Deathcember

 
  • Deutscher Titel: Deathcember
  • Original-Titel: Deathcember
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  • Regie: u.a. Ruggero Deodato, Lucky McKee, Polyanna McIntosh, Sam Wiseman, Trent Haaga, Sang-wo Lee
  • Land: Deutschland
  • Jahr: 2019
  • Darsteller:

    u.a. Barbara Crampton, Detlef Bothe, Steven E. De Souza, Ryan Fisher, Isabelle Giroux, Richard Glover, Sandra Herbich, Galen Howard, Stefan Kapicic, Barbara Magnolfi, Tiffany Shepis


Vorwort

Wiewohl Anthologiefilme seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil des Horror-Genres sind, nicht zuletzt propagiert durch unsere Freunde von Amicus auf der britischen Insel, beschränken sich die meisten dieser Geschichtensammlungen darauf, drei bis fünf Storys von 10-30 Minuten Länge zu erzählen und damit abendfüllende Laufzeit zu erreichen. Seit einigen Jahren ist nun allerdings der Trend zu bemerken, solche Kurzfilmsammlungen auf „ultrakurze“ Episödchen abzustellen – prinzipiell eine nette Fingerübung für Filmemacher, in drei bis fünf Minuten auf den Punkt zu kommen. ABCS OF DEATH machte es vor, und jetzt kommt man uns eben mit DEATHCEMBER, einem filmischen Adventskalender, der in satten zweieinhalb Stunden 24 (bzw. 26, denn zumindest die Festivalfassung „versteckt“ noch zwei zusätzliche Shorts im Nachspann) blutige Vignetten, die allesamt in der Weihnachtszeit angesiedelt sind, serviert.

Ich will ehrlich sein – ich werde nicht zu allen 26 Filmchen etwas sagen bzw. schreiben, sondern mich auf die beschränken, die entweder positiv oder negativ aufgefallen sind oder, falls sie nicht eh in eine dieser Kategorie feiern, von verhältnismäßig bekannten oder interessanten Machern stammen. Ich werde mich vermutlich auch nicht an die „richtige“ Reihenfolge halten, weil ich die schlicht nicht mehr hinbekommen werde. Verklagt mich. Was also keine explizite Erwähnung findet, fällt höchstwahrscheinlich in das Segment „Meh. Hatte ich schon vergessen, als der nächste Beitrag begann“.


Inhalt

Eine Rahmenhandlung in Wortsinne gibt’s nicht. Nachdem wir einen CGI-Friedhof in Pentagrammform überflogen haben, folgen wir einem CGI-Flusslauf zu einem CGI-Haus, in dem sich dann, an CGI-Gegenständen, die irgendwie mit der nachfolgenden Plotte zu tun haben werden, das jeweilige Kalendertürchen öffnen.

Den Auftakt macht mit Dominic Saxl einer der Initatoren des Projekts (neben u.a. Ivo Scheloske). „A Door Too Far“ handelt von einem verfressenen Jungen, der jeden erreichbaren Adventskalender aufgrabbelt und sich die Schoki einverleibt. Solch Unverfrorentum wird in Dominich Saxls Welt natürlich mit der hoch-ironischen Todesstrafe belegt. Es ist schon unglücklich, mit einem der schwächsten Shorts aufzumachen (auch wenn Saxl als einer der hauptamtlichen Producer des Films sicherlich eine Art moralisches Recht dazu hat). Nicht nur, dass dieses Segment technisch eines der schlichtesten und amateurhaftesten ist, ist es auch ein schönes Beispiel dafür, dass hier jemand glaubte, eine patente Idee zu haben, aber keinen Schimmer, wie man diese effektiv und einer zündenden Pointe (und die braucht man bei einem Kurzfilm halt) umsetzt (ein Schicksal, das dieser Short mit zahlreichen anderen aus dem Film teilt). Ein Rohrkrepierer.

