Der Hund von Baskerville (1983)

 
  • Deutscher Titel: Der Hund von Baskerville
  • Original-Titel: The Hound of the Baskervilles
  •  
  • Regie: Douglas Hickox
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1983
  • Darsteller:

    Ian Richardson (Sherlock Holmes), Donald Churchill (Dr. John Watson), Denholm Elliott (Dr. Mortimer), Glynis Barber (Beryl Stapleton), Brian Blessed (Geoffrey Lyons), Eleanor Bron (Mrs. Barrymore), Edward Judd (Barrymore), Ronald Lacey (Inspector Lestrade), Martin Shaw (Sir Henry Baskerville), Connie Booth (Laura Lyons)


Vorwort

Sir Charles Baskerville wird vom Herzschlag dahingerafft – wäre zwar für ihn persönlich tragisch, aber im globalen Zusammenhang wenig bemerkenswert, wären die Baskervilles nicht Opfer eines Familienfluchs, wonach jeder männliche Nachkomme des Clans von einem mörderischen Hund ins Jenseits befördert werde, und der alte Charles, wie sich sein Arzt Dr. Mortimer ausdrückt, praktisch vor Angst gestorben sei.
Das interessiert dann auch den von Elliott kontaktierten Sherlock Holmes. Elliott macht sich nämlich Sorgen um den Erben, Henry Baskerville, den letzten seiner Sippe. Doch der ist erstens jung-dynamischer Amerikaner, zweitens von Adelstiteln und Herrnhäusern ungefähr genauso beeindruckt wie vor Familienflüchen und will drittens nach Regelung der notwendigsten rechtlichen Fragen so schnell wie möglich zurück in die Neue Welt. Also doch kein Fall für Holmes und Watson?

Der Detektiv verhindert geistesgegenwärtig einen Mordanschlag auf Henry – als Yankee sieht der die Sache als sportliche Herausforderung und entscheidet sich prompt um, doch dem Familienbesitz seine Aufwartung zu machen und das Rätsel zu lösen. Holmes entschuldigt sich wegen dringend anliegender anderweitiger Fälle, schickt aber Watson mit auf’s Land, wo der gleich in Inspektor Lestrade rumpelt, der einen aus dem Zuchthaus entsprungenen Mörder wieder dingfest machen soll.
Es gibt aber auch andere, eher dem Fall zuzuordnende Ungereimtheiten – die Baskervilleschen Haushälter scheinen ein Geheimnis zu verbergen und der erfolglose Maler Geoffrey Lyons, ein Mieter der Baskervilles, entpuppt sich als streitsüchtiger, aufbrausender Säufer, der zudem ein hervorragendes Motiv haben könnte, stellt sich doch heraus, dass der alte Baskerville mit der hübschen Mrs. Lyons ein Verhältnis pflegte. Und dann gibt’s da noch den Naturforscher Stapleton, dessen ebenfalls nicht unattraktive Schwester Beryl, auf die Henry gleich fliegt, die den Baskerville-Erben dringlich bittet, zur eigenen Sicherheit so schnell wie möglich wieder abzureisen, und einen mysteriösen Zigeuner, der auch einiges zu wissen scheint…


Inhalt

Sherlock Holmes mal wieder, und dann noch die vielleicht berühmteste (und wahrscheinlich meist-verfilmte) Geschichte Arthur Conan Doyles um seinen meerschaumpfeifequalmenden Meisterdetektiv (und die, die womöglich den ersten deutschsprachigen Heavy-Metal-Song verantwortet: Cindy & Bert FTW!) – dabei ist, wie allgemein bekannt sein dürfte, die Story eine, die über weite Strecken ohne unmittelbare Beteiligung Holmes auskommen muss, was Filmemacher, die hauptsächlich die Figur des Detektivs in den Mittelpunkt ihres Werks stellen wollen (und, naja, Sherlock Holmes ist ja nun mal eine absolute Marke), schon vor gewisse Probleme stellen kann; wer sich also nicht unbedingt absolute Werktreue auf die Fahnen geschrieben hat, tut gut daran, die Story ein wenig umzuschreiben.

