- Deutscher Titel: Die 1000 Augen des Dr. Mabuse
- Original-Titel: Die 1000 Augen des Dr. Mabuse
- Regie: Fritz Lang
- Land: BR Deutschland/Frankreich/Italien
- Jahr: 1960
- Darsteller:
Dawn Addams (Marion Menil), Peter van Eyck (Henry B. Travers), Wolfgang Preiss (Dr. Jordan/Peter Cornelius), Gert Fröbe (Kriminalkommissar Kras), Werner Peters (Hieronymus B. Mistelzweig), Andrea Checchi (Hoteldetektiv Berg), Howard Vernon (Nr. 12), Nico Pepe (Hotelmanager), David Cameron (Michael Parker), Jean-Jacques Delbo (Cornelius‘ Butler), Marielouise Nagel („Das blonde Glück“), Reinhard Kolldehoff (Roberto Menil alias „Klumpfuss“), Lotti Alberti (Schwester Agnes), Albert Bessler (Hotelingenieur), Manfred Grothe (Kriminalassistent Keyser), Renate Küster (TV-Ansagerin), Wolfgang Völz (Karl, der Barmann), Linda Sini (Corinna)
Vorwort
Kriminalkommissar Kras erhält einen ungewöhnlichen Tipp – der blinde Hellseher Cornelius sagt einen Mord voraus. Leider sind die Angaben sehr vage und daher kommt für den Fernsehreporter Peter Barter jede Hilfe zu spät. Eine mit einem Luftgewehr direkt in sein Gehirn geschossene Stahlnadel hat ihm bereits die Lebenslichter ausgeblasen.
Dieweil trägt sich der im Hotel Luxor abgestiegene amerikanische Industrielle Travers mit dem Gedanken, sein Firmenimperium durch Zukauf einer britischen Plutoniumfabrik zu vergrößern. Bevor er zum Abschluss kommen kann, muss er allerdings Marion Menil, ein hübsches Ding, retten – die nämlich will sich just vor seinem Fenster in den Freitod stürzen. Während Travers sich trotz aller Widrigkeiten in die abweisende Marion Hals über Kopf verknallt, erinnert sich ein Polizeiveteran an den längst dahingeschieden geglaubten Superverbrecher Dr. Mabuse, dessen Untaten aufgrund des „braunen Spuks“ weithin in Vergessenheit geraten sind. Der Barter-Mord bedient sich einer ähnlichen Methodik wie frühere Mabuse-organisierte Boshaftigkeiten. Als sich herausstellt, dass die Opfer einer ganzen Menge ungeklärter Morde im Hotel Luxor abgestiegen waren, kaprizieren sich Kras‘ Ermittlungen auf das ominöse Hotel – ein paar Verdächtige sind schnell gefunden: neben Cornelius, der für Kras unter Generalverdacht steht, kommen dem Kommissar vor allem Marion und der aufdringliche Versicherungsmakler Hieronymus B. Mistelzweig („B. steht für Bauch“) ausgesprochen unkoscher vor. Kras legt unauffällig in Gesprächen mit den Verdächtigen „Köder“ aus – mit Erfolg, denn schon am nächsten Morgen möchte man ihn mit seinem eigenen Diensttelefon in die Luft jagen. Kras hat Glück, sein Assi beißt allerdings ins Gras.
Marion gesteht Travers, auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann zu sein und erhält seelischen Beistand nicht nur vom Ami, sondern auch von ihrem Psychiater Dr. Jordan, indes erwähnt Mistelzweig beiläufig, dass das Luxor noch von den Nazis errichtet wurde. Kras versammelt seine verdächtigen Schäfchen zu einer „telepathischen Seancé“ bei Cornelius und prompt ereignet sich wieder ein Mordanschlag – während Kras meint, dass er das Opfer sein sollte, bezieht Cornelius das Attentat auf sich. Hoteldetektiv Berg verrät gegen geringfügige monetäre Gegenleistung Travers eine Methode, wie er bequem (durch einen Spiegel aus dem Nachbarraum) Marion überwachen könne. Travers ist angewidert, aber als Marions Ehemann wutig auftaucht, erweist sich das als ganz nützlich. Im Gerangel tötet Travers den Mann und schmuggelt die Leiche mit Hilfe von Berg und Jordan aus dem Hotel. Der Kadaver taucht aber wenig später in einer Bombenruine auf, umgeben von der angekokelten Reichskriminalakte Mabuse… zieht der geniale Verbrecher tatsächlich im Hintergrund die Strippen?
