- Deutscher Titel: Death Commando
- Original-Titel: Put
- Alternative Titel: The Way - Der Weg des Drachen |
- Regie: Vladimir Pasichnik
- Land: Russland
- Jahr: 2009
- Darsteller:
Dimitry Nosov (Alexei), Aleksey Orlov (Alexei als Jugendlicher), Dmitriy Maksimov (Trifon), Maksim Tynyanov (Khariton), Ivan Kokorin (Tofik), Artyom Mikhalkov (Dima), Vladimir Smirnov (Dima als Jugendlicher), Oleg Taktarov (Dilov), Irina Chaschina (Nasdja), Olga Zaytseva (Svetja), Elena Nelidova (Zhuchka), Sergey Sholokh (Fuka), Nikolai Valuev (Strafgefangener), Michael Madsen (US-Offizier), Vladimir Denisov (Plakha), Dzhmael Azhigirey (Chen), David Bueno (Chen als Jugendlicher), Fem Damida (Chen als Kind)
Vorwort
Der russische Funktionär Alexei, gerade in einer mittleren Sinnkrise gefangen, rettet eines Nachts einer jungen Selbstmörderin das Leben, indem er todesverachtend dem Mädel in die Moskwa nachspringt. Da die junge Frau ihn an eine verflossene Flamme erinnert, nimmt er dies zum Anlass, sein Leben Revue passieren zu lassen.
Wie so viele Jugendliche findet sich der fünfzehnjährige Alexei in den wirren Zeiten von Perestroika, Glasnost und Niedergang des Kommunismus ohne Perspektive auf den Straßen von Moskau wieder und schließt sich daher der Gang des Kleinkriminellen Fuka an. Fuka mag nur ein lausiger Vorstadtgangchef sein, hält sich aber für einen Player – auch wenn seine große Aktion „nur“ ein mehr oder weniger improvisierter Überfall auf einen kleinen Schwarzmarkt ist. Alexei, zuständig für das Ablenkungsmanöver mit einer geborgten Knarre, ist ob der ausbrechenden Panik etwas überwältigt, erstarrt zur Salzsäule und würde der Staatsmacht in die Hände fallen, würde ihn nicht ein freundlicher Herr geistesgegenwärtig in sein Auto zerren. Keine Angst, der Retter in der Not ist kein Päderast, sondern nur Trainer einer Sambo-Schule, der in Alexei eine potentiell durch Kampfsport zu rettende junge Seele wittert. Beim ersten Training bricht Alexei gleich mal seinem Kampfpartner Dimi die Nase – just an dem Tag, an dem der ein Date mit der attraktiven rhythmischen Sportgymnastin Nasdja hat. Alexei erklärt sich bereit, Nasdja die Gesichtsumstrukturierung zu erklären, und schon ist eine wunderbare Freundschaft im Gange…
Einige Jahre später fragt Alexei Dimi ohne tieferes Nachdenken nach Nasdjas Hochzeit. Blöd nur, dass Dimi nichts davon ahnt, dass seine Herzensangebetete einen ungefähr doppelt so alten Gangster ehelicht, der sich auf wohl eher nicht so legale Art eine goldene Nase im Postkommunismus verdient hat und die Hochzeitsnacht damit verbringt, sich in die Besinnungslosigkeit zu koksen (haha, „Nase“, ne?). Dimi ist schockiert und bei einem Treffen in der Disco, vor der Alexei als Türsteher arbeitet, räumt auch Nasdja ein, dass sie nicht so ganz genau weiß, warum der Kerl sie vor den Traualtar schleppen konnte. Unglücklicherweise sucht sich auch Nasdjas Ehemann – zu dessen Entourage an Schlägertypen auch Fuka gehört – die gleiche Disco als Partytempel aus und reagiert etwas ungehalten, als er sein frischgebackenes Weib mit Dimi poussieren sieht. Es kommt zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung, an deren Ende Dimi sich eine Kugel einfangen hat und Alexei Nasdja durch einen gezielten Fenstersturz zur Witwe gemacht hat.
Der verröchelnde Dimi nimmt zu Alexeis Unwillen alle Schuld auf sich, nichtsdestoweniger wird Alexei zur Strafe zum Militärdienst eingezogen. Der Kommiss allerdings ist so ungefähr genau Alexeis Ding und in dem jungen tartarischen Ringkämpfer Trifon findet er auch eine neuen besten Freund. Vor Schwierigkeiten bewahrt ihn aber auch das nicht – eines schönen Tages stolpern Trifo und Alexei auf dem Weg zum Stützpunkt über einen verunfallten Gefangenentransport, eilen zur Hilfe und finden sich prompt in einem beinharten Kampf mit den fluchtwilligen Schwerverbrechern. Mit den Soldaten Khariton und Tofik gelingt es ihnen, die Verbrecher lang genug zu beschäftigen, bis Verstärkung eintrifft, aber unglückseligerweise haben sie dadurch einen prestigeträchtigen Schaukampf mit einer im Zuge der globalen Anti-Terror-Kooperation gastierenden amerikanischen Einheit und ihren besten Kämpfern verpasst, was ihr General als schwere Insubordination ansieht. Dem Quartett wird eine einfache Frage gestellt – Militärgefängnis oder „freiwillige“ Meldung zum neuen Spezialeinsatzkommando von Oberst Dilov. Die Wahl fällt leicht.
