Detour

 
  • Deutscher Titel: Detour
  • Original-Titel: Snarveien
  •  
  • Regie: Severin Eskeland
  • Land: Norwegen
  • Jahr: 2009
  • Darsteller:

    Marte Cristensen (Lina), Sondre Krogtoft Larsen (Martin), Jens Hulten (Gunnar), Johan Hedenberg (Bosse), Malin King (Lotta), Inga Didong Harrie (Ellinor), Jeppe Laursen (Lasse), Knut Walle (Edgar)


Vorwort

Wieder einmal geraten junge Leute durch das Teufelszeug Alkohol in eine ausgesprochen fatale Lage – weil sie für die Party ihres Kumpels Lasse eine Kombiladung Stoff von Schweden nach Norwegen schmuggeln (hm, ich weiß, dass der Sprit schon in Schweden teuer ist. Was verlangen die dann in Norwegen für ’ne Dose Bier, auf dass der Schmuggel sich rechnet?). Et kütt, wie’s kommen muss – die eh schon abgelegene Nebenstraße, die sich Martin und Lina ausgesucht haben, ist gesperrt, der freundliche Polizeimensch leitet das Paar auf eine NOCH einsamere Waldstraße um. Die runtergekommene Tanke, die zwecks Navigationshilfe angesteuert wird, wird offenkundig nur von einem mittelbedachschadeten Suffkopp bewohnt, und auf dem finsteren Waldweg erleidet die Kalesche unserer Helden einen spontanen Reifenschaden. Martin joggt zurück zur Tanke (und entdeckt dabei, dass der Gummi seiner Schleuder durch eine höchst absichtlich gelegte spanische-Reiter-Falle perforiert wurde. Die Tankstelle ist verschlossen, Martin behilft sich durch einen beherzten Einbruch und gerät in eine Auseinandersetzung mit dem begreiflicherweise darob leicht echauffierten Bedachschadeten, doch der freundliche Polizeimensch hilft aus der Bredouille. Kaum hat Martin den Reifen geflickt, stolpert unser Pärchen über ein halbtotes junges Frauenzimmer. Erneut weiß der freundliche Polizeimensch Rat – die gehöre zu einem ältlichen Ehepaar, das mit der Jungspundin leicht überfordert sei. Das Mädel wird abgeliefert, und alles könnte gut ausgehen, doch dann springt Martins Karre nicht an… und nur ein bisschen unangebrachte Neugier selbst findet Martin heraus, dass dem Haus der alten Leute ein amtlicher Folterkeller angeschlossen ist. Upsi!


Inhalt

Norwegen fiel mir beim FFF zuletzt durch Cold Prey positiv auf – der mochte den Slasher nicht neu erfunden haben, profitierte aber von tollem Setting, vergleichsweise intelligentem Script und insgesamt souveräner Machart; das Sequel verpasste ich letztes Jahr aufgrund ungünstiger Parallelprogrammierung, aber wenn sich dieses Jahr die Gelegenheit schon bot, einen anderweitigen norwegischen Genrefilm zu betrachten, sag ich dazu nicht nein. Wer weiß – wenn die alten Elche es schon schaffen, ausgelutschte Stoffe wie den guten alten Slasher zu beleben, vielleicht klappt’s dann ja auch mit dem Backwoods-Folterfilm?

Das war zumindest meine Überlegung, doch nach dem Genuss der knapp eineinviertel Stunden „Detour“ (ist nun auch nicht gerade ein Epos) war mir nicht nach „Cold Prey“-mäßigen inneren Freudensprüngen zumute. Was Writer/Director Severin Eskeland in seinem ersten Langfilm nach diversen Horror-Shorts hier abliefert, ist die Perwoll-gespülte, jugendfreie, Pro-7-beste-Sendezeit-taugliche Weicheiversion eines Horror-/Folterfilms, die man sowohl Oma Ilse als auch deren Urenkel Kevin-Justin vorführen kann, ohne Herzinfarkte respektive schwere psychologische Traumata befürchten zu müssen. Einziger entschuldigender Umstand wäre, wenn Eskeland den Streifen als sanfte Genre-Parodie angedacht hätte – was prinzipiell denkbar wäre, so wie er jedes auch nur ansatzweise erdenkliche Klischee zelebriert -, aber keine mir vorliegende Quelle lässt Rückschlüsse auf einen eventuell humoristisch intendierten Ansatz zu.

