Der heiße Tod

 
  • Deutscher Titel: Der heiße Tod
  • Original-Titel: 99 mujeres
  • Alternative Titel: Sex im Frauengefängnis | 99 Women | Island of Despair | Prostitutes in Prison | Isle of Lost Women | The Hot Death |
  • Regie: Jess Franco
  • Land: Spanien/Italien/BR Deutschland/Großbritannien
  • Jahr: 1969
  • Darsteller:

    Leonie Caroll (Maria Schell)
    Gouverneur Santos (Herbert Lom)
    Thelma Diaz (Mercedes McCambridge)
    Marie (Maria Rohm)
    Zoe (Rosalba Neri)
    Helga (Elisa Montés)
    Natalie Mendoza (Luciana Paluzzi)
    Rosalie (Valentina Godoy)
    Doktor (José María Blanco)
    N.A. Mike Brendel


Vorwort

Abt. Gar lustig ist´s im Frauenknast

Nachdem unser letzter Ausflug in eine Damen-Justizvollzugsanstalt ja eher zahmer Natur war (Time Served), müssen wir uns doch mal wieder einem genremitbegründenden Klassiker zuwenden. Und 99 Women ist zweifellos einer der Urväter des Genres, soweit es sich um die Exploiter-Schiene handelt. Ungefähr zeitgleich mit den ersten Corman-Versuchen auf diesem Gebiet entstanden, markiert der Streifen den Einstieg von Jess Franco in die wunderbare Welt des WIP-Films, ein Terrain, das der Spanier bis in die 80er Jahre noch umpfzig Male beackern sollte. 99 Women hat den seinen anderen Genrebeiträgen aber einiges voraus – z.B. richtige Schauspieler, die ansonsten in echten, seriösen Filmen mitspielen durften, was daran liegt, dass Produzent Harry Alan Towers zwar stets auch „nur“ B-Gefilde beackerte, dies aber gerade in den späten 60er Jahren mit beachtlichem kommerziellen Erfolg. Zur Entstehungsgeschichte des Films gibt´s im Analyse-Teil noch ein paar Anmerkungen.

„Infamous“ wurde der Streifen hauptsächlich dadurch, dass findige Co-Produzenten den fertigen Streifen um ein paar von Bruno Mattei (!) gewerkelte Hardcore-Passagen angereichert und auf einigen Märkten so einer lukrativen Zusatzauswertung in den Bumskinos zugeführt wurde (dabei war die Franco-Originalfassung der BBFC schon zu hart für eine 18er-Freigabe… erst in einer auf 70 Minuten zusammengestauchten Rumpffassung fand der Streifen Gnade vor den Augen der britischen Zensoren). Überraschend erfolgreich war der Streifen in den USA, wo er sich – zur Verblüffung der dortigen Distributoren – zum echten Renner entwickelte. Wohl auch Grund genug dafür, dass mit Blue Underground ein US-Label sich zur Aufgabe machte, den Streifen jüngst zu restaurieren und auf DVD zu pressen (für Unerschrockene hat BU mittlerweile sogar eine Auflage der Hardcore-Fassung nachgeschoben. Nachdem ich Hardcore in „richtigen“ Spielfilmen aber noch selten für ein probates Mittel hielt, bin ich ganz dankbar dafür, dass mir nur die „softe“ und von Franco gewollte Fassung zur Besprechung vorliegt).

Ich bin mal dezent optimistisch – 1969 * konnte * Franco noch richtiggehend was (bzw. er gab sich damals noch Mühe). Und wenn er dann noch eine internationale Starbesetzung zur Verfügung hat, kann das doch gar nicht völlig in die Hose gehen. Oder doch?


Inhalt

Schönes erstes Bild, das uns Genosse Franco da zeigt – einen fliegenumschwirrten Tierkadaver. Ist das Message, ist das Kunst, lag das einfach nur grad günstig rum? We´ll probably never know. Aber zumindest etabliert es, wässriger Hintergrund sei Dank, dass wir uns an einer unspezifizierten Küste befinden, während der Soundtrack den lässigen Titelsong des Films „The Day I was born“ schmettern lässt (das möchte wohl herzlich gern, so rein vom Text gesehen, ein Blues sein, aber das 60er-Jahre-chakachaka als musikalische Begleitung untergräbt diesen Anspruch geringfügig).

Eine Nussschale von Nachen karrt einige unserer wesentlichen Protagonistinnen an, schließlich haben wir keine Zeit zu verlieren. Neues Frischgemüse für das Inselgefängnis (jetzt müsste ich mich noch erinnern können, ob´s die gleiche Festung ist, die Franco mit seinen diversen weiteren Frauenknastheulern beackerte und die er später an Signore Bethmann weitervererbte). Drei Mädels sehen einem ungewissen Schicksal hinter vage südeuropäisch oder –amerikanischen Gardinen entgegen. Da hätten wir die rothaarige Natalie, die wir zunächst mal, da die Kamera sich schwer auf sie konzentriert, für die Hauptdarstellerin halten könnten und uns dabei aber schwer irren würden, das Blondchen Marie und die dunkelhaarige Helga, die aus unerfindlichen Gründen in einen Revue-Fummel gehüllt ist (hat man sie in den Klamotten festgenommen und ihr während des ganzen Prozesses, wir gehen ja mal davon aus, sie hatte einen solchen, nicht mal die Möglichkeit gegeben, sich Straßenkleidung anzuziehen? Oder IST das hier, wo immer hier auch ist, Straßenkleidung?). Helga ist auch die Expertin für den Knast, den kennt sie nämlich schon aus eigener Anschauung. Man nennt das Kastell in Fachknastologinnenkreisen „Castillo de la Muerte“ (wuaaah, da kriegt man ja Angst). Aber so schlimm kann´s eigentlich nicht sein, Helga hat´s ja wohl schon mal überlebt.

Die schönste Bootspartie ist mal zu Ende, Landgang ist angesagt. Den weiten Weg bergauf zur in bester Hanglage befindlichen Festung müssen die Mädels zum Glück nicht zu Fuß unternehmen (an das richtige Schuhwerk hat bestimmt eh wieder keine gedacht), das südländische Äquivalent einer grünen Minna holt die Neuknackischnuckis am Kai ab – am Bestimmungsort wartet bereits unsere heutige Schurkin vom Dienst, die fiese Gefängnisdirektorin Thelma Diaz, ungefähr anderthalb lichte Meter hoch und krummbeinig. Sie macht diese Handicaps aber mühelos durch couragierte Fiesheit wett (und hat einen Sinn für dramatische Auftritte: sie unterbricht ihr Antraben zur Begrüßung der Neuen durch einige gut getimete strategische Pausen). Die Newbies können sich schon mal auf harte Zeiten einstellen, denn ihr Gefängnistaxi wird für die Retoure zum Strand mit einem Sarg beladen. Selbstmord, lautet die Diagnose, auch wenn Diaz kopfschüttelnd anmerkt, dass die Freitodwählerin doch in Bälde zur Entlassung angestanden wäre. „Sie wollte uns wohl nicht verlassen“, lautet ihre süffisant geäußerte Theorie. Na, da können Natalie und Co. sich schon mal auf herrliche Zeiten im Spessart, äh, im Knast einstellen. Die beginnen, wie sich das gehört, auch prompt mit einer „Inspektion“ und einer Ansprache. Erstere besteht hauptsächlich aus der Frage nach dem Namen, wobei die Antwort „Natalie“ z.B. eindeutig falsch ist. Namen sind nämlich Schall und Rauch, Nummern zählen. Natalie hat die 97, Helga die 98 und Marie die 99. Womit denn auch der Titel geklärt wäre. Die Ansprache Diaz´ ist für Franco-Verhältnisse inspiriert (was natürlich auch daran liegt, dass der olle Jess nicht soo viel mit dem Script zu tun hatte: „Ihr habt keinen Namen, nur eure Nummer. Ihr habt keine Zukunft, nur die Vergangenheit. Ihr habt keine Hoffnung, nur Bedauern. Ihr habt keine Freunde, nur mich!“ Memorabel!

