Der Mythos

 
  • Deutscher Titel: Der Mythos
  • Original-Titel: San Wa
  • Alternative Titel: The Myth |
  • Regie: Stanley Tong
  • Land: Hongkong/VR China
  • Jahr: 2005
  • Darsteller:

    Jackie Chan (Dr. Jack Chan/General Meng), Hee-Seon Kim (Soo), Tony Leung Ka Fei (William), Mallika Sherawat (Samantha), Ken Lo (Dragon), Rongguang Yu (Zhao Kuang), Ram Gopal Bajaj (Guru), Min-Su Choi (General Choi), Hayama Go (Tiger)


Vorwort

Zu Beginn der Qin-Dynastie – der kaiserliche General Meng soll die Übergabe einer neu ausersehenen Konkubine aus dem Königreich Dasar regeln. Dummerweise haben dasarische Rebellen etwas dagegen, dass Prinzessin Sou in Zukunft den greisen Qin-Kaiser beglücken soll, speziell der General, dem sie eigentlich versprochen war. Es kommt zum Gemetzel. Meng rettet Sou das Leben, die revanchiert sich, in dem sie, allen Standesdifferenzen zum Trotz, des angeschlagenen Soldaten Wunden zusammenflickt. Aus pragmatischer Sicht eher unpassend ist, dass General und Konkubine sich verlieben…

Davon träumt der Archäologe Jack jede Nacht – Ablenkung verspricht sein alter Kumpel William, der als Wissenschaftler an der Aufhebung der Schwerkraft arbeitet. Eine frühere Expedition Jacks hat ergeben, dass es in Dasar ein Grabmal geben soll, in dessen Inneren ein Sarkophag schwebt. Wider besseres Wissen lässt Jack sich darauf ein, eine neue Expedition zu unternehmen. Die Legende des schwebenden Sarkophags erweist sich als zutreffend, aber Williams Gier nach im Labor untersuchbaren Material endet im Halb-Desaster. Verfolgt von den Tempelwachen gelingt nur William die Flucht per Helikopter, Jack stürzt sich eine Klippe hinunter… und träumt weiter von Meng, der etwas später für den siechen Kaiser eine „Pille der Unsterblichkeit“ apportieren soll, aber nicht ahnt, dass er in eine Falle, die vom verräterischen Kanzler des Reichs, dem ein toter Kaiser wesentlich lieber ist als ein unsterblicher, reitet.

Zurück in der Gegenwart wird Jack von der schönen Tochter eines Gurus gerettet. Der Meister hält es nicht für ausgeschlossen, dass Jack eine Reinkarnation des antiken Generals ist. Dieweil hat William ausbaldowert, dass die Schwerkraft von einem Meteor aus dem Weltall, der in Dasar einschlug, aufgehoben wird. Sein Geldgeber, Professor Qu, dereinst von Jack der Grabschänderei überführt, glaubt, dass Jacks Träume ihn zum sagenumwobenen Grabmal des ersten Kaisers von China führen könnte, aber, was William in seiner Naivität übersieht, er hat gänzlich unwissenschaftliche Motive. Jack, der hauptsächlich Erlösung von seinen Träumen sucht, führt die Forscher tatsächlich zum Grabmal, wo eine zauberhafte Überraschung auf ihn wartet…


Inhalt

Jackie Chan. Ich sagte es schon öfter – ich bin seit über 20 Jahren Fan und verzeihe ihm nicht nur seine qualitativ, sagen wir mal, höchst unterschiedlichen Hollywood-Vehikel („The Tuxedo“ dürfte das schlimmste gewesen sein), nein, ich gönne ihm jeden Dollar, den er dort verdient hat. Wer jahrelang zur Erbauung des Publikums sprichwörtlich seine Haut zu Markte getragen hat, der darf dann auch mal seine Stunts von CGI unterstützen lassen. Ist ja eh nur für die doofen Amis, der wahre Fan weiß, dass Jackies Herz chinesisch schlägt und die echten Highlights seiner Karriere dort gedreht wurden.

