Der Wolfsmensch

 
  • Deutscher Titel: Der Wolfsmensch
  • Original-Titel: The Wolf Man
  •  
  • Regie: George Waggner
  • Land: USA
  • Jahr: 1941
  • Darsteller:

    Lon Chaney jr. (Larry Talbot/Der Wolfsmensch), Claude Rains (Sir John Talbot), Warren William (Dr. Lloyd), Ralph Bellamy (Col. Paul Montford), Patrick Knowles (Frank Andrews), Bela Lugosi (Bela), Maria Ouspenskaya (Maleva), Evelyn Ankers (Gwen Coliffe), J. M. Kerrigan (Charles Conliffe), Fay Helm (Jenny Williams)


Vorwort

Der Unfalltod seines älteren Bruders führt Larry Talbot nach achtzehn Jahren Abwesenheit zurück aufs heimatliche Schloss des Talbot-Clans, wo er von seinem Vater angelernt werden soll, die Pflichten des örtlichen Gutsherren zu übernehmen. Der amerikanisierte Talbot fühlt sich in der ländlichen Dorfgemeinde und seinem Vater fremd, verkuckt sich aber bei erstbester Gelegenheit in die hübsche Gwen, ungeachtet der Tatsache, dass das Mädel bereits verlobt ist. Als eine Truppe Zigeuner einreitet, entscheiden sich Larry, Gwen und deren Freundin Jenny unglücklicherweise zum Besuch beim Wahrsager. Unglücklicherweise deshalb, weil Bela, der Wahrsager, ein Werwolf ist und in Jenny sein nächstes Opfer erkennt. In Wolfsform greift Bela Jenny an und tötet sie. Es gelingt Larry seinerseits, den Wolf mit dem silbernen Griff seines frisch gekauften Werwolf-Spazierstocks totzuschlagen, aber er trägt einen Biss davon.

Die konservative Gemeinschaft der Dorffrauen macht die unselige Liason von Gwen und Larry ursächlich für Jennys Tod verantwortlich und Larry gerät zudem in Bedrängnis, als anstelle eines Wolfskadavers die Leiche Belas mit eingeschlagenem Schädel aufgefunden wird. Die alte Zigeunerin Maleva versucht Larry begreiflich zu machen, dass er durch Belas Biss selbst zum Werwolf geworden ist, aber der praktisch veranlagte Teilzeit-Yankee kann mit derlei metaphysischem Mumpitz nichts anfangen. Aber natürlich hat die alte Schrumpel Recht – schon in der nächsten Nacht erfreut sich Larry unnatürlicher Fell- und Pfotenbildung, streift hinaus und bringt den lokalen Totengräber um.

Larry kommt langsam zur Überzeugung, tatsächlich ein Werwolf zu sein, aber sein behandelnder Arzt hält ihn höchstens für psychisch gestört, dieweil der neuerliche Mord die Bevölkerung heftig beunruhigt. Larry versucht unauffällig das Weite zu suchen, wird aber von seinem Vater ertappt, der des Sohnemanns Vermutung, ein Lykanthrop zu sein, für Nonsens und eine Psychose hält, der sich Larry gefälligst wie ein Mann zu stellen habe. Die von Sir Talbot vollzogene Therapie, Larry an einen Stuhl zu fesseln, erweist sich allerdings als verbesserungswürdig. Natürlich gelingt es dem Werwolf-Larry, sich zu befreien und wer könnte sein nächstes potentielles Opfer schon sein außer Gwen…?


Inhalt

Mit dem Wolfsmenschen brachte Universal 1941 den dritten (und letzten) großen Horror-Archetypus des klassischen Horrorfilms auf Spur – im Gegensatz zu den vorher ausgeschlachteten Dracula- und Frankenstein-Mythen konnte das Studio aber nicht eine bereits etablierte Romanvorlage nutzen, sondern musste etwas „from scratch“ erschaffen. Zwar gehörte der Lykanthrop zum existenten, wenn auch eher obskuren Legendenschatz europäischer Folklore, aber ein echtes „Standardwerk“ zum Thema gab es bis dato nicht (es sei denn, man rechnet R.L. Stevensons „Dr. Jekyll & Mr. Hyde“, wie es Stephen King in „Danse Macabre“ z.B. tut, aufgrund des entscheidenden Faktors „Aufspaltung der Persönlichkeit in eine apollonische und dionysische Seite [simpel ausgedrückt könnte man selbstverständlich auch „gut“ und „böse“ sagen, aber wir sind hier ja intellektuell] in die Werwolfs-Kategorie [mit gleicher Begründung kann man übrigens auch den „Hulk“ zu den Werwölfen zählen]).