Nach diesem Wort zum Sonntag geht´s ab in die Zellen für unsere Schnuckis. Die Unterbringung ist eher rustikal und bedient den „zurück zur Natur“-Geschmack. Handbehauene vergitterte Höhlen im schicken Naturfelscharme, dazu auf den Boden geworfene Matratzen und Decken als Nachtstatt (immerhin – Matratzen… die Mädels in Virgins from Hell, die ein ähnliches Zwangsquartier bewohnten, hatten so was tolles nicht). Helga und Marie werden Zellengenossinnen (jede Zelle wird von so ungefähr einem halben Dutzend Mädels belegt), Natalie wandert in die benachbarte Einheit und macht einen ziemlich verzweifelt-depressiven Eindruck. Helga weniger, denn die hat gleich mal eine alte Freundin wieder gefunden und fällt ihr um den Hals. Marie macht sich Sorgen um Natalie, denn die wirkt ihrer Ansicht nach kränklich. Expertin Helga weiß auch warum – Natalie ist drogenabhängig und grad so ein ganz kleines bisschen auf Entzug (Sauladen hier… in jedem besseren Gefängnis gibt´s einen gut funktionierenden Drogenschmuggel). Ein attraktives Gerät, das offenbar diverse Privilegien genießt, zumindest aber als einzige der eingeknastelten Maiden in schicken Strapsen rumlaufen darf (und bis sie vom Script ihren Namen „Zoe“ erhält, heißt sie deswegen in meinen Notizen auch schlicht Straps-Girl) grinst: „Wenn du meinst, ihr geht´s jetzt schlecht, wart mal bis heute Nacht!“ Echte Menschenfreundlichkeit – soviel zur Solidarität hinter Gittern. Marie heult sich prophylaktisch mal aus und Helga versucht die ein oder andere tröstende freundschaftliche Avance.

In der Chefetage geht´s bedeutend luxuriöser zu. Diaz hat sich Besuch zum Dinner eingeladen, und zwar niemand geringeres als Chefinspektor Dreyfus, äh, Hexenfolterer Cumberland, äh, Herbert Lom, äh, Gouverneur Santos. Santos ist nicht nur Gouverneur, sondern auch Vorsteher einer am anderen Inselende befindlichen Justizvollzugsanstalt für männliche Gefangene und damit sozusagen Kollege und Vorgesetzter in Personalunion. Und die hält frau sich gerne warm, zur Stimmungshebung darf Santos ab und an mit ausgewählten Schnuckelchen aus Diaz´ Kollektion spielen, wobei El Governator wie angeblich alle Gentlemänner Blondinen bevorzugt. So ein Zufall, säuselt Diaz, da hat der Postbote doch gerade ein neues Gerät vorbeigebracht, Nummer 99. Santos ist nicht uninteressiert, gibt Diaz aber auch eine Warnung mit auf den Weg – den Todesfall durch Suizid hat er wohl mitbekommen und obwohl´s ihn persönlich nicht wirklich stört, könnte das Justizministerium, sollten weitere Leichen Diaz´ Weg pflastern, neugierige Fragen stellen, und das käme keinem so wirklich zupass. Der Rezensent freut sich dieweil über subtile Anspielungen wie den unauffälligen Zoom auf das stolze literarische Werk „L´Europe d´Hitler“ auf Diaz´ Schreibtisch (aha, fremdsprachlich interessiert? Hört sich doch verdächtig nach einem französischen Schmöker an).

Marie stöhnt sich im Schlaf das ein oder andere Körperteil ab und erweckt so das Interesse von Zoe. Von Zoe aus dem Schlaf gerissen, martert sich Marie aber ihren Brägen nicht über die eventuelle Zustimmung zu gleichgeschlechtlicher Liebe, sondern lieber über Natalie, die schmerzgepeinigt und auf turkey vor sich hin leidet. „Na und?“, meint Zoe basissolidarisch, aber an Marie ist ein Gutmensch (oder anders ausgedrückt: ein Volldepp) verloren gegangen. „Wenn wir genügend Lärm machen, schicken sie vielleicht einen Arzt“, hofft sie völlig irrationalerweise und setzt, nachdem ihre Zellengefährtinnen deutlich machen, mit derartigen Hirngespinsten nichts zu tun haben zu wollen, das Vorhaben solo in die Tat um. Ihr Hilfe-Geblöke ruft niemand geringeres als Diaz persönlich auf den Plan (haben die keine WärterInnen? Muss da immer gleich die Chefin selbst aufkreuzen, wenn im Zellentrakt eine plärrt?), befiehlt Marie rüde, die Schnauze zu halten und verdonnert sie wegen illegitimen Herumkrakeelens bei Nacht zu sieben Tagen in der „Strafzelle“. Marie piepst ein neuerliches Hilfsansinnen bezüglich Natalie, was ihr aber wegen Wiederholung der Straftat nichts weiteres einbringt als eine Verdoppelung der Bestrafung. Dumm g´loffen.

Am nächsten Morgen ist Natalie hin (damit auch unsere vorhin geäußerte Hoffnung, die könnte sich zur Hauptfigur entwickeln). Der hinzugerufene Skalpellschwinger düstert Diaz gegenüber, dass er den Vorfall wohl oder übel petzen müsse (so viel zu „keine weitere Leichen“). „Wir sind kein Krankenhaus“, keift Diaz, „wir bestrafen Verbrechen und operieren keine Geschwüre!“ Diese Prioritätensetzung veranlasst den Dottore, auf dem Rückweg laut darüber nachzudenken, ob man hinsichtlich Diaz nicht etwas unternehmen sollte.

Wie in jedem vernünftigen Filmfrauenknast hocken die Mädels nicht nur doof in ihren Zellen rum, sondern müssen auch ordentlich schuften. Wie ebenso üblich lässt sich die Sinnhaftigkeit ihres Frondienstes nur eingeschränkt bewerten – scheint darauf hinauszulaufen, dass die Mädels Salz o.ä. von hier nach dort tragen. It keeps people occupied… Helga und ein Mädel mit kurzen roten Haaren namens Rosalie unterhalten sich über Diaz und den Gouverneur und deren diverse unsympathische Charaktereigenschaften, was sich unbürokratisch in ein eher unmotiviertes Handgemenge zwischen Helga und Zoe entwickelt. Juchu, ein Catfight. Helga verabschiedet sich, unmittelbar nachdem die Balgerei sich ins Wasser verlagert, verletzungsbedingt (sie hat ein Aua am Knöchel), wird aber von Marie abgelöst (äh? Sollte die nicht in der Strafzelle sein?). Schlechte Idee, denn im Zentrum des Gefechts aufgefunden zu werden, wenn die Wärterinnen das Gemenge aufdröseln, hatte noch selten positive Folgen. Und so knurrt Helga auf Rosalies Frage, was denn nu passieren werde, unheilsschwanger: „Das Schlimmste!“ (Drei Wochen in der Strafzelle?).

Der Gouverneur bequatscht mit Diaz den doktörlichen Besuch. Man ist nicht glücklich – „ich sage nicht, dass es auch dieses Mal ihr Fehler war“, doziert der Gov, aber er sei halt nicht der Justizminister und der könnte das halt auch anders sehen. „Woher sollten wir wissen, dass sie eine Operation brauchte?“, nölt Diaz (tja, woher? Vielleicht sollte man halt den Onkel Doktor nicht immer erst posthum zuziehen). An dieser Stelle fällt dem Governator 99, Marie, unser Blondchen wieder ein. Trifft sich günstig, meint Diaz, die wäre gerade mit 76 (das ist Zoe) in der „Krankenhauszelle“ und würde auf Bestrafung warten. Ob der Herr Gouverneur das nicht vielleicht persönlich…? „Ich hab schon immer gesagt, sie leiten die falsche Sorte Haus“, grinst der Epaulettenträger lüstern.

