Der Fluch der reitenden Leichen

Eine rote Collage verzerrter und schreiender Gesichter vor schwarzem Grund  
  • Deutscher Titel: Der Fluch der reitenden Leichen - Die Rückkehr der Tempelritter
  • Original-Titel: Curse of the Blind Dead
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  • Regie: Raffaele Picchio
  • Land: Italien
  • Jahr: 2020
  • Darsteller:

    Aaron Stielstra (Michael), Alice Zanini (Alice), Francesca Pellegrini (Lynn), Bill Hutchens (Abel), Fabio Testi (Kerkermeister), Mickey Ray Martin (Kain)


Vorwort

Nicht uns Herr, nicht uns, Deinem Namen gib Ehre.

Am Anfang steht eine Sonnenfinsternis, und eine Handvoll Tempelritter hat sich in einem Burghof versammelt. Eine scheinbar besessene Schwangere (ihr wisst schon: glühende Augen, Gestöhne und ein fettes, blutiges Mal ziert ihren gebährfreudigen Wanst) wurde auf einem Kreuz fixiert. Als sie dann endlich geworfen hat, wird das Neugeborene auf den Altar getragen. Dann erscheinen einige Bauerntrampel mit Heugabeln u.ä. auf der Bildfläche. Wie man ihrem Gekeife entnehmen kann, scheinen sie mit dem Prozedere nicht wirklich einverstanden. Die Templer jedenfalls lassen sich widerstandslos in Gewahrsam nehmen (vielleicht verbietet ihr Glauben die Anwendung von Gewalt, wer weiß…), beharren aber darauf, dass das Kind geopfert werden müsse. Die wütende Meute, äh, also die besorgten Bürger schlitzen der Frau die Kehle auf. Und das Baby, nun ja, auch das wird umgebracht. Über die gotteslästerlichen Templer (klar, die wollten das Baby umbringen, das danach, ähm, von den besorgten Bürgern entsorgt wurde … also gewaltsam, quasi umgebracht … auf dem Altar, auf dem es die Templer wemauchimmer opfern wollten) wird kurzerhand Gericht gehalten. Danach werden sie standesgemäß geblendet und verbrannt…

Nachdem uns während der Titeleinblendungen Nachrichtenmeldungen aus dem Off über den Untergang der Zivilisation berichtet haben, finden wir uns danach in einer wohl nicht allzu fernen Zukunft wieder. In einem Wald (grmpf). Michael (Aaron Stielstra) und seine schwangere Tochter Alice (Alice Zanini) suchen nach einem abgelegenen Außenposten, in dem es genug Platz, genug Essen und nur nette, gesunde Menschen gibt. Sie haben gerade ihr Lager für die Nacht aufgeschlagen (sprich, sie haben sich an einen Baum gehockt), da werden sie von Wegelagerern attackiert, die prompt über Alice herfallen wollen. Doch plötzlich surren Pfeile durch die Luft und töten die bösen Burschen. Zwei nette Männer konnten nicht umhin, die missliche Lage der beiden zu erkennen und ihnen zur Hilfe zu eilen, und kurz darauf befinden wir uns schon im Gemäuer einer christlichen Sekte, der der einäugige Abel (Bill Hutchens) vorsteht. Alle sind nett und freundlich, man lädt sie ein zu essen und zu verweilen. Michael bejaht ersteres und schließt letzteres kategorisch aus, da man ja zu den netten Menschen mit Unterkunft und Essen (und wahrscheinlich sind’s Atheisten, ansonsten gebe es ja, erst einmal, keinen Grund, nicht bei Abel und den seinigen zu bleiben), von denen man vor einiger Zeit mal per Funk gehört habe. Aber da diese Sekten-Leute selten etwas Gutes im Schilde führen, findet sich Michael sehr schnell beim Kerkermeister (Fabio Testi) wieder, während Alice von der stummen Lynn (Francesca Pellegrini) darauf vorbereitet wird, bei der sich anbahnenden Sonnenfinsternis Gott und der Kreatur geopfert zu werden…


