Der flammende Tempel der Shaolin

 
  • Deutscher Titel: Der flammende Tempel der Shaolin
  • Original-Titel: Huo shao shao lin si
  • Alternative Titel: The Blazing Temple |
  • Regie: Joseph Kao
  • Land: Hongkong
  • Jahr: 1976
  • Darsteller:

    Carter Wong (Siu), Ling Chia (=Judy Lee, Liu), Fei Lung Huang, Barry Chan, Yi Chang


Vorwort

Mandschus, Mandschus, überall. Der aktuell regierende Kaiser ist ein ganz besonderer Schlimmfinger, nur leider Buddhas ganz besonders unangreifbar, hat der Schelm doch unter falscher Identität vor der Thronbesteigung die Shaolin-Ausbildung absolviert. Nichtsdestoweniger hält er den ganzen Kung-fu-Mönchshaufen für eine einzige Brut potentieller Umstürzler und Verräter und befiehlt an einem besonders miesen Tag, den Tempel anzugreifen und zu vernichten.

Den Kanonen der Armee haben die Shaolin erst mal wenig entgegenzusetzen – was nun? Neben der Möglichkeit, auf Buddhas Eingreifen zu vertrauen, könnte man einen alten Geheimgang öffnen oder den Schülern erlauben, den Seitenausgang zu benutzen – der allerdings ist Bestandteil der berühmten „Kammern“ der Shaolin und wird von den mechanischen Bronzemännern unbarmherzig bewacht. Der Abt entscheidet sich für die Seitenausgang-Option – mit der Folge, dass viele der Mönche, die in ihrer Ausbildung noch nicht weit genug sind, um gegen die Bronzeklopper zu bestehen, ins Gras beißen. Da die Sache für den Shaolin-Orden reichlich existenzbedrohend aussieht, springt der Abt kurz vor Toresschluss über seinen Schatten und öffnet den Geheimgang – so können wenigstens ein paar Dutzend Shaolin entkommen. Seinem Schüler Siu teilt der Abt, ehe er vom Geheimgang-versperrenden Felsbrocken in Abt-Mus verwandelt wird, noch eine Spezialaufgabe zu: er soll die heiligen 18 Lektionen Buddhas auswendig lernen und mit diesen Kenntnissen den Tempel wieder aufbauen.

Doch bevor das geschehen kann, müssen die überlebenden Mönche erst mal weiter am Leben bleiben und nach Möglichkeit den ekligen Kaiser abmurksen. Wird nur nicht so einfach, weil sich in der Truppe ein Verräter befindet…


Inhalt

Was macht man an einem Wahlabend, an dem das Volk dieses unseres Landes mal wieder konsequent gegen seine eigenen Interessen gewählt hat? Man kuckt, ob man irgendwas blutiges-leichenbergauftürmendes im „demnächst-kucken“-Stapel findet, mit dem man sich abreagieren kann. Die noch nicht ganz zu Ende gesehene Shaolin-Box drängte sich auf…

„Der flammende Tempel der Shaolin“ gehört zu Joseph Kuos lockerem „Bronzemänner“-Zyklus, den wir, der gleichen Box sei dank, hier schon mit Die 8 Meister der Shaolin gestreift haben. Kuos Reihe hat keinen wirklichen internen Zusammenhang – der Maestro nutzt den Shaolin-Tempel und den Kampf gegen die Mandschus als bunten historischen Backdrop für verschiedenste Kung-fu-Kloppereien, Hauptsache, für Carter Wong fällt dabei ’ne Rolle ab.

In diesem Falle ist es allerdings noch nicht mal die Hauptrolle – was daran liegt, dass das Drehbuch von „Der flammende Tempel“ ziemlich konfus ist und nicht die geringste Ahnung hat, wer hier so etwas wie den leading man abgeben soll. Jau, grad die Shaolin-Filme sind gerne mal „Ensemblestücke“ („8 Meister“, „10 Siegreiche“…), aber es kristallisieren sich normalerweise ein paar Figuren heraus, die wichtiger sind als die Kampfszenen-in-zweiter-Reihe-Auffüller. Hier ist das nicht so – man tut sich eh schon schwer genug, die verschiedenen Jungs auseinanderzuhalten (alle mit den kahlgeschorenen Shaolin-Köppen… da bleiben praktisch nur die Ohren als Identifikationsmerkmale), die gleichen Klamotten tragen sie eh, keiner kämpft sich in den Vordergrund – was soll ich da als doofer Europäer da tun?