In der „Krankenhauszelle“ frönt Marie mal wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Rumheulen, und geht Zoe damit ziemlich auf den Keks. „Deine Freundin hat mein wunderschönes Bein verletzt“, zickt Zoe und zeigt auf einen Kratzer im Bein, über den badmovie-Kater Pucki nur herzlich lachen würde (der hat mir schon ganz andere Verletzungen zugefügt), „und ich weine auch nicht!“ Eben, soll sich nicht so anstellen, die Blonde. Wo man schon mal ungestört ist, täte Zoe Marie erneut gerne die Vorzüge der gleichgeschlechtlichen Liebe näher bringen, stößt aber wieder auf Renitenz und sieht sich genötigt, ihren Standpunkt durch die ein oder andere Ohrfeige zu untermauern. Da kann der Gouverneur nur noch dumm kucken, als er durch die Türe tritt und feststellt, dass die Mädels sich schon nach Kräften selbst „bestrafen“. Andererseits sind sie wohl grad in der rechten Stimmung, weswegen der Gov vorschlägt, es sich doch „etwas bequemer“ zu machen, z.B. aus den Klamotten zu fahren (und das betrifft, da die Girls nicht mehr als die üblichen Knastkittel tragen, hauptsächlich ihn selbst). Ich weiß nicht genau, WAS der Herr Gouverneur eigentlich vor hat und was davon er als „Bestrafung“ versteht, Zoe jedenfalls begreift des Govs Strip ins Unterhemd als ausdrückliche Einladung, Marie zu besteigen, ihr noch ein paar zu scheuern und sie anschließend in einer ausführlichen lesbischen (und selbstredend so weichgezeichneten, dass selbst David Hamilton mal die Schärfe nachregeln würde) Liebesszene zu beglücken. Für diejenigen, die mitstoppen – nach 22 Minuten gönnt uns Senor Franco die ersten unbedeckten Brüste (dürfte für Franco so ´ne Art persönlicher Rekord sein). Die Szene selbst ist franco´esque bewährt unerotisch und geizt nicht mit sinnlosen Zooms und ähnlichem Schmufix, der wieder mal darauf hinausläuft, dass wir als geneigte Zuschauer von einer potentiellen sexy Szene so wenig wie möglich sehen, dabei aber ein Maximum an Zeit totgeschlagen wird. Der Gouverneur kuckt eine Weile lang mit entrücktem Gesichtsausdruck zu, ehe er sich irgendwie bedrohlich über die beiden Grazien beugt. Was er dann treibt, bleibt unserer blumigen Fantasie überlasse.

Okay, fast ein Drittel unseres Films ist vorbei, und sowas ähnliches wie ein Plot hat sich bislang ebenso wenig vorgestellt wie die nominelle und top-kreditierte Hauptdarstellerin, „Seelchen“ Maria Schell. Erledigen wir diese beiden Punkte in einem Aufwasch. Der klapprige Knastzubringer-Nachen setzt Frischfleisch am Kai ab – eine Gefangene plus Maria Schell, von ersterer irrtümlicherweise für eine Mit-Knastologin gehalten (aber dass Maria Schell eine Knacki-Rolle angenommen hätte, glauben nicht mal die optimistischten Sleaze-Fans). Allerdings tut die Schell (´nen Namen kriegt die auch noch – Leonie Caroll) auch nichts, um das Missverständnis aufzuklären. Thelma Diaz jedoch hat sich schon an ihren sadistischen Drecksgriffeln ausrechnet, dass Leonies Auftauchen kein Zufall ist. Als Reaktion auf die diversen Todesfälle im Knast soll Leonie sich den Laden mal einen Monat lang genau anschauen. Diaz fürchtet, nach Ablauf dieser Periode abserviert zu werden und in Leonie ihre Nachfolgerin erblicken zu müssen und das KANN gar nicht gut gehen, denn die Neue hat keinerlei Erfahrungen in dem Metier, sondern kommt direkt aus der Wohlfahrtsarbeit. Leonies Bitte, ihr doch bei der Einarbeitung hilfreich zur Hand zu gehen, kommentiert Diaz mit dem Äquivalent einer rausgestreckten Zunge, aber wenigstens eine Knastführung lässt sich die Oberaufseherdirektorin aus dem Kreuz leiern. Und auch die ominösen Strafzellen würde Leonie gerne persönlich in Augenschein nehmen, erst recht, als sie erfährt, dass Marie dort seit sieben Tagen und sechs Nächten einsitzt (was ziemlicher Blödsinn ist, da wir uns ja durchaus noch zwei Szenen zurückerinnern können. Offenbar hat Großmeister Franco bzw. sein Schnittscherge da zwecks vermuteter besserer dramaturgischer Wirkung in der Post-Production an der Reihenfolge der Szenen geschraubt). „NIEMAND DARF DA REIN“, keift Diaz, die momentan nicht wirklich dabei ist, für die weitere Karriere dringend benötigte Pluspunkte zu sammeln, kann aber Leonies treuherzigem Augenaufschlag (der vermutlich eher eine ultimative Forderung darstellen soll, aber wir reden halt über Maria Schell) nicht widerstehen.

Tja, uns uns Seelchen bekommt beim Blick in die Strafzelle gleich richtig was zu kucken, e.g. eine (im Stehen) an die Wand gekettete Marie. Leonie fällt erwartungsgemäß vor Entsetzen beinahe in Ohnmacht und befiehlt die sofortige Abkettung (auf Basis welcher Autorität eigentlich? Sie ist nach allem, was man uns bislang gesagt hat, eine „Beobachterin“, zwar in offiziellem Regierungsauftrag, aber bedeutet das gleichzeitig, dass man die totale Befehlsgewalt über den Knast hat?). Diaz grummelt, macht aber böse Miene zum guten Spiel oder umgekehrt.

Wenig später darf Leonie auch dem Governator die Pfote schütteln und ihm ein Empfehlungsschreiben in die Patschhand drücken, das ihre Rolle als amtliche Aufpasserin bestätigt, sie gleichzeitig aber zur ihm berichtspflichtigen und autoritär unterstellten Untergebenen stilisiert. Der Gouverneur, nicht dumm, schlägt sich scheinbar auf Leonies Seite und drückt ihr unter dem Siegel der Verschwiegenheit auf´s Auge, dass auch ihm die Häufung der „Unfälle“ schon seit längerem reichlich mysteriös vorkomme – er hat nicht wirklich ein Problem damit, Diaz unbürokratisch abzusägen, solang seine eigenen Pfründe unangetstatet bleiben. Die angedachte strategische Allianz mit Leonie misslingt aber, denn sein aus eigener Erfahrung resultierender Ratschlag, den Knastologinnen ja nicht mit verweichlichter Softi-Welle, sondern nur mit eisenharter Disziplin zu begegnen, ist Leonie nur ein kaltes, als „und jetzt raus“ gemeintes „Guten Morgen“ als Entgegnung wert.

Diaz indes gibt sich nicht kampflos geschlagen und nutzt z.B. aus, dass Leonie lediglich verlangt hat, Marie solle „in eine andere Zelle“ gebracht werden. Da böte es sich doch an, Marie aus allgemeinen Fiesheitsgründen wieder mit Intimfreundin Zoe zusammenzuspannen? Gesagt, getan. Marie steht dem nicht besonders aufgeschlossen gegenüber, aber Zoe bemüht sich um Tauwetter. „Ich war auch einmal wie du“, seufzt sie und das bedeutet, dass wir zwangsläufig die „wie-sind-sie-nur-hierher-geraten“-Phase des Films und extensiven Flashback-Einsatz erreicht haben. Zoe, z.B., war dereinst mal Tänzerin, und weil Jess Franco eher selten Ballettfilme dreht, bedeutet „Tanzen“ schlechterdings „strippen“, was wiederum zur Folge hat, dass wir eine mehrminütige, hüstelhüstel, erotische Tanzsequenz, in der Zoe sich mit einigen Kerzenleuchtern beschäftigt, begutachten dürfen, die stimmungstechnisch eher in in Vampyros Lesbos passen würde als in einen Frauenknaster, uns Trashfreunde aber wieder einmal begeistert – nicht nur, dass im von Senor Franco bewohnten Paralleluniversum erneut mindestens 60 % des Publikums einer Stripbar weiblichen Geschlechts ist (und größtenteils so aussieht, als müsse es eigentlich noch die Schulbank drücken), sondern auch, weil der alte Sparfuchs Tanzszene und Publikums-Reaktionen wieder mal in zwei völlig getrennten Takes an unterschiedlichen Locations gedreht hat (unschwer allein an der Beleuchtung zu erkennen). Nun ist selbst im hochmoralischen Spanien der Franco-Diktatur Strippen allein noch nicht bösartig genug, um eine langjährige Knaststrafe zu verdienen (auch wenn´s nach Francos Aussage verboten genug war, um entsprechende Szenen nur im etwas liberaleren Barcelona, und auch dort nur hinter verschlossenen Türen, drehen zu können). Deswegen gibt es einen gewissen Carl, seines Zeichens Zoes Liebhaber und unwillig, den Edelkörper seiner Angebeteten begaffungstechnisch mit wildfremden Leuten teilen zu müssen. Oder anders gesagt – er möchte, dass sie ihren Job aufgibt. Das wiederum passt Zoes Chefin Grace nicht, weswegen sie ihr eines Abends backstage auflauert und mit gezogener Wumme empfiehlt, Carl zu vergessen, andernfalls an Ort und Stelle ins Gras zu beißen. Zoe hält diese Bedingungen für unakzeptabel, verwickelt Grace in ein Handgemenge. In dessen Verlauf wird Grace versehentlich im Eifer des Gebalges erschossen. Sowas kann passieren.

