Der Todesgriff der Shaolin

 
  • Deutscher Titel: Der Todesgriff der Shaolin
  • Original-Titel: Szi zi mo hou shou
  • Alternative Titel: Shaolin Handlock |
  • Regie: Hua Ho Meng
  • Land: Hongkong
  • Jahr: 1978
  • Darsteller:

    David Chiang (Li Chenying), Chen Ping (Li Meng-Ping), Michael Wai-Man Chan (Kun Shih), Lo Lieh (Ling Hao), Karen Yeh (Lih Yueh-ching), Dick Wei (Li Pai), Chen Shan (Fang Yun-piao), Karen Hui (Li Pais Schülerin)


Vorwort

Martial-Arts-Meister Li Pai ist der absolute Experte in Sachen „Shaolin-Todesgriff“, ein spezieller Spezialgriff, der ein bisschen so aussieht wie ein Sleeper Hold im Pro-Wrestling, aber absolut tödlich ist – es sei denn natürlich, man weiß, wie man diesen Supermove kontern kann, was kindisch einfach ist: man haue dem Griffanwender einfach in die ungeschützten Seiten. Li Pai trägt ob dieses Umstandes ständig eine Metallweste unter den Klamotten, was ich persönlich für ein bisschen unsportlich halte. Gerade ist Li Pai dabei, seinem Sohnemann Li Cheng die Feinheiten des Griffs und auch die Kontermethode beizubringen und überreicht ihm deswegen auch die Metallweste. Dumme Idee das, denn während Li Cheng und sein Schwesterherz Lin Yueh aushäusig sind, um ein Geburtstagspräsent für den lieben Vati zu kaufen, bekommt der Besuch von einem alten Freund namens Fang Yun Piao, der Li Pai, ganz unkameradschaftlich, umbringt und bei der Gelegenheit noch einen Hausdiener und eine Kung-fu-Schülerin abmurkst, im Glauben, es dabei mit Li Pais Kids zu tun zu haben.
Da ist das Geschrei natürlich groß, als die wahren Junioren nach Hause zurückkehren und die schöne Bescherung vorfinden. Blutige Rache wird geschworen, doch der Mördersmann hat inzwischen schon das nächste Flugzeug nach Bangkok genommen und ist also weg. Li Cheng beschließt, ebenfalls nach Thailand zu reisen und den Meuchelmörder a) zu befragen, warum er Paps gekillt hat und b) anschließend brutalstmöglich zu töten. Lin Yueh soll einstweilen daheim das Haus hüten.
Zum Glück ist Fang in Bangkok bekannt wie ein bunter Hund und als Stammkunde in einem Bordell. Dort spürt Li Cheng ihn auf, nimmt ihn in den Todesgriff und kann so ermitteln, dass Fang im Auftrag von Ling Hao handelte. Was Li Cheng überrascht, denn Ling Hao ist allgemein als Ehrenmann bekannt. Fang kann, bevor er verröchelt, aber noch Bescheid geben, dass Ling Hao und Li Pai vor Jahren Komplizen in Sachen Goldschmuggel waren und der Unmut Ling Haos auf diese Zeiten zurückzuführen sei.
Li Cheng macht sich gleich ans Werk und überfällt einen von Haos Tochter Li Peng geführten Schmuggeltransport, macht aus den begleitenden Schergen Knochenfrikassee und reißt sich die Goldbarren unter den Nagel, was nun wieder Ling Hao nicht sonderlich knorke findet. Um so überraschter ist Hao, als der freche Dieb wenig später bei ihm vorstellig wird und die Klauaktion quasi als Vorstellungsgespräch interpretiert wissen will. Li Cheng verkündet, in Ling Haos Organisation einsteigen zu wollen, was wohl auch dringend nötig sei, weil Haos Kämpfer erwiesenermaßen pfandfreie Flaschen seien. Dem Argument kann sich Ling Hao nicht verschließen, auch wenn seine rechte Hand, Kun Shih, dem Neuling keinen Meter thailändischen Feldweg weit traut.
Nixdestotrotz wird Li Cheng umgehend Ling Haos Nr. 1 b und Kun Shih gelingt es trotz mal subtiler, mal offen feindschaftlicher Bemühungen nicht, in das sich entwickelnde Vertrauensverhältnis zwischen Ling Hao und Li Cheng Lücken zu schlagen. Dabei hat Kun Shih natürlich völlig recht, denn Li Cheng hat die Organisation nur infiltriert, um eine günstige Gelegenheit zu finden, Ling Hao in die ewigen Jagdgründe zu befördern. Die Chancen bieten sich zwar auch, aber Ling Hao ist kung-fu-technisch auch nicht gerade eine Obernulpe und weiß sich seiner Haut durchaus zu wehren, Li Cheng hat genug damit zu tun, unerkannt zu bleiben.
Der Racheplan wird durch zwei unerwartete Umstände verkompliziert – zum einen dauert Lin Yueh die Rächerei erheblich zu lange, weshalb sie sich auch in handkantenschwingend einmischt, zum anderen erteilt Ling Hao Li Cheng den Auftrag, unauffällig sein blinde Ehefrau zu beseitigen. Was außer den Eheleuten niemand ahnt – die gute Frau ist Li Pais vormaliges Eheweib, das Ling Hao sich im Zuge einer feindseligen Auseinandersetzung mit dem Ex-Freund unter den Nagel gerissen hat. Und Madame hatte verschiedentliche Kinder, die sich jetzt, ohne es zu wissen, auf verschiedenen Seiten des Kleinkriegs wiederfinden…


