- Deutscher Titel: Der Admiral - Krieg im Pazifik
- Original-Titel: Rengo kantei shirei chokan: Yamamoto Isoroku
- Regie: Izuru Narushima
- Land: Japan
- Jahr: 2011
- Darsteller:
Kôji Yakusho (Isoroku Yamamoto), Hiroshi Abe (Yamaguchi), Masato Ibu (Nagano), Akira Emoto (Yoneuchi), Mitsugorô Bandô (Hori), Shuichi Azumaya (Yoshimasa), Teruyuki Kagawa (Munakata), Takeo Nakahara (Nagumo)
Vorwort
1939 herrscht in Japan allgemeine Hitler-Mania. Die hakenkreuzflaggewedelnde, „Mein Kampf“-lesende Bevölkerung drängt, ebenso wie Armee und Regierung, auf einen Beitritt Japans zum Dreimächtepakt mit Nazideutschland und Italien. Die komplexen Machtverhältnisse machen es allerdings erforderlich, dass auch die Marine einem solchen Beitritt zustimmt – doch der Marineminister und sein Vize-Admiral, Yamamoto, lehnen ein Bündnis mit Deutschland strikt ab. Nicht nur aus ideologischen Gründen (Yamamoto hat die unzensierte „Mein Kampf“-Ausgabe gelesen, in der Japaner als nützliche, nichtsdestoweniger dem Arier an und für sich gegenüber minderwertige Rasse eingestuft werden), Yamamoto weiß auch, dass der Dreimächtepakt unweigerlich eine Konfrontation mit den USA zur Folge hätte und von deren Rohstofflieferungen ist die japanische Schwerindustrie (z.B. die mit dem Bau von Kriegssschiffen befasste…) abhängig – die wären dann natürlich weg. Und überdies sieht Yamamoto unsportlicherweise die Aufgabe der Marine nicht im Angriffskrieg, sondern rein in der Verteidigung Nippons. Das macht ihn ausgesprochen unpopulär – nach etlichen Morddrohungen wird er zum eigenen Schutz zum Oberbefehlshaber der Flotte und damit auf See, weit weg von potentiellen Attentätern, befördert.
Was aber auch bedeutet, dass er seinen politschen Einfluss nicht mehr geltend machen kann. Einen neuen Marineminister später – und nachdem der Abschluss des Hitler-Stalin-Pakts die Japaner fürchten lässt, sie könnten plötzlich zum Opfer sowjetischer Aggression werden – wird das Bündnis geschlossen; und angesichts des erfolgreichen Blitzkriegs fordern immer mehr Japaner, die USA anzugreifen.
Yamamoto arbeitet einen Angriffsplan gegen Pearl Harbour aus, der nach langen Diskussionen endlich ausgeführt wird – doch was zu Hause als Progagandaerfolg ausgeschlachtet wird, findet nicht wirklich Yamamotos Wohlgefallen – zum einen sieht der alte Samurai die Flotte durch die verspätete Kriegserklärung entehrt, zum anderen hält er die Operation für einen taktischen Fehlschlag – kein amerikanischer Flugzeugträger wurde auch nur angekratzt, und dass Flugzeugträger den Seekrieg entscheiden werden, ist Yamamoto klar.
Nachdem die Amerikaner Tokio bombardieren, wird die Schlacht um Midway, die den Yankees eben die Möglichkeit zu Flügen über japanischem Territorium nehmen soll, zum Wendepunkt des Krieges – aufgrund zögerlichen Verhaltens einzelner Kommandanten, strategischen Fehleinschätzungen von Yamamotos Vorgesetzten und schierer Inkompetenz wird sie zum totalen Desaster, nichtsdestotrotz aber in der Heimat als triumphaler Sieg ausgeschlachtet. Von nun an ist Yamamoto, dem die Ressourcen ausgehen, nur noch bestrebt, eine allierte Invasion Japans zu verhindern und eine günstige Situation für Friedensverhandlungen zu schaffen. Dafür ist er allerdings durchaus gewillt, Soldaten zu opfern.