Inhalt

45 Jahre ist es mittlerweile her, dass Amando de Ossorio seine untoten, vermodernden und blinden Reiter auf die Welt losließ, auf dass sie DAS BLUTGERICHT DER REITENDEN LEICHEN über diese bringen mögen. Und manch einer hatte sich schon damals gewünscht, er hätte sie nicht noch einmal erweckt. Doch das ist ein anderes Thema. Nun ist es ja so, dass man auch heutzutage die Toten nicht unbedingt gerne ruhen lässt. Gerade im Horrorbereich werden gerne die Kryptas erfolgreicher Klischees, Monstren und am besten ganzer Franchises geplündert, auf dass sie einem, wenn schon nicht Ruhm und Ehre, zumindest etwas Aufmerksamkeit und am besten noch ein paar Peseten nebenher einbringen werden. So geschehen mit Kult-Stars der Horrorwelt wie Freddy Krüger, Michael Myers, Leatherface oder Jason Vorhees (obwohl bei letzterem nach elfjähriger Pause, bestimmt einem halben Dutzend verworfener Skripts und dem langjährigen Rechtsstreit zwischen Cunningham und Miller gar nicht final gesagt werden kann, ob der Drops vielleicht nicht doch schon gelutscht ist; aber Totgesagte leben ja bekanntlich länger). Und auch wenn über Jahre niemand wirklich ernsthaft daran gedacht hat, die berühmten Zombiereiter des schon 2001 verstorbenen de Ossorio wieder auferstehen zu lassen, schien es dennoch unausweichlich, eine Frage der Zeit, bis jemand sich Picke und Spaten greift, um auch diese gammeligen Leichen aus dem Reich vergangener Horror-Ikonen ans heutige Tageslicht zu zerren und ihnen den wohl verdienten Ruhestand zu versauen. Mehr noch als das Konzept der wiederkehrenden, blinden Dämonenreiter dürfte ihr vergangener Ruhm und anhaltende Beliebtheit unter Genre-Fans, ihr immer noch guter Name, der Grund dafür gewesen sein, dass der semi-professionelle italienische Splatterfilmer Raffaele Picchio unter die Grabräuber gegangen ist. Dabei muss man ihm wenigstens zugute halten, dass sich die reitenden Leichen nach seinem minderbemittelten Zombie-Gladiatoren-Klopper MORITURIS fast schon folgerichtig für eine Legendenschändung anboten.

Und wer eben MORITURIS gesehen hat, weiß eigentlich schon, dass das Projekt „Legenden ficken“ bei ihm in sicherer Hand wäre – das konnte in keinem Fall gut gehen. Picchio hat also eine Handvoll Templer, die für Untaten in der Vergangenheit (besonders konkret wird er hier eigentlich auch nicht, was das, was wir anfangs zu sehen bekommen, nun wirklich zu bedeuten hat, ist komplett der Fantasie des Zuschauers überlassen) gerichtet, geblendet und verbrannt wurden und nun in der Zukunft (also von uns aus gesehen) wieder auftauchen, weil das halt so ist und die Sekte um Abel sie anbetet, also mehr oder weniger. Der zentrale Punkt ist hier wie da, dass ein Kind geopfert werden muss, vorzugsweise von einer Mutter mit einem bestimmten Mal. Was man dadurch bezwecken will? Man will sich vor Unheil schützen. Der Untergang der Zivilisation kann damit nicht gemeint sein, denn das haben die Leuts dort schon hinter sich. Und warum eigentlich Endzeit? Ganz einfach, so hat Vater Michael einen Grund, mit der schwangeren Tochter Alice ein unbestimmtes Utopia zu suchen und Picchio braucht nicht dort, wo das Leben sprießt filmen, so mit Häusern, Verkehr und Menschen, all dem überflüssigen Pipapo – hier tut es der nächstgelegene Wald, ein in den Fels gehauenes Gemäuer, in dem man günstig neben der Saison drehen kann und einige unspektakuläre Studio-Sets. So weit, so scheiße.

Inhaltlich bewegen wir uns auch weiterhin auf dürren Pfaden, Michael und Alice werden von den netten Menschen um Abel gerettet, bekommen Essen und Unterkunft. Dass der Sektenführer nicht sehr erbaut ist zu hören, dass sein großzügiges Angebot an die beiden zu bleiben, um den Schutz der selbstversorgenden Gemeinschaft zu genießen, weil Michael lieber weiterziehen will, um einen Ort zu suchen, der Schutz und Essen bietet, kann man da sogar nachvollziehen. Bis hierhin gibt es auch nicht wirklich etwas an der Sekte zu beanstanden (okay, sie sprechen ein Tischgebet, muss man nicht mögen, aber auch nicht hassen), was Vater und Tochter (die ja auch kurz vor der Niederkunft steht) großartig beunruhigen sollte. Wenn die beiden dann aber mit Schlafmittel betäubt und gefangen genommen werden, wird es wirr. Michael landet, wie schon beschrieben, bei Fabio Testi. Die netten Leute scheinen sich schon länger am Fleisch bedauernswerter Wanderer zu laben. Auch Alice landet in einem Kerker, neben einer weiteren schwangeren Frau, die schon schwer angeschlagen aussieht und Besessenheit im Blick mit sich trägt. Sie macht erst einmal den Erklärbär, was aber kein Licht in die Sache bringt, sondern den weiteren Handlungsverlauf noch mehr benebelt. Denn ihren Ausführungen kann man entnehmen, dass die Gemeinde gebährfähige Frauen sammelt, damit diese dann Kinder auf die Welt schmeißen, die dann… naja, werden wir noch sehen. Es scheint sich auf jeden Fall um ein Ritual zu handeln, dass die Leute hier immer zur Sonnenfinsternis abhalten.

