Die Anwältin

 
  • Deutscher Titel: Die Anwältin
  • Original-Titel: Physical Evidence
  •  
  • Regie: Michael Crichton
  • Land: USA
  • Jahr: 1988
  • Darsteller:

    Burt Reynolds (Joe Paris), Theresa Russell (Jenny Hudson), Ned Beatty (James Nicks), Kay Lenz (Deborah Quinn), Ted McGinley (Kyle), Kenneth Walsh (Harry Norton), Tom O’Brien (Matt Farley)


Vorwort

Ein verhinderter Selbstmörder entdeckt die Leiche des Tunichtguts Jack Farley, ein Mordverdächtiger ist schnell gefunden: der abgetakelte Ex-Cop Joe Paris, berühmt für seine kurze Temperaments-Zündschnur, seinen Hang zum Alk und dafür, mit Farley die ein oder andere Rechnung offen gehabt zu haben. Genau der richtige Fall für die profilierungswütige Junganwälting Jenny Hudson, die sich zur Pflichtverteidigerin bestellen lässt. Aber es scheint so, als hätte sie sich mit dem Fall etwas zu viel auf die schmalen Schultern geladen – Paris leidet nämlich leider unter einem alkbedingten Blackout, was die Tatnacht betrifft und das Alibi, das ihm sein Stammkneipier ausstellt, erweist sich nur zu schnell als getürkt. Immerhin gelingt es Jenny, Paris auf Kaution aus dem Knast zu holen, doch kooperativ ist der gute Mann nicht wirklich, bis sogar Jenny glaubt, Paris könnte den Mord tatsächlich verübt haben. Doch dann gelingt es ihr, einen Hauptbelastungszeugen der Anklage auseinanderzunehmen und ein zutreffendes Alibi zu präsentieren, jedenfalls so lange, bis die Entlastungszeugin einem subtilen Einschüchterungsversuch des Staatsanwalts auf den Leim geht. Es bleibt dabei – die einzige Chance, Paris die Verurteilung zu ersparen, ist, den wahren Täter zu finden. Nur leider bieten sich Anwältin und Ex-Cop keinerlei Spuren…


Inhalt

Michael Crichton, den Bestsellerautor, kennt jeder. Seine Romane und die sich meist postwendend anschließenden Verfilmungen wie „Jurassic Park“, „Die Wiege der Sonne“, „Congo“, „Enthüllungen“ etc. haben die 90er Jahre stark geprägt. Dabei ist Crichton ein alter Hase, der schon seit den 70ern Romane schreibt und, was vermutlich deutlich weniger bekannt ist als seine Schriftstellertätigkeit, sich auch gerne, wenn sich die Gelegenheit ergibt, als Regisseur betätigt. Diesem „Hobby“ verdankt die Welt den superben SF-Klassiker „Westworld“, die Gaunerkomödie „Der große Eisenbahnraub“, den legendären Medizinthriller „Coma“ oder den trashig-lustigen SF-Klopper „Runaway – Spinnen des Todes“ mit Tom Selleck und KISS-Zunge Gene Simmons. „Physical Evidence“, früher in Deutschland unter dem Verleihtitel „Die Anwältin“ vermarktet, markiert Crichtons bisher letzten offiziellen Ausflug auf den Regiesessel (er übernahm später noch unkreditiert die Regie bei „Der 13te Krieger“, weil er mit John McTiernans Arbeit unzufrieden war).

Der Streifen mag Crichton-Fanatiker ein wenig vor den Kopf stoßen, denn es handelt sich keineswegs um einen technologischen Thriller wie die meisten seiner Romane und Filme, sondern um eine ziemlich konventionelle Mischung aus Justizdrama und Cop-Thriller, der, wenn man ganz böse ist, nicht wirklich besonders weit weg ist von biederer TV-Serien-Ware a la „Matlock“. Leider, und es ist verdammt verwunderlich, wenn man bedenkt, wer hier am Steuer saß, ist das Script eindeutig die schwächste Komponente des Films (immerhin muss Crichton sich nicht ankreiden lassen, es geschrieben zu haben) – es kann sich nämlich nie richtig entscheiden, ob der Film nun ein klassischer Gerichtskrimi werden (was nicht die schlechteste Entscheidung gewesen wäre, da ich erstens Gerichtskrimis sowieso mag und zweitens finde, dass die Gerichtsszenen in „Physical Evidence“ zu den Highlights zählen) oder es doch primär um den tatsächlichen Vorgang der Aufklärung des Verbrechens gehen soll – konsequent durchgestanden, hätte auch die zweite Variante funktioniert, leider krankt die Geschichte daran, dass die Auflösung reichlich an den Haaren herbeigezogen ist; des Rätsels Lösung wird kaum vorbereitet, sondern kommt eher als „deus ex machina“, als wäre dem Autor so auf Seite 90 seines Scripts eingefallen, dass er langsam, aber sicher, ein einigermaßen vernünftiges Ende hinzimmern muss, koste es, was es wolle. Oberflächlich mag das als „Überraschung“ noch funktionieren, aber wenn man nicht nur passiv konsumiert, sondern auch versucht, die Handlung aktiv zu verfolgen und mitzukombinieren, wird man bei „Physical Evidence“ schnell aufgeben, weil der Film bzw. sein Script diesbezüglich nichts hergibt, echte, aus dem Buch kommende Spannung kann sich daher nicht aufbauen (zuständig für Story und Drehbuch war übrigens Bill Phillips, dessen einzige echt bedeutende weitere Schreiberlingsarbeit die Stephen-King-Adaption „Christine“ für John Carpenter war. Und das ist ein Film, der sicherlich auch nicht gerade für sein gehaltvolles Buch bekannt ist).

