Der Kampf um die Todessiegel

 
  • Deutscher Titel: Der Kampf um die Todessiegel
  • Original-Titel: Shi er jin pai
  • Alternative Titel: The Twelve Gold Medaillons |
  • Regie: Cheng Kang
  • Land: Hongkong
  • Jahr: 1970
  • Darsteller:

    Yueh Hua (Miao Long), Chin Ping (Suo Chin), Chiao Chiao (Huan Chin), Ching Miao (Chin Yan-Tang), Huang Chung-hsin (Lei Ting), Wang Hsieh (Ma Shan-Ting), Li Kun (Hsiao Erh), Yang Chih-Ching (Sung Hsi-cheng, „Smiling Fox“), Wen Chung Ku (Meng Ta-Bei, „Green Bamboo“)


Vorwort

China, im 12. Jahrhundert. Der tapfere General Yue Fei kämpft gegen einfallende Tartarenhorden und hat mit seinem schlappe 100.000 Mann starken Heer durchaus eine solide Chance, diverse verlorene Gebiete zurückzuerobern. Dummerweise will Qin Hui, der erste Minister des Kaisers, lieber mit den Jurchen-Tartaren verhandeln und hat dem Kaiser zwölf Dekrete aus dem Kreuz geleiert, die auf goldenen Medaillons notiert sind und an die Front gebracht werden sollen – ihr Inhalt: Yue Fei solle doch bitte das Kriegsspielen sein lassen und in die Hauptstadt zurückkehren.
Diverse patriotisch gesonnene Elemente halten diese Edikte nun aber für Verrat an der nationalen Sache und versuchen daher, die diversen Kuriere auszuschalten. Neben einer Bruderschaft leidlich kompetenter Schwertkämpfer macht hauptsächlich der freischaffende Kampfkünstler Miao Long von sich reden, so sehr, dass Qin Hui dessen Meister Chin Yan-Tang einbestellt. Chin Yan-Tang wehrt die ihm gemachten Vorhaltenungen ab und killt direkt vor Ort noch Qin Huis rechte-Hand-Mann Ma, was den Minister wiederum so beeindruckt, dass er Chin Yan-Tang zu dessen Nachfolger macht. Der Meister ist an persönlichem Machtgewinn stärker interessiert als an patriotischen Pflichten und akzeptiert. Dies entfremdet ihm nicht nur Miao Long (der dann auch gleich die Verlobung mit Chin Yan-Tangs Tochter Suo Chin auflöst), sondern auch seine Töchter.
Dieweil Suo Chin, der ihr Papa den Floh ins Ohr gesetzt hat, Miao Long hätte ’ne andere Flamme am Start, ebenfalls unter die patriotischen Freischärler geht, killt Papa Chin seine andere Tochter, die Suos Flucht gedeckt hat. Was die Medaillonszustellung angeht, rekrutiert der Böswatz den gefürchteten „Lächelnden Fuchs“, der mit einer primitiven Finte 70 % der Schwertkämpferbrüderschaft ausknipst, aber in Miao Long seinen Meister findet. Suo wird beim Versuch, eins der Medaillons abzufangen, schwer verletzt – Miao Long rettet sie (zu ihrem Verdruss), aber letztlich können die romantischen Missverständnisse aufgeklärt werden.

Das letzte Medaillon will Chin Yan-Tang sicherheitshalber persönlich zustellen, doch ihm stellen sich nicht nur seine Tochter und Miao Long in den Weg, sondern auch die drei letzten Schwertbrüder und ihr Meister, der legendäre „Grüne Bambus“…


Inhalt

Kucken wir mal wieder bei den Shaw Brothers vorbei. Deren umfangreiches Ouevre wurde ja von Celestial ausgegraben, um es einer neuen Generation Martial-Arts-Fans nahezubringen, doch, wie ich soeben gelernt habe, musste das wagemutige Unternehmen feststellen, dass sich zumindest in Hongkong, und für den einheimischen Markt produziert Celestial primär, keine alte Sau für Opas alte Schwertkampfklopper interessiert – deswegen hat Celestial trotz des gierigen Sabberns, das der Rest der Welt, zumindest soweit er sich für Opas alte Schwertkampfklopper interessierte, das Experiment auch beendet.

