Der Planet Saturn lässt schön grüßen

 
  • Deutscher Titel: Der Planet Saturn lässt schön grüßen
  • Original-Titel: The Incredible Melting Man
  • Alternative Titel: Bluthitze - Das Grauen aus dem All |
  • Regie: William Sachs
  • Land: USA
  • Jahr: 1977
  • Darsteller:

    Alex Rebar (Steve West)
    Burr DeBenning (Dr. Ted Nelson)
    Myron Healey (General Michael Perry)
    Michael Alldredge (Sheriff Neil Blake)
    Ann Sweeny (Judy Nelson)
    Lisle Wilson (Dr. Loring)
    Edwin Max (Harold)
    Dorothy Love (Helen)
    Cheryl Rainbeaux (Sandy)
    Janus Blythe (Nell Winters)
    Jonathan Demme (Matt Winters)
    Bonnie Inch (Krankenschwester)


Vorwort

Diesen Sommer hatten wir ja Temperaturen von 60° im Schatten und mehr, da hab ich mir gedacht, ich besprech jetzt diesen Film über einen schmelzenden Typen.

„The Incredible Melting Man“ (auf Deutsch herrlich debil „Der Planet Saturn läßt schön grüßen“) ist in erster Linie und vor allem erwähnenswert, weil es sich dabei um eine frühe Arbeit von Effektespezialist Rick Baker handelt. Der hatte zuvor bei The Exorcist und Dino De Laurentiis‘ „King Kong“-Remake ausgeholfen und erhielt in späteren Jahren Oscars für „American Werewolf“, „Men in Black“ oder den bravourösen „How the Grinch Stole Christmas“. Bakers Effekte brachten dem Schmelz-Film nicht nur seine Bekanntheit, sondern in Deutschland auch gleich eine Indizierung ein. Klingt schon mal gut, nicht.

Es kommt noch besser: Geplant war der Hobel ursprünglich als parodistische Hommage an die Horror/Science-fiction-Streifen der 50er (wie The Quatermass Xperiment oder The Incredible Shrinking Man), angeblich sogar als humoriges Remake von The First Man Into Space.
Wenn man jedoch William Sachs glauben darf (dem verantwortlichen Regie- und Drehbuchverbrecher), entschieden die Produzenten während des Drehs (der ganze zwei Wochen dauerte), dass „The Incredible Melting Man“ nun doch ein ernsthafter Horrorschocker sein soll. Das Resultat begeisterte Zuschauer und Kritiker gleichermaßen, so dass sich der Film auf Rotten Tomatoes ganze 8% erkämpfen konnte. Immerhin hat es zu einer Würdigung durch das Mystery Science Theater 3000 gereicht.
Übrigens, falls euch der Name Williams Sachs bekannt vorkommt: Dessen zweites großes Meisterwerk ist Galaxina.

Ich kann es kaum erwarten.

Disclaimer: Die Dialoge hab ich höchstpersönlich vom Englischen ins Deutsche übersetzt, die deutsche Synchro tönt wahrscheinlich völlig anders.


Inhalt

Ein paar Astronauten sind mit dem Raumschiff Scorpio V zum Saturn geschippert, zwecks Landung (ignorieren wir mal, dass Saturn ein dafür höchst ungeeigneter Gasplanet ist), und begeben sich nun auf den beschwerlichen Rückweg.
Da das Budget von „The Incredible Melting Man“ kaum ausreicht, um bei McDonalds ein Happy Meal zu bestellen, sehen wir davon nicht mehr als einen Haufen grobkörnigen Archivmaterials von Raketen und der Sonne (Aufnahmen vom Saturn hätten Geld gekostet). Dazu kommen drei über-enthusiastische Typen in einer Raumkapsel (immerhin haben sie ein richtiges Cockpit und echte Raumanzüge beschafft).

Wenn ich das nun Gezeigte richtig interpretiere, gibt es eine Explosion, deren Strahlung die Scorpio trifft und die Astronauten mehr oder weniger endgültig außer Gefecht setzt. (Man weiß es nicht genau.)
Schlimmer als dieser Tritt in die Eier von Verständnis und Nachvollziehbarkeit ist jedoch der Soundtrack, der danach klingt, als erleide der Komponist am Keyboard einen Schlaganfall.

