Der letzte Lude

 
  • Deutscher Titel: Der letzte Lude
  • Original-Titel: Der letzte Lude
  • Alternative Titel: Andi Ommsen ist der letzte Lude |
  • Regie: Stefan Manuel
  • Land: Deutschland
  • Jahr: 2002
  • Darsteller:

    Gerrit Heesemann (als Lotto King Karl) (Andi Ommsen), Tobias Schenke (Timo Held), Alexandra Neldel (Anica), Erdal Kacar (Slobo), Axel Wedekind (Milan), Luca Maric (Zoran), Bernd Gnann (Rümelin), Michael Müller (Rossi), Torsten Voges (Vorhaut-Franky), Gunter Gabriel


Vorwort

Hamburg, Reeperbahn, 21. Jahrhundert – die mehr oder minder friedliche (ähempt) Koexistenz der Luden, äh, „Vollkaufleute“ auf’m Kiez ist durch die Invasion albanischer Gangs dahin. Nur einer träumt noch von den alten Zeiten – Andi Ommsen bzw. „Stullen-Andi“, der von seinem Mofa-Anhänger aus die Nutten mit belegten Broten versorgt und sooo gern ein echter Zuhälter wäre. Seine große Chance naht – Kiez-Gang-Chef Slobo muss mal für 24 Stunden auf Geschäftsreise auf den heimischen Balkan und in der Zeit müsste jemand auf seine Freundin und Top-Poledancerin Anica aufpassen. Seinen diversen Henchmen ist seiner Ansicht nach nicht zu trauen, nur Elite-Loser Andi dürfte keinerlei Gefahr darstellen. Schnell ist Andi zwangsverpflichtet und mit den diversen Regeln des Jobs vertraut gemacht – nix anfassen, nix kaputt machen und gefälligst Slobos Kuschelschlange füttern, die war schließlich teuer. Andi, eh schon in Anica verknallt, braucht nicht lange, um eine Katastrophe zu veranstalten – die Schlange landet in Slobos Feindesbeseitigungsshredder und uns Stullenschmierer hat ein erhebliches Problem. Ersatz kostet 3000 Euro – zum Glück gibt’s den Seifenoper-Chargen Timo, dem’s nach Kinoruhm gelüstet, der deswegen für die Rolle eines echten knallharten Kiez-Zuhälters recherchiert und peinlicherweise Andi für DIE große Nummer hält. Der lieben Kohle wegen lässt Andi sich auf den Deal ein, wird aber seinerseits von Anica genötigt, ihr zu helfen – Slobo, so erklärt sie, hat ihre Papiere beschlagnahmt und würde die gerne während der Abwesenheit des Albaners aus dessen Safe klauen. Da könnte Andi doch ‚bei helfen, oder? Dieses Unternehmen wird allerdings stark durch den Umstand erschwert, dass die Kombination für den Safe „am schattigsten Platz Hamburgs“ hinterlegt ist… und dann gibt’s da noch zwei Bullen, die Anica beschatten.


Inhalt

Ich muss mal wieder etwas zugeben. Ich mag Lotto King Karl. Und das nicht erst seit gestern, sondern seit mittlerweile auch schon fast zehn Jahren. Ich hab einige seiner Platten und finde sie lustig – und außerdem respektiere ich die Frechheit, mit der Lotto sich ins Rampenlicht geschossen hat: man erkläre sich einfach zum Lottomillionär, tingle durch Talkshows und – schwupp – hat man einen Plattenvertrag, moderiert RTL-II-Shows und ist Stadionsprecher beim HSV. Can’t argue with that, folks.

Nun stellt sich berechtigterweise die Frage, ob unbedingt jeder Nasenbär, der’s irgendwie geschafft hat, seinen Zinken mal vor eine TV-Kamera oder ein Studiomikro gehalten zu haben und eine loyale Kult-Fanbase hat, gleich zum Filmstar deklariert werden muss, aber das deutsche Kino war sich noch nie zu schade, aus einer Kuriosität Profit schlagen zu wollen (geklappt hat’s selten, man frage nach bei Zlatkos „Mr. Boogie“ oder Guildo Horns „Waschen, legen, fönen“). Bei aller Sympathie für Lotto ist er doch eher ein regionales, norddeutsches Phänomen ohne den „gesamtdeutschen“ Approach, wie ihn Zlatko durch sein „Big Brother“- und Sanges-Bruhei oder Guildo durch seinen Eurovisions-Auftritt aufwiesen. Aber – und es ist in diesem Fall ein großes ABER, Lotto hat eine Personality, einen Charakter, der sich wesentlich besser in eine Filmgeschichte übertragen lässt als Zlatkos Doofheit oder Guildos Nussecken-Gier.

Tiefsinnige Unterhaltung darf man natürlich nicht erwarten, vielmehr doofe Sprüche und Zoten deutlich unterhalb der Gürtellinie, speziell, wenn das Drehbuch von Ex-Amateurhorror-Hopeful Mathias Dinter („Feuer, Eis & Dosenbier“, „Die Nacht der lebenden Loser“ und Martin Ritzenoff („Was nicht passt, wird passend gemacht“, „Das Jesus-Video“, aber auch „Bademeister“, „Feuer, Eis & Dosenbier“) stammt. Aber auch für schlüpfrige Zoten gibt’s einen Zeit und einen Ort, und wenn der „Der letzte Lude“ heißt, ist das okay – es ist dem Thema angemessen (sofern man ganz grundsätzlich das potentielle moralische Dilemma, einen Möchtegern-Zuhälter zum Helden zu stilisieren und das hohe Lied auf die guten alten Zeiten auf’m Kiez, als man Konflikte noch mit ein paar soliden Faustschlägen und nicht mit der 9mm erledigte, zu singen, ausblenden kann. Aber wer damit ein Problem hat, dem sei ins Gesangbuch geschrieben, dass es sich beim „letzten Luden“ nicht um einen Dokumentarfilm handelt und auch „unmoralische“ Setups für Komödien durchaus erlaubt sind. Man muss sie deswegen nicht gut finden, aber es spricht per se erst mal nichts dagegen). Die Story selbst ist alles andere als originell – Verlierer bekommt seine „große Chance“, nicht realisierend, dass der Grund für diese Chance gerade sein Verlierer-Dasein ist, kombiniert mit dem nicht minder abgedroschenen Verwechslungs-Motiv, aber es ist erprobt, es funktioniert und eröffnet dem Film das Szenario, um seine Stärken, also Gelegenheit für derbe Sprüche und eindeutig Zweideutiges.

Klar – das ist ein Film für Leute, die noch ein paar kreative Beleidigungen und neue Bezeichnungen für Teile weiblicher Anatomie kennen lernen wollen, aber erfreulicherweise ist das nicht alles. Speziell in seinem ersten Akt überrascht der Streifen durch erstaunlich treffsichere Slapstick-Einlagen (Andis verzweifelter Versuch, in Slobos Wohnung trotz diversester Verbote alles richtig zu machen und dadurch gerade erst katastrophale Konsequenzen heraufzubeschwören, erinnert an richtig gute alte Slapstick-Zeit), macht aber dann leider den Fehler, aus seinem vergleichsweise „realistischen“ Setting auszubrechen und full-blown „over the top“ zu gehen (SPOILER: der „schattigste Platz Hamburgs“ entpuppt sich wortwörtlich als das Arschloch einer bohnenfressenden 400-Kilo-Nutte mit den entsprechend hilarilösen [stöhn] Folgen, Slobos Safe wird von einem Killerhai bewacht] – was dem Film empfindlich schadet (scheint fast so, als wollte Dinter unbedingt einen Latex-Effekt als „Hommage“ an seine alten Horror-Tage einbauen) – die „schattigster-Platz“-Episode ist nicht mehr „positiv“ geschmacklos, sondern einfach nur noch unappetitlich und nur für diejenige Pansenhumor-Klientel goutierbar, die noch den letzten Furz-Gag für den Gipfel feinsinniger Komödie hält. Zum Glück kratzt der Film im Schlussakt noch mal die Kurve und erfreut mit einem nicht-so-wirklich-ganz-Klischee-Happy-End.

Die Regie von Stephen Manuel („Lexx“, „Der Clown“, „Perfect Hideout“ – ein 2008er-Thriller mit Billy Zane) ist dem Temperament seines Hauptdarstellers nicht immer angemessen – das Timing sitzt nicht hundertprozentig (man merkt, dass Manuel bisher hauptsächlich Action und nicht Comedy inszenierte – und das auf TV-Niveau), aber handwerklich ist das alles unspektakulär-pragmatisch, in etwa das, was man erwarten kann, wenn ein mehr oder weniger erfahrener TV-Regisseur auf die große Leinwand losgelassen wird.

Ein wenig mehr hatte ich mir vom Soundtrack versprochen – Lotto und seine Band dürfen zwei 70er-Rock-Klassiker covern, aber eigenes Lotto-Material bleibt außen vor (was schade ist – zumindest „Unter der HSV-Bettwäsche“ hätte perfekt zu einer Szene gepasst; außerdem hat man sträflich verabsäumt, dem „schönen Uwe“ einen Cameo in den Film zu schreiben. Wer Lottos zweites Album „Die alte S-Klasse“ kennt, weiß, wovon ich rede).

Natürlich steht und fällt der Filmgenuss mit der Frage, ob man Lotto als Comedy-Charakter akzeptiert oder nicht. Mit seinem hanseatischen Sprachfehler, der Vokuhila-Matte, die selbst in den übelsten 80er Jahren als Massenvernichtungswaffe geächtet worden wäre und der Mucki-Steppjacke gibt Lotto den Andi als reinrassige, überzeichnete Cartoon-Figur. Es hätte etwas bodenständiger wohl auch funktioniert, aber es passt auch so – Lotto hat trotz des Outfits den gewissen Charme eines sympathischen Losers gut drauf und schlägt sich insgesamt als Nicht-Profi erstaunlich wacker in seiner Rolle. So manch anderer Comedian mit mehr Schauspielerfahrung bringt weniger Screenpräsenz mit als Lotto (ich rede z.B. mit Herrn Kalkofe, dessen Darbietungen für mich immer der Schwachpunkt in den „Wixxer“-Filmen bleiben werden).

Tobias Schenke, der die klassische unlikely-buddy-Rolle übernimmt, harmoniert als picklige Teenie-Fresse recht gut mit Lotto. Man sah Schenke z.B. in „Solo für Klarinette“, „Knallharte Jungs“ oder „Der Untergang der Pamir“. Zu Alexandra Neldel stelle ich nur fest, dass sie wesentlich bessere Rollen verdient hat, als sie gemeinhin spielt. Die Neldel hat als eine der wenigen aus der ganzen Daily-Soap-Telenovela-Inzucht wirklich nicht nur gutes Aussehen, sondern auch Talent und verdingt sich doch immer wieder – notgedrungen, nehme ich an – mit Rollen in Deppenfilmen wie diesem (ja, es ist ein Deppenfilm. Ja, es ist einer, den ich vergleichsweise gut finde), „Erkan & Stefan“ oder „Autobahnraser“. Kann doch eigentlich nicht so schwer sein, ihr mal eine GUTE Rolle in einem RICHTIGEN Film auf den schmucken Leib zu schneidern, bevor der Zug abgefahren ist – immerhin ist sie jetzt auch „schon“ 31.

Erdal Kacar gibt als Slobo einen angemessen fiesen Lumpen ab, Axel Wedekind („Agnes und seine Brüder“) und Luca Maric (Ittenbachs „Chain Reaction“) sind ein ebenso patentes Henchmen-Duo. Was mir ein wenig fehlt, sind ein paar Cameo-Auftritte (mag sein, dass man das mittlerweile aus deutschen Comedy-Filmen so gewohnt ist, dass ein paar bekannte Figuren vorbeischauen) – außer Gunter Gabriel ist hier nix zu vermelden.

Bildqualität: Geboten wird ein sauberer anamorpher 1.85:1-Widescreen-Print mit lebendigen Farben, störungsfrei und mit angenehmen Schärfwerten, leider mit dem Schönheitsfehler eines offenbar falsch gesetzten Flags, das dazu führt, dass manche Player die anamorphe Codierung nicht erkennen.

Tonqualität: Hier liefert Constantin Film einen guten, aber nicht spektakulären 5.1er-Dolby-Track, der seinen Zweck erfüllt, aber eben auch nicht mehr.

Extras: Die 60 Minuten Bonusmaterial rekrutieren sich aus einer Handvoll leidlich interessanter Videointerviews mit Cast & Crew, 18 Minuten deleted scenes (größtenteils zu Recht geflogen), ein paar Outtakes sowie Biographien der wesentlichen Beteiligten. Dazu gibt’s noch ein Video der Premierenfeier. Schön wär ein Audiokommentar gewesen, aber man kann nicht alles haben.

Summa Summarum: „Der letzte Lude“ ist natürlich kein großer Film und auch im Genre der zotigen Komödien kein Weitwurf, im Felde der C-Celebrity-Cash-in-Produkte wie dem erwähnten „Waschen, legen, fönen“ oder Zladdis unveröffentlichtem Opus „Mr. Boogie“ kann Lottos Personality-Show sich durchaus behaupten. Wären nicht zehn-fünfzehn Minuten sinnloser over-the-top-Schwachsinn drin, der in einem „Scary Movie“ besser aufgehoben gewesen wäre (schon allein, weil ich’s dann gepflegt hätte ignorieren können), hätte ich mich durchgängig nicht schenkelklopfend, aber solide amüsiert. Eine gewisse Affinität zu Lotto King Karl hilft sicherlich weiter. Wird sicher nicht jedem gefallen, aber unter den deutschen Deppenkomödien der letzten Jahre ist das schon eine mattschimmernde Perle, ist sie doch phasenweise echt lustig – mehr, als man von 95 % deutscher Comedy behaupten kann.

3/5
(c) 2007 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 6


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