Muss ich halt davon ausgehen, dass Eskeland die Chose todernst gemeint hat – und dann ist „Detour“ halt leider Gottes ein FAIL ersten Ranges. Okay, es ist (selbst wenn der Film nicht absichtlich komisch ist) recht witzig, dass Eskeland in der (objektiv betrachtet ausgesprochen langwierigen) Auftaktphase nun wirklich jeden möglichen Punkt, an dem die Story zum Horror-Part übergehen könnte, zwar anspielt, aber ignoriert. Wenn ich richtig mitgezählt habe, nimmt „Detour“ erst die siebte (!) mögliche Abzweigung, um seine Helden in die Bredouille zu bringen; es ist ganz spaßig anzusehen, wie das erste halbe Dutzend Möglichkeiten, von der Polizeikontrolle bis zum Abliefern des Mädels, in Wohlgefallen aufgelöst werden (und speziell der freundliche Polizeimensch alle Register seines Könnens zieht, um Martin und Lina ungeschoren ihrer Wege ziehen zu lassen… erst, als Martin zu neugierig wird, lässt’s sich nicht mehr vermeiden, das Paar in den Keller, äh, „einzuladen“), aber es sorgt auch dafür, dass sich so gute vierzig, fünfundvierzig Minuten lang nicht wirklich horribles (oder außergewöhnlich spannendes) tut, außer dass wir als Zuschauer mehr oder weniger aus Verzweiflung darüber, dass der Streifen nicht zu Potte kommen will, praktisch aus schierer Notwehr anfangen, die diversen verstreuten Puzzleteilchen (ist der Polizist nicht etwas ZU freundlich? Wieso liegen da spanische Reiter auf der Straße? Hat so ein schmieriger Tankwart schon jemals Gutes im Schilde geführt? Ist die alte Oma nicht ein wenig penetrant?) zusammenzusetzen.

Ich will nicht sagen, dass Eskeland völlig ohne gute Ideen auskäme – schon allein der Gedanke, die Hinterwald-Killer mal nicht als inzestverkrüppelte Degenierte, sondern als verhältnismäßig normale Familie darzustellen, für die das Foltern argloser Reisender nicht unbedingt tiefere seelische Erfüllung, sondern ein simples Geschäftsmodell ist (die Family filmt ihre Foltereinlagen und vertickt sie an snuffhungriges Publikum im Internet. Ja, das WWW ist mal wieder mächtig evil. Nicht, dass aus dem Punkt etwas sonderlich geistreiches oder spannendes entwickelt würde, es wird halt einfach hingeworfen), gefällt, gerade weil „Detour“ ansonsten ja jedes Klischee, das nicht bei 3 auf’m Baum ist, mit Freuden einbaut. Die Konstellation der Folter-Familie ist auch recht nett (es wird SPOILERiffic). Gunnar, der Cop, ist das intellektuelle Oberhaupt, Bosse, der Tankwart (der gehört natürlich auch dazu), die ausführende Muskelmasse, Oma so etwas wie die spirituelle Führerin und Opa – tja, der wird von seiner lieben Verwandschaft in einer Art katatonischen Zustand gehalten, ist aber trotzdem noch klar genug, um genau zu schnallen, was vor sich geht, und das gar nicht gut zu finden. Ist quasi ein kompletter Gegenentwurf zum üblichen Leatherface-Clan, dessen Mitglieder sich an Wahn und Debilität nur so übertreffen.

