Der Shaolin Gigant

 
  • Deutscher Titel: Der Shaolin Gigant
  • Original-Titel: Bei pan shi men
  • Alternative Titel: The Master |
  • Regie: Lu Chin-Ku
  • Land: Hongkong
  • Jahr: 1980
  • Darsteller:

    Chen Kuan Tai (Jin Tien-Yuen), Yuen Tak (Kao Chien, als Chiang Lin), Hsueh-Erh Wen (Shis Tochter), Wang Lung Wei (Yen Ching-Wang), Chan Lau (2. Drache), Lin Hui Huang, Chang Chi Ping, Chang Ping-Tsan


Vorwort

In einem Teehaus irgendwo in der Provinz wartet der ruhmreiche Kung-fu-Kämpfer Jin Tien-Yuen auf drei gefährliche Ganoven – die „drei Drachen“ sind ebenfalls exzellente Kämpfer, die ihre Künste allerdings in den Dienst persönlicher Bereicherung, Mordens und Plünderns gesetzt haben. Jien möchte diesem Treiben nunmehr terminal Einhalt gebieten, und so schlecht sähe die Nummer auch gar nicht aus, hätten die drei Drachen nicht bereits einen Komplizen als „einfachen Gast“ in das Teehaus geschmuggelt, der Jin hinterrücks einen Dolch in die Seite jagt. Schwer verletzt muss Jin die Flucht ergreifen, bevor die Drachen ihm den Garaus machen.

Nicht weit vom Ort der schändlichen Tat entfernt ist Kao Chien am Werke – der Waisenjunge wurde einst von Kung-fu-Meister Shi Ching-Chung adoptiert und ist nun in dessen Kung-fu-Schule allgemeines Opfer von Spott, Hohn und groben Scherzen, was auch Shis Tochter, die an dem jungen Burschen durachaus Geflalen gefunden hat, nicht verhindern kann – zumal Shi im Zweifel, wenn’s darum geht, wer an irgendeiner Prügelei Schuld ist, nie auf Kao Chien hört und diesen deshalb oft unangemessen hart bestraft. Ausgerechnet vor die Türe von Kao Chiens Schlafstatt stolpert der waidwunde Jin und nachdem Kao erst mal seine erste Panik überwunden hat, entscheidet er sich dafür, den Schwerverletzten bei sich zu verstecken und gesund zu pflegen. Kao fragt bei einer Trainingsstunde ganz unauffällig seinen Meister nach Jin. Der ist wenig angetan von der Erwähnung des Namens – Jin sei zwar ein exzellenter Kämpfer, aber gefährlich, nicht ehrenhaft und generell einer, vor dem man sich fern halten solle. Das kann Jin wiederum aufklären – vor ein paar Jahren hat er Shi mal ordentlich vor die Glocke gehauen und ihm dabei drei Rippen gebrochen. Und das sei auch nicht sonderlich schwer gewesen, weil Shis Kung-fu ziemlich großer Käse sei. Wie es die Gepflogenheiten des Kung-fu-Films erfordern, beansprucht Kao die höherklassige Ausbildung durch Jin und er ist nach ein wenig gutem Zureden auch bereit, Kao heimlich zu unterweisen, solange er noch seine Wunde pflegt.

Kao trainiert also eifrig, während sich die Stadtbewohner ob des allgemeinen Terrors der drei Drachen verzweifelt an Meister Shi wenden, auf dass er den Kampf gegen die Übelschufte organisiere. Bei einer Trainingseinheit verkloppt Shi ein paar seiner eher erbärmlichen Schüler, bis Kao an der Reihe ist und der seine neuen superioren Kampftechniken made by Jin auspackt. Shi kriegt also auf’s Maul, und die Ausrede, dass Kao sich diese neuen Tricks selbst ausgedacht habe, kauft Shi nicht für einen halben Yuan. Jin muss sich zeigen, um seinen Schüler aus der Bredouille zu ziehen, doch das führt nun auch nicht zur Klärung der Sachlage. Shi ist immer noch sauer wegen der damaligen Packung, und abgesehen davon ist’s mit Kung-fu-Schulen wie mit Ghetto-Gangs: Once you’re in, you’re in for life, und zwischendurch mal den Meister wechseln, das geht gar nicht. Jin muss erneut die Flucht antreten, weil im Kampf seine Wunde wieder aufbricht und Kao, den will Shi öffentlichkeitswirksam bestrafen und auspeitschen lassen. Ein mitleidiger Kommilitone verhilft Kao zur Flucht, während Jin seinerseits den drei Drachen in die Hände fällt und trotz heftiger Gegenwehr aufgrund seiner angegriffenen Konstitution fatal den Kürzeren zieht.