Einen Umschnitt später liegt Astronaut Steve West, Chef der Saturn-Mission, als einziger Überlebender im Militär-Krankenhaus. Wie er nach dem Unfall beim Saturn zurück auf die Erde gelangte, werden wir nie erfahren, denn solche Petitessen stehen nur der Handlung im Weg.
Jedenfalls wacht Steve aus dem Koma auf und stellt fest, dass ihn die Strahlendusche schwer verunstaltet hat. Aus Wut über sein missgestaltetes Antlitz zerlegt er das Krankenzimmer (na komm, Schönheitswettbewerbe hättest du auch vorher nicht gewonnen). Genau in dem Moment kommt eine Krankenschwester rein, sieht den Patienten, rennt schreiend davon (in Zeitlupe) und wuchtet ihren Körper durch eine Glastüre, die unter dem Gewicht der dicken Tante in tausend Scherben zerspringt.
Aufgrund ihrer groben Taktlosigkeit zurecht stinksauer, setzt der Astronaut der Schwester nach und bringt sie um.

Jedenfalls deutet der Film an, dass er sie umbringt, denn zu sehen kriegen wir den Mord nicht. Aber die Krankenschwester liegt in der nächsten Szene mit weggefressenem Gesicht im Autopsieraum, soviel dazu. Wests behandelnder Arzt, der Afro-Mediziner Dr. Loring, zitiert den Weißbrot-Mediziner Dr. Ted Nelson herbei, um gemeinschaftlich über dem Fall zu brüten. Zunächst demonstriert der Afro-Doktor, dass die Leiche der Krankenschwester erhöhte Radioaktivität aufweist. Das sei aber nicht das größte Problem: „Wir wissen nicht, ob es ansteckend ist oder nicht.“ Weshalb keiner irgendwelche Quarantäne-Massnahmen veranlasst.
Jedenfalls kommen die beiden trotz Brainstorming nicht weiter. Dr. Loring: „Denkst du nicht, es wäre besser, wir holen General Perry hinzu?“
Dr. Nelson klingelt den General sogleich per Telefon an und unterrichtet ihn über die zerfahrene Situation. Der alte Kommisskopf kriegt beinahe einen Herzinfarkt, verordnet absolute Verschwiegenheit und weist Nelson an, den abgängigen Astronauten so schnell wie möglich wieder einzufangen, sonst … was auch immer. Seine Drohung bleibt vage.
(Und nein, keine Perry-Rhodan-Witze; ich les die Scheiße nicht.)

Astronaut Steve torkelt derweil durch die Pampa, schnauft wie Darth Vader und schmilzt vor sich hin wie ein Käsefondue auf zwei Beinen. Er begegnet einem Hobbyangler (Samuel W. Gelfman, der Produzent höchstselbst), der grade den Köder an einem verdreckten Bach auswirft. Der unglaubliche Schmelzmann zertritt das Sandwich des Typen (böse!) und reist ihm den Kopf von den Schultern, um die hässliche Rübe anschließend in den kläglichen Wasserlauf zu werfen. Der alte Umweltverschmutzer.

Afro-Doktor Loring und Weißbrot-Arzt Nelson bewegen sich in irgendeiner Fabrikanlage auf einer mobilen Plattform durch die Gegend, die einen derartigen Lärm macht, dass man kaum ein Wort ihrer Unterhaltung versteht. Soweit ich das Gespräch akustisch entziffern kann, reden die beiden vom Kinderkriegen:
Nelson: „Judy ist wieder schwanger.“
Loring: „Hey, das ist großartig.“
Nelson: „Ja, danke. Das ist unser dritter Versuch, weißt du. Ich hoffe, diese Sache mit Steve vermasselt nicht alles.“
Loring: „In welcher Woche ist sie?“
Nelson: „In der vierzehnten. Die anderen beiden verlor sie genau um die Zeit herum.“
Merken müsst ihr euch das nicht unbedingt. Es geht nur darum, dass wir später mit Ted mitzittern, wenn der Schmelzmann seiner Frau nachsetzt (hoppla, Spoiler).