Dann gibt es endlich eine Wiederbegegnung mit den Templern, die jetzt zombifiziert aussehen, aber scheinbar nicht wirklich blind sind, sondern nur einen grauen Schleier über ihren Sichtfeld tragen. Lustig ist, dass 1. die Sektenmitglieder beim Anblick der Templer recht schnell in Panik geraten (so routiniert scheinen die mit der Scheiße wohl nicht zu sein) und 2. man das Kind des verranzten Frohleins opferte, obwohl unsere „Heldin“ Alice ja das Mal an sich trägt, weswegen sie und ihr Kind für das Opferritual besonders begehrenswert schien. Ich meine, wollten die sie bis zur nächsten Sonnenfinsternis aufbewahren? Gibt es die hier bei jedem Tag-Nacht-Wechsel? (Ich greife frecherweise mal vorweg, ja, das gibt es hier!) Bis hierhin haben wir jetzt die Hälfte des Films um und die Seligen unter uns sind schon friedlich entschlummert, aber die anderen sind hardcore, sie geifern nach dem, was da noch kommen soll: Reitende Leichen (übrigens ohne Pferde), lange Schwerter, schreiende Menschen, Gemetzel. Und genau das gibt es hier jetzt. Also irgendwie schon, aber irgendwie auch nicht. Ich würde an dieser Stelle gerne den entgeisterten Gesichtsausdruck so manches hartgesottenen Gorehounds sehen, dem in Erwartung blutigen Gedärmgemansches schon die Sabber im Mundwinkel hing. Picchio hatte scheinbar schon sein ganzes Geld für technisches Equipment (gut), echte Schauspieler, u.a. Fabio Testi für zwei kurze Szenen, und ein Dutzend Komparsen (okay) sowie die Rechte an der Original-Musik (wird zweimal angespielt, verschwendet) ausgegeben, für richtig schöne handgemachte Effekte war da wohl nichts mehr im Budget übrig. Entweder finden die Kills im Off statt, oder es läuft wie folgt: Templer sticht mit dem Schwert auf Opfer (Rücken zur Kamera) ein, Schnitt auf das Hemd/die Jacke des Opfers, in der das Schwert steckt und einige Gedärme zum Vorschein bringt. Splatter, also „bodies that splatter“ ist das definitiv nicht, denn wie sich eine Klinge ihren Weg durch die Haut und in das Fleisch bahnt, sehen wir nur bei genau zwei (!!) Kehlenschnitten. Eine lustig durchschaubare Effektshot-Anordnung ist auch, wenn ein Opfer ins Bild wankt, sich ein paar Gedärme auf den Bauch drückt, damit wir sie nach einem weiteren Schnitt auf den Boden klatschen sehen. In diesen raren Momenten ist dem Gorehound zum Heulen zumute, während wenigstens der Trash-Aficionado sich ein leises Kichern kaum verkneifen kann.

Und es wird von da an nicht besser. Eigentlich ist dies schon, wenn man es so nennen will, der Höhepunkt des Films. Aber es ist schon irgendwie bezeichnend, dass der Kampf, den der weit über 70-jährige Fabio Testi parallel dazu mit unserem Helden im Kerker absolviert, weitaus mitreißender rüberkommt als das große Action-Setpiece mit den El Blindos an der Opferstelle. Schon kurz darauf könnte der Film dann Schluss machen und niemand wäre böse; je kürzer das Leid, desto schneller das Vergessen. Doch Picchio konnte es nicht sein lassen, noch einen draufzusetzen, quasi als gut zehnminütigen Schlussgag (ich erwähnte ja schon die zweite Sonnenfinsternis am nächsten Tag). Das wirkt so unmotiviert, so fad, dass die böse Pointe und die hier aufgefahrenen Visuals (geil, Effekte aus dem Zauberkasten genannt Computer; darauf haben wir gewartet) nur mehr zu einem müden Lächeln animieren. Zumal wir uns durch den Film quälen mussten, 80 Minuten durchlebten, die uns wie mindestens 90 vorkamen, wenn nicht mehr.

