigkeit konzipiert ist und daher entzwei geht. Jetzt wird’s Pierre zu bunt – „halt den Mund, hör auf, ich dreh bald durch“, schreit er sie an. Tja, seine Erwartungen ans erste Date wurden wohl leicht übertroffen… aber wenigstens war das ganze Bruhei in gewisser Weise heilsam denn er ist jetzt wieder ganz sein sensitives Weichei-Selbst, wischt ihr die Tränen von der Backe und schlägt einen kleinen Spaziergang vor. „Wir sind ja nur auf einem Provinzfriedhof und nicht im Dschungel“. Die Übergänge sind da wohl eher fließend (wobei ich ja eine, höhö, todsichere Lösung für das Dilemma hätte – einfach stur in einer Richtung gradaus gehen, irgendwann wird der Friedhof ja fertig sein…) Aber wir haben’s ja mit einem „verdammten Friedhof“ zu tun, wie Pierre meint. Sein Mädel warnt – die Toten soll man besser nicht ohne Not lästern und schmähen, doch der diesbezüglich bereits geoutet eher unsensible Pierre zeigt deutlich, was er von den Toten hält und verpasst dem nächstbesten herumstehenden Grabkreuz einen konkret-krassen Highkick gegen den Querbalken. „Er (gemeint ist der im Grabe residierende Tote) muss es gut festhalten“, juxt Pierre unangebracht, weil das Kreuz trotz der zur Schau gestellten Manneskraft nicht umfällt.

Trotzdem schließt man für den Moment Waffenstillstand bzw. Frieden, zumal Tussi Pierre dringend irgendwelches dummes Zeug über Agaven, die nur einmal in 50 Jahren blühen, ans Knie nageln muss. Da man inzwischen doch schon gut und gerne zehn Meter eigenfüßig zurückgelegt hat, denkt Pierre eine Rast an. Also setzt man sich aufs nächste Grab. Sie legt sich gleich mal hin (probeliegen?) und räsonniert schwurbelig über den ersten November, den wir feiertagsfesten Katholen als Allerheiligen kennen und an dem sich die „Welt der Toten mit der Welt der Lebenden vermischt“. Derlei Hirnschwund mag Pierre sich nicht anhören und drängt zum Weitergehen, aber Tussi bekundet, sich hier an Ort und Stelle ausgesprochen wohl zu fühlen. „Du bist verrückt,“ blökt Pierre und obwohl ich ihm rein grundsätzlich nicht widersprechen möchte… viel besser is‘ er ja ooch nicht.

Tussi erhebt sich vom Grabe, als wäre sie zombifiziert und starrt Pierre schräg an. Als sie dann auch noch einen banshee-artigen Schrei loslässt, hat er nun endgültig genug gesehen und gehört und ergreift eiligst das Hasenpanier. So verpasst er leider ihren großen Monolog: „Ihr, die ihr das unterirdische Land kennt, hört mich, meine Freunde! Sie haben euch eingesperrt in ihren Gittern und Kreuzen. Ihr seid nicht der Tod. Sie sind der Tod. Sie haben die Türe des Kristallschlosses geschlossen!“ Ich will ja nicht behaupten, ausgebildeter Psychologe zu sein, dennoch unterbreite ich den freundlichen Vorschlag, beim nächsten Baumarkt vorbeizufahren. Diese Frau braucht dringend neue Latten am Zaun.