Apropos Schmelzmann, um den geht’s ja eigentlich. Dr. Nelson stellt die These auf, dass die Schmelzkrankheit das Hirn des Astronaut so weit zerkäst hat, dass er nicht mehr weiß, was er tut. „Er benötigt menschliche Zellen, um leben zu können. Seine Instinkte werden ihm befehlen zu töten.“

Da Dr. Nelson den Schmelzmann noch nicht gefunden hat (ist nicht so, als hätte er bisher irgendwas in der Richtung unternommen), ruft ihn General Perry zuhause an, um Druck zu machen. Er bucht sogar extra einen Flug und droht mit weiteren nicht näher erläuterten Konsequenzen, falls Nelson den Astronauten nicht aufspürt, bis er vor Ort ist.
Unser Held beklagt sich bei seiner Frau über den fiesen Boss und erzählt ihr von der Sache mit Steve. Sie solle das aber um Himmels Willen für sich behalten, denn niemand dürfe davon wissen.
Jetzt fragt ihr euch natürlich (genauso wie Nelsons Frau), wie er Steve finden will. Ganz einfach: „Ich nehme einfach den Geigerzähler. Damit kann ich seiner Spur folgen.“
Judy: „Den Geigerzähler? Du meinst, er ist radioaktiv?“
Nelson: „Nur ein bisschen.“

Anderswo gehen zwei Jungs und ein Mädchen vorpubertären Alters dem Müßiggang nach. Ich finde es charmant verantwortungslos, dass der Regisseur die Knirpse beim Rauchen abfilmt (die Siebziger halt). Nach dem Paffen spielen die Kinder in der Nähe eines Wasserfalls Verstecken. Nun muss man wissen, dass der Bach den abgetrennten Kopf des Fischers zu eben jenem Wasserfall geschwemmt hat (in Zeitlupe). Ich ging also davon aus, dass die kleinen Racker die Birne finden würden, aber weit gefehlt: Das Mädchen stößt bei der Suche nach den Jungs gleich auf den unglaublichen Schmelzmann höchstpersönlich (der sich in den Büschen herumdrückt wie mein Onkel Heinz, nachdem er sich den Regenmantel übergeworfen hat).
Allerdings passiert der Göre nichts (buh!), denn sie nimmt kreischenderweise die Beine in die Hand, um sich schließlich bei der Mama auszuheulen: „Ich habe Frankenstein im Wald gesehen!“

Dr. Nelson hampelt, wie angekündigt, mit dem Geigerzähler durch die Gegend. Er meint schon, den Astronauten gefunden zu haben, entdeckt aber bloß ein Ohr, das demselben unterwegs abhanden gekommen ist.

Derweil schleppt ein schmieriger Fotograf ein junges, blondes Model (Cheryl Rainbeaux Smith aus „Caged Heat“!) für ein Fotoshooting in die Wüste. Als er von ihr verlangt, das Top auszuziehen, meldet sie Bedenken an.
Fotograf: „Komm schon, Baby …“
Model: „Nenn mich nicht Baby. Ich hasse es, wenn man mich Baby nennt.“
Fotograf: „Okay, Honey.“
Der Fotograf hat bald die Faxen dicke und reißt dem Mädel das Top einfach runter. Feminismus geht anders. Beim Versuch, sich dem schmierigen Kerl zu entziehen, stolpert Sandy (so heißt die Dame) gegen den Kadaver des Fischers. KREISCH!!!

Dr. Nelson hat seine an Aufwand nicht zu überbietende Suche nach Astronaut Steve eingestellt, um General Perry am Flughafen abzuholen. Wegen der Sache mit der Verschwiegenheit tarnt sich Perry als Zivilist. Unterwegs kommen die beiden zufälligerweise am Fundort des toten Fischers vorbei, wo inzwischen Ambulanz und Polizei angetanzt sind, um die Herkunft der erwähnten Leiche abzuklären. Das Model sitzt im Auto, der Fotograf fotografiert, als würde das Fotografieren morgen verboten.
Dr. Nelson steigt aus, um sich mit Sheriff Blake zu unterhalten und sich die Leiche anzusehen. Der gute Sheriff beäugt den zivilen General im Auto mit Argwohn, fragt aber Nelson nach seiner Meinung.
Nelson: „Für mich sieht es aus, als wäre es ein wildes Tier gewesen. Ein Bär zum Beispiel.“
Sheriff: „Hier gibt es schon lange keine Bären mehr, Doc. Das wissen Sie doch.“
Nelson: „Ja.“
Sheriff: „Sie wissen nicht zufällig etwas über diesen Fall, oder?“
Nelson (so verdächtig wie möglich): „Nein.“