Bei dieser britischen Fernsehversion halten sich die Differenzen zum Roman („Der Hund“ ist einer der wenigen Holmes-Romane, Doyle pflegte zumeist die Kunst der Kurzgeschichte) in Grenzen; aus der Nebenfigur Frankland wird der brutale Lyons und konsequenterweise verwandelt sich so Laura Lyons, im Roman Franklands Tochter, in Lyons Frau (was dann auch die Motivation der geheimen Treffen zwischen Laura und Sir Charles stark verändert). Holmes, im Roman über weite Strecken nur Beobachter im Hintergrund, führt diese Rolle auch in der Adaption auf, allerdings ist sein „Tarn-Charakter“ (der geheimnisvolle Zigeuner) in dieser Filmfassung deutlich präsenter als im Buch.

Von diesen kleineren kosmetischen Änderungen (und einem deutlich stärker auf Action getrimmten Finale mit einer echten Konfrontation zwischen Holmes und dem Killer, die es im Buch nicht gibt) abgesehen, hält sich das Drehbuch von Charles Edward Pogue (sein erstes verfilmtes Script, später schrieb er „Psycho III, „Dragonheart“, „Kull, der Eroberer“ und, hui, gemeinsam mit Cronenberg „Die Fliege“) eng an das literarische Vorbild – gute Entscheidung, auch wenn der „Hund“ sicherlich nicht das komplexeste Mystery aller Zeiten ist (die Auflösung bemüht dann auch einen recht klassichen deus-ex-machina – den Holmes in der Romanfassung in einem ausführlichen Epilog nachträglich erklärt – der geradezu Giallo-würdig ist [in der Tat weist z.B. Sieben Tote in den Augen der Katze eine ähnliche Lösung auf]), lebt die Geschichte, sobald sie sich nach dem Auftakt in London in die Moorlandschaft von Devonshire verlagert, von der Atmosphäre viktorianischer Herrenhäuser und, dazu kontrastierend, nebelverhangener Sumpflandschaften und dem – letztlich für den eigentlichen Kriminalfall nicht sonderlich bedeutungsvollen – Charaktergeflecht, in dem Watson, leidlich kompetent, jedoch aufgrund seiner Eigenschaft als „Außenseiter“ zumeist erfolglos, herumstochert.

Für Kenner der Geschichte (oder einer der ölfzig anderen Verfilmungen) bietet diese Fassung also wenig grundlegende Neuigkeiten, aber, wenn nicht gerade Guy Ritchie auf dem Regiestuhl Robert Downey jr. dirigiert (oder die Jungs von Asylum eine gemeinfreie Vorlage schänden), ist das ja auch nicht das, was wir von einer Sherlock-Holmes-Verfilmung, erst recht nicht DER bekanntesten Geschichte überhaupt, erwarten. Die Story funktioniert immer noch, die Änderungen ergeben durchaus Sinn (zumal der neue Charakter des Lyons einen Platz für Brian Blessed freischaufelt, und das ist prinzipiell IMMER eine gute Idee), die Dialoge sind stimmig, was will man mehr?

Und Professionalität auch bei der handwerklichen Umsetzung kann man bei britischen Fernsehfilmen eigentlich voraussetzen, auch, wenn die ganze Angelegenheit eine relativ schwere Geburt war. Der amerikanische Produzent Sy Weintraub plante eine Serie mit sechs abendfüllenden Holmes-Filmen und hatte sich dafür in mühevoller Kleinarbeit die Genehmigung des Doyle-Estates organisiert; dummerweise hatte er übersehen, dass die Urheberrechte an Holmes kurzfristig sowieso frei würden und die britische Schmiede Granada TV bereits eine eigene Fernsehserie (mit Jeremy Brett) in Angriff nahm. Wie jeder Amerikaner es tun würde, verklagte Weintraub die frechen Briten und konnte immerhin, wie sich Ian Richardson später erinnerte, einen Vergleich über 2 Millionen Pfund abschließen. Das reichte, um „Baskerville“ und den Nachfolgefilm „Im Zeichen der Vier“ zu finanzieren und Weintraub noch einen Profit in die Kassen zu spülen, von der Produktion der vier weiteren Filme nahm er dann allerdings Abstand (wohl auch, weil sich die Granada-Serie als Renner entpuppte und Bretts Intepretation des Holmes-Charakters sogar der von Basil Rathbone den Rang ablief).

