Die auf heissen Öfen verrecken

 
  • Deutscher Titel: Die auf heißen Öfen verrecken
  • Original-Titel: The Peace Killers
  • Alternative Titel: Racket Angels |
  • Regie: Douglas Schwartz
  • Land: USA
  • Jahr: 1971
  • Darsteller:

    Clint Ritchie (Rebel), Jess Walton (Kristen/Christie), Paul Prokop (Alex), Michael Ontkean (Jeff), Lavelle Roby (Black Widow), Nino Candido (Snatch), Jon Hill (Whitey), Gary Morgan (Gadget), John Raymond Taylor (Cowboy), Robert Cornthwaite (Ben)


Vorwort

An einer Provinztankstelle stolpern drei Mitglieder einer Rockerbande zufällig über Kristen/Christie (je nach Sprachfassung. Ich bleib mal bei der deutschen Version und nenne sie in Folge Christie), die Ex-Freundin ihres Gangscheffs Rebel. Das ist insofern schlecht für Christie, alldiweil sie im Unfrieden von Rebel geschieden ist und der blutige Leberwurscht-Rache vom Feinsten geschworen hat. Christie nimmt mit ihrem Bruder Jeff (das wird in der DF übrigens nicht klar – ich hielt die beiden bis kurz vor Toresschluss für Lover. Naja. Es schließt sich ja nicht notwendigerweise aus) Reißaus und flüchtet zur Kommune, der beide angehören. Diese Hippie-Enklave wird geleitet von Reservejesus Alex, gegen den uns aller Erlöser ein hundetretender Miesepeter war. Christie fürchtet, dass die Biker sie finden und dann fröhliches Hippieklatschen veranstalten werden, aber Alex ficht das nicht an – der hält das höchstens für eine günstige Gelegenheit für Bestätigung seiner Thesen der Gewaltlosigkeit und des Friedenswillen eines jeden Menschen, selbst, wenn er auf ’nem mickrigen Chopper über Landstraßen bügelt. Die Polizei lässt schön grüßen – wenn Biker- und Hippiegesocks sich gegenseitig totschlägt, erspart das den Behörden bloß Arbeit.

Rebel, verständlicherweise, ist dann auch eher nich‘ so auf dem Gandhi-Trip. Jeff, der als einziger die Energie aufbringt, sich gegen die bösen Motorradrüpel zu wehren, wird angeschossen, und dass Rebel an Ort und Stelle zum allgemeinen Gangbang mit Ringelpiez und Anfassen ausruft, verhindert nur Christie, die einen Gaul unter den Hintern nimmt und weggaloppiert, die Rockers hinterher.

Selbst im Gelände erweist sich Motor-Power der einen Pferdestärke klar überlegen – Christie wird eingeholt und -sackt (sprichwörtlich) und soll, nachdem sich zunächst mal Rebel und seine unmittelbaren Mitstreiter bedient haben, der ganzen Restgang als Matratze dienen. Unterwegs zum Treffpunkt müssen Rebel & Co. aber dringend noch einen Einkehrschwung in einer Kneipe vornehmen. Die auf dem Parkplatz abgelegte Christie (todsicher versteckt, hihi) robbt auf die Straße und wird von einer anderen Bikergang aufgegabelt. Die wird von der Afro-Amerikanerin Black Widow angeführt und die hat aus persönlichen Gründen mit Rebel noch den ein oder anderen Strauß auszufechten.

Black Widow fährt mit Christie und ihrer Gang im Gepäck zur Kommune – ihr Ziel ist klar definiert. Rebel wird sich zusammenreimen, dass Christie zurück zu ihren Freunden geflohen ist, nachkommen und dann einen heißen Empfang erhalten. Alex meint weiterhin die schiere Gewaltlosigkeit predigen zu müssen, aber Jeff gelingt es, den Rest der Hippie-Gang dazu zu bewegen, mal eine Ausnahme zu machen. Während Alex sich enttäuscht zurückzieht, bastelt der Rest in bester A-Team-Manier Motorradfallen, Speere und tödlich-scharfkantige Peace-Symbole. Die große Schlacht kann kommen!


Inhalt

So richtig schönen Sleaze hab ich ja doch schon ein Weilchen nicht mehr besprochen. Bevor aber jemand ob Condorman, Harald Juhnke und Herman-van-Veen-Kinderserien befürchtet, wir könnten den grausamen Pfad hin zu einer familienfreundlichen Website hin nehmen, muss dieser Eindruck hart und gnadenlos ausgelöscht werden. Daher der Griff ins Backprogramm und zu einer von MIGs „Rocker & Biker“-Boxen, in diesem Falle Vol. 4, deren anderen Bestandteil Von der Meute gehetzt ich ja schon vor Jahr und Tag besprochen hatte.