Später telefonaniert Dr. Nelson mit seiner Frau, die General Perry bei der Gelegenheit zum Abendessen einlädt. Judy: „Übrigens, Mutter und ihr Freund Harold kommen ebenfalls.“
Ihr wisst ja nicht, was Horror ist, bis ihr Helen und Harold durchlitten habt. Die beiden Senioren fahren mit dem PKW zu den Nelsons und performen dabei ein komödiantisch gemeintes Schmierentheater (inklusive „lustiger“ Musikuntermalung), das einem sämtliche Fußnägel aufrollt. Nach einer gefühlten Ewigkeit an unerträglichem Geplänkel halten die beiden am Straßenrand, um ein paar Zitronen zu pflücken (denn sie haben vergessen, ein Gastgeschenk zu besorgen). Nachdem sie ein Geräusch und einen Hund bellen hören, lassen sie vom nächtlichen Diebstahl ab und bringen sich im Auto in Sicherheit. Harold startet den Wagen, da stellt sich ihnen plötzlich der unglaubliche Schmelzmann in den Weg. Er killt die Rentner und frisst ihre Leichen. Hoppla. Solch einen brutalen Abgang hab ich den beiden nun auch wieder nicht gewünscht. (Doch, hab ich.)

Späterhin macht sich Judy Sorgen um Mutti und Harold, die noch immer nicht eingetroffen sind. Weil sie sich verplappert, kriegt General Perry mit, dass Nelson ihr von Steve erzählt hat. Ist aber auch egal, denn in einem hysterischen Anfall schickt Judy ihren Mann und den General los, um nach den beiden Alten zu suchen. Während die Jungs suchenderweise die Straße entlang fahren, beobachtet sie der unglaubliche Schmelzmann. Der hängt grade auf einem Friedhof herum, um sich in ausführlichen Rückblenden zu ergehen (irgendwie müssen wir die Laufzeit ja füllen).
Während sich Nelson und Perry in die andere Richtung entfernen, schlägt sich Schmelzi zum Haus der Nelsons durch und stalkt im Garten herum, während Judy im Wohnzimmer strickt und gelangweilt aus der Wäsche schaut. Schmelzi stalkt, Judy strickt. Judy strickt, Schmelzi stalkt. Schon gut, Leute, nehmt euch soviel Zeit, wie ihr braucht.

ENDLICH passiert etwas: Irgendwo im Haus geht Glas zu Bruch. Judy folgt dem Geräusch in die Küche, macht das Licht an und … es war nur die Katze, die eine Milchflasche vom Tresen gefegt hat. Doch da! Jemand nähert sich Judy von hinten und … es ist nur Nelson, der von der erfolglosen Suche nach Helen und Harold zurückkehrt. William Sachs, du perfider Meister der Spannungserzeugung!

Während sich das wandelnde Fondue also immer noch im Garten herumtut, versucht Nelson seine Frau zu beruhigen. Doch die hysterisiert munter vor sich hin: „Ich weiß, dass meine Mutter tot ist. Sie ist tot. Ich weiß, dass meine Mutter tot ist. Sie ist tot! Ich kann es fühlen. Sie ist tot.“
Sie scheint zu glauben, dass ihre Mutter tot ist.
Da font auch schon das Teleläut; der Sheriff ist an der Strippe: Er hat die zerfetzten Überreste von Helen und Harold gefunden.
Nelson erzählt seiner Frau, die Rentner hätten einen Unfall gehabt, und setzt ihr eine Spritze mit einem Schlafmittel. „Okay, ich gehe jetzt und treffe den Sheriff“, sagt er ihr. „Aber der gute General Perry bleibt die ganze Zeit hier, also mach dir keine Sorgen.“

Am Tatort muss sich Nelson den kritischen Fragen von Sheriff Blake stellen. Dieser argwöhnt im Allgemeinen, dass der gute Doktor mehr über die Morde weiß, als er zugibt, und im Besonderen, dass Perry irgendwas damit zu tun hat. Nelson beruft sich zunächst auf seine Schweigepflicht, lenkt aber endlich ein und verrät dem Sheriff alles.