Irgendetwas sagt mir dabei allerdings, dass Celestial es verabsäumte, in den Markt von Mainland China zu investieren, denn genügend der alten Shaw-Klopper sollten eigentlich in die KP-autorisierte Welle patriotischen Historienactionkinos passen, so z.B. unser heutiges corpus delicti, das sich mit einem authentischen historischen Hintergrund schmückt (so authentisch, wie man das 900 Jahre später eben beurteilen kann). Nach meinen intensiven Recherchen (dem Genuss zweier Wikipedia-Artikel) ist die Geschichte soweit korrekt, als dass Yue Fei den einfallenden Jurchen durchaus erfolgreich Mores lehrte, der fiese und machtvolle Minister Qin Hui aus geheimen Friedensverhandlungen persönliche Vorteile zu ziehen hoffte und deswegen dem schwachen Kaiser die bewussten Dekrete abrang. Wie auch der Film in seiner Abschluss-Titelkarte bedauernd zugeben muss, war Qin Hui letztlich erfolgreich – einer der Befehle erreichte Yue Fei, der gehorchte, um keine innenpolitische Krise auszulösen, und prompt nach seiner Rückkehr zum kaiserlichen Hof festgenommen und ermordet wurde (aber schon fünfzig Jahre später rehabilitiert und zum Volkshelden erklärt, wovon er nun zugegebenermaßen aber auch nicht mehr so arg viel hatte).

Gut, auf der anderen Seite liegt es wahrscheinlich weniger auf Partei-Richtlinie, dass im China von „Der Kampf um die Todessiegel“ das Volk sich einig ist, dass die Regierung (in Qin Hui personifiziert) ein übler Halunkenhaufen, der Kaiser ein Schwächling und des Ministers ausführender Exekutivscherge (Chin Yan-Tang) ein machtberauschter Sozio- und Psychopath sei. Der zentralistisch und autoritär geprägten KP dürfte zumindest dieser Aspekt nicht gefallen…
Aber sei’s drum – für uns Langnasen ist der historische Backdrop lediglich „flavor“ und nicht von entscheidendem Belang, halt nur das Gerüst, in dem sich das übliche aufgrund inflationärer Charakteranzahl fast undurchschaubare Ränkespiel um Loyalitäten, Vertrauensbeweis und -verlust, Verrat, List und, natürlich, rivalisierende Kung-fu-Schulen abspielt. Vom archetypischen Wuxia-Holzer unterscheidet sich „Der Kampf um die Todessiegel“ hauptsächlich durch das zusätzliche Soap-Opera-Element der getäuschten Liebhaber Miao/Suo und (erfreulicherweise) den weitgehenden Verzicht auf den gefürchteten chinesischen Pansenhumor, der noch die blutrünstigste Amputationsorgie heimsuchen konnte – eine einzige Szene verschwendet der Film an mit dem weiteren Film nicht wirklich verbundene Komedypopomedy (geschmackssicher im Zusammenhang mit den Begräbniskosten für die niedergemetzelten Schwertkämpfer), und auch das dient nur dazu, um den nächsten schurkischen Gegner für Miao Long (in diesem Fall den „lächelnden Fuchs“) einzuführen.

Mit einer „Story“ im Wortsinne hält sich der Streifen nicht weiter auf – das Script ist extrem episodisch und beschränkt sich überwiegend darauf, diverse „Unterbosse“ aufzubauen, die der Held besiegen muss, ehe er sich in den Kampf mit dem Hauptschurken stürzt (der in dem Fall aber auch nur ein „Unterboss“ ist, weil Miao Long mit Qin Hui nichts zu schaffen hat. Der erste Minister ist nur in einer Szene als schemenhafte ränkeschmiedende Figur im Hintergrund zu sehen) – schon erstaunlich, wie der klassische Kung-fu-Film eine Struktur vorwegnimmt, die sich fünfzehn-zwanzig Jahre später zur gängigen Formel für Videospiele entwickeln sollte.