Inhalt

Wenn man einen Shaw-Brothers-Classic einlegt, weiß man normalerweise, was man geboten bekommt – traditionelle Martial-Arts-Kost auf gehobenem Niveau, Ausreißer wie „The Infra Superman“ oder „The Mighty Peking Man“ mal sanft ignoriert. „Der Todesgriff der Shaolin“ bzw. „Shaolin Hand Lock“, wie sich der Streifen ins Englische übersetzt nennt, klingt dann auch durchaus nach einem mit gewisser professioneller Routine gewerkelten Stangenprodukt, für das die Shaws in der zweiten Hälfte der 70er durchaus noch bekannt waren, auch wenn, wie ich schon oft erwähnt habe, das Studio seinen künstlerischen und innovativen Zenit da schon wieder ein paar Jahre überwunden hatte. Und dann legt man den Film ein und kuckt wie ein Fahrrad, denn „Der Todesgriff der Shaolin“ erweist sich bei tatsächlicher Betrachtung als ziemliche Antithese zum typischen Shaw-Brothers-Klopfer.
Anstatt eines studiogebundenen, atmosphärisch reichen traditionell-historischen Schwertkampffilms erwartet uns hier ein kontemporäres crime drama, so richtig unter freiem Himmel an echten Locations gedreht, als hätte man bei Shaws zu Hause neulich einen Bruce-Lee-Filmabend eingelegt und festgestellt, hoppla, uns hat das zeitgemäße Kung-fu- und Martial-Arts-Kino aber mal locker rechts überholt, als wir grad nicht hingekuckt haben – das sollten wir auch mal probieren.
Oder vielleicht stand´s der Produktionsabteilung von Shaw auch nur nach nem launigen Betriebsausflug nach Thailand. Was weiß denn ich?
Nun, der Vorteil, wenn man sich im Martial-Arts-Genre betätigt ist, dass die erzählten Geschichten mehr oder weniger zeitlos sind und es wenig Unterschied macht, ob man eine Plotte nun im Jahr 1347 oder 1968 ansiedelt. So sah das offensichtlich auch Shaws Leib- und Magenschreiberling I Kuang, das, was er sich hier aus der Schreibmaschine leierte, könnte ohne größere Schwierigkeit auch als Schwertkampfracheepos zu Zeiten der Ming-Dynastie umgesetzt werden. Irgendeinen besonderen Nutzen aus dem Setting in der relativen Gegenwart (oder etwas früher, denn irgendwie strahlt der Film einen 60er-Jahre-Look aus) zieht der Film jedenfalls nicht, ebenso wie aus der räumlichen Ansiedelung in Thailand, die auch bei den Shaws keinen anderen Grund hat als bei deutschen Schlagerfilmen ein paar Jahre früher – auch für den durchschnittlichen Hongkong-Chinesen ist Thailand „exotisch“. Wie gesagt, ob der Film in Bangkok oder Buxtehude spielt, ist völlig egal – bestritten wird der Film ausschließlich von chinesischen Charakteren, das quirlige Bangkok, seine prächtigen Tempel und die imposanten Ruinen sind nichts weiter als exotischer Backdrop und die Ausrede, ein paar Minuten „travelogue“-Footage einzubauen und so dabei zu helfen, den Film auf seine abendfüllende Länge zu hieven, was die Geschichte an und für sich, so wie erzählt, eigentlich nicht hergibt.