„The Wolf Man“ war mitnichten Universals erster Versuch auf diesem Gebiet, bereits 1932 hatte Robert Florey (der auch die ersten „Frankenstein“-Treatments verfasste und „Murders in the Rue Morgue“ drehte) ein Werwolfs-Script als neues Boris-Karloff- Vehikel vorgeschlagen, das von Universal aber wegen seiner religiösen und moralischen Komponenten abgelehnt wurde. Statt dessen entstand 1935 „The Werewolf of London“ (demnächst hier zu besprechen) mit Henry Hull, der aber keinen besonderen Eindruck hinterliess. Als das Studio nun Anfang der 40er Jahre daran ging, Lon Chaney jr. zum neuen Horrorsuperstar aufzubauen, erinnerte man sich an das Thema und beauftragte Curt Siodmak („Son of Dracula“) ein entsprechendes Drehbuch zu verfassen, das von Floreys Original-Entwurf nur noch den Titel übernahm.

Trotz des moderaten Budgets von 180.000 Dollar trommelte das Studio eine namhafte Besetzung zusammen, allen voran den „Unsichtbaren“ Claude Rains, der ein knappes halbes Jahr später einen gewissen „Casablanca“ drehen sollte (und dafür eine seiner vier Oscar-Nominierungen erhielt). Warren William war speziell in den 30er Jahren ein Star in A-Produktionen und feierte gerade hauptrollenderweis in der „The Lone Wolf“-Reihe, einer der vielen damals kassenträchtigen B-Detektivserien, Erfolge, Patrick Knowles hatte gerade mit John Ford gedreht und war ein paar Jahre zuvor von Warner nach Hollywood gelockt worden, um Errol Flynn Konkurrenz zu machen (was das Studio nicht ahnte, war, dass Knowles und Flynn alte Kumpel waren). Maria Ouspenskaya hatte sich auch schon zwei Oscar-Nominierungen abgeholt, Bela Lugosi hatte, obwohl seine Karriere längst auf absteigenden Ast war, immer noch einen Namen; Evelyn Ankers galt als Universals vielversprechendstes Horror-Starlet (siehe „Ghost of Frankenstein“ und „Son of Dracula“) und war sowas wie die Stamm-Partnerin von Lon Chaney jr. (obwohl die beiden sich nicht ausstehen konnten). Dadurch wird deutlich – auch wenn Universal die Horrorabteilung vom Produktionsaufwand als „B“-Ware einstufte, man gab sich zumindest Mühe, für die knappen Budgets das bestmögliche Ensemble zu engagieren. Und auch hinter der Kamera standen Könner – Regisseur George Waggner war, wie viele Universal-Regisseure, die auf die Horrorfranchises losgelassen wurden, ein Routinier und die Fotografie besorgte mit Joseph Valentine ein multipler Oscar-Nominent (und späterer -Gewinner). Für die Make-ups war wie immer Jack Pierce zuständig, die optischen Tricks besorgte, ebenfalls wie üblich, John Fulton.

Dennoch gilt „The Wolf Man“, aus filmhistorischer Sicht betrachtet, speziell im europäischen Raum, bei vielen eher als ungeliebtes Stiefkind des klassischen Universal-Monsterkanons. In Punkto Popularität kann’s der Wolfsmensch nur schwerlich mit Dracula und dem Frankenstein-Monster aufnehmen, im Gegensatz zu den beiden anderen großen Archetypen des Genres wurde er nie diese Ikone der Pop-Kultur, obwohl Universal das Wolfsmonster fünfmal einsetzte (beginnend mit dem unmittelbaren Sequel „Frankenstein meets the Wolf Man“ wechselte der Werwolf nahtlos ins Frankenstein-Franchise und blieb dort bis zum Schwanengesang der Serie, „Abbott & Costello meet Frankenstein“, ansässig. Übrigens, was für Universals Horrorfranchises auch einmalig ist, wurde der Werwolf in allen Filmen von Lon Chaney jr. gespielt, während die Dracula- und Frankensteins-Monster- Darsteller munter durchwechselten).