Insbesondere die Cop-Figur hat’s mir durchaus angetan – Eskeland gelingt hier das Kunststück, den Charakter durch seine Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft tatsächlich *so* verdächtig zu machen, dass man beinahe enttäuscht ist, wenn er sich dann wirklich als „Böser“ outet (und keine Frage, seine große Verteidigungsrede, als auch Lina endlich kapiert hat, wohin der Hase läuft, und ihm ’ne Knarre unter die Nase hält, ist GROSS-AR-TIG, das Kino – naja, die zehn-fuffzehn Nasen, die wirklich nix besseres zu tun hatten, als sich am Donnerstag nachmittag in den Saal zu hocken, hielt sich kollektiv die Bäuche vor Lachen. Ich bin mir entsetzlicherweise nur nicht sicher, ob Eskeland das wirklich lustig gemeint hat…). Kann aber alles auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Detour“ halt keine Sekunde lang aufregend ist. Eskeland komprimiert seinen „Horror“-Part auf knapp dreißig Minuten, da ist dann natürlich mit großartiger Spannungsentwicklung nicht mehr viel zu machen (wobei ich schon der Ansicht nachhänge, dass man ruhig zehn Minuten Laufzeit dranklatschen und den Schlussakt etwas horribler hätte machen können) – ein paar Minuten im Folterkeller, ein paar Minuten Flucht, ein ziemlich hingerotzter, überhasteter Showdown und die übliche der-eigentlich-schon-abgemurkste-Killer-kommt-noch-mal-zurück-Szene, das macht das Kraut nicht mehr fett.

Handwerklich ist das durchaus in Ordnung, die Skandinavier haben einfach ein gutes Händchen dafür, dass ihre Filme *gut* aussehen; theoretisch wäre auch die Odyssee durch den überzeugend abgelegen wirkenden schwedischen Hinterwald durchaus stimmungsvoll (das halt nichts sonderlich spannendes passiert, ist dem Unterfangen abträglich), letztlich ist der Stimmungstöter der nicht wegzudiskutierende Umstand, dass „Detour“ halt fürchterlich blutleer ist, im Wortsinne. Für einen Film, dessen Gimmick eine munter folternde und killende Familie ist, tut sie wenig dergleichen. Nein, ich brauche jetzt keine norwegische „Hostel“-Variante, in dem irgendjemandem die Hoden an ein Brett genagelt werden o.ä., man muss keinen torture porn draus machen, aber – GAR NICHTS ist halt dann doch ein bissl wenig. Sämtliche folternde Aktivität des verschrobenen Clans findet off-screen statt, an tatsächlich gezeigter Gewalt müssen wir uns mit dem kurzen Kampf Linas mit der Familie (plus einem Kopfschuss) begnügen; ich will nicht behaupten, dass das jetzt Bussi-Bär-Niveau wäre, aber wenn ich schon diese Thematik anpacke, muss ich auch den Mut (Mut? Braucht man dafür heute noch MUT?) haben, wenigstens den ein oder anderen Splattereffekt zu zeigen – wenn ich mir praktisch wöchentlich ’nen härteren „Tatort“ Sonntagabendzwanzigfuffzehn ankucken kann, fehlt mir ein wenig der Sinn an der ganzen Operation „Detour“, insbesondere weil Eskeland ja nicht gerade versucht, statt der plakativen Gewalt die psychologische Schiene zu fahren, sondern aus einem typischen „Hardcore“-Horrorfilm nur die blutigen, splattrigen Elemente rausnimmt und den Rest, quasi eine freiwillig vorzensierte jugendfreie Version, auf den Zuschauer loslässt.

Gegen die Schauspieler lässt sich nichts sagen (es ist in der Tat ein erfreulicher Festival-Trend, dass man auch sowohl bei den kleineren als auch den billigeren Filmen ein gewisses darstellerisches Grundniveau erreicht hat. Keiner der von 25 von mir gesichteten Filme kam mit untalentierten Nulpen im Cast daher). Marte Cristensen ist eine natürlich-hübsch anzusehende, sympathische junge Frau mit dem gewissen girl-next-door-appeal (allerdings mag ich ihr irgendwie nicht abkaufen, mit einem headbangenden Metalfan liiert zu sein), auch Sondre Krogtoft Larsen (gut beschäftigter norwegischer TV-Akteur) ist durchaus sympathisch und schauspielerisch recht überzeugend. Jens Hulten (regular in der schwedischen „Johan Falk“-TV-Serie, von der ich – warum? WARUM??? – erst im Zuge meiner Recherchen gehört habe, obwohl einige Folgen offenbar sogar schon hierzulande zu sehen waren… dass ich Anders Nilssons Falk-Filmtrilogie ziemlich knorke finde, habe ich ja bereits verschiedentlich niedergeschrieben) als Cop Gunnar ist eine echte Schau. Auch die weiteren Darsteller – überwiegend im schwedischen und norwegischen Fernsehen aktiv – wissen durchaus zu gefallen.