Marie ist von der tragischen Story angemessen geschüttelt und gerührt – einer so herzergreifenden Geschichte kann frau sich nicht entziehen. Und wenn man dann schon mal soweit ist, kann man´s auch miteinander treiben. Frauen. Ich werd´ sie nie verstehen.

Diaz und der Gouverneur spielen Schach. Sowohl real auf dem Brett als auch mental wg. Leonie. Santos respektiert die neue Aufpasserin wegen ihrer vermuteten Cleverness, aber Diaz warnt den Gov – vielleicht soll Leonie auch IHN ausforschen. Der Gouverneur ist unbesorgt, bis Diaz ihn an seine Schäferstündchen mit den blodnen Gefangenen erinnert. Das könnte in der Tat ein Problem darstellen, das einer Lösung bedarf, gibt Santos zu. Diaz ist schon dabei, eine passende Legende, um Leonie schnellstmöglich diskreditiert loszuwerden, zu stricken, basierend auf der Grundlage unerlaubter Fraternisierung mit dem Klassenfeind bzw. den Insassinnen. „Vielleicht ist sie stärker an DENEN interessiert als an Ihnen“, spricht Diaz das Unaussprechliche aus. „Das ist eine gute Idee“, antwortet Santos rätselhafterweise und verlangt entsprechenden Input, um seinerseits böse Berichte über Leonie diktieren zu können.

Die Gefangenen selbst rätseln noch darüber, ob Leonie wirklich ´ne Nette ist oder nur so tut, um das Vertrauen der Knastschönheiten zu gewinnen. Marie wird zu einer Privataudienz bei Leonie bestellt, wo letztere sich erkundigt, weswegen Marie in der Strafzelle hing. Marie berichtet über ihren Versuch, ärztliche Hilfeleistung für die mittlerweile dahingeschiedene Natalie zu gewinnen. Leonie gibt sich betroffen und würde nun auch gerne wissen, aus welchem kühnen Grund Marie überhaupt inhaftiert ist. „Die Papiere erzählen nur die Tatsachen“, erklärt sie ihren Wissensdurst (hm, was brauchst du mehr als Fakten, Baby?), aber sie sei weniger an solchen denn an „menschlichen Wesen“ interessiert (ganz dicht ist die auch nicht). Marie lässt sich nicht lumpen. Flashback, der nächste.

Marie-der-Vergangenheit gehört zu den dummen Hühnern, die sich keine Gedanken machen, wie sie von Party/Disco/Tanztee spät nachts wieder nach Hause kommen und sich daher vertrauensunwürdigen Elementen, die Mitfahrgelegenheiten offerieren, ausliefern. Der freundliche Herr, der Marie aufgabelt, bringt sie natürlich mitnichten nach Hause, sondern führt sie sofort einem seltsamen Kult zu, der´s für den neuesten modischen Chic hält, sich weiße Säcke mit aufgemalten roten Kußmündern auf die Rüben zu tackern. Und diese Kiss-Kiss-Ku-Klux-Klaner stehen auf Gangbang. In Form expressionistischen Schattenspiels wird Marie also multipel von den Kapuzenheinzen vergewaltigt. Die Kapuzniks sind vielleicht fies, aber auch ziemlich blöd, lassen nämlich erstens Marie ungefesselt und zweitens ihre Brotmesser direkt neben der zu Vergewaltigenden liegen. Marie greift sich den Spicker und rammt ihn mindestens einem der Bösmänner ins Gebälk. „Es war keine Absicht“, greint Marie-der-Gegenwart. Ist aber auch schon wurscht, weil das Gericht ihr den Schmu um maskierte Massenvergewaltiger keinen Meter weit abgekauft und deswegen als kaltblütige Killerin verurteilt hat. Und auch Leonie ist der Meinung, dass Marie ihre Lügengeschichte doch mal vergessen sollte. „Niemand glaubt mir“, heult Marie (stimmt auffällig), Leonie lästert weiter, Marie blökt, bis Leonie ohne weiteres umkippt, auf einmal behauptet, Marie zu glauben , aber zumindest korrekterweise feststellt, dass alle Gefangenen sich für unschuldig halten, aber nur die wenigsten wirklich die Wahrheit sagen. Trotzdem, weil sie halt ein Gutmensch ist, verspricht Leonie, sich mal die Unterlagen zuschicken zu lassen (ich denke, die hat sie schon gelesen? Von wegen „nur Fakten“?) und zu peilen, ob der Prozeß vielleicht noch mal aufgerollt werden könnte.

Wir haben vor einiger Zeit ja etabliert, dass es auf der anderen Inselseite einen gut sortierten Männerknast gibt. Den könnten wir ja unter Umständen noch gewinnbringend verwursten… Und so trifft Rosalie bei der Salztragerei ihren Macker Diego, der seinerseits einen Arbeitseinsatz zu absolvieren hat (was genau die Kerle treiben, ist mindestens genauso vage wie die Beschäftigung der Mädels. Läuft wohl darauf hinaus, dass die Männer das von den Mädchen hergetragene Salz auf Loren verladen. Whatever). Helga offeriert sich als personifiziertes Ablenkungsmanöver, damit Rosalie kurz (und nicht wirklich unauffällig) zu Diego rübersprinten kann (offensichtlich werden 99 arbeitende Frauen und x Männer von genau EINER Wärterin beaufsichtigt. Jaja, Sparmaßnahmen überall…). Diego verrät seiner Holden, dass er mit einem Kumpel eine kleine Flucht beabsichtigt und weil man on the run ja auch gern was zum Poppen dabei hat, darf Rosalie sich gern anschließen. Wie sie zum Treffpunkt („bei Sonnenaufgang am Fischerdorf“) kommt, ist allerdings ihr selbstpersönliches Problem. Nicht weniger auffällig unauffällig hüpft Rosalie zurück zu ihrer Arbeitskolonne.

Des Nächtens in der Zelle muss Marie mitansehen, wie Zoe sich mit einem anderen Girl verlustiert. Wir wissen ja, dass Marie seit Zoes tragischer Lebensbeichte in unsterblicher Liebe entbrannt ist (oder wissen´s auch nicht und sind verblüfft) – es kocht die Eifersucht. Zoe zuckt mit den Schultern. Ist doch allgemein bekannt, dass Marie das „pet“ der neuen Chefin Leonie ist, da muss Zoe sich halt anderweitig orientieren. Die Zurückweisung rührt Marie zu Tränen (was ´ne Heulboje).

Auch Diaz hat mal wieder was zu meckern – ihr ist aufgefallen, dass Leonie die Nachtwache ersatzlos gestrichen hat (eh, noch mal zum Mitmeißeln. Leonie ist offiziell „Beobachterin“, nach allgemeinem Kenntnisstand. Aber wenn ich mir das so ansehe – she runs the place now…). Leonie bestätigt, weil´s ihres Erachtens recht sinnlos ist, die Gefangenen nachts zu bewachen. Selbst wenn eine stiften gehen sollte, bis zum Fischerdorf sind´s 30 Meilen (das scheint eine ziemlich GROSSE Insel zu sein) durch den Dschungel, und in selbigem treiben sich regelmäßig bewachte Arbeitstrupps vom Männerknast rum. Also gar kein Grund zur Veranlassung. Irgendwie überzeugt mich ihre Logik nicht ganz und Diaz geht´s ähnlich, sie echauffiert sich mächtig. „Ich will, dass dies ein fröhlicher Platz wird“, strahlt Leonie und klärt damit eindeutig, dass sie nicht ganz kapiert hat, wofür ein Gefängnis da ist. Diaz versucht ihr die Grundlagen des konservativen Strafvollzugs nahezubringen. Außerdem: „Bis jetzt hat sich niemand beschwert“, knurrt Diaz. „Die, die´s getan hätten, sind tot,“ gibt Leonie grimmig zurück (deswegen muss man aus einem Knast aber noch lang keinen Club Med machen). Diaz entgleist der ein oder andere Gesichts-ICE.

