Der Killer wird gekillt

 
  • Deutscher Titel: Der Killer wird gekillt
  • Original-Titel: The Girl Hunters
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  • Regie: Roy Rowland
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1963
  • Darsteller:

    Mickey Spillane (Mike Hammer), Shirley Eaton (Laura Knapp), Scott Peters (Pat Chambers), Guy Kingsley Poynter (Dr. Snyder), James Dyrenforth (Bayliss Henry), Charles Farrell (Joe Grissi), Hy Gardner (als er selbst), Lloyd Nolan (Arthur Rickerby)


Vorwort

Es gefällt ihm ganz bestimmt nicht, aber Polizeilieutenant Pat Chambers braucht die Hilfe seines früheren Kumpels Mike Hammer. Der allerdings hat seit dem rätselhaften Verschwinden seiner Sekretärin und Geliebten Velda (auf die auch Pat ein Auge oder zwei geworfen hatte) die vielversprechende Laufbahn eines Vollzeit-Alkoholikers und Gossenpenners angetreten. Eine Polizeistreife findet Hammer, mal wieder stockbesoffen und zusammengeschlagen, in einer Seitengasse im Müll liegen. Chambers‘ Ausnüchterungs-Prügel bringt Hammer zumindest soweit auf die Beine, um sich anzuhören, was der Cop eigentlich von ihm will.

In einem Krankenhaus liegt Richie Cole, tödlich durch eine Kugel verwundet, und was er über seinen Mörder weiß, will er, bevor er abnippelt, nur Mike Hammer erzählen. Der hat zwar keinen Schimmer, wer Richie ist, aber sein Interesse ist geweckt. Richie gibt an, ein Opfer eines gewissen „Drachen“ gewesen zu sein, und dass der Anschlag etwas mit Velda zu tun hat, die noch am Leben sei. Dann verröchelt Richie, und Mike muss sehen, was er mit der Information anfangen kann. Chambers jedenfalls will er nichts erzählen, aber der Cop kann immerhin mitteilen, dass Richie mit der selben Waffe erschossen wurde mit der vor ein paar Jahren, während Mikes fuselbedingter Auszeit, Senator Leo Knapp, ein bekannter Kommunistenfresser, erlegt wurde. Hammer würde jedenfalls am liebsten auf eigene Faust ermitteln, aber während er sich Chambers vom Hals halten kann, ist FBI-Agent Arthur Rickerby eine härtere Knacknuss. Richie war Undercover-Agent und früherer Protegé Rickerbys, und deswegen will er seinen Mörder höchstpersönlich erwürgen.

Spuren sind Mangelware – Hammer sucht die Witwe des Senators auf, um sich ein Bild von den Umständen seines Todes zu machen. Laura Knapp, die betreffende Witwe, ist ein heißer Feger und durchaus nicht ungewillt, ihre Trauerzeit möglicherweise mit Mike zu beenden. Momentan ist Hammers Interesse aber rein beruflich, und in der Tat tut sich eine gewisse Verbindung auf. Leo Knapp wurde im Rahmen eines Juwelenraubs ermordet, bei dem aus dem Privatsafe der Knapps ein Haufen gefälschter Klunker geklaut wurde. Und Velda verschwand dereinst bei einem von Mike eingefädelten Auftrag, die Juwelen einer reichen Tante zu beschützen – die Tante biss ins Gras, und Hammers Auftraggeber – und Velda – verschwanden samt der Juwelen auf Nimmerwiedersehen. Das reicht, um den Detektiv am Ball zu halten, hilft ihm aber noch nicht weiter auf der Suche nach dem Drachen. Ein befreundeter Journalist findet heraus, dass „Drache“ der Codename für einen russischen Auftragskiller ist – das macht jetzt wieder Sinn angesichts Knapps allgemein bekannter antikommunistischer Einstellung.