Derweil unternimmt General Perry höchst interessante Unternehmungen: Er holt sich eine Truthahnkeule sowie ein Bier aus dem Kühlschrank und setzt sich auf die Couch im Wohnzimmer, um beides zu konsumieren. Beim heiligen Franziskus, ich kann mich kaum noch im Sessel halten!
Aus nicht näher definierten Gründen erhebt sich Perry plötzlich, begibt sich zur Haustür und öffnet selbige. „Steve!“, kann er gerade noch schreien, bevor sich der Schmelz-Astronaut auf ihn stürzt wie ein hungriger Penner auf die Tauben im Stadtpark.

Als Dr. Nelson und Sheriff Blake die Einfahrt hoch fahren (und dabei noch einmal über die Schwangerschaft von Judy sprechen, falls wir dieselbe vergessen haben sollten), rollen sie fast über die Leiche von Perry. Judy allerdings liegt friedlich schlafend im Bett, als sei nichts passiert. Und ich dachte, die machen einen auf „Man Eater“. Da hat man uns ganz schön aufs Glatteis geführt!

Einstweilen fällt Regisseur Sachs auf, dass der Bodycount eine Korrektur nach oben vertragen könnte, also führt er neues Kanonenfutter ein. Nell und Matt Winters kommen gerade vom Rudelfick im örtlichen Kegelclub (oder wo auch immer sie grad waren) zurück nach Hause, als sie feststellen, dass die Haustür offen steht.
Nebenbei bemerkt, handelt es sich bei Matt im echten Leben um niemand Geringeres als Jonathan fucking Demme (der Regisseur von „The Silence of the Lambs“, ihr Kulturbanausen.)
Matt weist sein Weibchen an, draußen zu warten, während er das Haus auf allfällige Einbrecher überprüft.

Nachdem er für längere Zeit verschwunden ist und keine Antwort mehr gibt, folgt ihm Nell nach und findet in der Küche eine gewaltige Sauerei vor. Zwei Zimmer weiter entdeckt sie dann den unglaublichen Schmelzmann, der grade das Gesicht ihres Gatten auffrisst. (Denk ich mal; auch dies ist ein Mord, der sämtliche Details der Fantasie des Zuschauers überlässt.) Hysterisch kreischend verbarrikadiert sich Nell in der Küche und tätigt einen telefonischen Notruf. Als der Schmelzmann versucht, sie zu betatschen, hackt sie ihm die Wichsgriffel mitsamt Arm mittels eines Fleischerbeils ab. „Scheiß drauf, das ist es nicht wert“, sagt sich Schmelzi und humpelt davon. Währenddessen hockt sich Nell in eine Ecke und driftet minutenlang in den Wahnsinn ab. (Eilig hat es dieser Film nicht.)

Die Zentrale leitet den Notruf an Sheriff Blake weiter, der zusammen mit Dr. Nelson zur Hütte der Winters düst. Von dort aus nehmen sie die radioaktive Spur des nun einarmigen Schmelz-Astronauten auf und folgen ihm zu einem Fabrikgelände. Zeit für ein ausführliches Katz-und-Maus-Spiel mit unseren Protagonisten, die auf irgendwelchen Gerüsten und Stegen herumturnen, während der Filmkomponist Harry Manfredinis „Friday the 13th“-Soundtrack kopiert. (Ja, der Streifen kam erst drei Jahre später raus. Und?)
Dieses Katz-und-Maus-Spiel dauert so seine Zeit (wie alles in diesem verdammten Film), aber endlich drängen Nelson und Perry den Schmelzer in eine Ecke. Trotz Nelsons entschiedenem Einspruch feuert Sheriff Blake mit seiner Schrotflinte ein paar Schüsse in Schmelzis Bauch – der ist aber immun dagegen, greift sich Blake und wirft ihn über eine Brüstung. Der Sheriff verfängt sich in ein paar Stromleitungen und vergeht in einer Explosion aus Funken und Feuer. Völlig verschmort trifft er auf dem Boden auf. Alle Achtung, das sind mal fünf Sekunden, die einem nicht am Arsch vorbeigehen.