Im Zellentrakt versucht Helga, Marie dazu zu bewegen, ihr neues Gewicht als Leonies plaything zum Wohle der Allgemeinheit, z.B. im Hinblick auf die qualitative Verbesserung des Happa-Happa, in die Waagschale zu werfen. Marie reagiert verständnislos und mirnix-dirnix stürzen sich Helga und Zoe aus keinem gesteigerten Anlass in ein erneutes Handgemenge. Diaz und Leonie beenden das Gefecht. Zoe verpetzt ohne weiteres Helga als Urheberin der Keilerei. Diaz würde gern die Bestrafungszelle ins Spiel bringen, aber Leonie hat sich bereits andere Strafe ausgedacht – Helga und Zoe müssen heute ohne Abendessen ins Bett. Die Gefangenen reagieren auf diese Teufelei genauso verdutzt wie Diaz. Leonie nimmt sich Marie beiseite und teilt ihr mit, dass ein neuer Prozeß nicht stattfinden werde. Marie hätte das gern schriftlich, aber Leonie hat die entsprechende schriftliche Stellungnahme der Justizbehörden schon zerrissen. Sagt sie zumindest. Diese zugegeben sehr seltsame und, falls tatsächlich der Wahrheit entsprechend, reichlich sinnlose Maßnahme verbindet sich in Maries Denkmurmel mit der Anschuldigung, Leonies playpet zu sein, zu der Theorie, dass Leonie aus eben diesem kühnen Grunde Marie niemals gehen lassen wolle. Nun ist es an Leonie, verdutzt aus der Wäsche zu kucken, was ihr besser gelingt als ein finsterer Todesblick.

Als Helga Marie wenig später in die beabsichtigte Flucht einweiht (Rosalie ihrerseits hat Helga bereits in Kenntnis gesetzt), rennt sie offene Türen ein. „Es wird hart, wenn wir es schaffen, und wenn wir scheitern, wird´s noch schlimmer“, dumpfsinnt Helga, aber Marie doesn´t care, sie ist dabei.

Die Flucht gestaltet sich dank der relaxten nächtlichen Sicherheitsmaßnahmen recht einfach. Aus ziemlich unerfindlichen Gründen ist nämlich ausrechnet Zoe mit der Verwaltung der Zellenschlüssel betraut worden (Erstens mal – WAS? Eine friggin´ GEFANGENE? Und zweitens dann eine, die innerhalb der letzten paar Tage zweimal in Kämpfe verwickelt war? Das kann nicht mal Dipl.-Sozpäd. Leonie für ´ne clevere Idee halten, oder?). In Zoes Verantwortung liegt, nach der Natalie-Geschichte, u.a. die Überprüfung des tatsächlichen Gesundheitszustandes potentiell simulierender Kranker. Nur wenn sie sich persönlich vom Krankheitszustand überzeugt hat, darf Zoe Alarm schlagen, ansonsten gibt´s Saures. Diesen Umstand haben unsere drei Fluchtgrazien zu ihrem Vorteil gemünzt – Rosalie markiert, Zoe kuckt nach, Helga und Marie fallen über Zoe (die seltsamerweise mittlerweile ein schwarzes Seidencape trägt als wär sie Batmans kleine Schwester) her und entreißen ihr die Schlüsse. Die hohen Festungsmauern überwindet das Trio mit dem bewährten Bettlakenseil (wann immer sie auch das zusammengekloppt haben wollen) und türmt in die Botanik. Binnen Sekunden sind die drei Mädels mit ihren Kräften am Ende und schleppen sich, als hätten sie sechs Wochen entbehrungsreiche Odyssee durch das tiefste Schwarzafrika hinter sich, mühselig vorwärts. Die Alarmsirene motiviert – als aber wenig später auch der Alarm des Männerknasts loslegt (hm. Wie groß ist die Insel jetzt wirklich? Wenn mindestens 30 Meilen zwischen Frauenknast und Fischerdorf liegen, sollten ja wohl auch mindestens 30 Meilen zwischen Frauenknast und Männerknast liegen… aber den Alarm aus dem Männergefängnis hören die Mädels noch in Hörweite des Frauenknasts? Ich will nicht unken, aber ich glaube, das Script könnte nicht völlig fundiert sein), beruhigen sich die drei Tusneldas mit dem Gedanken, es handele sich um einen „Test“ (sure thing. Dann ist´s noch eher ABC-Alarm).

Weiter geht´s durch´s Gemüse. Rosalie wird vom animal wildlife in Form einer Schlange erschreckt. Helga zückt ein (irgendwann wohl) erbeutetes Messer, müht sich um Tiersnuff und versucht, der Schlange den Kopf abzuschneiden. Wie´s aussieht, entkommt das Kriechtier lebendig, aber angeritzt. Ein paar Meter weiter lockt ein brackiger Tümpel oder Bach zum fröhlichen Bade. Keine Frage, unsere Mädels können nich widerstehen und stürzen sich, um die ein oder andere Lage Textil erleichtert, ins kühle Nass. Doch sie werden beobachtet – der Spanner im Gebüsch gehört aber trotz seines permanent geilen Grinsens nicht zur Staatsmacht, sondern ist Diegos Fluchtkumpel, allerdings ohne Diego angetreten. Helga sorgt für geistreichen Humor, indem sie feststellt, dass alle vier Anwesenden wohl Knastalogen sein dürften, denn „wir haben den gleichen Schneider“. Der Kerl (sorry, seinen Namen hab ich nicht mitbekommen) stiert den Girls aber nicht nur die Anatomie ab, sondern hat noch schlimme Kunde zu vermelden. Diego hat´s leider nicht geschafft, der wurde von den im Männerknast noch etwas aufmerksameren Wärtern entleibt. Rosalie nimmt das nicht wirklich positiv auf, aber großangelegte Trauerorgien müssen vertagt werden, denn Suchtrupps mit Hundestaffel durchkämmen bereits die Wälder und versperren den direkten Weg Richtung Küste. Der Kerl, dessen Grinsen mich, wäre ich ein zartes Frauchen, nun doch dezent verunsichern würde (aber vermutlich ist das Grinsen nicht drehbuchgemäß, sondern einfach der Tatsache geschuldet, dass der Typ ein mieser Schauspieler ist), kommt mit Helga, die unbürokratisch die Führerrolle des Damentrios übernommen hat, überein, sich sinnstiftenderweise in den Bergen zu verbergen.

Die Gruppe richtet sich in einer Höhle ein, wo zunächst mal dummes Zeug gelabert wird, ehe Helga und der Kerl sich anschicken, ein Feuer zu entzünden, was Marie in einem unerwartenten Anfall von blondinenuntypischer Intelligenz für keine besonders tolle Idee hält. Offensichtlich liegt die Höhle aber auch ungefähr 3000 m Meereshöhe mit damit einhergehendem eher feuchtkalten Klima. Die vom Feuer gespendete Wärme ist Helga und dem Knaben ersichtlich das Risiko wert. Ist mir auch schon egal. Trotz indoor-Feuer ist´s immer noch soooo grausam kalt, dass man sich zwecks gegenseitiger Wärmung aneinanderkuscheln muss. Während der Kerl sich bereits ausgerechnet hat, dass Rosalie nach Diegos vorzeitigem Ende unbelegt ist und sich den eh etwas teilnahmslos vor sich hinstierenden Rotschopf an sich drückt, müssen Helga und Marie miteinander vorlieb nehmen. Helga erzählt Marie ein pointenloses „Märchen“: „Es war einmal ein reicher Prinz. So ist das Leben. Ende (sinngemäß).“ Der Kerl indes nagelt Rosalie ans Bein, dass Diego ihm quasi mit seinem letzten Atemzug sie vererbt habe, bzw. es ein gutes Werk in Diegos Angedenken sei, wenn sie mit ihm jetzt ´ne gepflegte Nummer schieben würde. Rosalie ist blöde genug, das für bare Münze zu nehmen und schiebt. Marie beobachtet die Popperei und vergeht in erotischer Sehnsucht. Von ihrer Libido überfraut schändet sie einen günstig herumstehenden Felsen (!), was wiederum Helga anpisst, die es offensichtlich lieber sehen würde, täte Marie sie beglücken.

