Der Venedig Code

 
  • Deutscher Titel: Der Venedig Code
  • Original-Titel: Tempesta
  •  
  • Regie: Tim Disney
  • Land: Großbritannien/Luxemburg/Niederlande/Italien/Spanien
  • Jahr: 2004
  • Darsteller:

    Scot Williams (Patrick Donovan), Natalia Verbeke (Chiara), Rutger Hauer (Van Beuningen), Valentina Cervi (Dina Gusmano), Gaetano Carotenuto (Tedeschi), Malcolm McDowell (Paul Valenzin), Paul Guilfoyle (Taddeo Rossi), Antonella Ponziani (Giovanna Zanon), Yura Marin (Nicolussi)


Vorwort

Der junge Kunstexperte Patrick Donovan wird von der Versicherungsgesellschaft, für die er arbeitet, nach Venedig geschickt, um die Echtheit dreier Gemälde in einem renommierten Museum zu prüfen. Dort herrschen chaotische Verhältnisse – wie es sich für ein anständiges Gebäude in der Lagunenstadt gehört, ist das Museum am Absaufen. Argwöhnisch beobachtet Patrick, dass Chiara, die Tochter des Museumsdirektors, eine leidenschaftliche Affäre mit dem Kunstlehrer Paul Valenzin, „der ihr Großvater sein könnte“, unterhält. Unmittelbar, bevor Patrick das Gemälde „La Tempesta“ untersuchen kann, wird es geklaut. Für die Versicherung stehen 75 Millionen Dollar auf dem Spiel, also beauftragt sein Boss Patrick mit einer informellen Untersuchung – sollte Patrick das Gemälde finden, ehe die hauptamtliche Versicherungsdetektivin oder gar die Polizei es tut, winkt ihm eine Prämie von 100.000 Dollar. Notgedrungen und ohne Anhaltspunkte begibt sich Patrick auf die Pirsch – die Managerin seines Hotels stellt den Kontakt zu Taddeo Rossi, einem Kunstsammler mafiösen Zuschnitts her. Der allerdings will vom akuten Diebstahl nichts wissen, sondern nur die Echtheit zweier seiner Prunkstücke bestätigt haben. Patrick enttarnt einen angeblichen DaVinci als Fälschung. Erneut ist es die Hotelmanagerin, die ihm rät, sich doch mal mit Paul Valenzin zu unterhalten, doch noch ehe der erhellendes zur Sach- und Rechtslage beitragen kann, wird er in Patricks Beisein auf offener Straße (oder was man in Venezia halt so nennt) ermordet. Für Inspektor Nicolussi etwas zu viel des Zufalls – Patrick wandert auf die kurze Liste der Top-Verdächtigen. Nichtsdestotrotz ermittelt Patrick, inzwischen mit Chiara, bei der er die vakante Stelle des Liebhabers kurzerhand übernommen hat, weiter und dank der erkauften Kooperation von Valenzins Laufburschen Tedeschi findet er tatsächlich „La Tempesta“ – dafür aber gleich zweimal, als Original und Fälschung. Von Chiara unter Hinblick auf spontan Reichtumsmöglichkeiten angestiftet, lässt Patrick sich auf ein gefährliches Doppelspiel ein…


Inhalt

Schaffen wir als erstes gleich mal die peinliche Titel-Anbiederung an einen gewissen Blockbuster mit Tom Hanks aus dem Weg. Da hat Sunfilms Titelausdenkscherge (vermutlich der selbe, der schon aus „The Hard Way“ „The Australian Job“ machte) mal wieder tief in die Toilettenschüssel gegriffen. Aber was tut man nicht alles, um den ein oder anderen unbedarften Konsumenten zur Geldausgabe zu veranlassen (und da „Venedig“ und „DaVinci“ sich ja auch noch phonetisch nicht vööööllig unähnlich sind… seufz).