Torfkopp Pierre stürzt auf seiner unüberlegten Flucht in ein offenes Grab. Hoffentlich bricht er sich das Genick. Baah. Spielverderber. Weitgehend unverletzt liegt er nur etwas zerknittert zwischen Schädeln und sonstigem Geknoche. Ein Schmerzensschrei aus seiner Kehle ruft die Tussi auf den Plan, die aber, for no real obvious reason, die letzten Meter zum Pierres Loch auf dem Bauch kriechend zurücklegt (okay, das hab ich schon mal gesehen, wenn Leute im Eis einbrechen. Jahreszeitliche Verwirrung, ein neues Krankheitsbild). Aber wenigstens können wir ihren rechten Nippel begutachten, so who am I to complain? Er streckt seinen Arm nach oben aus, aber ihr fehlt so’n solider halber Meter Reichweite, weshalb sie sich sicherheitshalber kriechend zurückzieht, nur, um aufzustehen, zum Loch zu latschen und interessiert auf den gefallenen Pierre hinabzusehen (in einer der eindrucksvollsten Passagen des Films dreht sich die Kamera um die eigene Achse, gegen den Uhrzeigersinn aus ihrer Perspektive, mit dem Uhrzeigersinn aus seiner. Dazu klingt erstaunlich modernes Ethno-Gedüdel). Nachdem wir dieses Spielchen eine Weile durchgezogen haben, kommt sie zu einer Entscheidung, springt todesmutig in die finstere Grube, und quasi direkt in eine weitere kussträchtige Umarmung. Naja. Hm. Es ist ja auch irgendwie recht romantisch, auf eine morbide Art und Weise, zwischen anderer toter Leute Knochen Sex zu haben (und andererseits stehe ich auch durchaus auf dem Standpunkt, dass es für Sex grundsätzlich keinen schlechten Zeitpunkt und keinen ungeeigneten Ort gibt). Irgendwie wirkt Tussi aber nicht ganz bei der Sache und leicht entrückt.

Nach Vollzug krabbeln beide, auch Pierre, der sich auch wieder soweit berappelt hat, aus der Grube. Ganz der vollendete französische Chevalier alter Schule kloppt er ihr noch den Knochenstaub von der Bluse, und endlich kann weiter nach dem Ausgang Ausschau gehalten werden.

Tussis Klatsche ist allerdings noch in voller Blüte – an einer größeren Krypta findet sie einen Totenschädel und hält ihn spielerisch vor ihren Kopf. Pierre findet das jetzt nicht ganz so enorm spaßig und schlägt ihr den Schädel aus der Hand, mit der unpraktischen Folge, dass der Knochenkopp am harten Boden zertrümmert. Sie hebt die Scherben aber vorsichtig wieder auf und versucht zärtlich, die Einzelteile wieder zusammenzusetzen. „Das ist nicht schlimm“, erzählt sie dem Schädel, mit dem sie schmust, „die Toten sind unsere Freunde.“ Pierre führt sie, vermutlich inzwischen in der festen Überzeugung, sie in der Klapsmühle, aus der sie entsprungen sein muss, wieder abzuliefern, weiter. Zumal er wieder einmal der Ansicht anhängt, auf dem richtigen Weg zu sein (möglicherweise auf der Grundlage von Verkehrsgeräuschen, aber die können auch vor meinem Fenster gewesen sein…). Tatsächlich – da ist die Mauer! Juhu! Er freut sich, sie considerably weniger. Weswegen sie auch spontan wendet und von hinnen wandelt. Er holt sie zurück und unterbreitet den geniösen Plan, „einfach über die Mauer“ klettern zu wollen. Das Vorhaben stößt auf wenig Gegenliebe: „Du willst wirklich zurückkehren?“ Schließlich kennen „sie nicht den wahren Weg. Sie denken nur daran, zu zerstören, zu verschmutzen und zu schaden. Sie sind nicht wie wir!“ (Das könnte auch Al Gore gesagt haben). „Wenn wir uns saark genug lieben, können sie uns nichts anhaben“, fährt sie fort, denn „sie werden alle sterben.“ (Wir werden alle sterben, haltet euch bereit… sing). Pierre hat nun endgültig die Schnauze voll und klettert solo über die Mauer. Blöd nur, dass es zwar eine Mauer ist, aber nicht DIE Mauer. Jenseits der Mauer findet sich nämlich auch nur Friedhof, nämlich der örtliche Heldengedenkkriegerfriedhof. Das bringt den stärksten Franzmann zum Ausflippen. Hysterisch robbt er über den Rasen, schmeißt Grabsteine um und krakeelt, ehe er resigniert auf die andere Seite zurückkehrt, wo Tussi entrückt den Friedhofsglocken lauscht. Mitternacht.