Das ist einfach ärgerlich. Nicht nur, weil Picchio mit seiner Unfähigkeit eine Kultreihe schändete, uns 10 Euros an Geld und 90 Minuten Lebenszeit stahl, sondern weil es die Bemühungen seiner Mitstreiter schmälert. Denn abseits des dürftigen Inhalts und der fast nicht existenten Splatter-F/X schlägt sich DER FLUCH DER REITENDEN LEICHEN für das, was er ist, nicht schlecht. Kamera und Schnitt sind solide, die Beleuchtung zeitweise sogar recht stimmungsvoll. Der Score könnte gerne mehr Akzente setzen, aber er nervt zumindest nicht. Bis auf einige Ausnahmen – einige von den Komparsen, die am Anfang der Hinrichtung der Templer beiwohnen übertreiben es ein bisschen arg mit dem weit die Augen aufreißen und grimmig dreinschauen – ist auch der Cast durchaus brauchbar. Aaron Stielstra war schon bei Picchios vorangegangenen THE BLIND KING dabei, spielt den Helden Michael routiniert, auch wenn man ihm wegen seine Alters nicht unbedingt abnimmt, der Vater von Alice Zannini zu sein. Die müht sich, darf auch mal herzhaft schreien, für einen Horrorfilm der Z-Klasse durchaus in Ordnung. Francesca Pellegrini bleibt dagegen als Lynn etwas blass, hier fehlte es eindeutig an Erfahrung, einer Figur (vielleicht sogar der interessantesten im ganzen Film, wenn der Zuschauer etwas mehr über ihre Rolle aufgeklärt worden wäre), die stumm ist, subtil einige Facetten abzuringen. Ein Highlight ist Bill Hutchens als einäugiger Sektenführer, der auch darunter leidet, dass seine Rolle eigentlich nur skizziert wurde. Gänzlich ohne Text und irgendwie gearteten Charaktereigenschaften musste Gaststar Fabio Testi auskommen. Der ist mit seinen inzwischen 79 Jahren auch nicht mehr so fit wie annodazumal und leicht in die Breite gegangen, darf sich aber noch mit unserem Helden beharken, bevor der ihn mit zahlreichen Messerstichen ins jenseitige Reich verabschiedet. Was den ehemaligen Eurocrime- und Western-Star (RACKET, DAS SYNDIKAT DES GRAUENS, VERDAMMT ZU LEBEN – VERDAMMT ZU STERBEN) geritten hat, hier mitzumachen… keine Ahnung, aber ich tippe mal darauf, dass er jemanden von der Crew kennt. Das Geld kann es nicht gewesen sein.

Die deutsche Blu-ray von Daredo/Soulfood präsentiert den Film in sehr guter Bild- und Tonqualität (Deutsch und Englisch), nennenswerte Extras sind nicht vorhanden (Gott bewahre, dass der Film uns durch ein kurzes, aber launiges Making-of doch symphatischer scheint, als er ist!), man muss mit dem bekannten Trailer vorlieb nehmen. Angemerkt sei hier noch, dass die deutsche Synchro weit besser gelungen ist, als der Trailer noch vermuten ließ. Schade, muss der Trashfan da konstatieren. Er soll in einer Szene geschnitten sein, in der ein Baby getötet wird (es gibt insgesamt derer drei, und ich kann mir ungefähr denken, wo das war), dennoch fällt der Schnitt nicht auf und ändert wahrscheinlich auch nicht im geringsten etwas an der Qualität des Films, bzw. deren Absenz.

Was gibt es da groß zu faziten? DER FLUCH DER REITENDEN LEICHEN ist ungefähr das geworden, was man davon befürchtete – ein langweiliger, schlecht geschriebener und müde inszenierter Billig-Horrorfilm, dem es gerade künstlerisch an allem mangelt, was Spaß machen könnte; von Talent über Kreativität und dem Willen, zumindest das anspruchslose Gorehound-Publikum angemessen zu unterhalten. Das Ganze ist nicht nur saft- und kraftlos, sondern auch noch erstaunlich zahm und blutleer. Da ist es schon fast egal, dass der Digital-Look nur selten eine angemessene Atmosphäre zulässt, die reitenden Leichen ohne Pferde auskommen müssen und zwar geblendet, aber auch nicht wirklich blind sind. Raffaele Picchio packte diese doch recht coolen Kultfiguren in ein Nichts von einem Film, der dem Zuschauer scheinbar willkürlich Elemente wie Endzeit, Sonnenfinsternis oder Säuglingsopferung vor die Füße wirft, ohne daraus irgendetwas auch nur ansatzweise unterhaltsames zu formen. Das ist einfach langweiliger Scheiß und das haben Amando de Ossorio und seine vergammelten, blinden Kuttenträger zu Pferde nicht verdient.


BOMBEN-Skala: 7

BIER-Skala: 3


mm
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