„All Sales Fatal“ von Michael Varrati (TALES OF POE) ist ziemlich prototypischer Short für diese Sammlung – hier artet eine Auseinandersetzung zwischen einer nervigen Kundin und einem gestressten Laden-Angestellten über einen Umtausch ohne Kassenzettel in einen tödlichen Zweikampf aus. Das unterhält fünf Minuten einigermaßen, wenn man von weitgehend sinnfreiem Rumgesplatter unterhalten wird, aber wenn’s dann rum ist, merkt man schnell, dass da keinerlei Substanz dahinter steckt. Wie auch?

Ausgesprochen rätselhaft ist die SF-Geschichte „Aurora“ des Serben Lazar Bodroza (A.I. RISING), in dem wir auf einen fremden Planeten kucken, der von Nordkorea (!) kolonisiert/ausgebeutet wird, bis am 24.12. (dem Geburtstag von Kim Song-Uk) eine unerklärliche Katastrophe geschieht. I have no idea what this film is about. Wir erfahren nichts über Sinn und Zweck der koreanischen Mission, wir haben keine Ahnung, was diese Katastrophe auslöst und bewirkt, und der Kunstgriff, den (per CGI wunderbar aussehenden und technisch brillanten) Short als ein nordkoreanisches Propagandavideo, das die Staatsdoktrin Juche ehrt und feiert, auszugeben, lässt mich nur noch ratloser zurück. Immerhin – eine körperlose Stimme wird von DEADPOOL-Colossus Stefan Kapicic gesprochen.

Zum ersten Mal richtig Spaß hat man mit Florian Flerichs „X-Mas on Fire“, einer, wie der Titel schon verspricht, weihnachtlichen Hommage/Parodie auf RESERVOIR DOGS bzw. CITY ON FIRE, in der eine Bande als Weihnachtsmänner verkleidete Ganoven einen Juwelier überfallen, was in einem Blutbad endet. Einen Fünf-Minuten-Film in bester Tarantino-Manier non-linear zu erzählen, ist schon eine bewundernswerte Frechheit an und für sich, und wenn die Hauptrolle als Gangsterboss „Mr. Handsome“ dann auch noch an einen bestens gelaunten Steven E. DeSouza, der als Autor den 80er-Action-Film praktisch erfunden hat, geht, ist gute Laune garantiert.

Recht hübsch ist auch der mexikanische Beitrag „Villancicos“ von Isaac Ezban, in dem ein todkranker Junge nur durch den Gesang eines Weihnachtschores am Leben erhalten wird – was dazu führt, dass die bemitleidenswerten Sänger einen Gig auf Lebenszeit an Land ziehen. Das hat keinen Plot, versucht nicht mal, wirklich eine Geschichte zu erzählen, sondern ist einfach ein lustiger (völlig dialogfreier und aus einer statischen Einstellung gefilmter) Sketch, der allerdings auch sehr knapp davor steht, seinen Goodwill für den einen Joke, den er hat, zu überziehen.

Bob Pipes s/w-Stummfilm „The Hunchback of Burg Hayn“, in dem ein des Mordes verdächtigter Buckliger auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden soll, aber Rezipient eines glücklichen Weihnachts-Pardons wird, ist einer dieser Filme, der seinen Gag trotz der kurzen Laufzeit überzieht (und in einer arg vorhersehbaren Pointe endet), in „Family Matters“ von Steve De Roover muss der junge Daniel feststellen, dass in der Familie seiner Verlobten ein monströser Parasit von Generation zu Generation weitergegeben wird. Sonia Escolanos „Joy to the Girls“ ist eine dieser pseudo-feministischen Hexengeschichten, in der drei hübsche Girls für ihre magischen Zwecke attraktive Kerle anlocken, um sie als Zutat für ihren Zaubertrank zu verarbeiten, und nicht wirklich eine Pointe aufweist.

Der totale inhaltliche Tiefpunkt ist zweifellos „Crappy Christmas“ von Jürgen Kling (aus dem Jack-Moik-Umfeld), ein zwar liebevoll gestalteter Claymation-Film, der sich aber dadurch disqualifiziert, dass er fünf Minuten lang couragiert versucht, Kindervergewaltigung (durch böse Priester natürlich) „lustig“ sein zu lassen. Memo: Isses nicht. Isses nie.