Anstelle eines verzwickten konspirativen Codeknacker-Thriller setzt uns Tim Disney, seines Zeichens leibhaftiger Großneffe des großen Walt, einen stockbiederen Kunstkrimi vor. Gegen Kunstkrimis (sicherheitshalber erwähnt: Krimis im Kunst-Millieu) an sich ist ja nichts einzuwenden („Geheimnisse“ mit einer jungen Kate Beckinsale – read: als sie noch schauspielern konnte – halte ich immer noch für einen sehr guten Film), aber man muss sie ja nicht unbedingt so aufregend gestalten wie einen Museumsbesuch. Die Story entwickelt sich in schlafwandlerischem Tempo – bis von einem wirklichen Plot etwas zu sehen ist, vergeht schon mal fast ’ne halbe Stunde, sonderlich aufregend oder spannend wird’s danach auch nicht. Obwohl das Script, adaptiert von Juan Manuel de Prada nach seinem eigenen Roman, sich redlich bemüht, da und dort ein potentielles Überraschungsmoment einzubauen, kommt letztlich dabei nicht’s rum. Die Drehungen und Wendungen wirken antelegrafiert, der zentrale Charakter Patrick wirkt ziemlich dämlich (den kann wirklich ein dreijähriges Kind manipulieren), so dass der geneigte intelligente Zuschauer (für den ich zu schreiben hoffe) einerseits die Entwicklungen voraussehen, andererseits über die Doofheit, mit der Patrick in die kriminelle Affäre steuert, verzweifelt den Kopf schütteln kann (weil wirklich ALLES genau so passiert, wie man es sich als routinierter Vielseher ausmalt. Naja, vielleicht bis auf das Ende, aber das rettet dann auch nichts mehr).

Mehr fällt mir zum Drehbuch eigentlich gar nicht ein (und das will was heißen) – die Story schleppt sich über die viel zu langen 98 Minuten und muss daher gelegentlichen Leerlauf mit einer der „most gratitious“ Sexszenen übertünchen, die mir in letzter Zeit untergekommen ist. Größere Regisseure als Tim Disney, mit inszenatorischen Großtaten bisher eher weniger aufgefallen (dafür produziert er das 2008 erscheinende Janis-Joplin-Biopic), täten sich schwer, aus der drögen Plotte einen spannenden Thriller zu destillieren und Disney, tja, er versucht’s nicht mal wirklich, sondern delektiert sich an Visualitäten. Gut, Venedig ist ein ansprechendes Backdrop (auch wenn einiges an Venedig-Aufnahmen in Luxemburg gedreht wurde. Europäische Ko-Produktion, you know) und einige Einstellungen sind von bemerkenswerter Schönheit (der erste Shot des Films ist allerdings der eindrucksvollste), der holländische Kameramann Reinier van Brummelen, der sein Handwerk immerhin bei Peter Greenaway gelernt hat, versteht zweifelsohne sein Fach (aber erst jetzt, nachdem ich dieses Faktum recherchiert habe, wird mir klar, wie sehr der Film in seiner Gesamtkonzeption ein Greenaway-Film sein möchte, nur halt leider niemand begriffen hat, dass der Stil des britischen Regie-Exzentrikers eher nicht reproduzierbar ist. Und dann schon gar nicht mit einer derart konventionellen Story), aber Disney überdreht für meinen Geschmack mit Überblendungseffekten, beinahe surreal montierten Szenen, s/w-Shots, Standbildfolgen, Dialogen, die den Bildern eine Szene hinterherhinken und digital aufgepäppelten Hintergründen. Gut, irgendwo verstehe ich den Meister und seinen Willen, aus dem faden Filmchen wenigstens einen Augenschmaus zu machen, aber visueller Overkill und inhaltliche Banalität passen halt beim besten Willen nicht zusammen… Aus einem Kunst-Thriller macht man eben nicht so einfach einen Kunstfilm.
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Trotz der FSK-16-Freigabe hätte ich persönlich keine Bedenken, den ganzen Kram (wenn’s denn irgendjemand würde sehen wollen) ungekürzt um 20.15 Uhr im Free-TV auszustrahlen. Die (doch immerhin zwei) Morde sind wenig graphisch (und eh nur einer on-screen) und die Sexszene ist zwar überflüssig, aber züchtig.