Inhalt
Fritz Lang müsste man gewesen sein – dann hätte man nicht nur einen, sondern mindestens glatte vier Klassiker des deutschen Kinos auf dem Konto, neben „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ und „Metropolis“, wegweisenden Meilensteinen auf ihrem jeweiligen Genre-Gebiet, natürlich noch die beiden „Dr. Mabuse“-Filme, die 1922 bzw. 1933 in die Kinos kamen – letzterer aber nur kurz, weil die Nazis durchaus kapierten, worauf Lang anspielte, und den Streifen postwendend aus dem Verkehr zogen. Zumindest Goebbels schien Langs die Totalitarismuskritik nicht weiter nachzutragen, er trug ihm sogar die komplette Leitung über den deutschen Film an. Lang lehnte dankend ab und emigrierte in die USA, wo er mit Western, Beiträgen zum film-noir-Boom und einigen explizit anti-nationalsozialistischen Filmen (wie „Ministerium der Angst“ – ironischerweise ließen diese politisch motivierten Streifen Lang in den Blickpunkt des Kommunistenfressers McCarthy geraten) künstlerisch wie kommerziell kleinere Brötchen backen musste. 1956 kehrte er nach Deutschland zurück, drehte für Atze Brauner den Doppelschlag „Der Tiger von Eschnapur/Das indische Grabmal“ und seine Rückkehr zum Mabuse-Motiv, gleichzeitig Startschuss einer insgesamt sechsteiligen Reihe neuer Mabuse-Filme, ein Rezept, das Brauner wohl im Zuge des Erfolgs der Edgar-Wallace-Filmreihe für lukrativ hielt (womit er nicht irrte).
Auric Goldfinger – die Lehrjahre
Heino bei einem seiner gefürchteten spontanten Telefonkonzerte in seiner weithin unbekannten Hippie-Phase
Im Gegensatz zu Langs originalen Mabuse-Filmen basiert „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“ nicht auf einer Vorlage des französischen Mabuse-Erfinders Norbert Jacques (der im Originalroman Mabuse wesentlich deutlicher als Anti-Helden und nicht als Erzverbrecher stilisierte), der extra für Lang Anfang der 30er eine Fortsetzung seines Romans schrieb, damit Lang diese als „Das Testament des Dr. Mabuse“ verfilmen konnte. Das Script verfasste diesmal Lang selbst, zusammen mit Heinz-Oskar Wuttig (der später für erfolgreiche Fernsehserien wie „Alle meine Tiere“, „Salto mortale“ und „Drei Damen vom Grill“ die Drehbücher erdachte), nach einer Idee von Jan Fethke („Der schweigende Stern“ – tja, 1960 konnte man noch innerdeutsch zusammenarbeiten).