Am nächsten Morgen sind Rosalie und ihr neuer Macker ein Herz und eine Seele (Frauen…). Der neue Plan besteht darin, sich zum Fischerdorf durchzuschlagen (und gesucht werdet ihr wohl mittlerweile nicht mehr, wa?) und dort ein Boot zu klauen. Unterwegs stolpert die Gruppe in einen Arbeitstrupp des Männerknasts bei der Brotzeitpause (im grenzenlosen Gottvertrauen dürfen die Knackis recht unbewacht mampfen). Der Kerl entdeckt unter den Vespernden einen Kumpel und schleicht sich zu ihm, um ihm etwas mampfbares aus den Rippen zu leiern. Blöderweise verstecken sich die Frauen nicht wirklich gut und fallen daher den Blicken sexuell notleidenden Männern aus. Die machen sich schnell die Rechnung auf, dass es Essen früher oder später wieder gibt, besteigbare Frauen aber nicht auf Bäumen wachsen. Schnell sind die dösenden Wärter überwältigt oder erschossen. Anstelle sich nun mit der erbeuteten Offensivbewaffnung der Flucht anzuschließen, haben die dröseligen Knackis Vergewaltigung im Sinn und rasen den Mädels hinterher. Diegos Kumpel entdeckt seine Robin-Hood-Gene als Beschützer der Witwen und Waisen und möchte die potentiellen Sexstraftäter aufhalten, bezahlt dafür aber mit seinem armseligen Leben. Rosalie verkraftet die Tatsache, binnen 24 Stunden gleich zwei Lover permanent verloren zu haben, nicht wirklich gut. Sie schlägt lang hin und wird Opfer einer Massenvergewaltigung. Marie und Helga sehen´s positiv – wenn die Knackis sich mit Rosalie beschäftigen, gibt das ihnen Zeit, Land zu gewinnen (nicht besonders geschlechtssolidarisch). Rosalie überlebt die Vergewaltigung nicht…

Marie und Helga erreichen das Fischerdorf. Hm, scheint schon eine echter Fischerstadt zu sein, wenn wir der Größe des Hafens und der Anzahl der Fischerboote nach gehen (vielleicht sollte man seine Hochsicherheitsknäste nicht auf so dicht besiedelten Inseln anlegen). Die beiden Mädels nehmen ihre jeweiligen Herzen in die Hände und planen, auf gut Glück ans Wasser zu rennen und eine Schaluppe zu kidnappen (hoffentlich hat wenigstens eine von euch den Segelschein). Blöd nur, dass der Gouverneur und seine Wachmannschaft nicht ganz hirnamputiert sind und sich durchaus zusammengereimt haben, wo die einzigen Fluchtboote vor Anker liegen. „Wir warten schon den ganzen Tag auf euch“, grinst der Gov und angesichts der numerischen Überlegenheit der Ordnungsmacht bleibt den Girls nur die Kapitulation.

Im Knast herrscht hinsichtlich Fluchtversuchen eine Null-Toleranz-Politik: Helga und Marie werden ausgepeitscht (nicht mal das dürfen wir sehen). Leonie leidet mit, hat aber keinen Einfluss mehr. „Es steht alles in den Vorschriften“, knurrt der Gouverneur, als Leonie sich für die Wiedergekäschten einzusetzen versucht, und die Vorschriften sagen z.B. auch, dass die Bestrafungsprozedur nach zwei Tagen wiederholt werden darf. Leonie kann nur versuchen, den Gov und die fies vor sich hin grinsende Diaz böse anzustarren.

Entgegen der Ankündigung von Gov und Diaz werden Marie und Helga aber nicht in die Strafzelle, sondern in die ganz normale Zelle verfrachtet, wo ihre Anlieferung sofort einen Aufstand auslöst. Leonie und Diaz streiten sich indes darüber, wer an der Fluchteinlage schuld ist. Für Diaz ist die Sache klar – Leonies verweichlichte Gefängnisführung hat den Ausbruch begünstigt (damit hat sie ohne Zweifel Recht). Die Revolte tobt – Leonie stellt sich den Aufständischen in den Weg und will sie zur Aufgabe bewegen. Unter Helgas Führung erteilen die Revoltierenden der Gutmenschin die absolute Höchststrafe – sie ignorieren sie und lassen sie einfach stehen. Nettigkeit zahlt sich nicht aus. Dennoch stehen die Aufständischen auf verlorenem Posten; der Riot wird niedergeknüppelt.

Leonie hat ihre Lektion gelernt – „drei Fluchten (naja, eigentlich eine mit drei Personen) und ein Aufstand“. Sie reicht ihren Abschied ein. „Disziplin scheint notwendig zu sein“, seufzt sie (ehm, ich wiederhole mich nur ungern: it´s a friggin´ PRISON and not Club Med). Ihre Sozialarbeitsmethoden funktionieren scheinbar nicht hinter schwedischen Gardinen. „Ich hatte sie gewarnt“, stellt der Gouverneur richtigerweise fest. Leonie schnürt ihr Bündel. Im Knast herrscht wieder der althergebrachte status quo, Diaz und Gouverneur Santos sind die Herren der Lage. Und den Gov plagen schon wieder Hitzewallungen… Leonie stapft verbittert und grußlos an den zum Appell angetretenen Gefangenen vorbei (wobei Helga ihr irgendwie sehnsuchtsvoll nachschaut. Hä?) und lässt sich zum Festland schippern…

Jess Francos erster Frauengefängnisfilm (dieses Terrain sollte er ja noch etliche Male abgrasen) lässt mich in gewisser Weise ratlos zurück, denn seine objektiven Stärken (auf die ich noch eingehen werde) machen, zumindest für mich, auch seine subjektiven Schwächen aus. 99 Women ist zweifellos nicht nur einer der handwerklich besseren Franco-Filme und auch ein erstaunlich un-(s)exploitativer WIP-Hobel (in Punkto Fiesheit und Sleaze wird 99 Women von zeitgenössischen US-Produkten wie Women in Cages aber mühelos k.o. geschlagen), ernsthaft gemacht und mit einer eher beklemmenden Moral versehen, aber er will gerade aus diesen Gründen bei einem WIP-Veteranen nicht zünden.

Versuchen wir´s der Reihe nach – zunächst kurz zur Entstehungsgeschichte. Produzent der Plotte ist, wie oben ersichtlich, Harry Alan Towers, eine schillernde Figur der Eurotrash-Szene, auch heute, im biblischen Alter, noch gut dabei, und seinerzeit, also Ende der 60er, auf dem Zenit seines Schaffens und seines Erfolgs; mit den Fu Man Chu- und Sumuru-Filmen feierte er Kassenerfolge. Jess Franco, für Towers bereits in der Fu Man Chu-Serie aktiv, drehte für den Briten gerade in Brasilien den Sumuru-Film The Seven Secrets of Sumuru (aka The Girl from Rio). Towers schanzte Franco ein Treatment zu und fragte, ob Franco nicht nach Abschluss der Sumuru-Dreharbeiten gleich mal mit einigen Schauspielern und Crewleuten weiterarbeiten wollte. Franco hielt die Story für tauglich (naja, Franco hält so manche Story für tauglich…), schlug ein und drehte so viel Material, dass Towers genug in der Hand hatte, um auf dem europäischen Markt die weitere Finanzierung zu sichern und noch ein paar Schauspieler einzukaufen. Anschließend wurden die Dreharbeiten auf Francos Vorschlag in Spanien fortgesetzt.

Wer genau letztlich für das Drehbuch verantwortlich war, ist unklar – der Film selbst kreditiert in der mir vorliegenden Fassung nur „Peter Welbeck“, das übliche Autorenpseudonym für Harry Alan Towers selbst, die IMDB listet gleich ein ganzes Rudel Autoren, darunter auch Meister Franco, auf. Dass Franco wirklich gravierenden Anteil an der Geschichte hat, lässt sich schlicht anzweifeln, weil die Plotte zwar nicht gerade ein Ausbund der Intelligenz ist und einige Fragwürdigkeiten aufweist (auf die ich oben hoffentlich hingewiesen habe), aber im Großen und Ganzen doch so etwas ähnliches wie einen Sinn aufweist. Auch wenn die IMDB Towers nur für die englischen Dialoge kreditieren will, gehe ich doch davon aus, dass die Grundzüge der Story auf dessen Mist gewachsen sind, die verschiedenen Märkte sich aber ihre eigenen Dialogfassungen nach Gusto zusammenstoppeln durften (und wohl auch die Schnittfassungen, hence die Porno-Fassung). Egal, wer letztlich die Verantwortung trägt, er schuf durchaus die Formel, an der sich der europäische WIP-Film die nächsten zehn-zwölf Jahre orientieren sollte, wobei 99 Women insofern eine Sonderstellung einnimmt, als er die sonst zumeist exklusiv genutzten Hilfsmittel der „Dschungelflucht“ und des „Gefängnisaufstands“ beide einsetzt (wobei der Aufstand letztlich aber nur eine Fußnote der eigentlich schon abgeschlossenen Geschichte darstellt und nicht mal bis zum Ende verfolgt wird). Ansonsten regiert das, was in der Folgezeit zum Standard werden sollte. New Fish kommt in den Knast, muss sich mit lesbischer Zellengenossin und sadistischer Aufseherin rumschlagen, findet aber auch echte Freunde, wobei zur Schande des Films nicht eine einzige Duschszene eingebaut wurde (ich komme auf den Exploitation-Gehalt bzw. den Mangel thereof etwas weiter unten zu sprechen).