Zeit für eine Grübelpause. Tussi allerdings läuft lieber ein paar Runden um ein Grab und findet in der Hand eines steinernen Cheribums die… eiserne Rose. „Die Kristallrose“, schwadroniert sie, „sie wird uns führen!“ (Kristall? Bin ich im falschen Film?). „Warum denkst du an den Tod, wo wir in diesem wundervollen Garten sind,“ flötet sie den irritierten Pierre an und will wieder Fangen spielen. Er eilt ihr nach, allerdings ersichtlich nicht in Spiellaune. Sie versteckt sich, indem sie sich an einen schräg stehenden Grabstein lehnt, grinst und kichert, läuft zum nächsten Grab und versteckt sich hinter einem verfallenen Glas-Pavillon (was sich manche Leut auf die Gräber stellen?). Irgendwo hat sie unterwegs noch einen Blumenladen geplündert und sich einen Kranz aus Rosen geflochten, aber nur, um ihn zu verbrennen. „Bravo“, kommentiert Pierre bissig, „du hast Nerven, Feuer zu machen!“ Und warum? „Feuer im Friedhof würde die Wärter herbringen!“ (Und das wäre jetzt, in dieser Situation, inwiefern * schlecht *? Vorhin wolltet ihr noch beim Verwaltungsgebäude den Wärter rausklingeln…). Sie sagt nix, sondern zeigt ihm nur lächelnd die eiserne Rose. Ebenfalls lächelnd geht er auf sie zu, hält aber inne und wundert sich, alldieweil sie kryptisch „der Weg“ murmelt. Pierre kuckt verständnislos, folgt ihr aber trotzdem – sie hält die Rose wie eine Wünschelrute und lässt selbige den Weg weisen. Es funktioniert. Naja. Irgendwie. Oder so. Denn unser Pärchen findet sich wieder an der Gruft wieder, an bzw. in der alles angefangen hat. „Wir haben’s geschafft“, freut sich Pierre ein Bein ab (ähm? Bitte? Bissu dir da wirklich sicher, Keule?). Tussi soll das Feuer ausmachen, er selbst will seine Uhr holen, Materialist, elender, der er ist. Er haucht ihr einen Kuss zu, klettert in die Gruft runter und staunt die übliche Lego-Sammlung, dass Tussi nix besseres zu tun hat, als über ihm den Deckel zuzumachen. Surprise, surprise. Da kann Pierre nur noch blöde schreien, während sie den Deckel verriegelt und oben druff noch die Rose legt. „Mein liebster Pierre“, rechtfertigt sie sich, „DA ist der Weg. Diesem Weg folgen wir zum wahren Leben“, denn „all das Glück der Welt liegt im Tod!“ Pierre kreischt sich die Seele aus dem Leib, aber sie hat sich dieweil längstens ins Lala-Land verabschiedet und fantasiert sich nackt (yay!) am Strand. Da bin ich ‚für. Eher ‚gegen bin ich gegen das esoterisch-eklige Gebrabbel, das sie parallel dazu vom Stapel lässt. „Nie mehr Angst, nie mehr Schmerz. Sie werden mich nicht mehr berührern. Das Böse verlässt uns. Geh durch die Tür der goldenen Vögel.“ (?). Die nackte Strandtante wirft dort aufgestellte Kreuze um (gasp! Symbolism!). „Jetzt, das Kristallschloss. Tag und Nacht im Licht der Morgenröte!“ (Mir wird gleich übel). „Sie erwarten uns, mein Geliebter. Geh, die Vögel lachen noch!“ (Vermutlich über dieses Rede). Die Nackttante setzt sich hin, in ihren Händen die eiserene Rose. „Auf meinem Mund all die Küsse, oh ja, ich liebe dich!“ (Argh). „Über den Tod hinaus, schnell, bis zum Blau!“ (Blau, blau, blau blüht der Enzian…).

