Der Unbestechliche – Mörderisches Marseille

 
  • Deutscher Titel: Der Unbestechliche - Mörderisches Marseille
  • Original-Titel: La French
  • Alternative Titel: The Connection |
  • Regie: Cedric Jimenez
  • Land: Frankreich/Belgien
  • Jahr: 2014
  • Darsteller:

    Jean Dujardin, Gilles Lelouche, Benoit Magimel, Celine Sallette, Feodor Atkin


Vorwort

Marseille Mitte der 70er – von hier aus wird Heroin tonnenweise an die amerikanische Ostküste verschifft. Chef des Drogenimperiums ist Gaetan „Tany“ Zamba (Gilles Lellouche), der aber clever genug ist, sich nicht nachweisen zu lassen und nach außen hin den seriösen Geschäftsmann spielt. Als der junge idealistische Untersuchungsrichter Pierre Michel (Jean Dujardin) zum Dezernat organisierte Kriminalität versetzt wird, scheinen die goldenen Zeiten für Zamba zu enden, denn Michel, der die Auswirkungen der Drogenkriminalität an früherer Wirkungsstätte, dem Jugenddezernat, erlebt hat und selbst eine Spielsucht zu überwinden hatte, will der „French Connection“ ein für allemal den Garaus machen. Doch mehr als Nadelstiche zu setzen, will Michel nicht gelingen – genug, um ihn bei der Bevölkerung, Polizei und Kollegen populär zu machen, aber viel zu wenig, um Zambas Imperium ernsthaft zu schwächen. Zamba wird für Michel zu einer Obsession – einer Obsession, die seine Ehe gefährdet, da Jacqueline (Celine Sallette) vermutet, Pierres Einsatz wäre eine Art Wiederaufkommen seiner Spielsucht… Was immer auch Michel plant, Zamba ist ihm einen Schritt voraus, schafft es sogar, den Richter dazu zu manipulieren, seine eigenen Probleme zu lösen, so z.B. den lästigen Rivalen Crazy Horse (Benoit Magimel) loszuwerden. Über die Jahre hin arbeitet sich Michel an Zamba auf, bis ihm ein Polizist schließlich anvertraut, dass Zamba – natürlich – auch Vertraute in Polizei und Apparat hat. Michel wendet sich an den früheren Bürgermeister der Stadt, Gaston Deferre (Feodor Atkin), den ein politischer Machtwechsel ins Ministeramt gespült hat, und holt sich von ihm die Genehmigung, eine geheime Elitetruppe aufzubauen…


Inhalt

Wonach man beim FFF auch die Uhr stellen kann, ist, dass mindestens ein amtlicher Thriller aus der frankobelgischen Kinoküche auf der Speisekarte steht, und in den allermeisten Fällen kann man da als Kinogänger blind, ohne weitere Vorkenntnisse, reingehen und wird nicht enttäuscht. Wenn man zudem weiß, dass Jean Dujardin, fraglos einer der besten Schauspieler unserer Generation und wie kaum einer in der Lage, komische und dramatische Rollen zu wechseln wie andere Leute ihre T-Shirts, verbietet sich eigentlich alles andere außer umgehender Kinobesuch sowieso.

Wie sowohl der französische Originaltitel „La French“ und der englische Verleihtitel unweigerlich verraten, bezieht sich der Streifen massiv a) auf eine wahre Geschichte und b) auf die 70er-Cop-Klassiker „French Connection 1+2“, in denen Gene Hackman wacker versuchte, den Heroinexport in die USA zu stoppen. Jimenez beleuchtet nun die französische Seite der Medaille und beschreibt in einer Art Mix aus „Allein gegen die Mafia“ und „The Wire“ den einsamen Kampf des Idealisten gegen eine Organisation, die sich, wie auch der Film ausdrückt, „wie ein Oktopus“ längst erwürgend um Stadt, Politik und Geellschaft gewickelt hat. Dabei stellt Jimenez letztlich auf das Duell der beiden Aushängeschilder der Fraktionen ab – Michel und Zamba sind sich ähnlicher, als sie selbst zugeben würden (wie auch der Wortvogel anmerkt, unterstreicht Jimenez das durch das Casting von Schauspielern, die wie Brüder wirken), zwei Seiten einer Medaille, beides Familienmenschen, beide einem Kodex unterworfen (bei Michel ist es das Gesetzbuch, und bei Zamba die ungeschriebenen Gangster-Regeln) aber beide auch bereit, ihren jeweiligen Zielen alles unterzuordnen. Dabei ist es interessant, dass es letztlich Michel ist, der seine Prinzipien aufgibt und die Regeln zu biegen und zu brechen, um sein großes Ziel zu erreichen, während Zamba, in der Gewissheit, dass Michel ihm nie ernsthaft Schaden zufügen können wird, nie auch nur die Idee erlaubt, Michel oder seine Familie direkt ins Visier zu nehmen, sondern den Richter gewähren lässt.

Alles an „The Connection“ ist beeindruckend – Jimenez‘ Fähigkeit, einen soliden Zweieinviertelstünder, der nicht gerade ein Actionfeuerwerk ist, keine Sekunde langweilig werden zu lassen, die unglaubliche Detailfreude, mit der das Zeitkolorit der Periode 1975 bis 1981 eingefangen wird, beginnend bei der enormen Fülle perfekt gepflegter zeitgenössischer Karossen bis hin zum gediegen zusammengestellten Soundtrack, die Konsequenz des Drehbuchs, dass trotz des langen geschilderten Zeitraums nie in reine Episodenhaftigkeit fällt, sondern sich stets schlüssig weiterentwickelt, der beeindruckende supporting cast, und doch muss sich letztlich alles hinter dem grandiosen Spiel zweier exzellenter Hauptdarsteller anstellen. Jean Dujardin („OSS 117“, „The Artist“) und Gilles Lellouche („Point Blank – Aus kurzer Distanz”, „Kein Sterbenswort“) liefern Schauspielerkino der Sonderklasse ab, ein Duell, wie man es seit dem Aufeinandertreffen von Pacino und DeNiro in „Heat“ kaum mehr gesehen hat – und wie auch dort reichen den Stars zwei kurze gemeinsame Szenen (besonders die erste ist auch großartig inszeniert), um die Rivalität der Figuren auf den Punkt zu bringen (und auch klarzumachen, dass es am Ende nur Verlierer geben wird. Bzw. nur die gewinnen, die es auf keinen Fall verdient haben). Während ich eine solche Leistung von Dujardin praktisch vorausgesetzt habe, überrascht mich besonders Lellouche, der es wirklich schafft, auch seinen Zamba nachvollziehbar, glaubwürdig und in gewisser Weise sympathisch zu zeichnen.

Kurz gesagt: fantastischer Cop-und-Gangster-Kintopp der alten Schule, der nicht nur das Zeitgefühl der 70er perfekt nachstellt, sondern vor allem als perfekter Showcase für zwei große Akteure funktioniert. Wäre das Genre an und für sich heute bedeutsamer – so wichtig, wie es in den 70ern war – wir würden hier von einem classic in the making sprechen. Hoffen wir, dass „The Connection“ auch 2015 noch sein Publikum findet.

Toter Hund: Nö.

5/5
(c) 2015 Dr. Acula


mm
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