Ein Grund für die „Vernachlässigung“ des Wolfsmenschen liegt sicherlich darin begründet, dass die Werwolfslegende zwar durchaus, wie erwähnt, in vielen europäischen Legenden ihre Erwähnung findet, ihr jedoch das Aushängeschild in Form eines populären fiktiven Vorbildcharakters (sprich einer Figur wie eben dem literarischen Dracula oder Frankenstein).

Was dem Film vielleicht in Punkto Popularität schadete, war Curt Siodmaks Vorteil – der bereits im Review zu „Son of Dracula“ gewürdigte deutsche Emigrant konnte für sein Script freies Land beackern, musste sich nicht an wohldefinierte Vorgaben hallten, sondern konnte frei fabulieren. Siodmak gab später zu Protokoll, umfangreiche Recherchen über die diversen europäischen Lykanthropen-Mythen durchgeführt zu haben, letztendlich erschuf er aber eine im Grundsatz eigene Mythologie, die aber ihrerseits ein Eigenleben entwickelte und bis zum heutigen Tag quasi den Status Quo der Werwolf-Regeln- und -Richtlinien darstellt. Das, wenn man so sagen will, „moderne“ Werwolf-Bild geht also ursächlich auf Curt Siodmak zurück. Nach eigenen Aussagen verarbeitete Siodmak, ein deutscher Jude, in seinem Script eigene Erfahrungen, die er im Nazideutschland hatte machen müssen. In der Tat ist, um ein bis zwei Ecken gedacht, die eigentliche Werwolfproblematik für das „Drama“ der Story relativ unerheblich – der zentrale Punkt des Films ist, dass Larry Talbot als „Rückkehrer“ in seine alte Heimat von der dortigen Bevölkerung nicht mehr akzeptiert wird. Durch seinen langen Auslandsaufenthalt ist er für die Einheimischen nun „keiner von uns“, er ist ein Fremder im eigenen Land, er wird abgelehnt, beleidigt, schlußendlich verfolgt. Es ist nicht allzuschwer, diese Diskriminierung auf die Situation eines Juden in Nazideutschland zu übertragen und den Werwolf als Metapher zu sehen (Siodmaks ursprüngliches Drehbuch sah sogar vor, dass der Werwolf bis auf die Schlussszene nie gezeigt werden sollte, es also, ähnlich wie es später in Tourneurs „Cat People“ zelebriert wurde, dem Publikum den Zwiespalt eröffnete, ob Talbot sich *wirklich* in einen Werwolf verwandelte oder es, wie es im Endscript immer noch einige Male angedeutet wird, nur eine Psychose ist, die Talbot durch eine Art Massen-Fremdsuggestion seitens der feindseligen Dörfler aufoktroyiert wird. Dann wären die Parallelen zur Judenverfolgung noch offensichtlicher gewesen, alldieweil Larrys „Andersartigkeit“ dann eben nur eine eingebildete gewesen wäre). Eine weitere Symbolik, für deren „Enttarnung“ als Metapher man nicht Einstein sein muss, ist die „Markierung“ der Opfer mit einem Pentagramm, mithin also einem Stern (und innerhalb der Werwolf-Mythologie macht es durchaus Sinn, dass der Werwolf das Pentagramm- Stigma selbst trägt als es auch als „Zeichen“ seines nächsten Opfers an ebenjenem zu sehen. Schliesslich ist der Werwolf nicht bewusster Täter, sondern selbst Opfer eines Fluchs, dem er sich trotz Aufbietung aller Willenskraft nicht entziehen kann).