Dr. Nelson versucht Steve zu beruhigen, doch der dankt es ihm damit, ihn ebenfalls über die Brüstung zu wuchten. Der Arzt kann sich gerade noch festhalten und beschwört seinen Astronauten-Kumpel, ihm zu helfen. Tatsächlich kommt Steve zu sich und hilft dem Doktor hoch.
Aber ach, genau in dem Augenblick kommen zwei Wächter mit gezogener Waffe hinzu. Dr. Nelson stellt sich schützend vor den Schmelzmann, die beiden erschießen ihn. Oh mein Gott, der Doc ist hin! (Wen interessiert’s.)
Schmelzmann freilich steckt die Kugeln weg wie Wattebäusche und killt die beiden Wächter tot, bis sie nicht mehr leben. Völlig außer sich verlässt er das Gelände und bricht heulend zusammen, um schließlich endgültig in sich zusammen zu schmelzen. Igitt.

Der nächste Morgen graut. Während ein schwarzer Hauswart die unkenntlichen Reste von Astronaut Steve zusammenschaufelt, berichtet das Radio von einem Raketenstart: Die Scorpio VII tritt zu einer zweiten bemannten Mission zum Saturn auf. Dun dun duuun!

Ein Typ schmilzt vor sich hin und legt Leute um. Das hört sich nach wenig an, das ist auch wenig. William Sachs und seine Spießgesellen behelfen sich der Macht der Zeitschinderei, um dieses dürre Plöttchen mit Ach und Krach auf die verlangten anderthalb Stunden hochzuprügeln. Da torkelt der Schmelzmann schon mal halbe Ewigkeiten durch das öde Hinterland von San Fernando (in Zeitlupe), steht blöd im Garten rum, bis er Wurzeln schlägt, und hat Flashbacks en masse. Alternativ hält sich der Film mehrere Stunden mit wahnsinnig interessanten Vorgängen wie Stricken oder Truthahn-Essen auf. Alle zehn bis fünfzehn Minuten ziehen Sachs und Co. dann ein paar neue Kanonenfutter-Figuren aus dem Hut, damit Schmelzi wenigstens etwas zum Totmachen hat (was er oft genug außerhalb des Bildausschnitts erledigt, weil das Kohle spart).

Sachs würde sich natürlich damit verteidigen, dass die Produzenten schuld an allem sind und der Film sowieso eine Komödie hätte sein sollen. Aber das, was an Humor im Endprodukt verblieben ist, ist ziemlich erschütternd. Ich spreche natürlich von Helen und Harold, dem Geronto-Comedy-Duo des Grauens. Heilige Scheiße.
Es gibt zwei, drei weitere Momente, die die originalen Intentionen verraten, aber ebenso wenig Sternstunden des Humors darstellen. So hält Sheriff Blake mal die Truthahnkeule für ein Körperteil des Astronauten, oder schwankt Schmelzi an ein paar besoffenen Pennern vorbei, die gar hilariös auf den Anblick reagieren.
Ich vermute fast, mit dem vorliegenden Werk sind wir besser weggekommen.

Ekeleffekte und Budgetprobleme

Was dessen Tranigkeit trotzdem nicht entschuldigt. In seiner jetzigen Form ist „The Incredible Melting Man“ einfach ein erschreckend dröger Slasher, dessen Alleinstellungsmerkmal die Schmelzkrankheit des Killers ist. Rick Bakers Effekte würdigt Sachs dann auch in einer derartigen Ausführlichkeit, dass sie spätestens zur Filmhälfte nur noch langweilen. Das einzige, was einen als Zuschauer noch einmal aus dem Halbschlaf reißt, ist Sheriff Blakes elektroinduzierter Explosionstod. Das ist tatsächlich spektakulär, das hab ich so noch nirgends gesehen. Aber bei Gott, allein dafür lohnt es sich nicht, den langweiligen Rest durchzustehen. Und ganz nebenbei: Was Schmelzeffekte angeht, ist man bei „Body Melt“ oder Street Trash besser aufgehoben (nichts für ungut, Rick).

Abgesehen von Pansenhumor, Ekeleffekten und Zeitschinderei hat „The Incredible Melting Man“ nicht viel zu bieten. Nichts außer brachliegendem Potential. Es gäbe zum Beispiel durchaus den Ansatz zu einer größeren Geschichte: Mehrere Leute kommen mit dem Siff vom Schmelzmann in Berührung, der angeblich ansteckend ist (Nelson reagiert ziemlich panisch, als Sheriff Blake die Leichen von Helen und Harold mit bloßen Händen antatschen will). Ich habe schon damit gerechnet (Optimist, der ich bin), dass sich infolgedessen die Schmelzkrankheit unter der Bevölkerung verbreitet und schließlich das ganze Land erfasst. Apokalyptischer Horror mit schmelzenden Zombies.