Naja, selbst wenn man die Burschen eindeutig identifizieren könnte, wäre das Script völlig unfokussiert. In der obigen Inhaltsangabe habe ich Liu (gespielt einmal mehr von der wunderbaren Judy Lee) gar nicht erwähnt – dabei ist die in den ersten zehn Minuten sowas wie die zentrale Figur… nur um dann wieder völlig aus dem Film zu verschwinden und exakt 75 Sekunden vor der „END“-Einblendung als stark nach deus-ex-machina-müffelnder Racheengel per Wire-fu in den Showdown einzuschweben. Da drückt der Abt Siu die Heilige Schriftrolle der 18 geheimsten Lektionen in die Hand und doch bleibt Siu eine Nebenfigur, bis er im Schlusskampf dann plötzlich (bis dahin von seinen Kumpels als „nicht einer von den besten Kämpfern“ gebrandmarkt) die Geheimtechniken auspackt, ohne dass er jemals Gelegenheit gehabt hätte, sie zu lernen! Da gibt’s einen Verräter-Doppel-Twist am Ende, und der Showdown macht elegant genau so lange Pause, bis die beiden Protagonisten dieses Subplots ihren melodramatischen Heroic-Bloodshed-Tod (nebst „Letzte Worte“-Reden, die in einer amerikanischen Kongresssitzung als Filibuster durchgingen) heldengestorben sind. Na, und dass die Bronzemänner, die streng genommen das Gimmick und damit die ganze Existenzberechtigung des Films sind, vielleicht zehn Sekunden in Aktion sind und zwei Shaolin-Schüler, die beim Test, mit bloßen Fäusten eine gewaltige Glocke zum Klingen zu bringen, versagen, killen, versteht sich dann ja irgendwie auch von selbst.

Was nicht zwingend heißt, dass der Film schlecht wäre – er ist halt nur „all over the place“, wie der Anglophile so schön sagt. Er hat gute Ideen (der Kaiser ist ein Typ nach meinem Geschmack. Endlich tut der mal was, was ich an seiner Stelle täte, wenn mir der Shaolin-Tempel auf die Nüsse gehen würde: die zahlenmäßig x-fach überlegene Armee nehmen und das Ding in einen Parkplatz planieren. Super-Kung-fu hin oder her, bei 100facher zahlenmäßiger Überlegenheit setzt sich normalerweise die Masse durch). es gibt politische Anklänge (der Klosterälteste wählt das Mittel der Selbstverbrennung, das buddhistische Mönche ja heute noch gerne als Zeichen des politischen Protests anwenden) und die zentrale Sequenz der Tempelzerstörung – die gut und gerne eine halbe Stunde dauert – ist trotz konfusen Schnitts und der durchschaubaren (aber für HK-Verhältnisse richtig liebevollen) Modellarbeit mit ihren Anklängen an Katastrophen- und Kriegsfilm-Imagery bemerkenswert.

Während man über die Dramaturgie des Films ruhig meckern darf und sollte (und über den teilweise hanebünchenen Schnitt…) gibt sich der Streifen keine Blöße, was den betriebenen Aufwand angeht. Das kleine Independent-Studio Hohwa (das im Vorspann stolz seinen eigenen ShawScope-Rip-off „Hohwa-Scope“ feiert) fährt hunderte Statisten, authentische Kostüme, schöne Locations und gut gestaltete Sets auf. Es fehlt vielleicht ein wenig der Blick für den ein oder anderen möglichen larger-than-life-shot (und das Gespür dafür, ob Modelltricks und reale Location einigermaßen zusammenpassen), aber man muss sich nicht hinter dem üblichen Standard einer ordentlich budgetierten 70er-HK-Produktion verstecken. Ein bissl komisch ist, dass man auf den traditionellen Score noch ein paar Synthi-Cues draufgepackt hat, aber da sich die verdächtig nach John Carpenter und „Escape from New York“ anhören, vermute ich, dass die vom US-Distributor hinzugefügt wurden und auf diesem Wege Eingang in die deutsche Fassung fanden.