Worin sich 99 Women von den meisten Genrerivalen unterscheidet, ist die Weltsicht, die noch zynisch-depressiver ist als in den meisten eh nicht besonders fröhlichen WIP-Hobeln, von denen aber ein Großteil zumindest einem Teil seiner Protagonistinnen ein Happy End (oder zumindest die Aussicht auf bessere Zeiten) gönnte. Von vergleichbarer Schwermut ist im europäischen Genre höchstens der hier besprochene Ausgestossen – Nackte Gewalt im Frauengefängnis, der seine Heldin nicht mal überleben lässt, aber selbst der rehabilitiert sie wenigstens posthum. 99 Women ist da in seiner Aussage extremer – das „Gute“ steht auf völlig verlorenem Posten, nicht nur in Person von Heldin Marie, deren Notwehrgeschichte ihr niemand (nicht mal Leonie) glaubt und deren Flucht dann auch nicht von Erfolg gekrönt ist, sondern eben auch in Form von Leonie, der (allerdings nicht ganz durchsichtigen) Sozialarbeiterin, die zum Filmende resigniert einsehen muss, dass sie mit ihren vergleichsweise antiautoritären Methoden scheitert und einräumen muss, dass Diaz´ harte Schule offensichtlich der einzig gangbare Weg ist. Will man, was vermutlich höherer Blödsinn ist, den Streifen in einen politischen Kontext stellen (aber das macht man auch mit Italo-Western), könnte man ihn mit Corbuccis Leichen pflastern seinen Weg vergleichen, bei dem das alte, repressive Establishment auch symbolisch über die 68er-Aufbruchsbewegung triumphiert (Jess Franco, der sich ja immer noch für einen schwer politischen Filmemacher hält, wird mir vermutlich begeistert beipflichten). Am Ende des Films ist der status quo wiederhergestellt, das alte System hat sich durchgesetzt und, was die Aussage sogar noch einen Tacken schärfer macht als die des Corbucci-Westerns, selbst die Vertreterin des „Aufbruchs“ bestätigt ihr Scheitern und somit auch die (moralische?) Überlegenheit der Machthaber.

Ihr seht schon – wenn ich mich hier weit aus dem Fenster lehne und wüst politische Botschaften behaupte, kann das Script ansonsten nicht so arg viel zum Zerfleddern hergeben. Es hat seine rätselhaften Momente (schon allein die Anfangsszene, in der Helga in einem Moulin-Rouge-mäßigen Revuekleid in den Knast transportiert wird), das ein oder andere kleine Plothole (hat Leonie nun tatsächlich ermittelt, ob für Marie der Prozeß neu aufgerollt werden kann oder war das nur, wie der Film es zu implizieren scheint, ein Märchen, um das Girl bei Laune zu halten? Aber welchen Sinn sollte eine solche Finte haben?), und natürlich auch ein paar grundsätzliche Dummheiten (angefangen bei der fragwürdigen Geographie der Insel bis hin zur verdächtigen Abwesenheit von Wärtern, wenn das Script es gerade so braucht), aber im Vergleich zu Schwachmatigkeiten, die uns der Maestro in der darauffolgenden Dekade noch vorzusetzen beliebte, ist 99 Women eine große Tragödie altgriechischen Zuschnitts.

Auch von der handwerklich-technischen Seite ist der Film mindestens auf den UEFA-Cup-Rängen des Franco´schen Schaffens anzusiedeln. Nur wenige seiner gefürchteten Trademarks stören das Wohlbefinden des unbelasteten Zuschauers – die große lesbische Sexszene zwischen Marie und Zoe kann man unmöglich noch weichgezeichneter ablichten wie geschehen; das ist nicht erotisch, das sind nur aufeinander herumrutschende fleischfarbene Kleckse, garniert durch ein paar sinnlose Zooms. Ansonsten ist der Streifen ordentlich fotografiert – die Wahl mancher Einstellungen mag diskutabel sein (wenn eine Dialogszene in einer großen Halle z.B. aus einer Totalen gefilmt wird), aber im allgemeinen ist das im Bild, was im Bild sein soll, und auf Franco-Verhältnisse umgerechnet ist das mindestens Michael-Ballhaus-Format. Franco stehen ausnahmsweise mal meßbare production values zur Verfügung – niemand wird 99 Women mit einer Hollywood-Großproduktion verwechseln, jedoch kann man allen Ernstes von dekorierten Sets und einigermaßen ansehnlichen Locations reden.

Vom dramaturgischen Standpunkt her gesehen leidet der Film etwas darunter, dass in seinem ersten Akt nicht wahnsinnig viel passiert (der topgebillte Star, Maria Schell, steigt ja auch erst mit dem zweiten Akt ein) und er sich tempomäßig vom etwas tranigen Auftakt nicht mehr erholt, selbst in den potentiell aktionsgeladeneren Flucht- und Dschungelszenen.

Musikalisch haben wir´s mit einem Score von Italo-Großmeister Bruno Nicolai (Franco-Stammkomponist und passenderweise Dirigent des Morricone-Scores zu Leichen pflastern seinen Weg zu tun, und Bruno gibt wirklich alles, eine der besseren Leistungen des Fließbandarbeiters.

Nun also zum (S)Exploitation-Gehalt. Der ist, aus heutiger Sicht, mau – 99 Women gibt sich zahm – großangelegte Perfiditäten, wie Franco sie in schöner Regelmäßigkeit auf die Leinwand bannte, bleiben aus – zwei-drei harmlose Nacktszenen, zwei wenig bemerkenswerte Catfights, kaum „Foltereinlagen“ (selbst die Bestrafung der Ausbrecherinnen bleibt für Genre-Verhältnisse extrem zurückhaltend), 99 Women gibt sich tatsächlich Mühe, als ernsthafter Film verstanden zu werden (um so bedenklicher, dass die steifen Briten tatsächlich 20 schnittwürdige Minuten fanden, deren Entfernung, laut Franco, und da glaub ich ihm unbesehen, den Streifen vollkommen undurchschaubar machte). Die Bertucci-hörige Frauenfolterfraktion sitzt in einer der hinteren Reihen (was wohl auch erklärt, warum der Streifen trotz seines Rangs im Genre nie bei X-Rated o.ä. erschienen ist. Okay, der gute Harry Alan Towers macht wohl auch nicht gerade Lizenz-Sonderangebote). Wie schon angedeutet – Woman in Cages, Cormans zeitgleich entstandener erster WIP-Fetzer ist, was den Sleaze angeht, fieser, was 99 Women durch die bedrückende Moral ausgleicht.

Der geneigte Exploitation-Fan wundert sich natürlich über den Schachzug, Maria Schell in einen Film wie diesen zu packen. Maria, ihres Zeichens Schwester von Maximilian Schell, war einer der Top-Stars des teutonischen 50er-Jahre-Herzschmerz-Kinos und Spezialistin für kitschige „smile-under-tears“-Rollen, was ihr aber immerhin den Weg in eine große internationale Karriere ebnete (und den Spitznamen „Seelchen“ einbrachte). Schell filmte in Deutschland, Frankreich und Hollywood, wobei ihre Beliebtheit in Deutschland stets enorm groß war. Mitte der 60er Jahre stellte sich ein leichter Karriereknick ein – anstatt großer Kinoproduktionen drehte sie hauptsächlich für´s Fernsehen und so konnte Harry Alan Towers sie für 99 Women gewinnen, was sie offenbar nicht ausreichend abschreckte, um mit dem Hexentöter von Blackmoor noch eine zweite Franco-Eskapade nachzulegen. Nach weiterer Fernseharbeit gelang ihr 1978 der erneute Sprung über das große Wasser mit Rollen in Superman und der völlig mißratenen Bradbury-TV-Verfilmung Die Mars-Chroniken. Ihr letzter ganz großer TV-Erfolg war die fünf Jahre laufende ARD-Serie Die glückliche Familie. Maria Schell verstarb 2005 im Alter von 79 Jahren. Zweifellos engagierte Towers die Schell ihres Namens wegen – mit der Rolle und dem Sujet an sich scheint sie sich nicht gänzlich wohl zu fühlen. Zwar gibt sie sich durchaus Mühe, aber sie ist einfach nicht in der Lage, die „härtere“ Seite ihres Charakters (also in den Wortgefechten mit Santos und Diaz) wirklich glaubhaft zu verkörpern (ihr „böser Blick“ ist beinahe lächerlich).