Prinzipiell ist der Plot nämlich nach ner guten halben Stunde, wenn Li Cheng sich erfolgreich in der Führungsebene von Ling Huas Bande eingenistet hat, abgehandelt. Für den kompletten zweiten Akt tritt die Geschichte beherzt auf der Stelle, weil es noch zu früh für den Showdown ist und demzufolge weder Handlungen der Guten noch der Bösen entscheidenden Einfluss auf die Handlung nehmen können. Erst, wenn Li Cheng seine, wir wissen es ja längst, Mutter anstatt zu ermorden in die sichere Obhut seiner Schwester gibt, kommt wieder etwas Zug in die Geschichte, obgleich das auch ein wenig spät und ein wenig, eh, wenig ist, weil der geübte Zuschauer sich die Zusammenhänge längst selbst klargemacht hat (es ist ja auch nicht so kompliziert) und den ausufernden Flashback, mit dem Frau Mama die Ereignisse um Ling Huas schändlichen Verrat und die Trennung der diversen Li-Pai-Sprößlinge darlegt, überhaupt nicht bräuchte, das hätte auch in zwei Dialogsätzen erklärt werden können und wäre auch nicht mehr oder weniger spannend.
Nachdem dann die Familienzugehörigkeiten zu allgemeiner Zufriedenheit (mal abgesehen von Ling Hua, aber man kann’s halt nicht jedem Recht machen) aufgedröselt sind, kann dann endlich an den Showdown gegangen werden, und der hat’s durchaus in sich – in bester HK-Tradition verkloppen zwei Gute einen Bösen, und das einzige, was mich an diesem beinharten und mit allen Mitteln geführten Schlussfight stört, ist, dass er programmgemäß mit dem titelgebenden Shaolin Hand Lock-Todesgriff enden muss, und der ist, rein kampfchoreographietechnisch, nicht gerade superspektakulär (um noch mal den Bogen zum Pro-Wrestling zu schlagen – es hat ja auch seine Gründe, warum ein sleeper hold heute nur noch in Ausnahmefällen als Finisher durch geht).
Von der filmischen Seite verliert ein Shaw-Brothers-Film selbstredend etwas seine Identität, wenn er die üblichen Traits der studiogebundenen „exteriors“ und der dadurch zum Greifen spürbaren Atmosphäre zugunsten „handelsüblicher“ location shoots aufgibt. Regisseur Hua Ho Meng gehört auch nicht gerade zur allerersten Shaw-Garde, auch wenn er die originale „Flying Guillotine“ inszenierte (die aber erst durch Jimmy Wang Yus rip-off „Duell der Giganten“ wirklich ikonisch wurde) und den schon erwähnten King-Kong-Abklatsch „The Mighty Peking Man“ („Der Koloß von Konga“, mit der anbeißungswürdigen Evelyne Kraft als Gorillabraut) verantwortete.
„Der Todesgriff der Shaolin“ ist pretty much ein Film mit tollem Anfang (die Attacke auf Li Pai) und exzellentem Finale und dazwischen viel Leerlauf. Natürlich gibt’s genügend Gelegenheiten für Kampfszenen, und die sind auch ordentlich, aber nicht herausragend spektakulär, wobei bemerkenswert ist, dass die Meng immerhin ein paar Motorradstunts einbaut, um das Gegenwartssetting wenigstens halbwegs zu rechtfertigen.