Lang und Wuttig bemühen sich beim Script um einen zweigleisigen Ansatz – einerseits ist „Die 1000 Augen“ ein straff erzählter Kriminalfilm um einen komplex arrangierten Fall, andererseits soll die gesellschaftskritische Komponente der ursprünglichen Mabuse-Filme nicht vergessen werden: ein durchgängiges Thema, ohne sich in den Vordergrund zu schieben und vom Kriminalfall abzulenken, ist das kollektive „Vergessen“, das gesellschaftliche Ausblenden der Nazi-Zeit. Mabuses „Testament“ ist vergessen, weil man die ganze Epoche vor 1945 gerne abhaken möchte, es ist vorbei, nicht mehr relevant und nach Möglichkeit „nie passiert“; vergleichbares gilt für das Luxor-Hotel, das Dreh- und Angelpunkt der Story ist (es wird SPOILERiffic, also seid gewarnt) – erbaut von der SS als Herberge für Staatsgäste und andere hohe Tiere , wurde das Gebäude mit einer hochmodernen Total-Überwachungsanlage ausgerüstet, die von den Bösewichtern zufällig entdeckt und für ihre Zwecke eingespannt wurde. Der Plan der Schwarzhutfraktion funktioniert also auch in diese Bezug nur darum, weil die „Gesellschaft“ an sich an den Hinterlassenschaften der Nazizeit nicht mehr interessiert sein *will*. Dazu passt auch, dass Mabuse (ein neuer Mabuse übrigens) seine Helferleine als anonyme, austauschbare Nummern betrachtet und um seine Person ein gewisser Führerkult errichtet wird (seine Untergebenen nennen ihn nur den „Doktor“ [was würde Doctor Who dazu sagen?] und zittern generell vor ihm). In einem eher (speziell aus heutiger Sicht) heiteren Kritikpunkt karikieren die Autoren den „modernen“ Drang zu Astrologie und Hellseherei (die selbstverständlich im Filmverlauf als Mumpitz und fauler Zauber entlarvt wird). Diese Aspekte nehmen, wie gesagt, nie überhand – man kann die Geschichte genießen, ohne diese Bezüge überhaupt ins Kalkül zu ziehen, sie sind in gewisser Weise nur Beiwerk, aber solches, das besonders Lang ganz offensichtlich persönlich wichtig war.
Der Kriminalfall selbst ist im Vergleich zu den hanebüchenen Plotten, die die späteren Mabuse-Filme, die sich dann gerne utopisch angehauchter MacGuffins bedienten (und damit eigentlich eher als Vor- und/oder Mitläufer des Eurospy-Genres gesehen werden könnten, und von Jess Francos in-name-only-Nachzieher „Dr. M schlägt zu“ reden wir an dieser Stelle nicht, lieber sind wir gespannt auf die anstehende Neuverfilmung aus dem Hause RatPack), recht raffiniert konzipiert – ganz im Sinne von Old Hitch hat der Zuschauer einen kleinen Wissensvorsprung; im Gegensatz zu den Filmcharakteren ahnen wir als schlaue Zuschauer, dass Travers, der geschäftstüchtige Amerikaner, eine gewichtige Rolle in Mabuses Ränkespiel spielen muss (und das diese wohl mit seinen geschäftlichen Transaktionen zu tun haben muss, wo’s doch um Atomtechnik geht). Das Script baut jede Menge Verdächtige ein, legt falsche Fährten, präsentiert Überraschungen (bei der ein oder anderen mag man sich fragen, ob die wirklich so ganz schlüssig aus dem Plan des Schüfts hervorgeht), hält das Tempo hoch und beinhaltet, für einen deutschen Film von 1960, eine hübsche Parade an Brutalitäten (natürlich nicht-graphischer Natur) – ins Gehirn geschossene Stahlnadeln, Bombenattentate, tödliche Maschinengewehrsalven – der typische Heile-Welt-Film, wie die 50er ihn als gefälligen Eskapismus für die kriegsgebeutelte Bevölkerung zelebrierten, ist das jedenfalls nicht.
Die Charaktere sind stimmig – bis auf den etwas zu edelmütigen Travers (der so selbstlos und gut ist, dass man versucht ist, ihn schlicht und einfach *deswegen* auf die Verdächtigenliste zu setzen… vielleicht war das ja auch der Gedanke) sind das mehr als nur solide geschriebene Figuren, die, auch das ein zentrales Thema des Films, beinahe durch die Bank nicht diejenigen sind, die sie zu sein scheinen; dazu gesellt sich Kommissar Kras, den man fast als eine Art Columbo-Vorläufer sehen kann, als er seine Verdächtigen gerne mal mit vermeintlicher Naivität, beherztem Ausplaudern geheimer Informationen und gewissem spitzbübischen Charme auskontert.