An der Produktion selbst liess Weintraub die Schwierigkeiten nicht aus – mit Douglas Hickox („Theater des Grauens“, „Brannigan – Ein Mann aus Stahl“) führte ein anerkannter Profi Regie, an der Kamera arbeitete Oscar-Preisträger Ronnie Taylor („Gandhi“, „A Chorus Line“), die Ausstattung besorgte Michael Stinger („Ein Schuss im Dunkeln“, „Robin und Marian“, „Erwachen der Sphinx“), die Kostüme nähte Julie Harris, die schon die Beatles in deren Filmen eingekleidet, mit „Leben und sterben lassen“ auch schon für einen James Bond geschneidert hatte und dank „Das Privatleben des Sherlock Holmes“ auch schon einschlägige Detektiverfahrung mitbrachte.
Geballte Fachkompetenz zahlt sich aus – „Der Hund von Baskerville“ ist wundervoll anzusehen, sowohl, was die liebevolle Ausstattung, die beinahe an Hammer-Filme denken lässt, als auch die ausgezeichnete Kameraarbeit, die speziell in den Sumpf-Szenen die Unheimlichkeit förmlich greifbar macht, angeht. Hickox ist dann auch Genre-Regisseur genug, um den „Hund“ nicht im Kostümdrama ersticken zu lassen – er treibt die Story forsch voran und setzt die Attacken der Bestie gekonnt in Szene, ohne dabei explizit werden zu müssen; man mag heute speziell über den phosphoreszierenden Hund und den hierfür eingesetzten verhältnismäßig schlichten Effekt ein wenig lächeln, aber „Effekt“ kommt von „effektiv“, und effektiv eingesetzt werden diese Tricks. Es schimmert ein wenig das alte britische Problem durch, dass Außenaufnahmen qualitativ schlechter wirken als die Studio-/Interior-Szenen, aber das ist ein bekannter Malus, den das Inselfernsehen bis in die frühen 90er generell mitschleppte und sollte daher diesem Film nicht speziell angekreidet werden.

Der Score von Michael Lewis („Theater des Grauens“, „Der Schrecken der Medusa“, „Sprengkommando Atlantik“) ist stimmig, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. „Härtetechnisch“ ist der Streifen absolut familientauglich, höchstens bei etwas Hunde-Gore dürfte Erklärungsnotstand aufkommen.

Wie ich schon öfter sagte – auf der Insel mit dem auf-der-falschen-Seite-Fahr-Tick wachsen gute Schauspieler offenkundig sprichwörtlich auf Bäumen und müssen nur gepflückt werden – auch „Der Hund von Baskerville“ bedient sich eines bis in kleine Nebenrollen hin mit routinierten Darstellern der Oberklasse gespickten Ensembles. Ian Richardson (großartig in der Polit-Miniserie „House of Cards“, ansonsten u.a. zu sehen in „M. Butterfly“, „Dark City“, „From Hell“) ist ein sehr guter Holmes – in der kollketiven Erinnerung scheint er aufgrund des parallelen Erfolgs von Jeremy Brett in der Granada-Serie etwas verblasst zu sein, aber er bringt die wesentlichen Charaktereigenschaften der Figur auf den Punkt, macht mit Deerstalker und Meerschaumpfeife einen guten Eindruck und beweist Wandlungsfähigkeit in der „Zweitrolle“ des Zigeuners.
Donald Churchill, der lustigerweise später in der Granada-Serie eine Gastrolle übernahm, ansonsten hauptsächlich für’s Fernsehen tätig war und auch als Drehbuchautor fungierte (er schrieb u.a. den Kriegsfilm „Zeppelin – Das fliegende Schiff“ und die Comedy-/Dramaserie „Moody & Pegg“) gibt einen charmenten, aber nicht überwältigenden Watson – es ist eine recht schwierige Figur, das gebe ich zu, da er einerseits oft und gern als comic relief genutzt wird, andererseits ja aber auch klar werden muss, dass Holmes ihn auch aufgrund seiner Kompetenz als Sidekick schätzt. Churchill versucht sich an dieser Gratwanderung mit einigem Erfolg, nicht perfekt – aber die deutsche Fassung hilft ihm durch eine gelungene Wolfgang-Völz-Synchro).