Tja, Pustekuchen. Das Winz-Budget verhinderte solche Späße konsequent. Man muss sich nur die Eingangssequenz vor Augen führen: Ein paar Typen hocken in einem dunklen Cockpit herum und schauen sich Archivaufnahmen an, die nur mit viel Fantasie das zeigen, was die Handlung behauptet – das war’s mit der spektakulären Weltraummission. (Die sehen wir dann wieder und wieder und wieder, wenn Steve seine Flashbacks hat.) Da guck ich doch lieber „The Quatermass Xperiment“; der Film hat bei derselben Handlung 20 Jahre mehr auf dem Buckel, aber das zehnfache an Schauwerten. (Das ist als würde man heute versuchen, mit 2000 Dollar ein Remake von „Showgirls“ zu drehen.)

Kann mir übrigens endlich jemand sagen, wie Steve nach dem Unfall zurück auf die Erde gekommen ist?

Von Monstern, Menschen und Musik

Das menschliche Drama ist ein Witz. Der Versuch, aus Fondue-Steve eine tragische Figur zu machen, kommt über ein paar halbherzige Andeutungen nicht hinaus. Wir erfahren nichts über ihn, also kann er uns egal sein, und genau so egal ist uns seine Beziehung zu Dr. Nelson, von der wir ebenso wenig wissen.
Wenig hilfreich ist dabei, dass Burr DeBenning als Ted Nelson mit der Emotionalität eines Backsteins agiert. Allenfalls im Finale ist es fast schon wieder lustig, wenn er seine hochdramatischen Zeilen mit all der Energie eines toten Faultiers hinausschreit.
DeBenning war vorzugsweise in Fernsehserien unterwegs („Ironside“, „Father Murphy“, „Santa Barbara“); seine größte Leistung im Kino (neben „The Incredible Melting Man“) war eine kleine Rolle in „Nightmare on Elm Street 5: The Dream Child“. 2003 gab er den Löffel ab.

Myron Healey (General Perry) ist wie DeBenning ein alter Hase im TV-Geschäft, mit Auftritten in „Bonanza“, „The Incredible Hulk“, „The Amazing Spider-Man“ und „Knight Rider“. (Verstorben ist er 2005.) Er hat die nötige Statur und Stimme für die Rolle (und ward auch sonst häufig für Militärs oder andere Autoritätsfiguren besetzt), aber das Drehbuch macht aus dem General einen Idioten, der vor lauter Geheimhaltung nicht einmal eine anständige Suchaktion riskiert und damit hauptschuld daran ist, dass Schmelzi so viele Leute umbringt. (Aber ein paar Statisten in Uniform zu stecken hätte womöglich Kosten verursacht.)

Die Sache mit Judys Schwangerschaft ist für die Handlung derart wichtig, dass sie zwischendurch völlig vergessen geht. Ihre Trauer um ihre Mutter und deren Freund kratzt einen als Zuschauer insofern wenig, als man froh um den Tod der beiden ist. (Meine Fresse, sind die Rentner nervig.) Die Darstellerin, Ann Sweeny, hat einen Haufen Kleinzeug fürs TV gemacht und kann allenfalls mit einem Auftritt in der Serie „ M*A*S*H“ angeben, ist inzwischen aber eine erfolgreiche Theaterschauspielerin.

Sheriff Neil Blake kam mir gleich bekannt vor und tatsächlich: Michael Alldredge machte Jahre später Tex, den Texaner in Robot Jox! (Darüber hinaus war er in „Entity“ und „Scarface“; ins Gras biss er bereits 1997).

Lisle Wilson (Dr. Loring) erlangte Berühmtheit als eine der Gören in der Neger-Comedy-Serie „That’s My Mama“ und versank nach „The Incredible Melting Man“ in relativer Anonymität. (Er spielte allerdings einen Polizisten in der zweiten Episode von „ALF“.) Im vorliegenden Film fällt er einzig durch seinen Afro auf und dadurch, dass er zwar schwarz ist, aber dennoch überlebt. (Wenn auch nur, weil er zur Halbzeit plötzlich aus der Handlung verschwindet.)