Aber lassen wir mal die politischen Implikationen des Scripts beiseite – das ist eher das Feld für die wirklich „harten“ Filmhistoriker – hält man sich diese Parallelen vor Augen, machen sie das Script zweifellos interessanter und vielschichter, als man zunächst anhand einer „simplen Horrorstory“ annehmen möchte, es ist aber nicht notwendig, sich zwingend die Vergleiche zu Nazideutschland vor Augen zu halten, um dem Film an sich folgen zu können. Unabhängig davon möchte „The Wolf Man“ offenkundig ein psychologischer Horrorfilm sein, dem das Studio quasi nachträglich das Monster angetackert hat – unter diesen Voraussetzungen ist es nicht überraschend, dass die titelgebende Kreatur ihr haariges Antlitz nach ca. 40 Minuten (umgerechnet bei knapp 68 Minuten Laufzeit also ungefähr nach zwei Filmdritteln) erstmals vor die Linse hält. Obwohl Siodmak sein ursprüngliches Script auf Studiowunsch noch in Richtung konventioneller Monsterheuler umgestrickt hat, bleibt erkennbar, dass originär die Intention war, das Abgleiten Larry Talbots in den Wahnsinn zu schildern, wobei eine weitere vom Studio verlangte Änderung dem Film diesbezüglich *inhaltlich* (zu der darstellerischen Komponente komme ich noch) zum Vorteil recht – Universal erst hatte darauf bestanden, dass Larry der Sohn des Gutsherrn John Talbot sein sollte (in Siodmaks erster Fassung war Larry ein amerikanischer Techniker, der auf Talbots Schloss ein Teleskop installieren sollte). Dadurch gewinnt der Film die zusätzliche Ebene der Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn – obwohl sie sich vordergründig einigermaßen zu verstehen scheinen, besteht eine psychologische Barriere zwischen den beiden – Larry fühlte sich als „Zweitgeborener“ offenbar vernachlässigt bis ungeliebt und hat deswegen in Amerika die Laufbahn eines praktisch veranlagten Werktätigen eingeschlagen; das führt zu verdrängten Konfikten mit seinem Vater, einem Gentleman alten Schlages, ganz abgesehen davon, dass Larry der intellektuelle Zugang zum metaphysischen Bereich völlig fehlt (den jeder andere am Ort zu haben scheint, was ihn wiederum, siehe oben, zum Außenseiter stigmatisiert). Zum Ausbruch kommt dieser Konflikt dann kurz vor dem Finale, als Larry sozusagen bei Nacht und Nebel fliehen will, aber von seinem Vater daran gehindert wird, der scheinbar vermutet, dass Larry lediglich den Verantwortungen seiner zukünftigen Aufgabe und den Anfeindungen der Dorfgemeinschaft ausweichen will und seinen Werwolfswahn als bequeme Ausrede ansieht, womit der Vater zum (spoiler ahead) Verantwortlichen für den Untergang seines Sohnes wird (in mehrerlei Hinsicht…).

Für knappe 70 Minuten steckt in der Story also mehr als nur bloße Monsteraction (genau genommen sogar nur sehr wenig Monsteraction, da der Wolfsmensch genau EINMAL tötet). Die Geschichte ist in ihrer Unausweichlichkeit, in der sie aufs tragsiche Ende zusteuert (der Werwolf ist ähnlich dem Frankenstein-Monster eine zutiefst melodramatische Figur), ähnlich einer griechischen Tragödie strukturiert, inklusive des von den alten Griechen bekannten Hilfsmittels des erklärenden bzw. kommentierenden „Chors“, der im „Wolf Man“ von der immer wieder auftauchenden Zigeunerin Maleva verkörpert wird. Witzigerweise will Siodmak diese klassische Struktur völlig unabsichtlich geschaffen haben und zeigte sich überrascht, als ihm mehr als zwanzig Jahre nach der Filmentstehung fachmännischerseits eröffnet wurde, an welch antiken Vorbildern er sich vermeintlich orientiert hatte, während Regisseur George Waggner schon kurz nach den Dreharbeiten dahingehend äußerte. „The Wolf Man“ mag für die zeitgenössische Kinozuschauerschaft zumindest dahingehend erschreckend gewesen sein, als seine Titelkreatur nun wirklich eine solche war, die für ihr Schicksal nichts konnte, keine moralischen Leitlinien verletzt und demzufolge ihre „Bestrafung“ nicht verdient hatte (bei der „Frankenstein“-Kreatur hatten sich die Autoren ja noch den Kunstgriff mit dem „kriminellen Gehirn“ ausgedacht).