Darstellerisch wird sich nicht mit Ruhm bekleckert. Die Top-Stars spielen Nebenrollen – Rutger Hauer wirkt in einer ersten wirklichen Altersrolle müder als die Rolle es verlangen sollte (und als weißbärtigen Museums-Opa will man Rutger, glaub ich, auch nicht wirklich sehen). Malcolm McDowell hat drei oder vier Szenen, ehe er’s nach abgezählten 41 Minuten hinter sich hat. In denen gibt er zwar in alter Gewohnheit beinahe alles (es ist keine Tour de Force wie in „Dark Ocean“, einem anderen Film, der McDowell gar nicht verdient hat) und bildet das singuläre schauspielerische Highlight, aber es ist letztlich bedeutungslos. Scot Williams, britischer TV-Mime, ist ein farbloser Schnösel, dem sein kommend- und gehender Dreitagebart auch keine charakterliche Tiefe verleiht, die Argentinierin Natalia Verbeke soll wohl den Schuss exotischer Erotik einbringen, ist aber keine darstellreische Leuchte. Valentina Cervi als geheimnisvolle Hotel-Managerin hat nicht viel zu tun, außer Williams alle Nase lang in die richtige Richtung zu schubsen (und ihr Gesicht irritiert mich irgendwie). Der routinierte Paul Guilfoyle („CSI: Las Vegas“) hat als Mafia-Kunstsammler im Endeffekt auch zu wenig Screentime, um beeindrucken zu können.
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Bildqualität: Ausnahmsweise lief eine Sunfilm-DVD in meinem Scott-Player zwar mal halbwegs anstandslos durch, da hat der Doc doch gleich wieder was anderes zu mosern. Der 1.85:1-Widescreen-Transfer (natürlich anamorph) ist für meinen Geschmack akzeptabel, aber was mich wirklich stört, ist ein ärgerlicher Fehler in der Widescreen-Maskierung (inwieweit der sich auf 16:9-Equipment auswirkt, werde ich spätestens gleich beim Anfertigen der Screencaps merken – okay, bei reinrassigem 16:9-Betrieb tritt der Fehler nicht auf) – auf dem 4:3-Fernseher bildet sich jedenfalls in der rechten oberen Ecke unter dem schwarzen Balken ein weiterer kleiner schwarzer Balken, was heftig irritiert (zumal das Ding auch nicht weggeht) und demzufolge für Punktabzug sorgt. Schärfe- und Kontrastwerte sind durchschnittlich.

Tonqualität: Wie üblich bei Sunfilm können wir zwischen deutscher Synchro in Dolby 5.1 und dts sowie englischem O-Ton in Dolby 5.1 wählen. Der englische Ton, den ich primär gewählt habe, ist zweckmäßig, völlig rauschfrei, aber nicht sonderlich dynamisch (nicht, dass es großartige Soundeffekte gäbe; die Techno-Mucke im Schlußakt kommt aber relativ fett rüber).

Extras: Da hat man sich nicht verausgabt. Wir dürfen uns den Trailer im englischen O-Ton oder auf Deutsch anschauen, dazu gibt’s ausführliche Biographien für Hauer und McDowell (letztere allerdings mit einem ziemlichen Klops: ich zumindest wusste bisher nicht, dass John Carpenter für „Katzenmenschen“ verantwortlich zeichnet. Jessas, ich bin ja gewohnt, dass bei Sunfilm kein Mensch die Untertitel Korrektur liest, aber doch wenigstens bitte das Bonusmaterial selbst…). Dazu gibt’s die übliche Sunfilm-Trailershow.

Fazit: Nee, das war nix. „Der Venedig Code“ ist eine ziemlich dröge Mischung aus lahmem Krimi (inhaltlich) und Gimmickfilm (optisch-visuell). Das fügt sich leider in keiner Sekunde zusammen – und da wir außer von McDowell nicht wirklich mit sehenswerten Performances erschlagen werden, kann man sich den Film meines Erachtens daher gänzlich schenken. Venedig-Fans sind mit einem x-beliebigen Reisevideo besser bedient, Freunde des Kunst-Thrills mit dem zitierten „Geheimnisse“ und Anhänger experimentiell-surrealer Verwirrspiele mit Greenaways „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“. Naja, und wer auf den deutschen Verleihtitel anspringt, der sollte lieber gleich auf den Release des „DaVinci Code“ warten.

1,5/5
(c) 2005 Dr. Acula
originally posted: 2005


mm
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