Michael Crichton scheint auch, was seine Regiearbeit angeht, nicht sein dickstes Herzblut an den Streifen vergossen zu haben. Handwerklich ist das alles auf gediegenem, aber auch hochgradig unoriginellen Niveau, das ist kein Vergleich zu auch visuell einfallsreichen Classics wie „Westworld“ oder „Coma“ – alles anständig, aber eben unkreativ, schlicht-funktional, ohne Experimente. Zumindest in der Eröffnungsszene blitzt ein wenig subversiver Humor durch, ward aber im Restfilm dann auch nicht mehr gesehen. Man könnte fast meinen, Crichton würde einfach das Sujet nicht liegen, aber dann erinnert man sich an ein Buch wie „Nippon Connection“ („Die Wiege der Sonne“) und konstatiert, dass Crichton eher „normale“ Krimi-Thriller-Kost ja auch schreiben kann und dann ja wohl auch ein gewisses Gespür für die Umsetzung ebensolcher haben sollte. Es spricht halt einfach viel dafür, dass der gute Mann sich, was man ihn angesichts des vermuddelten Scripts nicht verübeln kann, eben nicht verausgabt hat. Professionelle Routine, aber eben keine Begeisterung, das spricht Michael Crichtons Inszenierung hier (und liegt da ungefähr auf Linie mit der unkreativen Kameraführung und dem unauffälligen Score von Altmeister Henry Mancini).

Die Besetzung ist nicht von Pappe. Für Burt Reynolds stellt „Physical Evidence“ im Vergleich zu seinen sonstigen Rollen um diese Zeit (nämlich Krempel wie „Malone“, „Rent-a-Cop“ oder die kurzlebige TV-Serie „B.L. Stryker“) eine deutliche Steigerung dar. Es ist nicht gerade eine völlig neuartige Rollengestalt für ihn, aber zumindest eine etwas dunklerer, tiefschürfenderer Charakter als die meist recht eindimensionalen harten Männer, die er in dieser Phase, wohl um seinen Stapel niveauloser (aber unterhaltsamer) Komödien wie „Auf dem Highway ist die Hölle los“, „Ein ausgekochtes Schlitzohr“ oder „Der rasende Gockel“ wieder auszugleichen, zumeist spielte, da ihm die Rolle des Joe Paris erlaubt, sowohl andeutungsweise seine charmant-liebenswürdige Seite herauszustellen, andererseits aber auch gleichzeitig einen jähzornigen, gewalttätigen Drecksack, der nicht wirklich großartig „besser“ oder „moralischer“ ist als die Vertreter der Verbrecherbriade, zu geben. Reynolds (und sein obligatorisches Toupet) erledigen das mit rustikalem Charme (eine Prügelszene liess Burt sich aber sicherheitshalber ins Drehbuch schreiben).