Auf Mike und Laura wird ein Attentat verübt – der Schütze entkommt ungesehen. Mike beginnt in Richies Umfeld am Hafen zu ermitteln, doch einer von Richies wenigen Freunden ist schon ermordet, als Mike und sein Informant dort auftauchen – und wer auch immer ihn gekillt hat, unternimmt auch einen weiteren Versuch, Mike abzuknallen. Dennoch kommt der Detektiv des Rätsels Lösung näher – augenscheinlich reicht die Geschichte bis in den Zweiten Weltkrieg zurück, als sowohl Richie als auch Velda Mitglieder einer hochgeheimen Spionageorganisation waren, die ihrerseits auf einen deutschen Spionagering, der von den Sowjets infiltriert wurde, angesetzt war. Wurde Velda damals nach Sowjetrussland entführt und gelang ihr die Flucht zurück in die USA? Das würde erklären, warum der Drache hinter ihr her ist…


Inhalt

Mike Hammer, männlichster aller männlichen Privatdetektive, Held nicht weniger als vier TV-Serien (davon drei mit Stacy Keach), und entsprungen der blumigen Fantasie von Mickey Spillane – 1947 veröffentlichte Spillane mit „I, the Jury“ den ersten seiner Groschenromane um den groben Ermittler, der – obschon aus heutiger Sicht zahm – in Sachen Sex und Gewalt wesentlich weiter ging als es damals üblich war. Die Kritik war nicht begeistert und verurteilte Spillanes Romane als billigen brutalen Schund, was den Autor nicht störte: „Die Kritiker ärgern sich nur, dass mehr Erdnüsse als Kaviar verkauft werden“. Im Laufe der Zeit erlebten die Mike-Hammer-Romane eine gewisse künstlerische Rehabilitation und gelten zumindest bei manchen Kritikern als herausragendes Beispiel amerikanischer Literatur. Erfolgreich waren sie sowieso (eine zeitgenössische Untersuchung ergab in den 50ern mal, dass sechs der zehn meistverkauften amerikanischen Romane von Spillane stammten). Schon 1958 interessierte sich das Fernsehen für den Stoff – die erste s/w-Serie enstand ohne großen Einfluss von Spillane (eine adäquate Umsetzung wäre damals eh nicht möglich gewesen), der sich darauf beschränkte, den Tantiemenscheck zu kassieren, und bereits 1955 hatte Robert Aldritch „Kiss Me Deadly“ (hierzulande als „Rattennest“ gelaufen) Mike Hammer, dargestellt von Ralph Meeker, auf die große Leinwand gebracht (vermutlich der einzige Film Noir, der mit einer Atomexplosion endet).

1963 machten nun ausgerechnet britische Produzenten Spillane ein Angebot, das er kaum ablehnen konnte – man bot ihm an, selbst die Hauptrolle in einer weiteren Hammer-Verfilmung zu spielen. Ich glaube, es gibt nur wenige Autoren, die zu einer solchen Offerte von Haus aus „nein“ sagen würden. Und so begab Spillane sich ins Königreich auf der Insel, um dort „The Girl Hunters“ abzudrehen. Regie führte Roy Rowland, ein altgedienter B-Regisseur, der u.a. auch das Dr. Seuss-Musical „The 5.000 Fingers of Dr. T“ inszeniert hatte, und gemeinsam mit Spillane und dem amerikanischen Co-Produzenten Roland Fellows auch das Drehbuch verfasste.

Und sagen wir’s ehrlich – ein besonders tolles Script ist es sicher nicht, aber Spillanes Bücher waren auch nicht für ihre elaboraten Plots bekannt, sondern für ihre Waghalsigkeit in der schon erwähnten Sache „Sex und Gewalt“ – und das konnte nun auch 1963 in einem Mainstream-Film kaum so zeigen, wie Spillane es schrieb. Aber es hat sicher seine Momente – es beginnt schon bei der Ausgangsposition, Mike Hammer am absoluten Tiefpunkt, gebrochen, zerstört, und eigentlich auch unwillens, an dieser Situation etwas zu ändern, weil man sich im Selbstmitleid ja auch so perfekt suhlen kann. Es ist quasi jeder Film-Noir-Privatschnüffler, der von einer Femme Fatale auf’s Kreuz gelegt wurde, zusammengerechnet und potenziert – ein menschliches Wrack zu sein, wäre an dieser Stelle ein echter Schritt nach vorne für Hammer. Dass er es sich auch mit Pat Chambers verscherzt hat, ist da nur das Sahnehäubchen – Chambers könnte nichts egaler sein, als wenn sich Hammer zu Tode saufen würde oder wenigstens von irgendeinem Straßenschläger zu Fleischsalat verarbeitet würde, aber er braucht ihn, um seinen Fall zu lösen. Ehrensache, dass Chambers in der Folge der letzte sein wird, der irgendetwas über den Fortgang von Hammers Ermittlungen (die er sowieso rundweg ablehnt und persönlich angefressen ist, als Rickerby dem Detektiv per ordre de mufti einen Waffenschein ausstellt) erfährt. In gewisser Weise wohltuend ist auch, dass Mike Hammer in diesem Film ein Detektiv ist, der tatsächlich echte Detektivarbeit verrichtet – er zapft Informanten an, schaltet seine Kontakte ein, spricht mit Personen von Interesse. Die Kehrseite der Medaille ist einerseits, dass der Streifen dadurch sehr dialoglastig wird (since words are cheaper to film than action), andererseits, dass Hammers Recherchearbeit viel von ihrem „Glanz“ verliert, weil praktisch jeder, der ihm gegenüber steht, genau die passende Information hat, die den Detektiv einen Schritt weiter bringt, ohne dass er kombinieren, Schlussfolgerungen ziehen oder im Allgemeinen seine Denkmurmel überstrapazieren müsste. Zumeist offenbaren die Informanten ihre Kenntnisse auch ohne größere Überredung; es ist wohl als eine Art Zeichen des Respekts gegenüber dem Hammer immer noch vorauseilenden Ruhm vergangener Tage gemeint, ist aber natürlich nur eingeschränkt „kinematisch“.