Die drei Drachen machen gleich mal Nägel mit Köppkes – sie haben gehört, dass Shi ihretwegen einige gute Kämpfer versammelt hat, und sprengen die große Lagebesprechung. Einen Innenhof Leichen später sind die drei Drachen offiziell in Shis Schule eingezogen, haben den alten Meister eingesperrt und halten sich die überlebenden Schüler – Shis Tochter und Kaos hauptamtliche Mobber – als Haussklaven. Als Kao, der sich mittlerweile anderswo als Servicekraft in einem Gasthaus verdingt, zufällig von den neuesten Entwicklungen hört, springt ihm der Draht aus dem Zopf. So geht’s ja nun nicht, also muss blutige Rache verübt werden…


Inhalt

Wir hatten das Thema ja schon öfters – 1980 lebten die Shaw Brothers mehr von Glanz und Ruhm vergangener Tage als von aktuellen Erfolgen. Hin und wieder gab’s zwar noch Lichtblicke, die allerdings in der Rückschau positiver gewertet werden als damals, als sie herauskamen, aber die Zeiten, in denen die legendären Studios noch neue Stars produzierten, wie zuletzt so Mitte der 70er mit den „Five Deadly Venoms“ waren vorbei. Das Studio hatte, wie die von mir gerne als Vergleich herangezogenen Hammer Studios ein paar Jahre zuvor, arge Probleme, sich an die neuen Entwicklungen seine Leib- und Magengenres anzupassen. Diese Neuentwicklung hatte einen Namen, und der hieß Jackie Chan, der dem Kampfkunstkino mit „Die Schlage im Schatten des Adlers“ und „Drunken Master“ völlig neue Dimensionen eröffnet hatte.

Bei den Shaws klebte man aber an Traditionen – es herrschte eine „ham wa schon immer so gemacht“-Einstellung, die kurioserweise ignorierte, dass der große Durchbruch des Studios genau damit kam, dass man sich von althergebrachten Gepflogenheiten gelöst und seinerzeit, insbesondere durch den legendären (und 1980 immer noch bei den Studios beschäftigten) Chang Cheh eine komplett neue Herangehensweise entwickelt hatte, die den Martial-Arts-Film von einer lokalen Kuriosität zu einer internationalen Erfolgsformel gemacht hatte. Jetzt aber, anderthalb Jahrzehnte später, war man selbst auf einmal in die Rolle des anpassungsunwilligen Dinosauriers geraten, dem das jetzt alles mit dem neuen Stil viel zu schnell ging. Das einzige, was von diesen Innovationen irgendwie ins Hause Shaw durchsickerte, war der Gedanke, dass Jackie Chan offensichtlich so etwas wie „Humor“ in seine Filme integrierte. Dass Chan dies aber im Rahmen dafür passender Geschichten tat und auch entsprechend die Inszenierung der Kampfszenen von „blutig und mit Waffen“ in „akrobatisch mit allen möglichen Alltagsgegenständen“ veränderte, fiel den Shaw-Schergen augenscheinlich nicht ein. Das Resultat dieses grundsätzlichen Missverständnisses lässt sich exemplarisch in „Der Shaolin Gigant“ aka „The Master“ bewundern.