Filmisch kann man sich ja nicht erlauben, Fritz Lang ernsthaft zu kritisieren. Natürlich ist „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“ in künstlerischer Sicht keine Fortschreibung von Langs 20er- und 30er-Klassikern (da walte Atze Brauner, dem bis, na, sagen wir mal, Anfang der 80er Jahre nicht wirklich etwas an *Kunst* lag – wir reden von dem Gesellen, der so künstlerisch wertvolle Lichtspielwerke wie „Jungfrauen-Report“ oder „Der Irre vom Zombiehof“ finanzierte, ehe ihn sein Gewissen packte und er in dem Alter, in dem andere Menschen in Rente gehen, hochwertigere Ware, gerne vor dem Hintergrund des Dritten Reichs, wie „Hitlerjunge Salomon“ oder „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“ anschob).
Die Kameraführung von Karl Löb, späterer Stammfotograf der Wallace-Serie („Die toten Augen von London“, „Der Hexer“, „Der Mönch mit der Peitsche“, außerdem schwang er die Kamera bei einigen Karl-May-Filmen wie „Unter Geiern“ oder „Old Surehand“) ist nicht spektakulär – großartige Rasanz oder Dynamik sucht man in den Bildern vergeblich, aber er bewegt das Objektiv immerhin und bekommt auch eine kapable Autoverfolgungsjagd mit Geballere ohne die beinahe schon üblichen Hochspeed-Effekte hin. Ein wenig bedauern darf man, dass Lang nicht in Farbe drehen konnte oder wollte, denn die Ausstattung wäre sicherlich auch in Technicolor ein Hinkucker gewesen (ich denke nicht nur an die Schaltzentrale im Keller des Hotels, die vielleicht nicht gerade einem James-Bond-Film, aber jedem Euro-Imitat Ehre machen würde, sondern auch an Cornelius‘ Räumlichkeiten, die mit beleuchteten Sternzeichen-Konstellationen an den Wänden verziert ist und in Farbe bestimmt Eindruck geschunden hätten).
Das Tempo ist, wie gesagt, hoch, der Spannungsbogen aufgrund der vielen ausgelegten Fußangeln und roten Heringe nicht zu verachten (selbst, wenn man den Kniff der Geschichte eigentlich schon kennt, fragt man sich unweigerlich ab und an, ob das Geschehen nicht *doch* eine andere Abzweigung nehmen könnte) und, obwohl die Figur des Hieronymus B. Mistelzweig zunächst stark danach müffelt, hält sich Lang mit aufdringlichem comic relief wohltuend zurück – der ironische Humor der Kras-Figur ist absolut passend und Mistelzweigs Eskapaden erklären sich durch einen der zahlreichen Twists.
Was dem Film vielleicht fehlt, ist eine „stand-out“-Sequenz, ein Bild, das sich unweigerlich ins Gedächtnis einbrennt und ein Showdown, der etwas einfallsreicher ist als eine zwar anständig inszenierte, einem Superverbrecher vom Schlage Mabuses aber eher unwürdige Verfolgungsjagd – das ist für diese Figur einfach nicht ikonographisch genug (EXTREME SPOILER: letztlich schraubt sich „Mabuse“ mit seinem Auto relativ unbedrängt von einer Brücke). Lang setzt – möglicherweise auf Betreiben Brauners, dem es eindeutig um die Etablierung einer weiteren franchisetauglichen Serie neben den Wallaces ging – zu sehr auf vordergründige Action anstatt auf visuelle Memorabilität (ächz), was die Mabuse-Figur leider entmystifiziert – aus dem nahezu übermenschlichen Schurken der Klassiker wird ein gewöhnlicher, wenngleich ausgesprochen intelligenter (und über Umwege die Weltherrschaft anstrebender) Krimineller.