Leider weist „The Wolf Man“ auch einge auch schon fast klassisch zu nennende Plotholes auf. Nie erklärt wird z.B. warum Bela, der Zigeuner-Werwolf, sich in einen Wolf im animalischen Wortsinne verwandelt, während Larry in die halb-Mensch-halb-Wolf-Kreatur (auf deren Design ich noch zu sprechen kommen werde) transformiert. Auch kurios: Maleva reicht Larry einen Glücksbringer, der ihn vor dem Werwolfs-Fluch schützen soll, nachdem Bela ihn gebissen hat. Ihrem eigenen Sohn (Bela eben) hat sie ein solches Goodie aber nicht angedeihen lassen. Scheint keine glückliche Familie gewesen zu sein… Die üblichen Gestaltwandlerproblemchen (woher haben die nach der Rückverwandlung immer wieder ihre Klamotten?) lassen sich natürlich auch in „The Wolf Man“ beobachten. Witzigerweise ist im Film übrigens kein einziges Mal ein Vollmond zu sehen.

Filmisch liegt Waggner auf der Linie der etwa zeitgleich entstandenen Dracula- und Frankenstein- Sequels. Die Kameraarbeit ist für die Entstehungszeit ausgezeichnet, sehr beweglich und stimmungsvoll (übrigens bemüht auch „The Wolf Man“ das von James Whale geprägte Gimmick, den Film in einer „zeit- und raumlosen“ Atmosphäre anzusiedeln. Auch Waggner bzw. Siodmak drücken sich um eine geographische Ansiedlung [im Script spielte die Plotte ursprünglich in Wales] und spielen bewusst mit Anachronismen [auch hier gibt’s moderne Autos einerseits und Pferdefuhrwerke andererseits usw.]). Einige eher surreal- expressionistisch angehauchte Aufnahmen des unwirklichen Waldes rund um Dorf und Schloss sind inbegriffen. Dank der kurzen Laufzeit wird’s nie richtig langweilig, auch wenn die Geschichte, wie angemerkt, einige Zeit braucht, um zum wirklichen „Horror“ zu kommen, aber insgesamt ist das Tempo recht angenehm, auch dank des modernen visuellen Stils.

Der Score, eine Kollaboration diverser Universal-Hauskomponisten und vielfältig wiederverwendet, ist gefällig, wenngleich, wie so oft bei klassischen Horrorfilmen, etwas dick auftragend.

Auch „The Wolf Man“ beinhaltet relativ wenig, was man heute noch als „Horror“ bezeichnen würde. Der Body Count ist mit insgesamt vier Toten selbst für einen Kintopp-Thriller von anno dunnemals moderat, dafür ist der Streifen aber in seinen „Gewaltszenen“ verhältnismäßig brutal – zum ersten Mal in der Geschichte der Universal-Horrorfilme dürfen wir einigen Mordtaten tatsächlich (wenngleich natürlich nicht frontal und exploitativ) tatsächlich zusehen! (Ich wundere mich tatsächlich, warum die in Sachen offener Gewaltdarstellung äußerst zahmen Frankenstein-Filme immer noch mit FSK 16 behaftet sind, der Werwolf aber, mit seinen drastischeren Bildern, als FSK 12 firmiert).

Kommen wir langsam zu den beiden Haken an der Geschichte, die meines Erachtens zum größten Teil dafür verantwortlich sind, warum „The Wolf Man“, speziell im Vergleich zu „Frankenstein“, einfach nicht diese Reputation als genrebegründender Klassiker genießt. Punkt Nummer Eins ist, ich muss es leider sagen, das extrem debil wirkende Monster-Make-up. Ja, ich weiß, es ist von Jack Pierce und daher nach Ansicht einer gewissen Klientel per se genial, aber, tut mir leid, das sieht nicht aus wie ein Werwolf, sondern wie ein sonnengebrunter Ivan Rebroff nach achtundzwanzig Pullen Wodka und einigen schlaflosen Nächten. Da tut mir Lon Chaney echt leid, dass er sich täglich vier-fünf Stunden schminken lassen musste (und das unter verschärften Bedingungen, weil er und Pierce sich nicht ausstehen konnten), aber das Endresultat ist einfach nur – natürlich aus heutiger Sicht – lächerlich. Das kann keinen Schrecken erzeugen… Einige Werwolf-Aufnahmen werden mehrfach im Film verwendet. Die Transformationssequenzen, von John Fulton durch Überblendung technisch gelöst, sind zurückhaltend (Ganzkörpertransformation traute man sich nicht zu und beließ es bei Nahaufnahmen von Füßen/Händen/Klauen bzw. Gesicht) eingesetzt und aus heutiger Sicht nicht mehr sonderlich beeindruckend.

