Die Bibel

 
  • Deutscher Titel: Die Bibel
  • Original-Titel: La Bibbia
  • Alternative Titel: The Bible | Bible... In the Beginning |
  • Regie: John Huston
  • Land: USA/Italien
  • Jahr: 1966
  • Darsteller:

    Michael Parks (Adam), Ulla Bergryd (Eva), Richard Harris (Kain), Franco Nero (Abel), John Huston (Noah), Peter Heinze (Shem), Angelo Boscariol (Ham), Eric Leutzinger (Japhet), Pupella Maggio (Noahs Frau), Stephen Boyd (Nimrod), George C. Scott (Abraham), Ava Gardner (Sarah), Zoe Sallis (Hagar), Gabriele Ferzetti (Lot), Peter O’Toole (Die drei Engel)


Vorwort

Episoden aus dem Alten Testament, genauer gesagt, die ersten 22 Kapitel der Genesis: die Schöpfungsgeschichte, Adam und Eva im Garten Eden sowie die Vertreibung aus dem Paradies, die Mordsache Kain und Abel, die Sintflut und Noahs Arche, der Turmbau zu Babel, sowie die Geschichte Abrahams nebst beiläufiger Zerstörung von Sodom und Gomorrah.


Inhalt

Dem guten alten Dino de Laurentiis konnte man eines nie vorwerfen – mangelndes Selbstbewusstsein. Wenn der Hollywood-King-Kong auf’s Empire State Building kraxelt, darf’s bei Dino das World Trade Center sein, wenn Spielberg den Hai von der Kette lässt, kontert Dino mit ’nem Killerwal, und wo Hollywoods durchschnittlich-langweiliger Monumentalfilmer sich damit begnügt, aus dem Buch der Bücher eine Episode zu verfilmen, kündigt ein italienischer Tycoon vollmundig eine komplette Filmadaption des Alten Testaments an.

Nun dürfte selbst das gottesfürchtigste Bible-Belt-Publikum kaum geneigt sein, sich einen 250-Stunden-Film anzusehen, also war Dino gnädig genug, sein Opus Magnum in mehreren Teilen in die Lichtspielhäuser zu bringen. Ursprünglich sollte der französische Regisseur Robert Bresson den Job übernehmen, der aber fiel in Ungnade, als er bei seinem Produzenten die komplette tierische Belegschaft des römischen Zoos für die Archen-Szene anforderte, aber dann nur ihre Fährten aufnahm. Bresson wurde unzeremoniell gefeuert und durch John Huston ersetzt, der zumindest ausreichend Erfahrung mit Großprojekten wie „African Queen“ oder „Moby Dick“ mitbrachte. Der Wechsel auf dem Regiestuhl warf natürlich auch das Casting über den Haufen. Huston wollte Charlie Chaplin überreden, den Noah zu spielen, doch der hatte keine Lust darauf, unter fremder Regie zu spielen, und auch Alec Guinness, dem der Part angetragen wurde, verzichtete, bis Huston die Position notgedrungen selbst übernahm. Auch Hustons Wunsch, den Score von Igor Strawinsky besorgen zu lassen, ließ sich nicht erfüllen, und so verfiel man zunächst auf Newcomer Ennio Morricone, ehe Huston über eine Aufnahme des japanischen Filmkomponisten Toshiro Mayuzumi stolperte, sich vor Begeisterung nicht mehr einkriegte und Morricone, der bis dato etwa eine Viertelstunde Musik komponiert und eingespielt hatte, informierte, dass seine Dienste nicht mehr benötigt würden. Das hat man dem guten Ennio sicherlich nicht mehr sehr oft in seiner weiteren Karriere gesagt…

Das Drehbuch übernahm mit Christopher Fry ein renommierter Theaterschreiberling, der unkreditiert bereits die 59er-Auflage von „Ben Hur“ umgemodelt hatte und mit „Barabbas“ weitere einschlägige Erfahrungen sammeln konnte (gerüchteweise bastelten am „Bibel“-Script aber auch noch der italienische Routinier Mario Soldati und Orson Welles mit) – wobei’s nur dumm war, dass „Die Bibel“ wenig Platz für Frys apostrophierte Stärke, nämlich die Dialogarbeit lässt; zumindest, wenn man an Text- und Sprachgefühl der Vorlage festhalten will, und das ist hier die erklärte Absicht der Autoren.