Vivienne Vaughns „Christmas Miracle“ mit immerhin Barbara Crampton ist eine belanglose Hexen-Geschichte, in der die Crampton als Evil Witch einer todtraurigen jungen Mutter den Weihnachtswunsch erfüllt, ihr totes Baby zum Leben zu erwecken, natürlich aus eigennützigen Motiven. „Tuesday the 19th“ von Milan Todorovic (NYMPH) hat eine ganz lustige Idee (zwei offensichtlich lesbische Freundinnen gehen Eislaufen und nach einem bedauerlichen fingerabtrennenden Schlittschuhunfall eskaliert die Sache), weiß aber auch nicht so wirklich, was er damit anfangen soll.

Lucky McKee steuert mit „They Once Had Horses“ eine s/w-Western-Dialogszene bei, in der sich zwei Cowboys im Angesicht des Todes durch ein auf sie lauerndes unbekanntes Monster noch einmal unterhalten – nett, aber auch ohne jede Substanz, der Koreaner Sang-wo Lee bringt uns mit „Santa is Coming“ eine sehr mysteriöse Geschichte um Puppen und Zwillingsschwestern bei; nicht besonders toll, aber zumindest erfrischend anders als die meisten anderen Storys.

Pollyanna McIntosh (zu sehen in WAKING DEAD oder TALES OF HALLOWEEN) liefert mit „Getting Away From It All“ einen weiteren dieser „ja, die Idee ist ganz okay, aber das ist auch alles“-Shorts. Ein Kerl versucht dem Weihnachtsirrsinn durch Flucht in ein abgelegenes Ferienhaus zu entgehen, doch haben nicht nur seine Vermieter die Hütte total auf X-Mas dekoriert, macht er auch die unerfreuliche Bekanntschaft eines sehr handgreiflichen Caroler-Chors. Das ist drei Minuten lang ganz witzig, bis die Weihnachtssänger den Typen ans Bett fesseln und die Säge auspacken. Was einfach keinen echten *Sinn* ergibt.

Ama Lea unternimmt den immerhin anerkennenswerten Versuch, mit „Five Deaths in Blood Red“ einen kompletten Giallo um eine sich mit Freuden gegenseitig aus erberschleichenden Gründen abmurksende Familie in fünf Minuten hinzuzaubern, aber das funktioniert nicht. Es reduziert die Geschichte halt schlicht auf ihre Mordszenen. Hingegen kommt Altmeister Ruggero Deodato mit seinem gespielten bösen Witz „Casetta Sperduta in Campagna“ eindeutig ins Töpfchen – seine Geschichte um einen schlechten Scherz, den eine Familie einer dem Weihnachtsbusiness auch eher skeptisch gegenüber eingestellten Tochter spielt, mag auch keinen Ewigkeitsanspruch haben, aber hier sitzt mal die Pointe.

Sam Winemans „Milk and Cookies“ ist der einzige der mehrfach vertretenen „böser Santa“-Filme, der einigermaßen funktioniert. Ein kleiner Junge, der unter seinem fiesen Vater leidet, schreibt Wunschzettel an Santa, und prompt werden diese Wünsche erfüllt – hockt doch unterm Dach ein Psychopath, der sich nur zu gern angesprochen fühlt. Das ist durchaus ein taugliches Konzept, bräuchte aber etwas mehr Zeit, damit wir z.B. verstehen, warum der böse Daddy SO böse ist.

Mit Andreas Marschalls großartig aussehendem „Pig“ habe ich ein moralisches Problem. Die Geschichte um Party-Schnepfen, die sich am Vergewaltiger einer Freundin rächen wollen, dummerweise aber den falschen Kerl erwischen, bzw. deren „Pointe“ kann man ganz übel (vermutlich) falsch interpretieren (hint: Alice Schwarzer wäre mutmaßlich begeistert, und mit der will man sich eigentlich nicht mal metaphorisch ins gleiche Bett legen).