Die episodische Struktur sorgt für flottes Tempo, wobei Charakterentwicklung weitgehend auf der Strecke bleibt. Dass Miao und Suo füreinander Gefühle hegen, muss man schlicht und ergreifend glauben, Suos Kleinkind-Trotzkopf-Sturheit macht sie jedenfalls nicht sonderlich liebenswert (und die Chose führt am Ende natürlich nur zu heroischem Blutgeshedde). Eine echte Entwicklung macht eigentlich nur Chin Yan-Tang durch, der zugegebenermaßen effektiv vom klassischen weisen Kampfkunst-Meister zum hassenswerten Güteklassearschloch der Oberliga digitiert. Ich bin normalerweise nicht so, dass ich fiktiven Schurkenfiguren in Filmen wüste Beleidigungen und Mutmaßungen über die Abstammung und den Beruf der Frau Mutter an den televisuellen Kopf werfe, aber Meister Chin, der schaffte es. Respekt.

1970 befanden sich die Shaw Brothers und ihre Kampfkunstactionfilme bekanntlich im Umbruch – Chang Cheh revolutionierte gerade mit seinen Stars David Chiang, Ti Lung und Jimmy Wang Yu das Genre, um es von seinen Peking-Oper-Wurzeln hin zu dynamischerer – und bodenständigerer – Actionchoreographie hinzubewegen. Sein Kollege Cheng Kang, ein Veteran, der bereits in den 50ern Komödien drehte und Ende der 60er von den Shaws als Acionregisseur reaktiviert wurde, bemüht sich auch um sachte Modernisierung – einzelne Einstellungen, gerade in der Kleinstadt, die den hauptsächlichen Backdrop für die Story abgibt, einzelne Charakterisierungen deuten darauf hin, dass man in Hongkong von den großen Italowestern durchaus gehört hatte, andererseits gibt’s noch viel wire-fu und Gesellen, die aus dem Stand in Baumwipfel oder über Dächer springen wie’s im traditionellen wuxia gute Sitte ist (und bekanntlich, als der HK-Film sich entrümpelte, in den 70ern in Taiwan am Leben erhalten wurde, bis Tsui Hark und Chiung Siu-Tung diesen Stil wieder hoffähig machten), allerdings ohne die ganz große spielerisch-poetische Eleganz, wie sie z.B. King Hu pflegte. In den teilweise extrem blutigen Kampfsequenzen wird dem in den 70ern zur Perfektion getriebenen Faible für unpraktische Nahkampfwaffen Tribut gezollt (wir haben Dreizackschwerter, goldene Kampf-Fächer, klobige Silberäxte, als Gürtel verwendbare Schwerter, Lederpeitsche und wabbelige Bambusstäbe), doch Chin Yan-Tang schreckt auch vor dem Einsatz eines tödlichen palm strikes nicht zurück. Die Kampfchoreographie ist nicht überwältigend einfallsreich – der Stil der Fights ist ein wenig uneinheitlich, schwankt zwischen dem bewährt-altmodischen „zieh auf Totale und lass die Jungs mal machen“ und modernerer, „aufdringlicherer“ Halbtotal- und gelegentlch sogar Close-up-Kameraarbeit.

Bekannt und zumindest bei mir beliebt ist die leicht unwirkliche Studio-Atmosphäre einiger (nicht aller, Sir Run Run spendierte der Produktion zumindest ein paar echte Außendrehs) Exteriors und das Finale in und an einem Bambuswald war anno 1970 noch nicht derart gelebtes Klischee wie 30 Jahre später…

Wie schon gesagt, ist die ganze Nummer gut blutig, ohne zur totalen Schlachtplatte zu verkommen – FSK 16 passt schon.