Actionspitzen setzen Rowland und Spillane nur sehr dosiert – bis zum Schlussfight, den Besucher von Christian Keßlers Lesereise zu „Das versteckte Kino“ schon kennen, und der für die Zeit schon recht rüde ausgefallen ist (und für den sogar ein „fight arranger“ kreditiert wird – Doug Robinson, der sich später in die A-Liga der Stuntleute hocharbeitete und an diversen James-Bond-Filmen arbeitete) – muss man sich an kleinen Szenen festhalten. Aber die haben’s dann durchaus in sich – der schmerzvolle „Erstkontakt“ zwischen Pat und Mike, oder eine Szene, in der Hammer – ohne Gewaltanwendung, aber dennoch intensiv – einen renitenten Kneipenschläger dazu bringt, eine Patrone zu essen. Interessant übrigens auch, dass Rowland und Spillane ihrem Helden ein klassisches Happy End verwehren.

Handwerklich ist Rowlands Arbeit durchaus bemerkenswert – Stock-Footage-Aufnahmen des Big Apple täuschen Scope vor, den die kleine Produktion nicht hat, und Rowland hält den Film trotz seiner Redseligkeit immer in Bewegung, wechselt die Schauplätze, selbst wenn’s nur für eine kurze Dialogszene ist, und sorgt so dafür, dass sich visuell keine Langeweile einstellen kann. Für einen „noir“, wie er im Buche steht, ist „The Girl Hunters“ auch sehr „hell“. Rowland kontrastiert die Klaustrophobie von Hammers engem Büro und den Schmutz der Hinterhöfe und Hafenkneipen mit der Weitläufigkeit und dem Luxus von Laura Knapps Villa (auch zur Verdeutlichung, dass eine Liebesbeziehung zwischen Laura und Mike nie funktionieren könnte, weil sie aus völlig verschiedenen Welten stammen). Unterstützt wird das von ausgezeichneter Kameraarbeit von Ken Talbot (der später für Hammer „Hände voller Blut“ und „Comtesse des Grauens“ betreuen sollte), dessen klare und einfallsreiche Fotografie speziell in der digital entrümpelten Blu-Ray-Fassung exzellent zur Geltung kommt. Ein weiteres Highlight ist der ausgezeichnete, manchmal melancholische, manchmal treibende Score von Phillip Green („Verliebt in eine Königin“, „Das Mädchen Saphir“).