Wir beenden die Vision und kehren zurück in die Gegenwart, wo die Tussi immer noch ihr dummes Zeug brabbelt: „Steig tiefer und tiefer, die Blumen tanzen, die Finger brennen“ (schlechtes Dope geraucht?), „dein Atem auf meiner Haut, warte auf mich, für immer zusammen!“ Pierre würde theoretisch gern sein Veto einlegen und aus der Gruft gelassen werden, unter der lachhaften Argumentation, er würde ersticken. Doch alles Schreien & Zetern hilft ihm nix – sphärische Musik erklingt, sie verlässt ihn, vollführt an einem Grabstein einige Ballettroutinen (klassischer Tanz, you do remember) und tanzt, ein fröhlich gesummtes Lied auf den Lippen, durch die Gräberreihen. Und tanzt. Und tanzt. Minutenlang. Uffza. Das könnte man auch im Kulturprogramm von 3sat zeigen…

Der Morgen bricht an, Tussi tanzt immer noch und singt und kommt dabei am rosenspendenden Cherubim vorbei, den sie bedeutungsschwanger anstarrt. Erwacht sie aus ihrer Trance?
Scheint ’ne Werfrau zu sein, sie heult den Mond an…

Der Friedhofswärter öffnet das Tor. Kundschaft wartet auch schon, nicht zum Einsargen, aber immerhin zum Besuchen. Die alte Dame hat wieder ’nen Schwung Blumen dabei, dieweil Tussi zurück zur Gruft tänzelt und sie öffnet. „Wo bist du, mein Geliebter?“, fragt sie (öff), „warte auf mich“. Ok, nix mit aus der Trance erwacht. „Für immer zusammen“, säuselt sie, während die alte Schachtel über den Friedhof pilgert. Das Mädel berührt ein letztes Mal zärtlich die Rose und klettert in die Gruft…

Nach einem letzten Moment des Abwartens im Gruftabstieg latscht sie endgültig hinunter zu ihrem mittlerweile vermutlich verröchelten Geliebten. „Ihr seid alle tot, wir leben“, lautet ihr letzter Gruß an die schnöde Welt. Und schon fällt der Deckel zu. Die alte Lady stellt für die frisch Verstorbenen einen Blumentopf aufs Grab und dann ist auch schon Schluss.

Irgendwann erblasse ich vor mir selbst. Aus meinen läppischen knapp zweieinhalb Notizseiten hab ich doch wieder knapp sieben Seiten Review gezaubert. Und bei einem Film, dessen Handlung sich eigentlich im Satz „Pärchen macht Date auf Friedhof, vergisst die Zeit & findet nicht mehr raus“ zusammenfassen lässt (und so manch einem von Euch wär’s womöglich lieber, ich hätte es damit belassen, gelle?). Aber dafür wird die Nachbetrachtung kürzer, schließlich lasse ich mich normalerweise lang und breit über das Drehbuch aus und DARAN beiße ich mir bei „Die eiserne Rose“ erfolgreich die Zähne aus. Wie analysiert man etwas, was sich jedweder Analyse entzieht, weil es schlicht keine echte nachvollziehbare Story gibt?

Versuchen wir’s halt eher allgemein – Jean Rollin würde mir sicherlich enthusiastisch zustimmen, dass „Geschichten erzählen“ im narrativen Sinne nicht seine Paradedisziplin ist. Selbst vergleichsweise charakter-orientierter Stoff wie sein Beinahe-Zombie-Opus „Pestizide“ („Les Raisins de la Mort“) lebt nicht von einer ausgeklügelt konstruierten Handlung, sondern von eindrucksvollen Bildern in eigentümlicher Atmosphäre, von seinen Sexvampir-Streifen, die sehr gerne, auch von mir, auf den Umstand „schöne Frauen in knappen weißen Nachthemden tragen Kerzenleuchter über dunkle Schlossgänge“ reduziert werden, wollen wir an dieser Stelle gar nicht reden. „Die eiserne Rose“ treibt Rollins Verzicht auf schlüssige Handlung auf die Spitze – der Film tut und will nichts mehr als eine Stimmung, in diesem Fall morbide Todessehnsucht, transportieren. Dieser Direktive ordnet sich alles unter – „Handlungs“-Fortgang, Charaktere, Dialoge, Settings. Nicht von Ungefähr entwickelte sich „Die eiserne Rose“, laut Rollin, neben dem Wunsch, einen „intimen“ Film zu drehen, hauptsächlich aus der Entdeckung der Location.