Zunächst mal die Oblate – mit „Shaolin“ hat der ganze Krempel natürlich nichts zu tun, aber der deutsche Verleih erinnerte sich daran, dass es für Kung-fu-Filme im deutschen Sprachraum ausschließlich die Möglichkeiten gab, „Shaolin“ oder „Knochenbrecher“ im Titel zu verwenden, sofern man nicht gleich „Bruce Lee“ draufschreiben konnte. Der Film verweigert sich jeder örtlichen und zeitlichen Einordnung (begünstigt dadurch, dass Chinas Historie wenig Unterschied darum macht, ob nun etwas 1310 oder 1850 spielt). Das Script von Shaw-Haus- und Hofschreiberling I Kuang reißt keine Bäume aus. Wir haben den Schurken mit den langen weißen Haaren (klassisches Kung-fu-Identifikationsmerkmal für den Bösewicht, alldieweil schwarze Cowboyhüte in China nun eher selten getragen wurden), den jungen Kung-fu-Schüler, der von einem geheimnisvollen Meister genug lernt, um ihn anschließend, nach dem programmatischen Mord am Lehrer, rächen zu können und ein paar böse Henchmen, durch die sich der Held im Showdown in der umgekehrten Reihenfolge der Wertigkeit durchkloppen muss. Das ist soweit Kung-fu-Writing 101, da kann man schreiberlicherseits nicht viel verkehrt machen, andererseits bringt es dem geübten Genre-Vielseher aber auch nichts neues. Der Angle, dass Kaos Lehrer Jin nebenher noch ein alter Rivale seines eigentlichen Meisters ist, der an und für sich nicht böse, nur ein alter Sturschädel ist, tut rein dramaturgisch nicht viel zur Sache, schindet aber ein bisschen Laufzeit und erlaubt ein wenig ergötzliche HK-Slapstick-Comedypopomedy der eher infantil-nervigen Sorte. Hongkong-Filmhumor ist abseits von Jackie Chan gerne mal eher ein „acquired taste“, da der Ex-Kronkolonie-Bewohner, geht man danach, wie seine Filmstudios Komödien gestalten, nun doch auf brachialen Holzhammerhumor steht, der sich nicht immer adäquat in diesen unseren westlichen Kulturkreis übertragen lässt. Auch bei „Der Shaolin Gigant“ fällt einem das Lachen über die beabsichtigten Gags ziemlich schwer, weil der Humor im Lustigkeitslimbo nun locker die Meßlatte auf Höhe „Späßchen für’s anspruchslose Vorschulkinderprogramm“ untertanzt. Sophisticated humour it’s not.

Nun wissen wir alle, warum wir uns Shaw-Filme ansehen, und ihre komödiantischen Züge sind sicher keiner der obersten fünftausend Gründe – leider wird aber dem kindischen Possenspiel (das wenigstens nicht in Fäkalhumorgefilde abfällt, wofür man sich bei Shaw in den 80ern leider auch nicht immer zu schade war) recht viel Platz eingeräumt, so dass man’s trtoz eher schlanker 92 Minuten Laufzeit nicht gänzlich ignorieren kann. Es empfiehlt sich daher – wann immer die zwei Typen mit den doofen Pferdegesichtern, die Kaos Hauptrivalen in der Schule sind, sollte man den schnellen Vorlauf anwerfen. Generell hält sich Regisseur Lu Chun-Ku („Best of Lady Kickboxers“, „Black Dragon“) mit Kampfszenen ziemlich zurück (und die erste große Fightscene wird dann auch noch durch die Credit-Einblendungen verhackstückt); bis zum Showdown sind die Fights spärlich und dann auch eher kurz, dafür gibt’s mal wieder schier endlos lange Trainings-Sequenzen, die der Materie aber auch keine entscheidend neuen Facetten hinzufügen können. Das Interesse an der Geschichte itself hält sich dann auch eher in Grenzen, weil wir über die Charaktere, egal ob gut oder böse, sprichwörtlich NICHTS erfahren (Shis Tochter bekommt nicht mal einen Namen). Kuangs Buch bietet keine Überraschungsmomente, alles entwickelt sich nach Schema F hin zur Klimax, und Lu Chun-Ku ist nun mal auch kein Chang Cheh, der ein Durchschnittsscript eben auch mal durch inszenatorische Klasse auf ein anderes Level hieven kann.