Für Theresa Russell, einem Cinaestenpublikum eher durch Arthouse-Filme wie „Insignificance – Die verflixte Nacht“, „Track 29 – Ein gefährliches Spiel“ (beide von ihrem Ehemann Nicolas Roeg) und Bob Rafelsons Thriller „Die schwarze Witwe“ bekannt, war „Physical Evidence“ zusammen mit dem nachfolgend von ihr gedrehten Copthriller „Impulse“ von Sondra Locke der letztlich zum Scheitern verurteilte Versuch, ins Mainstream-Fach vorzudringen. Weiß der Geier, warum’s letztlich nicht geklappt hat, schließlich ist Russell in „Physical Evidence“ erstens zuckersüß anzusehen und legt zweitens eine durchaus ordentliche Performance hin, und das, obwohl ihr Charakter nicht immer wirklich schlüssig geschrieben ist (der Film versucht in einer Art Parallelhandlung Jennys „Kampf um die Wahrheit“ mit einem Selbstfindungsprozeß gleichzusetzen – sie überdenkt ihre Prinzipien, trennt sich von ihrem Verlobten, dem Börsenspekulanten Kyle [gemimt von „Eine schrecklich nette Familie“-Jefferson Ted McGinley, der ein paar Lacher wert ist] usw.). Nichtsdestotrotz waren ihre nächsten bedeutenden Rollen ihre kritikerseits gerühmte Darstellung einer Prostituierten in „Die Hure“ und die weibliche Hauptrolle in Soderberghs „Kafka“ – danach ging’s mit ihrer Karriere steil bergab. In „Wild Things“ hatte sie noch mal einen sehenswerten Auftritt, aber mittlerweile muss sich die wirklich erstklassige Schauspielerin tatsächlich sogar schon für Jim-Wynorski-Filme wie „Project Viper“ hergeben. It’s a crying shame…

Ihren Gegenspieler im Gerichtssaal spielt Ned Beatty, der Burt Reynolds schon im „rasenden Gockel“ Schwierigkeiten bereitete und ansonsten natürlich noch aus dem unvergeßlichen „Beim Sterben ist jeder der Erste“ (auch mit Burt Reynolds) bestens bekannt ist. Beatty macht aus einer nicht einfachen Rollengestalt (mangels eines zentralen Schurken ist sein Staatsanwalt die eigentliche „negative“ Figur, obwohl er durchaus, zwar hart, aber nicht unfair, nach den Regeln spielt) das Maximum. Kenneth Welsh („Timecop“, „Death Wish V“), Tom O’Brien („Angeklagt“, „Die Frau des Astronauten“) und Ray Baker („Hard Rain“), die eigentlichen „Bösen“, können aufgrund drehbuchbedingter Unterrepräsentiertheit kaum etwas zum Gelingen des Films beitragen.
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Bildqualität: Also, Hut ab, im Vergleich zu Veröffentlichungen von Konsorten wie Madison oder Best kann das, was Magic Video/Power Station in der Budget-Schiene herausbringt, bildtechnisch durchaus überzeugen. Klar, anamorphe Widescreen-Transfers wird man in dieser Preisklasse nicht finden, aber immerhin einen 4:3-Letterbox-Transfer (wohl im originalen 1.85:1-Ratio, schätzt mein Augenmaß), der deutlich über VHS-Niveau rangiert. Der Print ist weitgehend verschmutzungsfrei, Detail- und Kantenschärfe bewegen sich ebenso wie der Kontrast auf gut durchschnittlichem Niveau, nur ein grober Mastering-Fehler (für zwei Sekunden pixelt’s da ganze Legosteine über den halben Bildschirm) schleicht sich ein. Die Kompression bewegt sich auf ansehnlichem Niveau (für die Preisklasse), vermeidet Nachzieher und gibt erst beim Vierfachzoomtest wirkliche Schwächen zu erkennen.

Tonqualität: In der Preisklasse darf man auch keinen Originalton erwarten, schon klar. Also nur deutscher Ton im Dolby 2.0-Format, von zweckmäßiger, unspektakulärer Güte – immerhin rauschfrei, gut verständlich und recht differenziert gemischt, aber insgesamt recht drucklos. Nicht, dass der Film im Optimalzustand eine Dolby-Anlage ausreizen könnte…

Extras: Nischewo.

Fazit: „Physical Evidence“ erweist sich als klaglos ansehbarer, aber einfach etwas zu unschlüssig geschriebener „altmodischer“ Thriller ohne größere filmische Überraschungsmomente. Michael Crichton inszeniert den Film routiniert, aber ohne Enthusiasmus und verlässt sich auf das kompetente Spiel seiner drei Hauptdarsteller Reynolds, Russell und Beatty. Das macht summa summarum keinen Klassiker für die Ewigkeit, lässt aber auch keine Langeweile aufkommen. Wer ein Faible für juristisch angehauchte Thriller hat (also z.B. mit John Grisham was anfangen kann) und sich nicht zu sehr daran stört, dass das eigentliche mystery ziemlich weit hergeholt ist, wird an dem Film durchaus auch seine Freude haben. Man kann sich jedenfalls deutlich schlechter die Zeit vertreiben. Die DVD ist angesichts des grabbeltischkompatiblen Preises technisch akzeptabel.

3/5
(c) 2006 Dr. Acula


mm
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