Der Score von Bert Grund („Abenteuer im Roten Meer“, „Funkstreife Isar-12“, „Der Andro-Jäger“) ist unauffällig, für ein paar angesagte Big-Band-Nummen reicht’s dank einer ausführlichen Ballsaal-/Tanzszene allemal.
Wie schon gesagt, ist der Streifen für einen deutschen Film von 1960 ziemlich brutal (selbst im Vergleich zu den etwa zeitgleichen Wallace-Filmen). Selbstverständlich ist die Gewalt nicht explizit oder wirklich blutig (obwohl ein wenig Kunstblut verspritzt werden darf), aber Szenen aus einem Obduktionssaal, von Bomben „zerrissene“ Leichen und niedergeschossene Frauen sah man zu dieser Zeit eher selten. Zeitgenössisch kassierte der Streifen dann auch eine FSK 16, in aufgeklärteren (hihi) Zeiten wie diesen reicht der FSK aber auch ein 12er-Rating aus (und das ist okay so. Für „weniger“ ist der Body Count dann doch zu hoch und die Einstellung des Films zu zynisch).
Schauspielerisch gibt’s Licht und Schatten. Den Schatten verkörpert hauptsächlich die Britin Dawn Addams, die sich, obwohl sie stets synchronisiert werden musste, in dieser Zeit häufiger in teutonischen Werken herumtrieb (in ihrer Vita stehen Filme wie „Die Jungfrau auf dem Dach“, „Geheimaktion Schwarze Kapelle“, aber auch Hammer-Produktionen wie „Schlag 12 in London“ und „The Vampire Lovers“, außerdem spielte sie in der semikultisch verehrten TV-Serie „Das Mädchen aus dem Weltraum“). Ihr fehlt es – leider – völlig an Ausstrahlung. Mag daran liegen, dass sie dadurch irritiert war, mit Partnern zu spielen, die in einer anderen Sprache agierten als sie, aber es fällt schwer, ihr abzukaufen, dass ein gestandenes Mannsbild wie Peter van Eyck (alias Travers, der ausführlich zu Protokoll gibt, Frauen nur als one-night-stands zu betrachten) sich Hals über Kopf in sie verknallt. Sie ist nicht hässlich, ganz gewiss nicht, aber jetzt auch nicht *dieser* Hinkucker, und ihre Theatralik wirkt oft arg aufgesetzt.
Van Eyck selbst, so etwas wie der Action-Star des deutschen 60er-Jahre-Kinos (er spielte Hauptrollen in drei weiteren Mabuse-Filmen, jedes Mal in anderer Rolle, außerdem agierte er in Western und Kriegsfilmen), ist durchaus charismatisch, hier aber zu eindimensional – und, in Ergänzung des zu Addams Gesagten, es verbindet ihn keine Chemie mit seiner Partnerin, was seine Performance doch drückt.
Zum Glück gibt’s mindestens zwei Leute, die dieses Manko ausgleichen (zumal „Die 1000 Augen“ ein Ensemble-Film ist, der niemandem die Last der alleinigen Hauptrolle aufschultert) – zum einen den ungeheuer spielfreudigen Gert Fröbe („Goldfinger“, natürlich), der als Kras alle Register seines Könnens zieht und eine wirklich unterhaltsame, sehenswerte Leistung hinlegt. Das blieb Atze Brauner nicht verborgen, der Fröbe für zwei weitere Mabuse-Filme engagierte. Zum anderen Wolfgang Preiss, der seine beiden (bzw. drei, hüstel) Rollen perfekt hinlegt und, wenn man’s nicht weiß, Anicht durchblicken lässt, dass seine Figuren von ein und dem selben Schauspieler gemimt werden (die Publicity des Films ging soweit, Preiss nur für eine Rolle zu kreditieren und die andere einem gewissen „Lupo Prezzo“ – dreimal dürft Ihr raten, was das auf Deutsch heißt – zuzuschreiben). Auch hier beweis Brauner Durchblick und ließ Preiss in den nächsten vier Mabuse-Filmen den Schurken spielen (nur im letzten, „Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse“, machte Preiss nicht mit, was Brauner nicht daran hinderte, den Film als „mit Wolfgang Preiss“ zu bewerben. Ausgleichende Gereichtigkeit: In Chabrols 1990er-Neuauflage „Dr. M“ durfte Preiss wieder mittun).