Von den sprichwörtlich hunderten gemeinen Rocker-Filmen, die Hollywoods zweite bis vierte Liga Ende der 60er/Anfang der 70er im Wochentakt in die Drive-ins prügelte, nimmt „The Peace Killers“ einen kleinen Sonderplatz ein – es ist ein Film, der dezidiert *die* zwei Schreckgespenster des konservativ-kleinbürgerlichen Amerikas aufeinander hetzt – ein brauchbarer Alternativtitel wäre sicher „Biker vs. Hippies“. Im echten Leben hatten die beiden Subkulturen keine großen Probleme miteinander (außer vielleicht in Altamont, ähempt), was Zyniker darauf zurückführen, dass beide Gruppen gerne den bewusstseinserweiternden Substanzen frönten, aber für den 08/15-Bible-Belt-Bewohner mussten sowohl die bedrohlich aussehenden, dreckig-ungewaschenen Motorradfreaks als auch die nicht minder dreckig-ungewaschenen, dafür aber weniger bedrohlichen Freie-Liebe-Fanatiker zwei Seiten der gleichen unappetitlichen Medaille sein. Und da der durchschnittliche Exploitationfilm ja keine Sekunde lang daran interessiert war, ernstlich seriöse gesellschaftliche Statements abzugeben (und wenn er’s tat, dann meist aus Versehen oder zumindest unabsichtlich), hatten die kleinen Produktionsklitschen Damocles Productions (nie wieder in Erscheinung getreten) und Transvue Pictures (ansonsten hauptsächlich als Importeur unterklassiger Euroware tätig) keine Hemmungen, den Krieg der Subukulturen auszurufen.

Für die Geschichte zeichnen verantwortlich Diana Maddox (ein weiterer Baustein in meiner These, dass erstaunlich viel misogyne Exploitation von Frauen erdacht wurde), die später mit William Gray „The Changeling“ und mit Robert Littell „Der zweite Mann“, also zwei Großproduktionen, schrieb, und Joel B. Michaels, der als Produzent sein Glück fand und u.a. „Universal Soldier“, „Stargate“, „Die Piratenbraut“, „Terminator 3“ und „Terminator: Salvation“ betreute. Michael Berk, der die Story dann in ein Drehbuch adaptierte, wechselte später ins Fernsehen und schrieb u.a. für feingeistige Serien wie „Thunder in Paradise“ und „Baywatch“ – die Hasselhoff-Schau entwarf er gar gemeinsam mit dem hiesigen Regisseur Douglas Schwartz!

Die Idee hinter „The Peace Killers“ ist ja eigentlich keine schlechte – die Frage, ob die beiden ausgekuckten Subkulturen tatsächlich repräsentativ für die Fraktionen „sinnlose Gewalt“ und „Gewaltlosigkeit bis zum Erbrechen“ stehen, ist ja für das grundsätzliche, äh, philosophische Problem zweitrangig. Sofern man Maddox, Michaels und Berk (im Gegensatz zu dem, was ich zwei Absätze weiter oben geschrieben habe) zutraut, hier tatsächlich ein moralische Fass auf zu machen, ist es jenes, wann selbst dem friedliebensten Pazifisten die Nummer mit „die andere Wange hinhalten“ scheißen gehen kann und ob man, wenn man diese selbstgewählte Grenze einmal überschritten hat, zu seinen eigentlichen Prinzipien wieder zurückkehren kann. Also doch „heavy stuff“ für Exploitation-Sleaze…

Klare Sache, das *kann* nicht funktionieren und tut’s auch nicht – Drive-in-Smut ist nun mal nicht der Platz, an dem man die großen moralischen Dilemmas unserer Zeit klärt. Damit „The Peace Killers“ für die Drive-in-Crowd erträglich bleibt, müssen die Klischees auf Overdrive gestellt werden. Alex ist, wie ich schon oben in der Inhaltsangabe schrob, so sanftmütig, edel und gut, dass Jesus dagegen wie ein Serienvergewaltiger wirkt (und seine Filosofien sind so hirnig-bescheuert, dass ich glaube, nicht mal 1970 und auf LSD hätte der Kerl mehr als einen Jünger. Zumal er nicht mal die „freie Liebe“ propagiert, sondern predigt, dass die schlichte Befriedigung sexueller Gelüste nicht der Sinn spirituellen Strebens sein kann. Dagegen, dass speziell seine Jüngerinnen nackt rumlaufen, hat er allerdings dann auch wieder nichts. Das schöne daran, Guru zu sein, ist, dass man seine Regeln so hindrehen kann, wie man’s braucht), und bei Rebels Attitüde würde selbst Krug aus Mondo Brutale „Holla, mach‘ ma‘ langsam, Junge“ schnaufen. Als sleaze-dramaturgischer Hinsicht muss der Kontrast zwischen den „Guten“ und den „Bösen“ natürlich stark sein, damit die große brutale Showdown-Schlacht (zu der ich wieder mal anbringen könnte, dass die Hippies ihre Biker-Gegner Witchfinder Generalen) nicht nach einer beliebigen Gang-Klopperei wirkt; für die, hihi, „ernsthafte“ Auseinandersetzung mit dem nicht uninteressanten Thema taugt diese plumpe Schwarz-Weiß-Malerei natürlich nicht.