Inhalt
Kann es ein Zufall sein, dass ich, nur ein paar Wochen, nachdem ich im meinem „Digitalbouquet“ über die „Schlacht um Midway“ stolperte (und ob des beachtlichen Star- und Materialaufgebots auch hängenblieb), diese Rezischeibe ins Haus geliefert bekam? Wohl kaum…
Dieweil uns hierzulande der Zweite Weltkrieg in seiner europäischen Ausprägung in Filmform aus so ziemlich jeder erdenklichen Perspektive vom Dokudrama bis zum Exploitationfilm übelster Natur vertraut ist, haben wir’s naturgemäß mit dem „pacific war theatre“ nicht ganz so – da fehlt einfach der „persönliche“ historische Bezug, mit der Folge, dass wir, wenn überhaupt, Filme wie „Tora! Tora! Tora!“ oder eben „Midway“ weniger als authentische Schilderungen tatsächlichen Kriegsgeschehens begreifen denn vielmehr als generische Actionfilme, die, wenn wir Glück haben, nicht nur aus Helden- und Patriotismusgedöns bestehen (nicht jeder ist Clint Eastwood und dreht für die Japaner gleich ’nen eigenen Film).
Und so fiel es eben den Japanern bei, eine ihrer durchaus faszinierenden Militärpersönlichkeiten (rekordverdächtig zuvor dreimal von Toshiro Mifune gespielt, auch in „Midway“) mit einer modernen Filmbiographie zu würdigen. „Der Admiral“ konzentriert sich dabei auf die unmittelbare Vorkriegszeit und den Krieg selbst; Yamamotos Vergangenheit, sein Ehrenkodex, das wird kurz mit einem kurzen Verweis auf den Bürgerkrieg zum Ende der Shogun-Ära und der Restauration der Monarchie abgehandelt, ansonsten sollen Yamamotos Handlungen im akuten Kriegsfall für sich sprechen.
Und obschon alles zu Beginn für den historisch unbedarften gaijin nach erlesenem Whitewashing aussieht (so, wie’s wir Deutschen gern mit Feldmarschall Rommel treiben) und es beinahe schon aufdringlich gefaked wirkt, wie sehr der Admiral zum Schöngeist, der in der Freizeit der Kalligraphie frönt, „shogi“ (eine japanische Schach-Variante) spielt und allgemein darauf hinarbeitet, keinen Krieg auszulösen und, als der dann doch ausbricht, möglichst schnell eine Situation zu schaffen, die Friedensverhandlungen ermöglichcht, stilisiert wird… klopft man die historischen Quellen ab, stellt man fest, dass das ziemlich genau hinkommt.
Die Charakterisierung passt also – Yamamoto war, nach allem Dafürhalten, tatsächlich die arme Sau in der japanischen Militärführung, der ziemlich genau wusste, wo’s lang gehen würde, aber prinzipiell in der Entscheidungsfindung übergangen wurde, aus typischer Samurai-Loyalität für sich keine Möglichkeit sah, aktiv gegenzusteuern. Tja, Prinzipien sind nicht immer was Gutes.
Für filmische Verarbeitung ist das allerdings ein „schöner“ interner Konflikt – nach außen und nach oben den loyalen Offizier geben, den Truppen gegenüber loyal und optimistisch sein (ggf. wider besseres Wissen), das ergibt eine sowohl nachvollziehbare als auch interessante Hauptfigur, die höchstwahrscheinlich kein Happy End feiern dürfen wird. In der Tat stilisiert (eh, SPOILER EXTREMUS) „Der Admiral“ Yamamotos Tod (seine Maschine wurde auf dem Weg zu einem ebenso riskanten wie völlig unnötigen Truppenbesuch abgeschossen) beinahe wie eine Art Freitod (auch wenn eine andere Szene beiläufig die Möglichkeit aufmacht, der Admiral könnte wegen seiner auf baldige Verhandlungen gerichteten Strategie verraten worden sein; offensichtlich hatten die Nazis Yamamotos diesbezügliche Bestrebungen nicht erkannt, sondern zeichneten ihn posthum als einzigen Nichtdeutschen mit dem Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern aus).