Denholm Elliott, bekannt und beliebt aus der „Indiana Jones“-Reihe, hat als Mortimer zwar nicht viel mehr zu tun, als ständig besorgt zu sein, erledigt das aber zuverlässig.
Glynnis Barber („Dempsey & Makepeace“, Söldner des Todes) hat in den vier Jahren seit dem Dick-Randall-produzierten Abenteuerschmarrn darstellerisch deutlich zugelegt, wobei eine leicht hysterische damsel-in-potential-distress natürlich eine vergleichsweise dankbare Rolle ist.
Martin Shaw (berühmt als Partner von Lewis Collins in „Die Profis“) überzeugt das Henry Baskerville, der trotz seiner anfänglichen Abneigung schnell Gefallen an der Lebensart eines britischen Gentlemen findet; Eleanor Bron („Liebende Frauen“, „Black Beauty (1994)“, „Die Traumprinzessin“) und Edward Judd (Der Tag, an dem die Erde Feuer fing, „Die erste Fahrt zum Mond“, „Insel des Schreckens“) ergänzen sich hervorragend als undurchsichtiges Haushälterpaar, aber die Schau stehlen natürlich Brian Blessed und sein Bart („Flash Gordon“, „Ich, Claudius, Kaiser und Gott“), denen man augenscheinlich (wieder mal) sämtliche Dialoge in GROSSBUCHSTABEN ins Script geschrieben hat – er schreit, tobt, verprügelt seine Frau (Monty-Pyhton-Schnucki Connie Booth), verbiegt Eisenstangen und hat am Ende einen totalen emotionalen Zusammenbruch. Schön!

Bildqualität: Great Movies präsentiert den Film im Rahmen der „Best of Sherlock Holmes“-Box in passablem 4:3-Vollbild. Kein High-End-Transfer, aber Schärfe, Kontrast und Farben bewegen sich im gut durchschnittlichen Bereich (zumal die DVD mit fast 300 Minuten reichlich vollgepackt ist). Verschmutzungen oder Defekte gibt’s kaum.

Tonqualität: Ausschließlich deutscher Ton in Dolby Digital 2.0. Nicht zum Niederknien, aber brauchbar, auch da der Streifen hochanständig synchronisiert wurde.

Extras: Keine, aber in der 2-DVD-Box finden sich zum Kampfpreis eines schlappen Zehners auch noch der Nachfolgefilm „Im Zeichen der Vier“ sowie zehn Folgen der Holmes-Fernsehserie aus dem Jahr 1954 mit Ronald Howard als Holmes (in ziemlich schauderhafter Bildqualität, soweit ich das nach einer Stichprobe beurteilen kann) – insgesamt knapp achteinhalb Stunden Stoff für Holmes-Fans (die Serienfolgen liegen übrigens auch in englischer O-Ton-Version vor).

Fazit: Leave it to the Brits – „Der Hund von Baskerville“ nach Douglas Hickox ist eine schöne, gediegene Adaption des Stoffs, gut bis exzellent gespielt, hübsch fotografiert und ansprechend inszeniert; ein würdige Version des Doyle-Romans, die für alle Sherlock-Holmes-Fans Pflichtprogramm sein sollte.

4/5
(c) 2011 Dr. Acula


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