Herbert Lom ist Millionen Filmfreunden als geplagter Suréte-Chefinspektor Dreyfus und Nemesis des trotteligen Inspektor Clouseau aus den Pink Panther-Filmen mit Peter Sellers ein fester Begriff. Der routinierte Lom war überall zur Stelle, wo gute Gage verdient werden konnte und so auch schon einige Male in deutschen Produktionen wie Der Schatz im Silbersee, Onkel Tom´s Hütte oder Die Nibelungen: Kriemhilds Rache aufgetreten und hatte keine Berührungsängste mit B-Ware. 1970 spielte er in Hexen bis auf´s Blut gequält den Hexenjäger Cumberland und in Francos Nachts, wenn Dracula erwacht den Vampirpfähler van Helsing. 1983 sah man ihn in Cronenbergs Dead Zone, 1986 in der Vulgär-Satire Whoops Apocalypse, 1989 neben Michael Dudikoff in River of Death und in der 21st-Century-Pseudo-Poe-Adaption Masque of Red Death. Lom gibt den Santos, ähnlich wie später den Cumberland, nicht als plumpen Comic-Schurken mit grobem Overacting (wie´s ein Oliver Reed wohl getan hätte), sondern geht ernsthaft an die Aufgabe heran. Sowohl hier als auch im Hexenfilm hat Lom den Vorteil, den interessantesten Charakter verköpern zu dürfen. In Hexen war er Repräsentant der Inquisition und sich als solcher durchaus darüber im klaren, dass die Kirche entgegen ihres Nimbus durchaus auch Unschuldige verurteilt, aber eben zur Wahrung des status quo der Unfehlbarkeit an ihrem Vorgehen nichts ändern darf. In 99 Women ist er ein Opportunist, der die Annehmlichkeiten seines Jobs genießt, aber sofort dabei wäre, seine „Komplizin“ Diaz ans Messer zu liefern und sich mit Leonie zu arrangieren, wenn es ihm Vorteile bringt. Lom kommt mit dieser Rolle gut zurecht und liefert wohl eine der besten Performances in einem klassischen WIP-Exploitation-Heuler ab.

Auch Mercedes McCambridge konnte schon auf eine lange Karriere zurückblicken, wobei die Amerikanerin sich hauptsächlich mit US-TV-Arbeiten einen Namen machte (1960 traf sie aber bereits im Western Cimarron auf Maria Schell). Auch McCambridge war sich für einen weiteren Franco-Auftritt nicht zu schade und spielte noch 1969 in Justine, ehe sie wieder zur Fernseharbeit in den Staaten zurückkehrte und nur noch selten im Kino auffällig wurde. 1973 lieh sie dem Dämon Pazuzu in der Originalfassung des Exorzisten die Stimme, 1979 tauchte sie im in jeder Hinsicht als Katastrophen-Film zu bezeichnenden Airport ´80 auf. Jess Franco stellt nicht zu Unrecht fest, dass McCambridge ein „scene stealer“ ist. Wo Lom zurückhaltend agiert, geht McCambridge aus sich heraus, lässt ihre Mimik entgleisen, schreit hysterisch – ihre Diaz ist zweifellos eine Sadistin, aber nicht unbedingt aus persönlichen Motiven, sondern aus beruflicher Überzeugung.

Das weibliche Junggemüse macht rein optisch eine gute Figur – die meisten Mädel wurden gleich vom Sumuru-Set weiterverpflichtet,s o Maria Rohm (auch zu sehen im ersten Sumuru-Streifen, zwei Fu Man Chu-Filmen und den Franco-Werken Der Hexentöter von Blackmoor, Marquis de Sade: Justine [dort als Justines dionsysische Schwester Juliette], Nachts, wenn Dracula erwacht, Das Bildnis des Dorian Gray und Eugenie. Rosalba Neri (Zoe) war eine feste Größe im Sandalenfilm (so z.B. im Mario-Bava-Frühwerk Vampire gegen Herakles), agierte in den beiden Angelique-Filmen und dem hier besprochenen Proto-Slasher Das Schloss der blauen Vögel. Exploitation-Fans schätzen natürlich auch das Corman/D´Amato-Gemeinschaftswerk Arena, wo sie neben Pam Grier spielte. Mit Luciana Paluzzi (Natalie) engagierte Towers nicht nur ein echtes Bond-Girl (Thunderball), sondern auch eine verdienstvolle Aktivistin aus dem ersten und einzig echten Hercules-Film mit Steve Reeves. Elisa Montes (Helag) und Valentina Godoy (Rosalie) gehören zur Seven Secrets of Sumuru-Brigade. Keins der Girls fällt durch absolutes Anti-Schauspiel negativ auf. Rein von der Screentime her hätte ich´s gern gesehen, wenn man die von Montes und Neri verkörperten Charaktere „vereint“ und von Neri hätte spielen lassen.

Blue Underground lässt sich gewöhnlich in Punkto DVD-Umsetzung nicht lumpen. Da macht der 99 Women-Release keine Ausnahme. Der anamorphe 1.66:1-Transfer ist so gut, wie man es von einem 37 Jahre alten Eurosleazer erwarten kann – nicht perfekt, aber vollkommen zufriedenstellend. Akustisch belässt es BU bei einem Dolby-2.0-Mono-Track der englischen Sprachfassung (erfreulicherweise machen die Amis den irgendwie typisch deutschen Schwachsinn, aus jedem alten Stummfilm einen 18-Kanal-Surround-Remix zu stricken), nicht mit) – auch der ist kein Showcase für die Dolby-Anlage, aber absolut ausreichend. Als Extras gibt´s ein ausführliches Video-Interview mit Jess Franco, der sich wider Erwarten tatsächlich an die ein oder andere interessante Anekdote zum Dreh erinnern kann, den Trailer, eine Artwork- und Still-Gallery sowie gestrichene und alternative Szenen, wobei vor allem die „alternativen“ Szenen bemerkenswert sind – die betreffen hauptsächlich die beiden Flashbacks von Marie respektive Zoe. Maries Flashback nimmt in der erweiterten Form einen wirklich heftigen Schlenker in surreale Gefilde (übrigens taucht in dieser Version auch Jess Franco persönlich auf), der vom typischen Bahnhofskinobesucher vermutlich nicht goutiert worden wäre, während Zoes Flashback sich sogar einer völlig anderen Backstory bedient (anstelle der kurzen Geschichte um ihre Strippervergangenheit konstruiert die alternative Version eine sage und schreibe 15-Minuten-Geschichte um eine tödliche menage-a-trois zwischen ihr, ihrem Liebhaber und ihrer Schwester, wenn ich das richtig verstanden habe).

Bevor ich zum Schlußwort komme, noch eine Anmerkung – aus für gewöhnlich gut unterrichteter Quelle (will sagen: vom Autoren selbst) bin ich über ein wirklich verdammt gutes Script für ein mögliches Remake informiert worden (oder besser gesagt: ein re-imagening), das es dringlich verdient hätte, umgehend verfilmt zu werden. Ich stelle gern den Kontakt her 🙂

Letzte Worte: Wer bei der Kombination „Jess Franco“ und „Frauenknast“ auf einen schönen abgefeimten Sleazer hofft, wird von 99 Women schwer enttäuscht sein. Auch wenn Franco 1969 sicher auf dem Zenit seiner künstlerischen Schaffenskraft stand – einen derart untrashigen Film hatte ich kaum erwartet. 99 Women ist mehr Drama und (vielleicht) politische Parabel denn billige Exploitation (für die sich Maria Schell aber auch sicher nicht hergegeben hätte). Als Unterhaltungsfilm für einen bierseligen Abend taugt der Film daher nur bedingt – vom filmhistorischen Blickpunkt her gehört der Streifen aber natürlich in jede aufgeklärte WIP-Sammlung; seine Vorreiterfunktion für den europäischen Frauenknastfilm ist unbestritten. Außerdem mag er durchaus, im Verbund mit dem Hexentöter von Blackmoor, als Testament dafür dienen, dass Jess Franco, lang, lang ist´s her, wirklich mal ein gar nicht so schlechter Regisseur war…

(c) 2006 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 5


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