Doch der Reihe nach – begreiflicherweise spielt sich „Die Bibel“ als Abfolge unterschiedlich langer und dabei auch stilistisch durchaus unterschiedlich gestalteter Episoden. Die Schöpfung an und für sich vollzieht sich als durchaus ansprechend gestaltete Montage ansehnlicher Naturaufnahmen, zu denen Mayuzumis majestätischer Score angemessen schmettert und der Erzähler (erneut Huston) die ersten Kapitel der Genesis (verkürzt) rezitiert. Das ist fraglos hübsch montiert, aber doch etwas ermüdend (und das ist für den Film eine leider ziemlich prophetische Charakterisierung), so dass man die Erschaffung von Adam und Eva erfreut zur Kenntnis nimmt, kann doch nun so etwas ähnliches wie „Handlung“ vollzogen werden. Meint man. Gut, Michael Parks (ja, der von Tarantino-Fame) und die Schwedin Ulla Bergyrd praktizieren den ersten bestätigten Fall von full frontal nudity in einem amerikanisch produzierten Film (wobei natürlich schon darauf geachtet wird, dass etwaig als anstößig betrachtete Geschlechtsmerkmale durch strategisch gesetzte Schattenspielereien verdeckt werden), aber nicht mal nach dem unerlaubten Naschen vom Baum der Erkenntnis (Evas Verführer, die Schlange, trägt übrigens menschliche Gesichtszüge) nimmt der Film so etwas ähnliches wie Fahrt auf – die Vertreibung wird zwar von unheilsschwangeren (und gestelzten) Worten begleitet, vollzieht sich aber arg unspektakulär (man warte also nicht auf einen Engel mit Flammenschwert, der die Pforte Edens bewacht).

Von hier geht’s nathlos in die Geschichte von Kain und Abel (oder, wie ich sie immer nenne, die von Arschloch-Gott und seinem seltsamen Sinn für Humor), die keinerlei emotionalen Impact entfaltet (und natürlich die Unlogik der Bibel unter Beweis stellt, alldieweil nach Bibel-Logik Adam, Eva, Kain und Abel die einzigen Menschen auf der Welt sind, Kain nach dem Mord aber in die Welt hinauszieht und sich ein Weib nimmt. Äh. Ja.), aber immerhin damit brillieren kann, dass der Mann, den sie Pferd nannten, Keoma killt (aber wir hatten gerade erst beim B-Film Basterds Festival festgestellt, dass Franco Nero da gerade durch eine Pussy-Phase ging).

Anschließend kommen wir zum ersten wirklich narrativ veranlagten Block, der Sintflut bzw. Noah und der Arche. Hier haben wir tatsächlich Charaktere, die diesen Namen wirklich ansatzweise verdienen, wir haben echte Dialoge, wir haben eine Fuhre von Statisten sowohl menschlicher als auch tierischer Form und wir haben Schauwerte (die Arche ist in der Tat ein schickes Stück set design, sowohl von außen als auch von innen). Man kann darüber mäkeln, dass die Episode nicht gerade den „disaster porn“ bietet, den man von einer zünftigen Sintflut erwartet (es ist eine vergleichsweise zahme Apokalypse) und sich auch darüber wundern, dass Huston die gesamte Episode vergleichsweise humorig anlegt (vor allen Dingen, was den von ihm selbst gespielten Noah angeht, den er verschmitzt-bauernschlau anlegt, aber auch nicht davor zurückschreckt, ihn in eine slapstick-Sequenz zu packen und Noahs Tierliebe in den Mittelpunkt zu stellen). Unpraktisch nur, dass die Story ihren Punkt (sofern man davon ausgeht, dass sie einen hat) schnell gemacht hat und sich dann reichlich zieht. Immerhin – es gibt von Elefanten über Tiger bis zur Meeresschildkröte allerhand exotisches Getier zu bestaunen.

Als Kuriosum folgt die „Intermission“ – offensichtlich, um den während der Pause weiterlaufenden Score nicht unterbrechen zu müssen, haben die BluRay-Produzenten die Pause in voller Länge (doch ungefähr 10 Minuten) auf die Scheibe gebannt. Das hab ich zumindest in der Form noch nicht gesehen…

Nach der Pause geht’s mit einer kurzen Stippvisite zum Turmbau von Babel weiter (in der sich übrigens auch der zukünftige Exploitation-Experte Ivan Rassimov die Ehre gibt), die zwar aufwendig gemacht ist und mit einer flamboyanten Performance von Stephen Boyd („Ben Hur“) wuchern kann, letztlich aber zu kurz ist (und nicht mal mit der amtlichen Zerstörung des Turms kulminiert), um wirklich Eindruck schinden zu können.