Inzwischen dreht Jackie wieder in der Heimat, und die Wiedervereinigung Hongkongs mit Mainland China macht dort inzwischen Budgets und Scope möglich, von dem der durchschnittliche Produzent dort jahrzehntelang nur träumen konnte. Deswegen muss nicht alles gleich wieder super werden („Das Medaillon“ war ein ziemlich trüber Fehlschuss), aber wenn unser aller Lieblings-Kung-fu-Comedian wieder mit Stanley Tong zusammenarbeitet (dessen Filme wie „Police Story 3“, „First Strike“ und vor allem „Rumble in the Bronx“ Jackie überhaupt erst die Tür nach Hollywood so richtig weit aufmachten, was soweit ging, dass Tong sogar einen Shot für einen Nicht-Jackie-Chan-Hollywood-Film bekam, den leider fürchterlich verunglückten Leslie-Nielsen-Heuler „Mr. Magoo“; momentan ist Tong im Gespräch für die ursprünglich für Uwe Boll vorgesehene „Fear Effect“-Verfilmung), kann man davon ausgehen, dass zwischen Regisseur und Star (der am Set sowieso gern das Kommando übernimmt) die Chemie stimmt.

„Der Mythos“, für ein Budget von satten 15 Mio. Dollar entstanden (was gegen das Budget von „Das Medaillon“ immer noch ein Witz ist) und u.a. in Indien und Mainland China gedreht, versucht sich an einer etwas seltsamen, aber kommerziell irgendwo verständlichen Mixtur aus „klassischem“ Jackie-Chan-Slapstick-Kung-fu-Abenteuer und (bekanntlich mächtig angesagtem) schwer chinesich-patriotischem wuxia-Epos (was zugegeben nicht das Genre ist, in dem man Jackie auf Anhieb verorten würde, sondern eher Kollegen wie Jet Li, die sich im historischen Actionfilm ebenso zuhause fühlen wie im modernen Martial-Arts-Klopper). Der geneigte Konsument bekommt also quasi zwei Filme zum Preis von einem, wobei sich die wuxia-Story als wiederkehrendes Flashback-Element in der „modernen“ Handlung wiederfindet – im Finale werden dann beide Handlungsstränge zusammengeführt, wenngleich nicht ohne reine fantastische (sprich „Fantasy“) Klimmzüge. Womit schon angedeutet wäre – das Drehbuch ist die Stärke von „Der Mythos“ nicht, aber, Gebetsmühle betreffend asiatischen Kintopp anwerf, davon gehen wir ja auch nicht aus und das ist nicht der Grund, warum wir uns asiatische Filme ansehen (vielleicht abgesehen von Zhang Yimous Werken).

Nichtsdestotrotz ist das Storytelling holprig (im Gegensatz zu manch anderem Jackie-Chan-Vehikel wurde die internationale Version aber nicht um störende Handlung erleichtert, sondern ist sogar zwei Minuten länger als der HK-Cut, was aber hauptsächlich am eingeenglischten Abspann liegen dürfte, der ist nämlich wirklich so lang, dass ihm unterwegs sogar die bekannten und beliebten Outtakes ausgehen), dann und wann fehlt Sequenzen der richtige Anschluss und durch das ständige Umschalten zwischen Flashbacks in General Mengs Vergangenheit und der Gegenwart stellt sich kein rechter Fluss ein. Allerdings gibt’s keine rechte alternative Erzählweise, wenn man sich für diesen Ansatz entscheidet (was dann wiederum, wäre man Drehbuchautor, *die* Alternative übriglässt, es ganz bleiben zu lassen – so richtig vermischbar ist hartes, melodramatisches und pathetisches wuxia und lovable-bumblin‘-Jackie-gerät-in-Schwierigkeiten-Abenteuer halt einfach nicht).

Für sich alleine gesehen sind beide Handlungsstränge durchaus überzeugend – der Abenteuer-Plot mit dem modernen Jackie lässt einen glatt fünfzehn Jahre zurückreisen, denn der ginge wirklich ohne weiteres als „Armour of God 3“ durch, ohne sich schämen zu müssen – Jackie in seinem bewährten Selbst als Abenteurer, der sich auch aus dem dicksten Schlamassel dank seiner Kampfkünste herauswinden kann, mit viel Humor (selbstverständlich inklusive humoröser Kollisionen mit attraktivem Weibsvolk, in Form von Bollywood-Starlet Mallika Sherawat), speziell in den noch zu würdigenden Fights. Der wuxia-Part zieht alle dramaturgischen Register, die wir aus Genre-Highlights wie „Hero“ und „House of Flying Daggers“ kennen und schätzen – also für Nicht-Chinesen unüberschaubare Geflechte aus Loyalitäten und Verrat, unglücklich-unerfüllbare Liebesgeschichten, großes Pathos, großes Melodram, ausschweifende Schlachtszenen und, in Zeiten, in denen die chinesische KP auf die glorreiche imperiale Vergangenheit wieder mächtig stolz ist, viel Verehrung für den ersten Kaiser, den Einiger der chinesischen Königreiche. Im (sicherlich undankbaren) Bemühen, die beiden Storyelemente sinnvoll zu verbinden und zu einem einigermaßen schlüssigen Abschluss zu bringen, entscheidet sich „Der Mythos“ im Finale dafür, noch einen Schritt weiter zu gehen und schon fast in Ching Siu-Tung’artiges „A Chinese Ghost Story“-Fahrwasser vorzudringen, wenn im schwebenden Mausuleum des Kaisers unsere diversen Pro- und Antagonisten schwerelos durch die Lüfte gleiten und ein Finale einleiten, das wirklich nichts mit einem typischen Jackie-Chan-feelgood-Happy-End zu tun hat.