Da als Biopic angelegt, bietet „Der Admiral“ anderen Figuren nicht viel Raum – es wird leidlich deutlich, wer Yamamotos Vertrauenspersonen sind und wie er an ihren Schicksalen und Erfahrungen Anteil nimmt; ansonsten ist nur ein junger Journalist, der als eine Art „Chor“ und Narrator das Geschehen kommentiert, auf die Diskrepanz zwischen Tatsachen und japanischer Militärpropaganda hinweist und im Verlaufe des Films vom kriegsbegeisterten Jungnationalisten zum Skeptiker (und folgereichtig eingezogen) wird, wichtig quasi als Repräsentant des Zuschauers, der ja weiß, dass Japan auf eine nationale Katastrophe hinsteuert.
Nicht wegzudiskutieren ist, dass der Streifen den Umstand, dass die Japaner in ihrer Kriegsführung in Sachen Grausamkeiten, Kriegsverbrechen und Gewaltakten gegen Zivilisten oder Kriegsgefangene auch ziemich, eh, einfallsreich waren, verschweigt; man hat hierfür die halbseidene Legitimation, dass „Der Admiral“ sich zwangsläufig auf den vergleichsweise „sauberen“ Seekrieg konzentriert (in dem der reale Yamamoto, seines Zeichens Harvard-Student, durchaus geschätzt und respektiert wurde) und Yamamoto (vorausgesetzt, man akzeptiert die hier vertretene These, Yamamoto habe Pearl Harbour eigentlich nur nach vorheriger Warnung angreifen vollen) sich offenkundig keiner speziellen Kriegsverbrechen schuldig gemacht hat. Dennoch ist es ein wenig heikel, dass der Streifen bis auf ein paar melodramatische Todesszenen den eigentlichen Horror des Krieges völlig ausblendet (wie auch die amerikanische Perspektive).
Filmisch gestaltet Regisseur Narushima, dessen bisherige Werke sich nicht nach Europa verirrt haben, den Streifen als ziemlich redseliges Drama. Wer knallige Kriegs-Action erwartet, bleibt enttäuscht; sicherlich werden die Schlachten von Pearl Harbour, Midway und Guadalcanal gezeigt, doch sie nehmen keinen breiten Raum ein – und sie konzentrieren sich, wie der gesamte Film, auf die japanische Seite. Technisch sind die See- und Luftschlachten so la la ausgefallen die CGI-Arbeit ist nicht Hollywood-state-of-the-art, sondern sieht eher nach aufwendigeren Videospiel-Cutscenes aus (wobei die Luftkämpfe kurioserweise, weil da ja eigentlich mehr Objekte und das dann auch noch schneller zu animieren sind als bei den Schlachtschiffen und Flugzeugträgern, etwas realistischer wirken) – ersatzweise nach den etwas, äh, reduzierteren FX, wie sie historische Dokumentationen auch einsetzen würden. Insofern die Schlachten eben nicht den dramaturgischen Kern des Films ausmachen, geht das schon in Ordnung.
Wichtiger sind Naruashima nicht einmal die großen strategischen und taktischen Generalstabsbesprechungen (auch davon gibt’s ein paar, aber auch sie sind nicht da Herz des Films), sondern eben die Figur Yamamotos selbst und seine Reaktionen auf das (Kriegs-)Geschehen und, das ist für ein westliches Publikum der interessante Part, da man den eben nicht alle Tage vorgesetzt bekommt (auch US-Filme, die Zeit für die japanische Seite haben, beschränken sich naturgemäß auf die militärischen Aspekte), den – soweit man das beurteilen kann – offensichtlich recht authentischen Blick auf das „alltägliche“ Japan, die ungeingeschränkte Kriegsgeilheit, auf Medien, die überhaupt nicht gleichgeschaltet werden mussten, weil sie sich im vorauseilenden Gehorsam in der nationalen Pflicht der Kriegstreiberei sahen, den Konkurrenzkampf zwischen den Waffengattungen, die noch unvollkommene Umstellung von einer ständischen Feudalgesellschaft zum modernen Industriestaat. Alles Faktoren, die Japans nationale Katastrophe begünstigten (und als Biopic, das mit Yamamotos Tod 1943 ausblendet, spart „Der Admiral“ die extremsten Ausprägungen, Kamikaze & Co., ja noch weitestgehend aus).