Viel Spaß hatte ich mit John Cook Lynchs „Cracker“, der in der Ästhetik einer 50er-Jahre-Sitcom Weihnachten auf einer zum Absturz verdammten Raumstation thematisiert. Um die Kiste etwas länger im Orbit zu halten, muss nämlich die Bevölkerung regelmäßig ausgedünnt werden, und dafür hat man sich dort ein perfides Spielchen ausgedacht.

Den „regulären“ Abschluss bildet KILLJOY Trent Haagas furiose „Operation Dolph“ – hier metzelt ein unkaputtbarer Santa in tödlicher Mission eine ganze Familie, egal ob Kind oder Kegel, nieder, denn er ist auf der Suche nach etwas GANZ bestimmten (leider nicht Lundgren, aber die Auflösung ist fast genauso gut).

Von den Bonusfilmen im Nachspann ist Annika Marx‘ „Christmas Corp.se“, in dem ein herrischer Chef einen kranken Mitarbeiter zu Überstunden während der Weihnachtsfeier zwingt, was selbstredend böse Folgen haben wird, der erwähnenswertere, der hat zumindest ein paar patente Witze und eine ordentliche Pointe.

Insgesamt ist festzuhalten, dass selbst die „guten“ Segmente des Films (und das sind letztlich ungefähr ein Drittel des gesamten Outputs) zwar fünf Minuten bespaßen, aber am Ende auch nicht die ganz große Kunst mit Ewigkeitsanspruch sind – hat man die Pointen mal gesehen und gelacht, hält sich der Anreiz auf Wiedersichtung im überschaubaren Rahmen. Viel mehr als die gekonnte HInarbeit auf eine mehr oder weniger sitzende Pointe ist in dieser stark beengenden Zeitspanne (und in einem stark beengenden inhaltlichen Korsett, wobei’s sicher auch nicht geschadet hätte, wenn die Beteiligten sich untereinander etwas abgesprochen hätten, um sich zu sehr konzeptionell ähnelnde Geschichten zu vermeiden) nicht drin. Kurzfilmdramaturgie ist nun mal ein Kapitel und eine Kunst für sich, und gerade, wenn man keine fünfzehn, keine zwanzig Minuten, sondern nur vier bis sechs, zur Verfügung hat, braucht man ein Händchen für das Format, das nicht jedem der hier Beteiligten gegeben ist.

Wie für ähnliche Kompilationsfilme gilt aber natürlich auch hier – keine der Beiträge („Crappy Christmas“ vielleicht ausgenommen, aber auch über den ärgert man sich wohl hauptsächlich NACH dem Film schwarz) ist lang genug, um ernstlich nerven zu können, wenn man sich mal tatsächlich über einen ärgert oder an seiner Aussagelosigkeit verzweifelt, wird einem umgehend schon das nächste Segment um die Ohren gehauen, das ist ein Trommelfeuer, das gar nicht wirklich langweilig werden *kann*. Obschon der Film mit seinen 148 Minuten Gesamtlaufzeit sich schon Mühe gibt, dieses Konzept bis an die Schmerzgrenze auszutesten. Immerhin – bis auf ganz wenige Ausnahmen sind eigentlich alle Kurzfilme technisch-handwerklich auf der Höhe.

Anspruchslose Horror-Alleskucker, die zufrieden sind, wenn irgendwo was suppt und blutet, werden sich vermutlich sowieso nicht ärgern, und im Heimkino hat DEATHCEMBER ja dann auch noch den Vorteil, dass man sich die ganze Chose auch in Etappen ankucken kann – vielleicht sogar als Adventskalender für 2020… Ein großer Weitwurf ist die Angelegenheit dann aber auch nicht (ich jedenfalls würde mir die Möglichkeit zu „Singleauskopplungen“ für die Handvoll guter Shorts wie „Crackers“ oder „X-Mas on Fire“ wünschen…).

© 2020 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 4


mm
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