Fazit: Ich weiß nicht recht – „Detour“ war wieder so ein Fall von der Sorte Film, die mich, während ich sie gesehen habe, ganz annehmbar unterhalten, aber im Nachgang einen schalen Nachgeschmack hinterlassen. Der Streifen ist nunmal – bewußt? – furchtbar unoriginell und versucht mit ein-zwei Ideen (der inflationären Klischee-Zelebrierung und der als Kontrast dagegen gesetzten „normalen“ Killerfamilie) über die Runden zu kommen, was ihm vielleicht sogar gelingen könnte, würde Eskeland nicht einen viel zu langen Anlauf für viel zu wenig Action nehmen und dann noch – wohl ebenfalls in purer Absicht – fast komplett auf das verzichten, was Fans des Genres (und er wird wohl selbst nicht glauben, dass er mit „Detour“ ein Publikum erreicht, das normalerweise keine Horrorfilme anschaut) nun mal und auch mit Recht erwarten, nämlich zumindest ein Mindestmaß an *Horror* und Splatter. In der Form verfehlt Eskeland ganz klar die Möglichkeiten (und in gewisser Weise den Sinn) eines Kino-Horrorfilms – wenn er so blutarm (und dann nicht mal mit psychologischem Thrill) arbeiten will, kann er das auch für’s Fernsehen tun (es ist immerhin ein bisschen besser als Gonger).

UDPATE:

Mittlerweile liegt mir die BluRay-Disc aus dem Hause MFA vor, daher ein paar Worte zur Umsetzung.

Bild: MFA präsentiert den Film im originalen 2.35:1-Widescreen. Die Qualität des Transfers ist gut, aber nicht überragend, zumal der Film da und dort bewusst einen etwas rauheren, ansatzweise „grindigen“ Look pflegt. Durchaus hübsch anzusehen, aber jetzt auch keine Umsetzung, die zwingend danach schreit, die BluRay zugunsten der DVD aus dem Regal zu ziehen.

Ton: Eine überraschend gut gelungene (und auch besetzte) deutsche Synchro sowie der norwegisch-schwedische O-Ton jeweils in DTS-HD 5.1, wobei mir die deutsche Fassung sogar etwas druckvoller abgemischt zu sein scheint (zumindest, was die diversen Metalsongs im Soundtrack angeht). Etwas kundenunfreundlich finde ich, dass die Sprachfassung nur über das Menü gewechselt werden kann – das ist bei BluRays dank Pop-Up-Menüs zwar etwas einfacher als auf einer DVD, dennoch eine unnötige Kundengängelung.

Extras: Das ist leider mager – neben dem Trailer findet sich nur eine knappe Trailershow auf andere MFA-Titel, filmbezogenes Sekundärmaterial fehlt gänzlich, was ich bei einem aktuellen Film und einem Nicht-Grabbeltisch-Release kaum akzeptieren mag.

Zusammenfassend – okaye BluRay eines nicht sonderlich bemerkenswerten Films, wobei mir schon auffällt, wie exzessiv Packaging und Promotion „Detour“ in die Torture-Porn-Tradition eines „Hostel“ stellen wollen, obschon der Film selbst (bis auf dreißig Sekunden im Vorspann) in der Hinsicht praktisch gar nichts bietet. Als Nicht-Torture-Porn-Fan sehe ich das relativ gelassen, aber es kann dazu führen, dass man zuschauerseits mit völlig falschen Erwartungen an den Streifen herangeht und *dann* hat dieser kleine, bodenständige Thriller schlichtweg gar keine Chance mehr…


mm
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