Konsequenterweise gibt’s im ganzen Film nur einen Charakter, der einigermaßen nachvollziehbar bleibt, nämlich Jeff – der ist aber natürlich nicht die Hauptfigur; und selbst bei ihm kann man sich die Frage stellen, warum er, dessen Rübe einigermaßen korrekt angeschraubt scheint (obwohl er schon arg schnell vom „vielleicht-sollte-man-sich-wehren“ zum „ich-bring-sie-alle-um-und-das-möglichst-blutig“ springt), in einer der süßlichsten aller jemals gesichteten Filmkommunen zu finden sein sollte; alle anderen Figuren sind reine Zerrbilder, die teilweise selbst für Exploitationfilmverhältnisse, eh, komisch agieren (ein Beispiel: Black Widows Gang will Rebel massakrieren. Gadget, ein junges Mitglied von Rebels Gang, erschießt eher versehentlich einen von B.W.s Leuten und ihr rechter-Hand-Mann stürzt sich nach kurzer Denkpause mit einem haßerfüllten „MÖRDER!“ auf ihn. Ist jetzt ja nicht so, als ob ihr Rebel nur ’ne Valentinskarte in die Hand drücken wolltet…).

Insgesamt ist die Geschichte recht vorhersehbar – es liegt auf der Hand, dass die entscheidende Konfrontation (sozusagen der symbolische Kampf um Christies Seele – der Streifen spielt mit christlicher, neutestamentarischer Symbolik; eines der einprägsamsten Visuals des Films ist, als Rebel Alex an einem überdimensionales Peace-Zeichen, das über der Rancheinfahrt der Kommune hängt, „kreuzigen“ lässt) zwischen Rebel und Alex, der sich entscheiden muss, ob er als letzter Mohikaner der Gewaltlosigkeit seine Prinzipien einhalten kann oder doch lieber unter Gewaltanwendung Christie rettet, stattzufinden hat. Es ist insofern ein wenig holprig erzählt, alldiweil unsere Autoren sich nie auf einen echten Protagonisten einigen (von der Screentime dürfte es Jeff sein, doch seine Bedeutung im Gesamtzusammenhang ist geringer als die von Alex – wie’s Jeff im Showdown letztlich ergeht, sehen wir nicht mal richtig), aber im Sinne der Story unausweichliche Konsequenz des ganzen set-ups.

Bis wir dahin und zum großen Gemetzel der Entscheidungsschlacht kommen, lässt Regisseur Schwartz leider ab und zu Leerlauf aufkommen. Viel zu viel Zeit schlägt er damit tot, dass seine Biker irgendwohin fahren oder Alex nachdenklich durch die Botanik läuft (diese Montagen bieten dem Film dann auch die Möglichkeit, zwei komplette Songs der Folksängerin Ruthann Friedman, ihres Zeichens aus dem Freundeskreis von Van Dyke Parks, Janis Joplin oder Jefferson Airplane und Autorin des The Association-Hits „Windy“, auszuspielen). Dramaturgisch sinnvoller, wenn auch nicht unbedingt aufregender, sind die recht langatmigen Dialogszenen in der Kommune; sie sind notwendig, damit die Jesus-Metaphorik (es ist nun mal so, dass Alex letztendlich „für“ seine Schäfchen „sündigt“, um sie von dem Bösen der Biker zu „erlösen“) halbwegs hinhaut.
Der Sleaze ist in den ersten beiden Akten spärlich, aber insgesamt nicht von schlechten Eltern – ziemlich früh dürfen wir per Flashback einer Rockerbraut-Vergewaltigung beiwohnen, etwas später wird der alte Tankwart Ben von Rebel gefoltert (wer mit der Bleistift-Szene aus „Evil Dead“ aufgewachsen ist, könnte hieran seine Freude haben), auch Christie wird vergewaltigt und dann in eine Bettdecke o.ä. verschnürt zwischen zwei Motorräder gebunden transportiert, tscha, und im Finale wird mit Äxten, Speeren, Knüppeln, Mistgabeln und Revolvern gefightet, das wird manchmal sogar leicht splattrig.