Den beträchtlichen Rest seiner Laufzeit widmet der Film dann der Geschichte des Patriarchen der drei großen monotheistischen Religionen Abraham von seinem Auszug aus Ur nach Kanaan, seinen diversen Bündnissen mit Gott, der Leihmutterschaft von Hagar bis hin zu Gottes Aufforderung, seinen Sohn Isaak zu opfern, in die nonchalant die Zerstörung von Sodom und Gomorrah eingebaut wird (zumindest impliziert durch Atomexplosion…) – alles mit großem Ernst, aber auch ebenso großer Bedächtigkeit vorgetragen.
In der Abraham-Episode, die alleine fast spielfilmlang ist (nämlich sicher so knapp 80 Minuten läuft) lässt sich exemplarisch das Versagen des Films nachvollziehen – Huston und de Laurentiis zielen auf GROSSES EPOS, wie es dem Stoff angemessen wäre (völlig egal, ob man die Bibel nun für das wahrhaftige Wort Gottes oder ein recht ruppig-blutiges Märchenbuch hält), können oder wollen es aber nicht liefern – entweder, weil die entsprechenden Stellen der biblischen Vorlage es nicht hergeben, man aber um jeden Preis chronologisch und vollständig vorgehen will, oder weil die Mittel – sowohl finanziell als auch filmisch – fehlen, um dort, wo’s denn auch durch die Bibel gedeckt ist, ein bissl auf die Kacke hauen zu können (ergo: Sintflut, Babel, Sodom/Gomorrah). Dort, wo der Scope, der schiere Wille zum Spektakel nötig gewesen wäre, wirkt der Streifen seltsam zurückhaltend. Keine Ahnung, ob de Laurentiis während der Produktion das Geld für richtig große Bauten und Spezialeffekte ausging, aber die ganze Operation macht irgendwie, bei aller schönen Fotografie, die man dem Werk nicht absprechen kann, einen unfertigen Eindruck (gerade bei den Sodom-Szenen könnte man auf die Idee kommen, man würde einer Art rehearsal beiwohnen anstelle dem *richtige* Take in den *richtigen* Kulissen).

Der Score ist zugegeben grandios, die Kameraführung von Giuseppe Rotunno (später tätig für so unterschiedliche Koryphäen wie Fellini, Bob Fosse, Richard Fleischer, Mike Nichols und Dario Argento) streckenweise berückend schön , aber „Die Bibel“ bleibt ein überraschend unzugänglicher, wenig mitreißender Film – kein Vergleich zu den Bibelepen eines Cecil B. DeMille. Vermutlich war schlicht und ergreifend die Idee eines Episodenfilms eine Totgeburt, erst recht, wenn man die einzelnen Episoden so ungleich gewichtet wie hier, und ebenso unglücklich ist mindestens das Kleben am biblischen Text, was z.B. nicht erlaubt, aus der Turmbau-Geschichte eine *Geschichte* zu machen.
In der englischen Originalfassung fällt zudem die Orientierung an der (vermutlich) King-James-Bibel zunehmend auf den Wecker – die „thees“ and „thous“, die „driveth“ und „cometh“ und „drinketh“ nerven. Sorry. Das wäre aber sicherlich zu ertragen, wenn der Film nicht von einer unerträglichen Langsamkeit wäre. Verdammichnochmal, es ist ja nicht so, als würden wir nicht alle diese Geschichten *kennen*, da darf man dann schon mal gerne dramaturgisch etwas verkürzen, beschleunigen, aber nicht jede Szene (ganz besonders eben im Noah- und Abraham-Plot) auf das mindestens Dreifache ihrer maximal notwendigen Laufzeit aufblähen…