Haken Nummer 2 ist die Besetzung, trotz ihrer Prominenz. Der grundlegende Malus des Casts ist, dass Claude Rains und Lon Chaney als Vater und Sohn völlig inkompatibel sind. Nicht nur, dass das „Männlein“ Claude Rains ungefähr zwei Köpfe kleiner ist als der mittlere Kleiderschrank Chaney und die beiden ca. soviel Familienähnlichkeit aufweisen wie ein Pinguin und ein Nilpferd, verbindet die beiden keine Chemistry, die beiden spielen irgendwie aneinander vorbei (und dass Chaney zu alt und, ähm, etwas zu stattlich für die Rolle des jugendlichen Frauenhelden ist, hat nicht nur yours truly schon festgestellt). Ich hab Chaney durchaus schon schlechter aufgelegt gesehen (natürlich vor allem in den zahllosen Low-Budget-Heulern, die er im Spätherbst seiner alkoholgetrübten Karriere drehte), und auch Claude Rains macht für sich allein gesehen einen akzeptablen Job, aber es passt nicht zusammen.

Da können die Nebendarsteller auch nicht mehr viel retten, auch wenn Evelyn Ankers mal wieder eine charmante und attraktive Proto-Scream-Queen mimt und Maria Ouspenskaya eine grandiose Darbietung als Zigeunerin bietet (und übrigens jünger war als Bela Lugosi, der ihren Sohn spielt). Bela wird mit einer kleinen Nebenrolle, die ihm insgesamt SIEBEN Dialogzeilen gönnt, abgespeist, absolviert diese aber motiviert wie eh und je.

Bildqualität: Von der Universal-Legacy-Box ist man ausgezeichnete Bildqualität gewohnt und auch „The Wolf Man“ enttäuscht nicht: ein ausgezeichneter Vollbildtransfer mit minimalen Defekten und Verschmutzungen, guter Schärfe und ausgezeichnetem Kontrast. Die Kompression arbeitet unauffällig.

Tonqualität: Der englische Dolby-Mono-Ton ist gelegentlich aufgrund des ein oder anderen Akzents nicht ganz optimal verständlich und bringt ein vernehmliches, aber nicht wirklich störendes Hintergrundrauschen mit. Alternativ kann man sich mit der deutschen Tonfassung behelfen oder auf eine der sechs Untertitelspuren zurückgreifen.

Extras: Wie üblich spendiert Universal dem „Stammfilm“ eines Franchises nettes Zusatzmaterial. Neben dem Kinotrailer und der Fotogalerie findet sich die Dokumentation „Monster im Mondlicht“, die allerdings im Vergleich zu den Dokumentationen zu „Dracula“ und „Frankenstein“ nicht nur deutlich kürzer ist, sondern auch mit (teilweise) weniger interessanten Gesprächspartnern aufwartet. Gehostet wird die Doku von John Landis und die wesentlichen wissenswerten Informationen liefern Rick Baker und Curt Siodmak. Ergänzendes bietet der Audiokommentar von Filmhistoriker Tom Weaver, der allerdings etwas konzeptionslos und „all over the place“ wirkt.

Fazit: „The Wolf Man“ ist, insgesamt gesehen, besser als sein Ruf. Er hat eine sehr interessante Grundgeschichte, die – vielleicht – als reiner psychologischer Thriller NOCH besser funktioniert hätte, und auf der nicht zuletzt quasi die gesamte moderne Werwolf-Folklore aufbaut (ergo verdanken wir diesem Film auch Meilensteine wie „Howling“ [„Das Tier“] oder „American Werewolf“). Der flott gedrehte Streifen leidet hauptsächlich unter seinem kaum gruseligen Make-up und der dezenten Fehlbesetzung in den wichtigesten Rollen. In einer Classic-Horror-Sammlung darf der Film aber allein aus Vollständigkeitsgründen gar nicht fehlen…

4/5
(c) 2006 Dr. Acula


mm
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