Die Darstellerseite laboriert ein wenig daran, dass Star Yueh Hua (aktiv bis noch 2009 und tätig in so illustren Werken wie „Die Rache der gelben Tigerin“, „Karate, Küsse, blonde Katzen“, „Supermänner gegen Amazonen“, „Ultra Force 3“, „Hard-Boiled 2“ oder „Three Kingdoms“ zu sehen) nicht der ganz große Charismabolzen ist – er wirkt nicht unsympathisc, aber es ist eindeutig eine Klasse unter der Screenpräsenz der oben erwähnten Chang-Cheh-Stars.
Chin Pang, ein Shaw-Starlet, das schon 1965 in einem der ersten „richtigen“ actionorientierten wuxia mit Wang Yu („Der Tempel des roten Lotus“) agierte, bringt die nötige kindliche Naivität für ihre Rolle mit, aber sie übertreibt’s für meinen Geschmack etwas mit der Schmollerei (wobei der Streifen ansonsten erfreulich down-to-earth, ohne die üblichen für uns übertriebenen Fuchteleien und Grimassen auskommt).
Dem Veteranen Ching Miao („Die Bande des gelben Drachen“, „Der Todesschlag der Stahlfinger“, „Die Rückkehr der gelben Höllenhunde“, „Der Shaolin Gigant“, „Die Erben der 36 Kammern der Shaolin“) ist zu einer eindrucksvollen Schurkendarstellung zu grantulieren. Ohne Overacting bekommt er ein Level der Bösartigkeit hin, vor dem Darth Vader ehrfürchtig zurücktreten würde.
Als „Gaststars“ geben sich durchaus bekannte Leute wie Huang Chung-Hsin („Todesgrüße aus Shanghai“, „Die Todeskralle schlägt wieder zu“), Wang Hsieh („Das Bambuscamp der Frauen“ und natürlich der Professor im unvergleichlichen Invasion aus dem Innern der Erde) oder Ku Wen Chung („Zhao – Der Unbesiegbare“, „Spirits of Bruce Lee“, „Bruce Lee – Das war mein Leben“) die Klinke in die Hand.

Bildqualität: MiB verwurstete bekanntlich hier die Celestial-Lizenzen mit der für den Konsumenten nicht unerfreulichen Folge, dass man viele Titel mittlerweile in Kaufhauswühlkisten für’n Appel und ’n Ei findet. Der anamorphe 2.35:1-Print ist ein einziges Gedicht an Farben, Schärfe und Kontrast. Wunderschön.

Tonqualität: Deutscher Synchronton (in mittelprächtiger Ausführung) in Dolby 5.1, Mandarin-O-Ton wird in Dolby 2.0-Qualität geboten. Englische Untertitel muss man über die Fernbedienung zuschalten, über’s Menü sind sie nicht erreichbar.

Extras: Die „Produktionsnotizen“ kann man als eine Texttafel belangloser (und englischsprachiger) Platitüden vergessen, Bio- und Filmographien, Trailershow und das Originalposter zum Ankucken runden die nicht sonderlich gehaltvolle Bonussektion ab.

Fazit: Kein grandioses Highlight des schier unerschöpflichen Zyklus‘ Shaw-finanzierter Schwertkampfepen, aber, wie man auf Englisch so schön sagt; „perfectly serviceable“ und dank seines vergleichsweise zurückgenommenen Schauspiels und dem überwiegenden Verzicht auf infantilen HK-Humor für Neu- oder Tiefer-Einsteiger ins Genre zugänglicher als der pansige Die Pranke des gelben Löwen. Freunde des gepflegten swordsplay-Kintopps machen hier jedenfalls nicht viel verkehrt – es ist kein Chang Cheh, das ist mal klar, aber einen gewissen Mindeststandard hielten die Shaws in den 70ern allemal…

3/5
(c) 2010 Dr. Acula


mm
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