Zu den Charakteren lasse ich mich nicht großartig aus – im „Gegenwarts“-Plot sind’s die Stereotypen, die wir aus den üblichen Jackie-Klamotten gewohnt sind, im „Vergangenheits“-Plot dafür halt die üblichen wuxia-Archetypen. Nix neues zu sehen, aber es funktioniert alles im jeweils gewohnten Rahmen.

In Sachen Inszenierung merkt man an, dass sich Stanley Tong im Action-Adventure-Teil des Films wesentlich wohler fühlt als im großen Epos. Solange die Plotte in der Gegenwart spielt, stimmt das Timing, sitzen die Gags, bis auf einige kleine Patzer, wenn Greenscreen- und CGI-Arbeit nicht überwältigend ist, ist das formal in Ordnung (und ja, „Der Mythos“ setzt volle Kanne auf CGI, Greenscreens und Wire-Fu, weil das anders schlichtweg nicht zu erledigen wäre, wobei Jackie seine Greenscreen-Stunts, wie den Outtakes zu entnehmen, wenigstens ungesichert erledigt). Etwas anderes ist’s im wuxia-Teil, wo Tong manchmal die kontrollierende Hand für die stellenweise hektische Kameraführung fehlt, die CGI in den Massenszenen richtiggehend schlampig ist und dem Meister der Action-Choreograpie auch mal im Wortsinne die Pferde durchgehen (dass nämlich Jackies jeweiliger reitbarer Untersatz *auch* Kung-fu kann, halte ich selbst im Kontext eines mythologisch-historischen Epos für bestenfalls gewagt, aber doch eher blödsinnig; abgesehen davon ist der Film nicht wirklich geeignet für Pferdefreunde, denn die Klepper müssen durch allerlei wirklich giftige Stunts). Die Landschaftsaufnahmen sind aber teilweise atemberaubend.

Über die Action selbst muss man nicht diskutieren – im modernen Plot zieht Jackie alle Register seines komödiantischen Kung-fu-Könnens und zieht seine Trademarks (Einbeziehung der Örtlichkeiten, spielerischer Umgang mit den Gegnern, Choreographie der Fights auf den Lacher hin) voll durch; speziell die Kampfszene, die auf dem Fließband einer Leimplatten-Fabrik spielt und entsprechend, äh, klebrig ist, steht absolut in der Tradition von Klassikern wie „Der rechte Arm der Götter“, „Mission Adler“ oder „Winners & Sinners“. Um so heftiger ist natürlich der Kontrast zum todernst gemeinten wuxia, in dem gemetzelt wird, dass die Schwarte kracht und die FSK-16-Freigabe völlig berechtigt ist. Völlig untypische für ein Jackie-Chan-Opus wird hier wüst gesplattert, da werden Körper durchbohrt, Gliedmaßen und Köpfe abgeschlagen und Jackie Chan himself türmt im Showdown dieses Parts wirklich absolut im Wortsinn Leichenberge auf, die Django, Paul Kersey und den „Blast Killer“ grün und gelb vor Neid werden lassen würden. Auf seine alten Tage wird der gute Jackie echt noch böse…

Dementgegen steht dann wiederum der schon fast lyrisch komponierte absolute Showdown im schwebenden Mausoleum, der von vielleicht nicht auf Hollywood-Standars befindlichen, aber absolut wunderschön anzuschauenden CGI-Effekten umgeben ist und auch ordentlich auf die Tränendrüse drückt (und trotzdem auch Kampfszenen einbaut, die an eine Hommage an „Mission Adler“ denken lassen).