Seinen kreativen Ursprung findet „Die eiserne Rose“ in einem mir unbekannten Gedicht des mir noch unbekannteren bretonischen Poeten Tristan Corbière, einem Zeit seines kurzen Lebens (1845-1875) unbeachteten Dichters, der eine gewisse posthume Bedeutung erlangte, als Paul Verlaine und seine „Symbolisten“ ihn für ihre Bewegung entdeckten. Symbolik ist demzufolge ganz groß geschrieben, auch wenn sich manche surreale Symbolismen wie der einsame traurige Clown nicht wirklich erschließen. Die Dialoge von Maurice Lemaître sind demzufolge ebenfalls weitgehend poetisch gestrickt und können unvorbereitete Seelen aufgrund des in Teilen oben zitierten, naja, eher farbigen Prosastils ins Koma treiben, während sich für derartiges Gedankengut anfällige Gestalten wohl freudestrahlend in ihre „any color is good as long as it’s black“-Outfits hüllen und das weiße Make-up auflegen – dass „Die eiserne Rose“ für die todessehnsüchtige Goth-Szene geradezu wie gemalt ist, dürfte sich aufdrängen.

Strukturell ist auszuführen, dass man sich, will man zur Rose dornigem Herzen vordringen, die ersten 20 Minuten, in denen Pierre und sein Gspusi sich weltlicherem Geplänkel widmen, getrost schenken kann. Sobald sich der Film auf den Friedhof verlagert, läuft er allerdings zu voller Form auf. Selbstredend kommt nicht wirklich Tempo oder Spannung auf, aber dies zum Film zu verlangen, läge völlig neben der Sache. „Die eiserne Rose“ ist, nach meiner bescheidenen Einschätzung, nicht mal ansatzweise ein Horrorfilm (kein Wunder, geht ihm doch jeder gewollte Horror-Effekt völlig ab), sondern, hm, na, was eigentlich? Ein „gothic melodrama“? Das trifft es vermutlich am ehesten. Es geht, wie erwähnt, um Stimmungen, und um Stimmungen einzufangen, speziell wenn sie morbide und unheimlich sind, gibt’s kaum einen besseren Regisseur als Jean Rollin, der hier mal wieder beweist, dass er vermeintilche „Atmosphären“-Genies wie Lucio Fulci ungewürzt zum späten zweiten Frühstück verspeist. Mit Kameramann Jean-Jacques Renon (der sich später selbst als Co-Regisseur versuchte und mit Bruno Mattei die Graupe „Caligula et Messaline“ verantwortet) gelingt Rollin wirklich mit jedem einzelnen Shot eine unheimliche, surreale, unwirkliche (Alp-)Traumstimmung.

Dramaturgische Schwächen auszumachen wäre ebenso verfehlt wie Drehbuchschelte. Man mag sich natürlich darüber streiten, ob nackte Tatsachen notwendig sind (ich habe aber nichts dagegen, und sie unterstützen m.E. die Atmosphäre des Fims wirklich), ob man die Tanzeinlage am Ende unbedingt vier-fünf Minuten lang zelebrieren musste, ist zumindest fragwürdig (da man’s auch für mühselige Laufzeitschindung halten kann), aber nichts davon * stört * den Flow des Films exzessiv.

Ich sagte bereits, „Die eiserne Rose“ ist weder Horror noch Thriller noch Grusel (obwohl man das aufgrund des Friedhofssettings zumindest wohlwollenderweis by default annehmen könnte) und hat demzufolge keine blutigen Effekte zu bieten. Um nicht zu sagen – KEINE Effekte. Splatterfreunde dürften sich demnach zu Tode langweilen. Die FSK 16 verdient sich der Streifen aufgrund der Nackteinlagen und der düsteren Stimmung.