Immerhin – die Atmosphäre stimmt, wie üblich bei einer Shaw-Produktion – einmal mehr profitiert ein Film vom studiotypischen Stil, auch exteriors in Studiokulissen zu drehen. Was anderswo albern und billig wirken würde, ist bei Shaw einfach eine persönlichkeitsbildende Handschrift, die auch eine billigere Shaw-Produktion von einem taiwanesischen Feld-, Wald- und Wiesenklopper abhebt. In Sachen Musik ist der Streifen schon geradezu experimentierfreudig und unterlegt einige Kampfszenen mit funky blaxploitation-like Klängen, was zunächst irritiert, im Filmverlauf sich aber durchaus als funktionierend erweist.

Die Fights, und deretwegen schauen wir uns den Kram ja letztendlich an, sind, wenn die Kämpen mal aus sich heraus gehen dürfen, nicht von schlechten Eltern. Chen Kuan Tai ist sicher keiner aus der allerersten Garde, aber ein Routinier, der mit Wang Yu und Ti Lung arbeitete, in Semi-Klassikern wie „Flying Guillotine“ oder „Die Blutsbrüder des gelben Drachen“ amtierte und nicht ein, sondern zwei Comebacks feierte, die ihn u.a. in „Hard-Boiled 2“ und „The Man with the Iron Fists“ führten. Hier gibt er Jin durchaus charismatisch und in den Kampfszenen dynamisch. Yuen Tak, der direkt von einem Bit-Part in „Meister aller Klassen“ kam, sich aber als leading man nicht durchsetzen konnte und sein Glück dann als Stunt-Koordinator fand (da aber dann z.B. auch an „Kiss of the Dragon“, „The One“ oder „Three Kingdoms“ arbeiten konnte), ist als Kao Chien eher nervig – die bumblin‘ fool-Routine von Jackie Chan bekommt halt nicht jeder so liebenswert hin, hat man nicht die nötige Ausstrahlung und das komische Timing dafür, wird man nicht zum Sympathieträger eines Films, sondern zur Säge der Zuschauernervenstränge. In den Fights ist er okay, aber auch nicht herausragend, profitiert aber von guten, routinierten Gegnern wie Wang Lung Wei („Die unbesiegbaren 5“, „Escape from Brothrel“, „Shaolin vs. Wu Tang“, „Master of the Flying Guillotine“), der hier seinen Zopf als tödliche Waffe einsetzt (!) und Chau Lan („Die fliegenden Feuerstühle“, „Bruce Lee – Sein tödliches Erbe“, „Bruce Lee – Die Todesklaue des Tigers“, hier mit himmlischen angeklebten Koteletten).

Die DVD von Koch basiert auf einem der großartigen Celestial-Remasters und ist dementsprechend ein Augenschmaus mit tollen Farben, aber gelegentlichen Unschärfen. Die deutsche Synchronfassung ist passabel. Als Extras gibt’s neben Trailern noch eine Featurette über ein Shaw-Brothers-Fanclub-Treffen in Hongkong. Wer’s braucht…

Insgesamt ist „Der Shaolin Gigant“ eher einer für die Shaw-Komplettisten. Als „stand-alone“-Film laboriert der Streifen an seinem unterwältigenden Script und der auf Teufel komm raus eingebauten Slapstick-Parts, die nicht zum bei Shaw üblicherweise vorherrschenden melodramatischen Ton passen. Die Kampfszenen sind okay, aber auch nicht so umwerfend, dass einem jetzt unglaubliche Stunts entgehen würden, und bis auf Chen Kuan Tai und Wang Lung Wei sind auch die schauspielerischen Leistungen nur so la la. Natürlich ist das alles professionell gefilmt und deutlich polierter als Low-Budget-Stangenware, aber zumindest ich lege bei den Shaws dann schon etwas höhere Standards an und nach dieser Messung liegt der Streifen doch im unteren Drittel des Studio-Outputs. Muss man also nicht unbedingt sehen.


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 4


mm
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