Kameraarbeit und Schnitt (jeweils von Regisseur Schwartz gehandhabt) liegen auf solidem Früh-70er-B-Level; der Score von Kenneth Wannberg („Of Unknown Origin“, „Das Philadelphia Experiment“ und langjähriger Mitarbeiter von John Williams) weiß nicht genau, ob er nun die Rocker- oder die Hippie-Seite akustisch bevorzugen soll und endet mit einem Kuddelmuddelmischlingsmonstrum, das weder als Rocker- noch als Hippiemusik funktioniert.

Der Cast hat für’n lausigen Biker-Sleazeflick ein paar relativ bekannte Namen zu bieten. „Rebel“ Clint Ritchie (Cormans „Chicago-Massaker“ und später in der Soap „One Life to Live“ heimisch geworden) überzeugt mich nicht – seine Ausstrahlung und seine drehbuchgemäße Attitüde passen einfach nicht zusammen, so sehr er sich müht, er wirkt einfach nicht EVIL genug (und ich weiß nicht, wie der Film continuity-mäßig gedreht wurde, aber seine Bartlänge ändert sich von Szene zu Szene).
Jess Walton als Christie ist dagegen recht gut (und lässt einiges mit sich anstellen, eh) – auch sie fand ihre Berufung Jahre später in der Welt der Daily Soaps – seit 14 Jahren gehört sie zum Stammensemble von „Schatten der Leidenschaft („The Young and the Restless“).
Paul Prokop (Alex) hatte schon Biker-Erfahrungen dank Tom Laughlins erstem „Billy Jack“-Film „Engel der Hölle“ – hier auf der anderen Seite des Spektrums macht er sich als Ersatz-Metapher-Jesus ganz patent, trotz der Dussligkeiten, die ihm das Script teilweise in den Mund legt.
Die größte Karriere legte zweifellos Michael Ontkean hin – der war nicht nur Co-Star von Paul Newman in „Schlappschuss“, sondern auch eine der zentralen Persönlichkeiten in Lynchs „Twin Peaks“. Hier spielt er Jeff und macht zumindest einen lebhaften Eindruck. Dass sich ’ne ernstliche Karriere in „richtigen“ Filmen und Serien anschließen würde, hätte man aber nicht voraussehen müssen.
Lavelle Roby („Sweet Sweetback’s Baadasssss Song“, „Beyond the Valley of the Dolls“) chargiert als Black Widow fürchterlich; Gary Morgan (Gadget, ordentlich, und mit einer recht fiesen Sterbeszene)) ist inzwischen hauptberuflicher Stuntman, auch in Großprodutionen wie „Rush Hour 3“; und als Bonus für 50er-SF-Freaks gibt den gebeutelten Tankwart Ben Robert Cornthwaite (Das Ding aus einer anderen Welt, „Kampf der Welten“).

Bildqualität: Das companion piece „Von der Meute gehetzt“ hab ich ja über alle Maßen gelobt, dann kann ich hier auch über alle Maßen schimpfen. Der Print ist nicht sonderlich gut – 1.85:1-Letterbox (und damit prinzipiell auf 16:9-Equipment aufblasbar), aber ziemlich schwammig-unscharf. Der Print ist zwar um einige Sekunden länger als die alte deutsche Kino- und Videofassung, ob’s allerdings ganz uncut ist, kann ich nicht sagen – die IMDb listet 88 Minuten Laufzeit für die US-Version, da sind 83 Minuten für die deutsche DVD-Fassung über den Daumen gepeilt ein bisschen zu kurz.

Tonqualität: Deutscher und englischer Ton Dolby 2.0. Die deutsche Synchronfassung ist zwar sprechertechnisch passabel, aber von der eigentlichen Tonqualität her ’ne Katastrophe, dumpf und rauschig, stellenweise – wenn offenbar die Tonspur aus einem zweiten Master eingefügt wurde – nahezu völlig unverständlich.

Extras: Der Trailer und eine Galerie Aushangbilder (die schon deswegen ganz drollig sind, weil sie mit zeitgenössischen Zeitungskritiken ergänzt wurden).

Fazit: Ganz interessanter Rockerfilm, der nicht die übliche „Establishment-gegen-fiese-Rocker“-Schiene fährt, sondern bewusst eine andere, ideologisch scheinbar konträre Subkultur gegen die Biker stellt (die letzte Szene deutet sogar die Möglichkeit einer Versöhnung zwischen Hippies und „powers-that-be“ an); die christliche Metaphorik ist ein wenig dick aufgetragen und insgesamt ist die Story etwas zu platt, um ernstlich eine „Aussage“ treffen zu können, wer seinen Sleaze aber gern mit ein wenig Symbolik verziert sieht und ein paar kleinere Längen nicht als K.O.-Kriterium sieht, kann hier zugreifen (zumal der zweite Film in der Box ja auch alles andere als uninteressant ist). Kuriose Drive-in-Exploitation, die man in der Rezeptur nicht oft sieht…

(c) 2012 Dr. Acula


mm
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