Werner Peters (Stammgast in der Wallace-Reihe, u.a. „Der schwarze Abt“, „Die Gruft mit dem Rätselschloss“) lässt zunächst zu befürchten, er wäre nur für die vermeintlichen Lacher da, aber eine Figur ist vielschichtiger als gedacht und Peters verkörpert alle Aspekte adäquat.
In den Nebenrollen gibt’s Internationalität und künftige Prominenz – Andrea Checci (El ‚Che‘ Guevara, „Die Stunde wenn Dracula kommt“) ist als undurchsichtiger, bestechlicher Hoteldetektiv Berg angemessen, der spätere Jess-Franco-Regular Howard Vernon eine überzeugende eiskalte Killer-Sau. Als Barmann Karl gibt sich ein noch gertenschlanker Wolfgang Völz („Raumpatrouille“) die Ehre, und in einer unübersichtlichen Horde von Reportern zu Filmbeginn (nach Marions Selbstmordversuch) feiert ein gewisser Dieter Hallervorden seine Schauspielpremiere…
Bildqualität: Recht neu ist „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“ grabbeltischkompatibel von Falcon Neue Medien aufgelegt worden. Leider bedient sich das Label eines Vollbildprints (Lang drehte selbstverständlich in breiterem Format, 1.66:1), wodurch doch einiges an Bildinformationen hervorgeht (da Lang die Breite des Bildes durchaus zu nutzen weiß). Außerdem ist’s der kuriose Fall eines Prints, dem zur Abwechslung nicht der Nachspann (außer einer „FIN“-Tafel, die dafür spricht, dass man hier nicht mit einem deutschen Print gearbeitet hat, gibt’s eh keinen), sondern der VORspann fehlt („Regie: Fritz Lang“ dürfen wir noch lesen). Abgesehen davon ist die Bildqualität anständig – die Schärfe ist für eine Grabbeltisch-VÖ überdurchschnittlich, der Kontrast gut, die Defekte und Verschmutzungen halten sich in absolut tolerablen Grenzen.
Tonqualität: Deutscher Stereo-Ton wird geboten – minimales Grundrauschen, gute Verständlichkeit, durchschnittlicher Musik- und Soundeffektmix.
Extras: Leider ein dezentes Nix.
Fazit: Die Meßlatte lag mit Langs Mabuse-Filmen aus längst vergangenen Zeiten sicherlich arg hoch, und man darf getrost spekulieren, dass der Meister durch seine nicht immer erfreulichen Hollywood-Erfahrungen und den Drang Brauners, leicht vermarktbare Kommerzreißer in die Kinos zu bringen, nicht gerade höchstmotiviert war, aber „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“ steht inhaltlich doch noch ein wenig über dem durchschnittlichen Wallace-Film (und weit über dem, was die nachfolgenden Mabuse-Filme, die ich alle durchaus gern mag, und es auch sehr begrüßen würde, wenn die ebenfalls finanzierbare DVD-Releases bekämen, bislang gibt’s nur eine sündhaft teure Komplettbox, so boten) und ist auch formal hochanständig. Man möchte dem Film eine bessere Hauptdarstellerin wünschen (die automatisch auch van Eycks Leistung hochziehen würde), und vielleicht etwas mehr „klassische“ Lang-Schule in der künstlerischen Gestaltung, aber spannendes Unterhaltungskino Made in Germany anno 1960 geht kaum besser. Kurzweilig, clever konstruiert, spannend und mit ausgezeichneten Leistungen von Fröbe und Preiss, daher für den Streifen an sich eine klare Empfehlung. Eine DVD in korrektem Bildformat und mit Vorspann wäre erfreulich, bis dahin muss man wohl mit FNMs Billig-Version Vorlieb nehmen.