Zu vermelden wäre zudem noch ein recht kurioser Score, der ebenfalls versucht, ein bisschen kramphaft modernisiert zu klingen und funky Elemente aus blaxploitation-Soundtracks aufzunehmen.
Die FSK-16-Freigabe ist ob der gezeigten Härten okay.
An der Darstellerfront lässt sich David Chiang nicht lumpen. Der Protegé von Chang Cheh, der auch im Hammer/Shaw-Crossover „Die 7 goldenen Vampire“ amtierte, hat durchaus das Charisma, einen Film zu tragen – er ist kein Bruce Lee oder Jackie Chan, aber absolut auf einem Level mit „1b“-Stars wie Wang Yu oder Ti Lung. Seinen Gegenspieler gibt der unverwüstliche Lieh Lo, einer der besten Schurkendarsteller des Martial-Arts-Kinos (auch wenn er durchaus in seinen raren Heldenparts zu überzeugen wusste), den man hier auf deutlich älter als seine damals 39 Jahre geschminkt hat… Die dritte Hauptrolle geht an Michael Wai-Man Chan („Projekt B“, „Die Pranke des Leoparden“), der sich wacker schlägt – kurioserweise war Chan vor seiner Filmkarriere Polizist, wurde aber gefeuert, weil er gleichzeitig in einer der größten Triaden Hongkongs, der 14K aktiv war, und dort sogar bis zur „Nummer 2“ aufstieg. Kein Wunder, dass Triaden-Gangster sein Steckenpferd-Rollenbild im Kino werden sollten. Chen Ping („The Mighty Peking Man“, „Die Herrschaft des Schwertes“) und Karen Yeh („Mädchen im Tigerkäfig“), zwei bewährte Shaw-Starlets, übernehmen kompetent die weiblichen leading parts. Als Gaststars fungieren Chen Shen („Frauen im Foltercamp“, „Fünf Kämpfer aus Stahl“) und Dick Wei („The Prodigal Son“, „Shanghai Police“). Watch for Kara Hui („Born to Fight 6“, „Top Squad“, „The 7th Curse“) in der kleinen Rolle der am Anfang ermordeten Kung-fu-Schülerin.
Die DVD von Koch basiert wie üblich auf einem der ausgezeichneten Celestial-Remaster-Prints. Etwas störend ist, dass die Tonspur aus zwei unterschiedlichen Synchronfassungen zusammengesetzt wurde. Als Extras gibt’s den Trailer, eine Bildergalerie sowie eine kurze, aber informative Featurette über David Chiang.
Was sagen wir also als Wort zum Sonntag? Wer die Shaw Brothers-Produktionen wegen ihrer einmaligen Eigentümlichkeiten schätzt, wird von „Der Todesgriff der Shaolin“ mutmaßlich enttäuscht sein. Der Verzicht auf die Studio-Trademarks lässt den Streifen wie ein run-of-the-mill-Produkt aus der Billigküche Hongkongs wirken, da hilft auch der exotische Hintergrund Thailands nicht viel. Als Film selbst laboriert der Film an seinem zaghaft-drömeligen Mittelteil, aber zumindest den Showdown sollte man mal gesehen haben. Bleibt also nichts anderes als ein Querdaumen.
© 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 5


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