Nicht völlig unwichtig bei einem Shaolin-Kung-fu-Klopper sind natürlich die Kampf- und Actionszenen. Die sind allerdings eine zwiespältige Sache. Während der Angriff der kaiserlichen Truppen auf den Tempel durchaus ordentlich gearbeitet ist, sind die eigentlichen Kampfszenen eine kleine Enttäuschung – es wird überwiegend Swordsplay mit einer Prise Wire-fu serviert; alles technisch durchaus kompetent, aber eben vergleichsweise unspektakulär, da Kuo primär auf „Massenfights“ (oder zumindest eine Mehrzahl von einer-gegen-viele-Gefechten, zwischen denen man hin- und herschalten kann) setzt und daher nicht unbedingt die elegante, filigran-akrobatische Klinge, sondern, wenn man im Bild bleiben will, das grobe Breitschwert geschwungen wird. Es ist nicht schlecht und wird, wie gesagt, von fähigen Leuten dargeboten, ich ziehe aber die fein durchchoreographierten mano-a-mano-Gefechte vor. Carter Wongs Fight im Showdown und die Judy-Lee-Auftritte sind jedenfalls die klaren Höhepunkte.

Zu den Schauspielern kann ich nicht viel sagen – außer Carter Wong und Judy Lee könnte ich keinen namentlich identifizieren (immerhin aber im Brustton der Überzeugung behaupten, dass der Abt vom gleichen Typen gespielt wird wie in „Die 8 Meister der Shaolin“). Wong ist bis zum Showdown, wenn er die geheimen Shaolin-Techniken auspackt, sträflich unterbeschäftigt (darf aber auch mal den Punching Ball für seine Kollegen abgeben, weil die ihn für den Verräter halten) und Judy Lee „bookended“ den Streifen mit ihren kurzen, aber beeindruckenden Auftritten. Ich werde langsam zum Fan. Der Rest der Belegschaft neigt mit Ausnahme des hübsch stoischen Kaisers zum beliebten chinesischen overacting (speziell die Charaktere Hong und Fung, die den Löwenanteil des Verräter-Subplots absolvieren). Selbstverständlich zeigen uns die diversen Shaolin-Meister wieder das Heißeste an Augenbrauen-Coiffeur-Couture.

Bildqualität: Paragon bringt den Film in 2.35:1-Widescreen (anamorph). Der Print ist verhältnismäßig gut in Schuss, mit nur wenigen Verschmutzungen. In einigen bewegungsintensiven Sequenzen wird’s, wenn man mit geübtem Adlerauge blickt, ein wenig pixelig, aber, ich wiederhole mich, bei 6-Filme-für-10-Euro-Boxen bin ich ganz anderen Schrott gewohnt. Farben sind okay, Kontrast dito.

Tonqualität: Deutscher Ton in Dolby Digital 2.0. Da es sich um eine „zeitgenössische“ Synchro handelt, ist sie sprechertechnisch okay, dafür machte sich das beauftragte Studio aber keinen Kopf um Lippensynchronität…

Extras: –

Fazit: „Der flammende Tempel der Shaolin“ ist nicht gerade das Highlight des „Bronze Men“-Zyklus – aber wenn man über die arg verbesserungswürdige Dramaturgie und den stellenweise wirklich wirren Schnitt hinwegsehen kann, ist’s unterm Strich passable Unterhaltung für Genrefans – speziell die zentrale Tempelzerstörungssequenz ist sehenswert, nicht nur, weil sie von Konzeption und Umsetzung her ungewöhnlich ist und die Möglichkeit zu politischen Interpretationen bietet (ob das beabsichtigt war oder nicht). Dazu gibt’s ein paar Szenen für ein Judy-Lee-Highlight-Reel und Carter Wongs Showdown-Einlage – das ergibt kein Filmerlebnis für die Ewigkeit, aber ganz passable 80 Minuten Eastern-Entertainment. Knappe 3 von 5.

3/5
(c) 2013 Dr. Acula


mm
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