Aber die bange Frage ist natürlich – wie schlägt sich Mickey Spillane als Amateur in der Hauptrolle? Die Antwort mag den ein oder anderen überraschen. Spillane ist sicher kein guter Schauspieler – wie könnte er es auch sein? -, aber gerade der Umstand, dass hier jemand vor der Kamera steht, der lupenreiner Amateur ist, verleiht dem Film einen ungeheuren Charme, sorgt für den notwendigen Hauch rauer Ungeschliffenheit, die der ansonsten technisch beinahe schon zu glatte Produktion eine Authentizität verleiht, die nur wenige der amerikanischen noirs aufweisen können. Was Spillane an acting talent fehlt, macht er mit roher Ausstrahlung wett. Spillane sieht nicht aus wie jemand, der einen gestrauchelten Privatschnüffler *spielt*, sondern als wäre er echt einer, den man aus der nächsten Kneipe von der Jack-Daniels-Flasche weggezerrt hat (und für die notwendige physische Präsenz sorgte man mit dem Tom-Cruise-patentierten Kunstgriff, Co-Stars zu verpflichten, die ein Stückchen kleiner waren als Spillane). Es ist zweifellos eine exzentrische Darbietung, aber eben eine, die einen „Durchschnittsthriller“ auf eine andere Ebene hebt. Sowohl Spillanes Performance auch die „richtigen“ Schauspieler, mit denen man ihn umgibt, sorgen auch dafür, dass „The Girl Hunters“ ungeheuer… „erwachsen“ wirkt. Fast alle Charaktere sind reife Gesellen (was auch so sein muss, da der Film auf Ereignisse Bezug nimmt, die auch in der Filmrealität schon gut 20 Jahre zurückliegen), Jugendstil ist sicher was ganz anderes; ein klarer Gegenentwurf zur Infantilisierung des Hollywood-Films, die langsam Gestalt annahm, weil Themen und Stilmittel des auf jugendliches Publikum gezielten Drive-in-Kinos in den Mainstream eindrangen. Lloyd Nolan als Arthur Rickerby (dessen Name stetiger Verballhornung durch Mike Hammer ausgesetzt ist – das einzige Aufflackern von Humor, das sich der Film erlaubt) ist ein schönes Beispiel dafür, zarte 60 Jahre jung und mit einschlägiger Noir-Erfahrung aus dem frühen POV-Experiment „Die Dame im See“, „Irgendwo in der Nacht“ oder „Straße ohne Namen“. Obwohl alter Profi versucht Nolan sich so weit wie möglich Spillanes ungehobeltem Stil anzupassen, was überraschend gut funktioniert. Scott Peters (Pat Chambers) spielte ungefähr zur gleichen Zeit in „Madman from Mandoras“, der fünf Jahre später zum ewigen Trashheuler „They Saved Hitler’s Brain“ verarbeitet wurde. Mit Hy Gardner gibt’s noch einen weiteren non-actor – er spielt „als er selbst“ Hammers Reporter-Kontakt. Im echten Leben war Gardner in den 50ern und 60er populärer Entertainment-Kolumnist, der auch eine eigene Interview-Fernsehshow hatte. Die femme-fatale-Position übernimmt Shirley Eaton kurz vor ihrem „goldigen“ Auftritt in „Goldfinger“ und ihrem späteren Doppel-Stint als Sax Rohmers „Sumuru“ (Jess Franco trieb ihr offenbar die Schauspielerei aus, denn nach „Die sieben Männer der Sumuru“ war Schluss) – auch keine große Schauspielerin, sure, aber als Partnerin für Spillane auch wieder durchaus treffend besetzt.

Für relativ kleines Geld ist eine spanische Blu-Ray (Reginalcode ABC) erhältlich, zu deren Legitimität keine Aussage treffen kann – eine Publisher-Angabe sucht man jedenfalls vergebens. Geboten wird ein exzellenter 2.35:1-Transfer, der Talbots Kameraarbeit, wie gesagt, bestens repräsentiert. Englischer O-Ton wird auf brauchbare Weise geboten, ebenfalls eine spanische Synchronfassung sowie Untertitel auf Spanisch und Portugiesisch (es amüsiert mich, das sein an der Stelle erwähnt, übrigens maßlos, dass ein s/w-Film von einer Produktionsfirma namens „Colorama“ präsentiert wird. Aber schwarz und weiß sind ja technisch gesehen auch Farben).

Summa summarum – „The Girl Hunters“ ist sicher ein „oddball little movie“, wie der Anglophile sagen würde. Sicher nicht das Fest brutaler Action und heißer Erotik, wie es eine, ähempt, werkgetreue Adaption des Spillane-Roman-Stils versprechen würde, aber ein hochinteressanter, bemerkenswert fotografierter detective noir, der durch die exzentrische Besetzung der Hauptrolle mit dem Romanschreiberling eine völlig neue Qualität gewinnt. Das hält, das ist gewiss, keinen Vergleich mit den ganz großen Klassikern des film noir aus, verdient aber zweifellos eine Wiederentdeckung, sei’s als später britischer Genrevertreter an und für sich, sei’s als obskures Experiment. Mir jedenfalls hat’s gefallen!

(c) 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 7


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