In der Tat bleibt der Film daher durchaus vergleichbar mit den deutschen TV-Dokudramen a la „Rommel“, „Stauffenberg“, in denen auch gerne einfach irgendwo herumgestanden oder -gesessen und debattiert wird. Es ist aber wohl doch so, dass Exotik Interesse hervorbringt, denn wo mich die deutschen Fernsehdramen, in ihrer Machart, wie gesagt, absolut vergleichbar und mit ähnlichem Aufwand für detaillierte Ausstattung gedreht, mühelos in den Schlaf wiegen, hatte ich bei „Der Admiral“ keine Probleme, am Ball zu bleiben.
Vielleicht liegt’s aber nicht nur daran, dass der Film Einblicke in eine „Kriegskultur“ bietet, die einem hierzulande im Gegensatz zur hinlänglich filmisch ausgeschlachteten Naziherrschaft bislang fremd blieb, vielleicht aber auch daran, dass die Darsteller nicht, wie’s in deutschen Dokudramen dieser Fasson gerne gehandhabt wird, in den „staatstragend“-Performance-Modus schalten. Gerade Hauptdarsteller Kôji Yakushu (13 Assassins) erstarrt vor seiner Figur nicht in Ehrfurcht – zweifellos spielt er mit dem angemessenen Respekt der historischen Figur gegenüber, aber er lässt sich auch nicht von ihr überwältigen – er ist natürlich und glaubwürdig, egal, ob er gerade den genialen Strategen, den jovialen Soldatenfreund oder den gemütlichen Familienmenschen spielt.
Eine tragende Nebenrolle spielt Hiroshi Abe (Godzilla 2000, „Survive Style 5+“, „Chocolate“) als einer von Yamamotos loyalen Kapitänen, dazu agieren routinierte Leute wie Teruyuki Kagawa („John Rabe“, „Space Battleship Yamato“, „Sukiyaki Western Django“), Takeo Nakahara („Eine Karte der Klänge von Tokio“, „Death Note“, „Godzilla Toyko SOS“) oder Masatô Ibu („Das Reich der Sonne“, „Godzilla vs. Megaguirus“, Azumi) (das ist eben der primäre Unterschied zwischen japanischem und deutschem Dokudrama – wo in Deutschland niemand mitspielen dürfte, der nicht 20 Jahre Erfahrung auf seriösen Bühnen gesammelt hat und mindestens Ulrich Tukur ist, greift man in Japan beherzt in den Pool verdienter Genre-Akteure).
Bild-, Ton- und Extra-technisch gibt’s von mir keine Aussage, weil mir ein Vorab-Screener vorliegt, der reichlich nackig daherkommt. Die deutsche Synchro ist durchaus ansprechend ausgefallen, das lässt sich schon mal feststellen (leider verweigert die Vorab-Scheibe die Kooperation mit meinem VLC-Player, daher muss ich gramgebeutelt auf Screenshots verzichten).
Also – „Der Admiral“ ist kein echter Kriegsfilm, kein Actionfilm und auch keine filmgewordene Moralpredigt darüber, wie furchtbar grausam es doch ist, wenn Krieg gespielt wird (also auch kein „Antikriegsfilm“). Wer mit dahingehenden Ansprüchen an den Film geht, wird an ihm scheitern. Es ist ein Streifen für ein Nischenpublikum – eines, das historisch interessiert ist und sich speziell die hier wenig bekannte japanische Binnenperspektive kennenlernen will. Zählt man sich zu diesem erlauchten Kreis, bekommt man ein souverän gespieltes und routiniert inszeniertes Dokudrama, dabei aber zugänglicher wirkt als seine deutschen Anverwandten.
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(c) 2013. Dr. Acula