Der Vampir von Notre Dame

 
  • Deutscher Titel: Der Vampir von Notre Dame
  • Original-Titel: I Vampiri
  • Alternative Titel: The Devil's Command | Lust for a Vampire |
  • Regie: Riccardo Freda, Mario Bava
  • Land: Italien
  • Jahr: 1956
  • Darsteller:

    Gianna Maria Canale (Giselle du Grand/Margherita du Grand), Carlo D’Angelo (Inspektor Chantal), Dario Michaelis (Pierre Lantin), Wandisa Guida (Laurette Robert), Angelo Gelassi (Ronald Fontaine), Antoine Balpetre (Julien du Grand), Paul Muller (Joseph Signoret)


Vorwort

Sollte man sich fragen, wo die europäische Hauptstadt des Exploitation-Kinos ist, führt an der Antwort „Cinecitta, Rom, Italien“ kaum ein Weg vorbei. Wann immer über den großen Teich eine neue Welle Genre-Motive schwappte, die man kostengünstig reproduzieren konnte, waren Italiener ganz vorn dabei. Dabei vergisst man gerne, dass das italienische Genre-Kino nicht nur auf der Ausbeutung anderer Leute Ideen basierte. Italiens Horror-Kino z.B. war spätestens seit Anfang der 60er Jahre bis weit in die 80er hinein stilprägend – das musste man nicht immer gut finden (denkt man z.B. an die zahllosen unterbelichteten Kannibalen- und Zombieheuler aus italienischer Werkstatt), schuf aber eben auch einen ganzen Reigen eigener Archetypen, derer sich das restliche kontinentale Kino gerne bediente.

Ausnahmsweise ist es sogar recht einfach, den Startschuss zu dieser Entwicklung zeitlich zu lokalisieren – man reise ins Jahr 1957 und betrachte DER VAMPIR VON NOTRE DAME, den ersten italienischen Horrorfilm nach dem Zweiten Weltkrieg. Und wenn einem die Geschichte heutzutage nur zu bekannt vorkommt, dann liegt das natürlich daran, dass sich Generationen von Filmemachern an der Prämisse des Streifens bedient haben.


Inhalt

Die Story ist schnell erzählt – Paris wird von einer geheimnisvollen Mordserie heimgesucht. Die Opfer sind allesamt junge Frauen mit der gleichen Blutgruppe, vollkommen vom roten Lebenssaft befreit. Die Polizei ist ratlos und Sensationsreporter Pierre Lantin (Dario Michaelis) sorgt mit seinen spekulativen Stories über den „Vampir“, der die Straßen der Stadt unsicher macht, zwar für hohe Auflagen, aber auch viel Ärger beim ermittelnden Inspektor Chantal (Carlo D’Angelo). Lantin macht es sich zur Lebensaufgabe, den Mörder zu stellen, muss sich aber zugleich den Zudringlichkeiten von Giselle du Grand (Gianna Maria Canale), der Nichte der exzentrischen und steinalten Gräfin Marguerite du Grand (ebenfalls Gianna Maria Canale) erwehren. Natürlich befleißigt sich die Gräfin der Dienste eines Mad Scientists, ihrem Cousin Julien (Antoine Balpêtré), der aus dem Blut der jungen Damen ein Serum gewinnt, dass Marguerite zumindest temporär verjüngt.

Drehbuchautor Pierro Regnoli (assistiert von einem Gesellen namens Rijk Sijöström), der bis in die 90er hinein alles schrieb, was für wenig Lire produziert werden konnte (u.a. Umberto Lenzis GROSSANGRIFF DER ZOMBIES [1980] oder Lucio Fulcis DEMONIA [1990]), und der hauptamtliche Regisseur Riccardo Freda (CALTIKI, RÄTSEL DES GRAUENS [1959]) trauen dem Horror-Aspekt ihrer Geschichte sichtlich noch nicht ganz über den Weg und legen den Film stärker in der Tradition des Detektiv-/Reporterfilms an, auch wenn gotische Gemäuer mit Geheimgängen und spinnverwobenen Gewölben ebenso ihren Platz finden wie ein klassisches FRANKENSTEIN-Labor (denn natürlich trägt sich Julien mit dem Gedanken daran, Leben zu erschaffen). Trotz der bewusst nüchtern-modern angelegten Herangehensweise mangelt es also nicht an Gruselatmosphäre, für die allein schon Mario Bavas Kameraarbeit sorgt. Bava übernahm übrigens auch die Regie, als Freda das Handtuch warf, nachdem man ihm mitten im Dreh produzentenseitig vorgegeben hatte, nur noch zehn Drehtage zur Verfügung zu haben. Freda hielt das für nicht zu machen, sein Protegé und Schüler Bava hatte da keine Bedenken.

Obschon die darstellerischen Leistungen eher mäßig sind (Michaelis ist so farblos, dass selbst Steve Reeves, wenn er nicht schon als Muskelmann gebucht gewesen wäre, das nicht schlechter hingekriegt hätte, Canale – primär im Monumental-/Sandalenfilmbereich unterwegs – fehlt ebenso ein bisschen die nötige Ausstrahlung), punktet der Film durch einige erstaunliche on-screen-Verwandlungseffekte und ist überhaupt in seinen gotischen Schauerelementen deutlich stärker denn als „investigational“. Bava erkannte das auch für seine kommenden Solo-Großtaten.

DER VAMPIR VON NOTRE DAME mag noch eine Fingerübung für das Genre an sich gewesen sein, aber dass die Jess Francos und Jean Rollins der Zukunft hier Inspirationen gefunden haben (und im Falle von Franco einfach ein paar Mal die grundlegend gleiche Story verfilmten), lässt sich nicht von der Hand weisen.


mm
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