Schauspielerisch macht Jackie, wie gesagt, im modernen Storyabschnitt sein Ding (und singt gemeinsam mit Co-Star Hee-seon Kim auch den signature-Song „Endless Love“, und, wie wir ja auch lange schon wissen, nicht mal schlecht). Die Rolle des antiken Generals mag man ihm irgendwo nicht so recht abkaufen, da ihm hier seine Spitzbübigkeit, die sonst selbst in seinen ernsthaften Rollen durchschimmert, völlig abhanden geht. Jackie gibt sich redlich Mühe, aber… it doesn’t quite feel right. Hee-seon Kim (eine Koreanerin, die ihre Mandarin-Lines phonetisch auswendig lernte, was kurzfristige Drehbuchänderungen schwierig machte) macht als schüchterne Schönheit nichts verkehrt, hinterlässt aber keinen bleibenden Eindruck, im Gegensatz zur schlichtweg umwerfenden Mallika Sherawat („Kis Kis Ki Kismat“, „Guru“, „Dasavatharam“), die eine der wenigen indischen Schauspielerinnen ist, die willig ist, „full frontal“ zu gehen (weswegen sie aber nicht gecastet wurde, auch wenn mit nudity gespielt wird, bleibt’s in der Hinsicht streng jugendfrei. Ein Jammer). Den „Hero’s Best Friend“ gibt uns Tony Leung, seines Zeichens auch alles andere als ein Unbekannter (man denke an „Prison on Fire“, „A Better Tomorrow III“, „Island on Fire“, „Water Margin“ oder „God of Gamblers“), der die Rolle aber zumindest teilweise auf Autopilot absolviert. Ken Lo („Rob-B-Hood“, „New Police Story“, „Under Control“), Maggie Lau („Twins Effect“), Ex-Pop Sänger Patrick Tam („Zu Warriors“), Ken Wong („Downtown Torpedoes“) und Rongguang Yu („Musa the Warrior“, „Police Story 3“) runden ein routiniertes Ensemble ab

Bildqualität: Splendid präsentiert den Film in anamorphem 2.35:1-Widescreen. Der Print ist prinzipiell sehr schön, bietet lebendige Farben und ist frei von Störungen oder Defekten, könnte für meinen Geschmack aber etwas mehr Kantenschärfe vertragen. Ist aber durchaus in Ordnung.

Tonqualität: Neben der deutschen Synchro (gefällig) gibt’s auch die kantonesische (Synchron-)Fassung, beides in Dolby Digital 5.1. Über die deutsche Fassung kann man nicht meckern, obwohl vielleicht der Soundmix etwas dynamischer sein könnte.

Extras: Splendid hat „Der Mythos“ in schlappen drei Fassungen veröffentlicht, die sich hinsichtlich des Bonusmaterials unterscheiden. Die ordinäre Single-DVD, die der Doc sich gegönnt hat, begnügt sich mit einem Regiekommenter (mit deutschen Untertiteln. Nicht lachen, es gibt Label, die sparen sich sowas…). Eine 3-DVD-„Sonder“-Edition fügt dem ganzen noch eine umfangreiche Trailershow, eine komplette DVD mit diversen Making-of-Featuretten und die bereits bekannte und auch einzeln erhältliche „My Stunts“-Doku auf DVD 3 hinzu. Die 3-DVD-„Premium“-Edition in der Metallbox hat anstelle der „My Stunts“-Scheibe eine dritte DVD mit weiteren Making-of-Featuretten und diversen Videointerviews am Start (und ist auf 5000 Stück limitiert).

Fazit: „Der Mythos“ ist sicherlich nicht auf einem Level mit Jackies alten Klassikern wie „Der Superfighter“, „Mission Adler“ & Co., aber zumindest wieder deutlich besser als seine US-Ware und der großbudgetierte Schwachsinn „Das Medaillon“. Während ich zwar die Teilung des Films in Abenteuer-Action und wuxia-Swordsplay-Metzelfilm nicht unbedingt für die allergrößte Idee halte, kann ich konstatieren, dass ich mich im erstgenannten Teil glatt 20 Jahre jünger fühlte und mich wie in guten alten Zeiten über Jackies Comedy-Kung-fu schlapp lachte. Für den wuxia-Teil mangelt es mir Jackie, aber das liegt sicherlich an der Prägung, die man als langjähriger Fan durchgemacht hat, ein wenig an Glaubwürdigkeit, aber wo sonst sieht man einen Jackie Chan, der killt & metzelt, dass Leonidas in „300“ der Bart abfallen würde… Drum – „Der Mythos“ mag uneinheitlich sein, seine Probleme in Regie und Drehbuch haben und in Sachen FX nicht völlig auf der Höhe der Zeit sein, aber er macht Laune und hat mich wesentlich zufriedener zurückgelassen als das meiste, was Jackie in den letzten zehn Jahren abgedreht hat. Daher: thumbs up.

4/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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