Das Ensemble ist durchaus namhaft, aber nicht immer glücklich besetzt – Parks und Bergryd geben ein attraktives Paar ab, Harris und Nero erfüllen als Kain und Abel zumindest gewissen novelty value, Hustons Noah-Interpretation als liebenswert-tattriger Tierfreund ist für den ein oder anderen Schmunzler gut und Stephen Boyd als Nimrod sollte man in der Tat mal gesehen haben.
Dummerweise verbringt man den Löwenanteil des Films mit George C. Scott als Abraham und, naja, ich käme nie auf die Idee, ihn etwas anderes als einen großen Schauspieler zu nennen, aber… es hat schon seinen Grund, warum er den Oscar für „Patton“ bekam. Er ist keiner für „likeable characters“ – und den Abraham müsste man schon etwas zugänglicher darstellen, als Vorbildfigur. Scott mimt seinen Charakter als sturen, reichlich egozentrischen, unsympathsichen Rechthaber (gut, irgendwie passt das zum jähzornigen, Auge-um-Auge-verlangenden blutrünstigen JHWE des Alten Testaments, hehe). Dass irgendjemand freiwillig mit dem Burschen durch die Wüste zieht, weil er Visionen aka Göttliche Eingebungen™ hat (wie schon Bundeshelmutschmidt sagte, wer Visionen hat, sollte zum Arzt usw.), drängt sich angesichts dieser abweisenden, schroffen Performance nicht auf.
Da tut sich auch Ava Gardner als sein treues liebendes Weib Sarah schwer – eine Chemie zwischen ihr und Scott, die auch nur ansatzweise diese Liebe vermitteln könnte, fehlt völlig. Etwas besser fährt Zoe Sallis, seinerzeitige Huston-Lebensgefährtin, als Sarahs Magd/Sklavin/Leihmutter Hagar.
Einigermaßen amüsant ist wenigstens noch der Kurzauftritt von Peter O’Toole als „die drei Engel“ (Plural durchaus so beabsichtigt), die Sodom und Gomorrah vernichten.

Bildqualität: Auch wenn Fox „Die Bibel“ sicherlich nicht als Prestige-Titel betrachtet, so hat man, was die Bildqualität angeht, einen ordentlichen Job bei der digitalen Entrümpelung vollbracht. 2.20:1-Widescreen, das bei hellen Flächen leicht, aber nicht wirklich störend, körnt, bei dunklen Szenen aber geradezu perfekt-brillant den Flatscreen ziert. Durchaus schick.

Tonqualität: Englsicher O-Ton liegt in DTS 5.1 HD und Dolby Digital 4.0 (?) vor, deutsche, französische und spanische Synchronfassung müssen sich mit DTS 5.1 begnügen, dazu gibt’s noch italienischen Ton in DTS 5.1 Hybrid, das entsprechende Rudel Untertitelspuren wird mitgeliefert. Der englische Dialogton ist bei allem HD-Surround-Gedöns schon ein wenig verrauscht und auch der Score ist nicht gerade ein Ausbund der kristallklaren Dynamik, aber es ist in Ordnung.

Extras: Hier herrscht leider Magerkost – außer dem (zugegeben recht exkzessiven, da 4 Minuten langen) Kinotrailer wird nichts geboten.

Fazit: Die meisten seriösen Filmkritiken bezeichnen Hustons „Bibel“ recht ungeschönt als Flop bis Reinfall – ich hatte gehofft, der Streifen wäre wenigstens auf interessante Weise gescheitert, aber … nein, es ist einfach kein guter Film, der nicht in eine „so bad it’s at least interesting“-Schublade zu packen ist. Es ist ein Epos ohne *Epik*, ein Dreistünder, der sich anfühlt wie ein Sechsstünder, der ohne Drive, ohne Energie dramaturgisch-plump, aber wenigstens schön abfilmt, was die Vorlage vorschreibt. Für John Huston ist das sicherlich eine arge Enttäuschung, aber wer weiß, inwiefern de Laurentiis sich einmischte – man kann sich vorstellen, dass ein aufrechter italienischer Katholik keinen Spaß versteht, wenn’s an die freie Interpretation der Heiligen Schrift geht. Aber völlig unabhängig davon – „Die Bibel“ ist schlicht und ergreifend ein langweiliger (und über-überlanger), uninteressanter, einfallsloser und in unerquicklichem Maße fehlbesetzter Film. Allenfalls Hardcore-Fundi-Christen mögen an der wortwörtlichen Wiedergabe biblischer Geschehnisse ihre Freude haben. Wer antikes, biblisches Spektakelkino sucht, wird dann doch eher bei de Mille, Charlton Heston & Co. fündig. Maltin’s Movie Guide liegt nicht ganz falsch, wenn er rät: „Read the book instead“.


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments