Der letzte Kampf der Shaolin

 
  • Deutscher Titel: Der letzte Kampf der Shaolin
  • Original-Titel: Last Hurrah for Chivalry
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  • Regie: John Woo
  • Land: Hongkong
  • Jahr: 1979
  • Darsteller:

    Damian Lau (Grün), Wai Pak (Cheng, „das magische Schwert“), Lau Kong (Ko Peng), Lee Hoi-Sang (Pak), Fung Hak-on (Pray, „Todesschwert“), Chin Yuet-Sang (Schlafender Zauberer), Ngai Chau-wa (Grüns Geliebte), Wang Kuang-yu (Wang)


Vorwort

Ko Peng, Sohn eines angesehenen Kung-fu-Meisters und den meisten seiner Gäste und Freunde ein wenig suspekt, weil er sich mehr für Bücher als für Kampfkunst interessiert, heiratet. Die Feierlichkeit wird von diversen Überraschungen geprägt – erstens ist Kos Braut eine stadtbekannte Nutte, die er schlicht gekauft hat, zweitens taucht Pak, der Intimfeind seines Vaters auf und überreicht als Hochzeitsgeschenk einen schicken blutigen Schweinskopf und drittens entpuppt sich die Braut als miese Verräterin, die mit Pak im Bunde ist und versucht, Ko umzulegen. Mit Müh und Not gelingt es Kos Vertrauten, den geleimten Bräutigam in Sicherheit zu bringen, während Pak und seine Leute sich durch die Hochzeitsgesellschaft schnetzeln.
Für Ninjas habt ihr aber die Farbe verfehlt…
„Abhängen“ auf chinesisch.

Nicht völlig unverständlicherweise dürstet Ko nach Rache, was nach Ansicht seines Meisters zwangslos daran scheitert, dass er Kung-fu-technisch eine absolute Niete ist. Was im normalen Martial-Arts-Film nun eine längere Unterweisung bei einem besoffenen Kung-fu-Meister benötigen würde, regelt Ko anders – der einzige, der Pak im Kampf besiegen könnte, ist der freischaffende Schwertmeister Cheng alias „das magische Schwert“. Ko manöveriert sich in Chengs Umfeld und drängt sich als Freund auf, bezahlt sogar die Bestattung von Chengs frisch verstorbener Mutter.
Cheng, der sich seinerseits gerade mit dem Auftragskiller und Alkoholiker Grün anfreundet (ohne dessen Identität und Profession zu ahnen), ist skeptisch, doch als der rivalisierende Schwertkämpfer „Todesschwert“ Kos Meister attackiert, fühlt sich Cheng persönlich betroffen und killt „Todesschwert“ im Duell. Und als Ko tränenreich einen Selbstmordversuch inszeniert, weil er der allgemeinen Kampfunfähigkeit wegen seine Familie nicht rächen könne, lässt sich Cheng breitschlagen, zum Instrument der Vergeltung zu werden. Zu seiner Überraschung und Freude will Grün unbedingt bei der Pak-Niedermetzlung mitspielen…


Inhalt

Huch, meine „Shaolin – Die unbesiegbaren Kämpfer“-Box überrascht mich weiter. Gut, „Der letzte Kampf der Shaolin“ ist ungefähr *so* Shaolin wie „Police Story“ (insofern in jedem der Beispiele irgendwelche Chinesen mitspielen und Kung-fu-Kämpfe bestreiten), aber wenn man mir als Mogelpackung einen von John Woos frühen traditionellen wuxias unterjubelt, fällt es mir ziemlich schwer, mich aufzuregen.

Dass sich Meister Woo, bevor er singlehandedly das Heroic-Bloodshed-Genre erfand, wie so ziemlich jeder HK-Regisseur erst mal mit „klassischer“ Martial Arts befassen musste, ist nichts neues – bereits zur ersten Blütezeit der Jackie-Chan-Popularität in deutschen Videotheken gruben findige Verleiher Woos ’76er-Schinken „Hands of Death“ aus (in seiner Video-Inkarnation „Dragon Forever“ genannt, was insofern „witzig“ war, als „Dragons Forever“ der Originaltitel des damals aktuellen Chan/Hung/Biao-Hobels war, der als „Action Forever“ in die Videotheken gestapelt wurde. Ach, die guten alten Zeiten… wie ich sie nicht vermisse [ist ja auch nicht besser geworde seit damals]).

„Last Hurrah for Chivalry“ (was sich korrekt „Das letzte Aufbäumen der Ritterlichkeit“ nennt – schon der pessimistische Titel spricht Bände) wird man mal in John-Woo-Biographien als einen wichtigen Zwischenschritt von den Auftragsarbeiten traditioneller Natur, die Woo in den 70ern besorgte, zu seiner eigenen Art Film, wie sie in den 80ern erblühte, erwähnen. Auch wenn der Film erklärtermaßen in erster Linie eine Hommage an und Verbeugung vor Chang Cheh, auch einem großen Revolutionär im HK-Kino, und dessen große klassischen Swordsplay-Epen (The One-Armed Swordsman sei nur exemplarisch genannt) darstellt, ist er auch, und das ist filmhistorisch womöglich deutlich wichtiger, ein direkter Vorläufer des Heroic Bloodshed, mit dem Woo zu Weltruhm gelangte.

Praktisch alle Themen, an denen Woo sich in seinen Klassikern wie „The Killer“, „Bullet in the Head“, „A Better Tomorrow“ und „Hard-Boiled“ abarbeitete, finden sich – in sicherlich noch ungeschliffener und noch nicht ästhetisierter Form – in „Last Hurrah for Chivalry“ wieder. Es geht um den Wert von Ehre und Freundschaft, Vertrauen und Loyalität, Manipulation und Verrat – es sind natürlich in gewisser Weise tradtionelle chinesische Werte, die wir in ihren Grundzügen sicherlich auch schon bei Chang Cheh & Co. gesehen haben, aber erst Woo macht aus bloßen Plot Devices, eben z.B. einem gar fürchterlichen Verrat, damit wir für den Showdown noch einen Kampf zwischen zwei Hauptfiguren hinzimmern können, die zentralen dramaturgischen und dramatischen Fragen (nicht von ungefähr würden die meisten der oben genannten Woo’schen Gewaltballaden auch ohne ihre Gunplay-Exzesse als Dramen funktionieren).
Woo ist einer der ersten im HK-Kino, der die Grenzen zwischen „Gut“ und „Böse“ vermischt (Wang Yu probierte das etwas früher mit mittelmäßigem Erfolg in seinen selbstproduzierten Filmen) – hier z.B. hat Ko Peng aus moralischer Sicht zunächst mal jeden Grund der Welt, sich an Pak rächen zu wollen – und sicher ist es im Kontext erst einmal auch legitim, mangels eigener Befähigung die hierfür notwendige Expertise extern „einzukaufen“. Aber Ko ist eben kein „Guter“ – er ist ein gefühlskalter Egomane (was sich schon daran äußert, dass er eine Nutte kauft und heiratet – sie ist für ihn nur ein Produkt, dass er benutzen und ggf. bei Langweile wegwerfen will), der alle anderen Menschen als ihm gottgewollt untergeordnete Schachfiguren betrachtet, die er nach Belieben manipulieren kann – nie geht es ihm darum, Chengs Freundschaft ernstlich zu gewinnen, sondern ihn in ein moralisches Abhängigkeitsverhältnis zu manövierieren, dass es ihm unmöglich macht, Kos Rache *nicht* zu vollziehen.

Was nicht heißt, dass Cheng ein Engel wäre – obschon nicht direkt „böse“, ist er doch, da macht der Film keinen Hehl daraus, als berühmter Schwertkämpfer (was sich kurioserweise in diesem China nicht in klingender Münze auszahlt – reich ist er jedenfalls nicht) ein Killer. Jähzornig ist er zudem auch (sein bevorzugtes Opfer ist der Verlobte und spätere Ehemann seiner Schwester, den er regelmäßig verprügelt oder anderweitig schädigt – ohne jedes Schuldbewusstsein und aus nichtigen Anlässen).
Und Grün? Der, vielleicht (abgesehen von seiner Freundin, der Edelnutte – das ist eh schon beinahe ein „The Killer“-foreshadowing-Konstrukt) der sympathischte Charakter des Films, der ist nun völlig unwidersprochen ein ziemlich skrupelloser Auftragskiller, dem herzlich egal ist, wer seine Rechnung bezahlt (aber um so weniger egal, *ob* seine Rechnung bezahlt wird) und selbst, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass das im China des 17. Jahrhunderts (oder wann immer die Plotte spielt) eine Art notwendiger Beruf war, so ist er eben nicht der übliche „Killer-mit-dem-Herzen-aus-Gold“.

Es sind, wie man sieht, Charaktere, wie sie, zeitgemäß upgedated, auch aus „Bullet in the Head“ stammen könnten, und auch wenn Woo hier fraglos noch experimentiert, wird schon deutlich, wie sehr eine oberflächlich als 08/15-„Rache-für-den-Meister“-Gedöns abqualifizierte Story durch dieses sorgsam aufeinander abgestimmte Charaktergeflecht, das mit erstaunlicher Präzision auf sein pathoserfülltes, heroisch blutvergießendes Finale hinkonstruiert ist, aufgewertet wird. Woo bringt nicht Kampfszene auf Kampfszene, weil „das halt so sein muss“, sondern weil seine Figuren tatsächlich zwingende Gründe dafür haben (oder zumindest so manipuliert wurden, dass sie *glauben*, zwingende Gründe dafür zu haben). Ich hab früher selbst immer ein wenig unterschätzt, wie gut Woos HK-Gassenhauer dramaturgisch funktionieren – es hilft, wenn man sich seinen dagegen weitgehend belanglosen Hollywood-Output ansieht und direkt vergleicht -; an „Last Hurrah for Chivalry“ kann man sozusagen üben, gemeinsam mit seinem Regisseur lernen, wie man beinharte Action und großes Drama gewinnbringend kombiniert, ohne dabei auf breitgepinselte Schwarz-Weiß-Malerei zurückgreifen zu müssen (abgrundtief böse ist eigentlich „nur“ Pak, der schon mal zum Spaß seine eigenen Henchmen abschlachtet).

Produziert von Raymond Chows Golden Harvest hat Woo auch die notwendigen Ressourcen, um den Film angemessen aussehen zu lassen – wie bei den großen Shaw-Klassikern setzt auch Woo auf die eigentümlich passende Studio-Atmosphäre – bis auf die großen „Straßenszenen“ ist alles, was „draußen“ spielt, drin gedreht. Normalerweise bin ich kein großer Fan von Studio-„Exteriors“, aber wie bei den Shaws nutzt auch Woo die vermeintliche Einschränkung für eine leicht surreal-märchenhaft angehauchte Atmosphäre.

Wenn ich oben schrob, „Last Hurrah for Chivalry“ wäre ebenso großes Drama wie hartes Actionkino, so bedeutet das nicht, dass Woo sich in langwierigen Dialogsequenzen ergeht. Er weiß natürlich, was seine Brötchengeber und das Publikum wünschen – hauptsächlich eben Swordsplay-Action, aber er ist bereits talentiert genug, um seine Dialoge prägnant zu halten. Wenn seine Figuren miteinander sprechen, können wir davon ausgehen, dass es wichtig ist (und ebenso erkennen wir manchmal, dass etwas wichtig ist, weil der jeweilige Charakter eben *nichts* sagt).
In einem vermuteten Zugeständnis an zeitgenösssische Sehgewohnheiten leidet der Film und insbesondere einige Dialogesequenzen manchmal an dem Willen, es „lustig“ zu machen – so geht z.B. eine potentiell anrührende Szene, in der Grüns Nuttenfreundin ihn in ein Liebesgeständnis lavieren will, ein wenig flöten, weil Woo sie auf den Lacher inszeniert; es hält sich buddhalob in Grenzen (obschon z.B. der Fight mit dem Pak-Henchman „Sleeping Wizard“ eher in einen Drunken-Master-Film passen würde; ab und an ist die Comedy aber sogar wirklich ganz spaßig, so z.B. wenn Grün an der eigenen Birne ein paar Weinkrüge zerdeppert, bis er einen gefunden hat, der seines Erachtens geeignet ist, einem Falschspieler über den Schädel gezogen zu werden), man darf sich jedoch einmal mehr darüber aufregen, warum HKs Filmemacher in den 70ern selbst in der blutrünstigsten und todernstesten Rachegeschichte unbedingt ein paar pansenhumoristische Auflockerungen einbauen mussten. Als ob wir Langnasen uns nicht zur Not durch ’ne Comedy-Synchro behelfen könnten, wenn’s uns zu ernst wird (schriebs und dachte an den „Dampfhammer von Send-Ling“)…

Die Kampfszenen selbst sind, wie gesagt, primär schwertkampforientiert, Cheng hat ab und an kurze Anwandlungen, unbewaffnet zu fighten, ansonsten aber haut man sich Klingen um die Ohren. Woo hat durchaus ein Händchen für die Kampf-Inszenierung und wie man sie extrem blutig hält, ohne extrem graphisch zu werden (trotz eines Bodycounts von epischen Ausmaßen und einiger später Exzesse vorwegnehmender Blutfontänen bleibt die Sache durchaus im Rahmen der FSK-16-Vertretbarkeit). Es ist nicht das ganz große Spektakuläre, das zelebriert wird, doch auch wenn einem Stunts und choreographische Leckerlis, bei denem einem ob der nie dagewesenen Raffinesse die Spucke wegbleibt, vorenthalten bleiben, sind die Fights rasant, flott, brutal und gelegentlich originell inszeniert (der Dreier-Fight Grün/Cheng gegen Pak in dessen kerzenerleuchtetem Dungeon z.B.).

Darstellerisch mag es vielleicht nicht die allererste Garde verdienter HK-Kämpen sein, die sich hier die Ehre gibt, aber das schadet auch nicht wirklich. Für Damian Lau (Grün) war es gar nach einem kurzen Fernsehengagement der erste Kinoauftritt – später war er u.a. in „Das Todesduell der Shaolin“, „Heroic Trio“ und 2008 in „Three Kingdoms“ zu sehen. Lau ist programmgemäß jugendlich-enthusiastisch, ein paar Comedy-Elemente weniger in seiner Performance hätten mir gefallen, aber dass er ein bisschen „lustig“ ist, dürfte wohl gewollt sein.
Wai Pek aka Pai Wei (Cheng) hatte sich über kleinere Rollen in „Die fliegende Guillotine“ und „Der Rächer aus der Todeszelle“ zu einem Mitglied der „Five Deadly Venoms“ hochgearbeitet und war später noch in „Magnificent Butcher“ und „Meister aller Klassen“ zu sehen. Etwas mehr Ausstrahlung könnte ihm nicht schaden, aber das, was er spielen soll, kann er auch.
Lao Kong (Ko), der in „Karato – Fünf tödliche Finger“ debütiert hatte, war im Nachgang viel fürs HK-Fernsehen tätig, aber auch in der „New Wave of HK Cinema“ immer wieder vertreten – so in Ringo Lams „City on Fire“, Man Kit Poons „To Be Number One“, Johnnie Tos „Casino Raiders II“ und nicht zuletzt John Woos eigenem „Hard-Boiled“. Nicht unverdient, denn Kong legt tatsächlich eine sehr gute Performance hin, in der er teilweise nuanciert, teilweise mit schierer Energie die Bandbreite zwischem „weinerlichem Opfer“ und „hassenswertem Ekel“ absolviert.
Hoi Sang Lee (als Pak durchaus eindrucksvoll) könnte Jackie Chan-Fans aus zahlreichen 80er-Schlagern wie „Der Superfighter“, „Der Protector“ oder „Powerman II“ bekannt vorkommen. In seiner Entourage findet sich auch Mars, der bekannte Stuntman und Schauspieler aus Jackie Chans fester Stunttruppe.

Bildqualität: Paragon hat hier einen echt hübschen 2.35:1-Widescreen-Print (anamorph) aufgetrieben. Praktisch frei von Defekten und Verschmutzungen, mit hübschen Farben, macht richtig Spaß auf dem Flatscreen – sowas bin ich von 6-Filme-auf-2-DVD-Boxen nicht gewohnt…

Tonqualität: Naja, da hab ich dann doch noch was zu motzen. Da der Streifen anno dunnemals nicht in Deutschland gelaufen und auch nicht auf Video erschienen ist, musste man ihn notgedrungen einer neuen Synchronisation unterziehen und wie die bei einem Kaufhauslabel aussieht bzw. sich anhört, kann man sich ja denken. Ich hab schon wesentlich schlechtere Neusynchros gehört, aber so richtig lebendig und authentisch klingt das nicht (speziell die Frauenrollen sind sprecherinnenseitig furchtbar umgesetzt).

Extras: –

Fazit: Falls es sich aus obigem Geschwurbel nicht ergeben hat – „Last Hurrah for Chivalry“ ist ein guter bis sehr guter Film, der nicht nur für sich allein gesehen als bemerkenswertes Schwertkampfepos (eines der letzten „klassischen“, bevor Tsui Hark und Ching Siu-Tung die starken Fantasyelemente ins Genre einbauten) sehenswert ist, sondern natürlich und vor allem als wichtiger Baustein in der Karriere von John Woo. So vieles, was später seine wichtigen Heroic-Bloodshed-Epen prägen sollte, findet sich hier schon in angedeuteter oder experimentieller Form, so gesehen tatsächlich „A Better Tomorrow“ mit Schwertern statt Wummen. Dass ein solches Werk anonym in einer Multifilm-Box für eine Handvoll Euro anstelle in einer aufgebretzelten Criterion-BluRay-Version verscherbelt wird, ist eigentlich aus filmhistorischer Sicht unangemessen, dem preisbewusst-interessierten Konsumenten kann’s freilich recht sein. Ich kann jedenfalls nach zwei von sechs Filmen sagen – die „Shaolin – Die unbesiegbaren Kämpfer“-Box ist ihr schmales Geld allemal wert!

4/5
(c) 2013 Dr. Acula


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