Die beiden Hauptdarsteller erledigen einen angemessenen Job – die wirklich entzückende Francoise Pascal bewältigt ihren „character turn“ vom verängstigten, zu beschützenden Mädchen zum entrückten „Todesengel“ bravourös – es mag sicher nicht die aller-anspruchsvollste Rolle sein (zumal sie eben auch das Fahren aus den Klamotten als wesentlichen Bestandteil aufweist), aber sie macht das wirklich gut. Eine echte Karriere konnte Mademoiselle Pascal (übrigens geboren auf dem Briefmarkenparadies Mauritius) nicht starten. Vor „Die eiserne Rose“ war sie in einigen Sexfilmchen zu sehen und tauchte 1978 nochmals bei Rollin in „Pestizide“ auf. Die IMDb schreibt ihr noch einen Auftritt in „Lightning, the White Stallion“ aus dem Jahr 1985 zu, das glaub ich aber erst mal nicht unbesehen. Aus Hugues Quester (Pierre) wurde dagegen noch richtig was… er schaffte den Sprung ins seriöse Fach, wurde im französischen Kino und TV gut beschäftigt und kann als Karriere-Highlights sicher eine Hauptrolle im ambitioniert gescheiterten deutsch-russischen SF-Epos „Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein“ und eine große Rolle in Kieslowskis wunderschönem „Drei Farben: Blau“. Nicht schlecht dafür, wenn man seine ersten Gehversuche bei Rollin unternommen hat. Quester deutet in „Die eiserne Rose“ sicher nicht an, für derart größere Aufgaben gewappnet zu sein, bringt jedoch seine Figur, eine Mischung aus Charmeur und Assi (also doch irgendwo typisch Franzose, ähem) gut rüber. Letztendlich sind auch die Darsteller nur „Gefäße“, um die morbide Stimmung des Films zu transportieren, und das gelingt beiden sehr gut.

Nicht überwältigend ist leider die optische Präsentation der CCI-DVD. Der 1.66:1-Widescreen-Transfer ist leider ziemlich mau ausgefallen – Kantenschärfe ist etwas, was anderen Prints passiert, Zoomen sollte man tunlichst bleiben lassen, und leider Gottes pumpt und flimmert der Transfer zwar nicht extrem störend, aber doch immerhin deutlich merklich. Ein etwas ambitionierteres Label (man denke an Blue Underground & Co.) hätte da sicherlich etwas „pristineres“ zustande gebracht. Der Ehrenrettung halber sei gesagt, dass der Print, im Nicht-Vollbild-Modus am PC bekuckt, gar nicht sooo übel aussieht. Je größer das Bild, desto unansehnlicher wird’s halt (ist auch nicht unlogisch, gell?).

Akustisch haben wir’s erfreulicherweise mit französischem O-Ton und deutscher Synchronfassung (die auch nicht sooo schlecht ist, auch wenn man den Subtitles nach von der ein oder anderen Entstellung ausgehen darf) in Dolby 2.0 zu tun, Untertitel gibt’s auf deutsch und englisch. Die Tonspuren sind praktikabel, aber nicht herausragend.

Als Extras stellen sich schlussendlich eine Bildergalerie, der deutsche und der französische Trailer sowie ein kurzes (viel zu kurzes) Videointerview mit Rollin vor. Wäre die Bildqualität ETWAS besser, was ich bei einem Listenpreis von ca. 15 Euronen ja wohl verlangen darf (die 4-Euro-Grabbeltischklasse ist da schon angemessener), würde ich die Scheibe uneingeschränkt empfehlen, so aber seien Qualitätsfanatiker gewarnt.

Machen wir’s heute also mal wirklich kurz – „Die eiserne Rose“ ist ein ausgesprochen bemerkenswerter Film, auch für Rollin, der nach seinen Sexvampir-Streifen zwar verwandtes, aber dennoch * anderes * Fahrwasser ausprobiert. Kein Film für Freunde des straighten Erzählkinos, sondern für Freunde dunkler, morbider (ich weiß, dass ich das Wort überstrapaziere) Stimmungen, geeignet zum gemütlichen Pulsaderaufschlitzen auf dem heimischen Sofa oder wenigstens zum Genießen bei Kerzenlicht und einem Glas dickflüssigen Rotweins. Ich könnte mir „Die eiserne Rose“ sicher nicht alle Tage ansehen, aber man braucht ja auch was für die „dark moods“, und in der Hinsicht ist Rollins handlungsbefreites Mood-Piece ein Meisterwerk. Wenn jetzt noch die DVD einen vernünftigen Bildtransfer hätte, wäre ich so happy, dass ich mich damit in einer Gruft einschließen würde…

(c) 2007 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 7


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