Während DeBenning kaum ein Zucken in seine steinernen Gesichtszüge kriegt, spastet Janus Blythe (Nell Winters) ab, dass einem fast die Spucke wegbleibt. Wieso darf die überleben? Trotz ihrer erschütternden Leistung tauchte Blythe im selben Jahr in Wes Cravens „The Hills Have Eyes“, Tobe Hoopers „Eaten Alive“ und natürlich in Stu Segalls meisterhaftem Drive-In Massacre auf. Unglaublich, 1977 war sie richtig dick im Geschäft. Aber anschließend war ihre große Karriere auch schon wieder vorbei und musste sie sich mit Beigemüse abgeben (immerhin engagierte sie Craven 1984 für „The Hills Have Eyes II“).

Bereits erwähnt hab ich Jonathan Demme (Matt Winters), der neben „The Silence of the Lambs“ auch „Philadelphia“ und das Remake von „The Manchurian Candidate“ inszenierte. Aber angefangen hat er halt mit B-Movie-Zeugs wie „Caged Heat“; von da nahm er wohl Cheryl Rainbeaux Smith mit ans Set von „The Incredible Melting Man“.
Die gute Frau Smith trat nicht nur in „Caged Heat“ auf (erzählte ich das schon?), sondern auch in „The Pom Pom Girls“, „Drum“ (auf Deutsch viel geiler „Die Sklavenhölle der Mandingos“), in einer Softcore-Version von „Cinderella“, „Laserblast“ (aka „Laserkill – Todesstrahlen aus dem All“) oder „Parasite“. In ihren Filmen hat sie sich relativ oft nackt gemacht, wie halt auch in „The Incredible Melting Man“. (Sie bleibt das einzige paar Brüste im Film, denn selbst in der Hinsicht war im Haushaltsplan von William Sachs und Co. nicht mehr drin.) Mitte der 80er geriet sie ans Heroin, landete im Gefängnis sowie auf der Straße und starb 2002 an Hepatitis. Als sei der Streifen nicht deprimierend genug.

Haben wir jemanden vergessen? Aber ja, den Schmelzmann höchstpersönlich! Hinter Rick Bakers Make-up steckt Alex Rebar, der vier Jahre zuvor in Joe D’Amatos Erotikkomödie „Canterbury No. 2 – nuove storie d’amore del ‚300“ als Richard II. auftrat und sich nach „The Incredible Melting Man“ immerhin zu einem Winzauftritt in „Amityville Horror IV“ hocharbeitete.
In letzter Zeit (also um 2000 herum) machte er sich einen Namen als Regisseur und Schreiberling der Internet-Sex-and-Revenge-Serie „Sex, Pain and Murder“. Ausschnitt gefällig? Schon geil, gell.
Wohl weil Rebar aus Italien stammt, lieh ihm Newell Alexander für „The Incredible Melting Man“ seine Stimme. Der war um die Zeit herum auch im „Kentucky Fried Movie“ zu sehen und später Sprecher für „Pom Poko“, „Das wandelnde Schloss“, „Flushed Away“ oder „Astro Boy“. Außerdem war er in „The Gingerdead Man“, wo ihn Gary Busey um die Ecke bringt (was immer eine Auszeichnung ist).

Apropos Auszeichnung: Was Filmkomponist Arlon Ober („Eating Raoul“) hier an Tönen kreiert, verdient den Preis für den Hörgang-Holocaust des Jahres; die Mucke macht mit Trommelfellen dasselbe wie Rambo mit Kommunisten und Asiaten. Auf Synthie-Tasten herumdrücken und auf der E-Gitarre herumschrammeln wie ein hirnrissiger Vollspasti, fertig ist der Spannungs-Score.
Die paar Takte, die Ober schließlich bei Harry Manfredini klaut (oder umgekehrt), erinnern einen bloß daran, dass Friday the 13th ein viel besserer Slasher ist. Auch ohne Schmelzeffekte.

Um mal die Summe zu ziehen: Genießt die Sonne, gönnt euch ein Bier und verschwendet eure Zeit nicht mit lethargischem Filmmüll wie diesem.

© 2013 Gregor Schenker (Manhunter)


BOMBEN-Skala: 7

BIER-Skala: 2


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