Dilovs Einheit hat eine einzige Aufgabe – auf einer südostasiatischen Insel hat es sich der russische Deserteur De Sherg häuslich eingerichtet und betreibt von dort aus ein weltweit operierendes Drogenkartell. Dilov und seine Männer sollen De Sherg ausknipsen und den Drogenhandel stoppen. Dafür bedarf es aber einer speziellen Spezialausbildung durch den chinesischen Kampfkunstmeister Chen, der in Alexei eine verwandte Seele erkennt und ihn nicht nur ins richtige Schwingen der Hand- und Fußkanten, sondern auch die spirituellen und philosophischen Aspekte der Kampfkunst einweiht. Und die wird Alexei auch bitter nötig haben, als es nach drei Monaten Ausbildung in den Dschungel geht, um „Tiger“ De Sherg zu stoppen und bei der Gelegenheit auch noch den Verräter zu enttarnen, der den Drogenbaron mit allen Interna aus dem russischen Hauptquartier versorgt…
Inhalt
Ich hab es schon öfter erwähnt, aber mit russischen Filmen habe ich ein gewisses Problem. Das hat nichts politisches an sich, ich kann mit russischer Propaganda in Filmen genauso gut (oder schlecht) umgehen wie mit chinesischer, amerikanischer oder indischer; dass die Produkte einer Filmindustrie das politische und ideologische Umfeld der Nation, in der sie entstehen, widerspiegeln, ist eine schon oft nach Athen getragene Binsenweisheit. Mein Problem ist tatsächlich eher filmhandwerklicher, technischer Natur. Russischen Filmen scheint immer ein gewisses, undefinierbares „etwas“ zu fehlen, das sie in look & feel von Filmen praktisch jeder anderen Fiomproduktion abgrenzt, sie klar als russische Produkte identifizierbar macht, und das obwohl sie von den technischen und finanziellen Möglichkeiten auf international konkurrenzfähigem Level mitspielen können. Ich weiß nicht genau, was es ist, aber seine Absenz spüre ich immer wieder. Auch bei „Death Commando“ – was erst mal nicht mehr als eine reißerische Umtitelung von „The Way – Der Weg des Drachen“ ist, unter dem der Streifen seine erste Inkarnation auf dem deutschen Heimvideosektor erlebt hat.
„The Way“ ist dann sicher auch der bessere Titel für einen Film, der zwar auch, aber eben nicht nur ein Actionfilm ist, sondern in seinem Protagonisten Alexei eine Figur hat, die schon auf gewisse Weise sinnbildlich für das Putin-russische Selbstverständnis einer Nation sein kann. Dabei führt uns Regisseur Vladimir Pasichnik („Regiment 345“) in seiner Adaption eines Romans von Aleksandr Chernovenko (der mit Pasichnik und Iksander Galiev auch das Drehbuch verfasste) zunächst mal auf eine ganz falsche Fährte, denn in den ersten – praktisch dialogfreien – zehn Minuten tut „The Way“ so, als wäre er ein asiatischer Kung-fu-Film. Wir steigen nämlich nicht mit Alexei ein, sondern mit Chen (ohne zu wissen, wer er ist und in welcher Form er eine gute Dreiviertelstunde später dann tatsächlich doch mit dem Plot in Berührung kommen wird) als Teenager irgendwo im chinesischen Hinterland, wo er, gleichfalls Mitglied einer Jugendgang, auf einem Markt den Tiger eines Schaustellers frei lässt, als Ablenkungsmanöver, damit seine Komplizen die Waren klauen können. Chen allerdings wird erwischt und von den wütenden Dörflern fast totgeprügelt, bevor ihn in letzter Sekunde ein Shaolin-Mönch rettet, in sein Kloster mitnimmt und zum Martial Artist ausbildet, der dann Jahre später den immer noch frei durch den Dschungel streifenden und allerhand Ungemach verursachenden Tiger töten kann – die Parallelen zu Alexeis Geschichte, wie sie sich im Nachgang präsentieren wird, sind unverkennbar und erklären so auch, warum Chen Alexeis Ausbildung nicht nur als reinen Kampf-Drill gestaltet, sondern ihn auch in die (teilweilse hanebüchen ausformulierte) Philosophie einführt.
Nachdem Chen seinen Tiger eigenfüßig erwürgt hat, schalten wir in die eigentliche Geschichte, die von Alexei, um – und, wie sich der Inhaltsangabe sicher entnehmen lässt, hat die Plot für mindestens drei Filme, bei „nur“ 108 Minuten Spielzeit ist es also kein großes Wunder, dass „The Way“ in jeder Phase gedrängt und gehetzt wirkt. Praktisch keine Episode aus Alexeis Abfolge unerfreulicher Ereignisse, die sich sein Leben nennt, hat genug Zeit, um Wirkung zu entfalten – weder seine kurze Gangzugehörigkeit, noch die Entwicklung der Mega-Freundschaft mit Dimi und ihr tragisches Ende, noch die Militärzeit mit Trifon, bei der wir auch einfach wieder glauben müssen, dass die Freundschaft so tief ist, wie der Film (und Alexeis leider fürchterlich penetranter voiceover-Kommentar, der jeden möglichen leiseren Moment zulabert, als würde Putin morgen das Sprechen verbieten) es behauptet. Lediglich die große Militäroperation gegen De Sherg hat relativ breiten Raum (so ungefähr 35-40 Minuten), und auch die bleibt, in der Tradition meiner obigen grundsätzlichen Vorbehalte gegen russisches Kino, seltsam un-involving. Mag auch daran liegen, dass Chens Martial-Arts-Geheimnisse selbst für einen altgedienten Fan fernöstlichen Kampsportkinos ein wenig sehr… seltsam sind. Chen hat nämlich die Power der „Mind Control“ – er suggestiert z.B. während der Ausbildung Alexei, der Fisch, den beide verspeisen, wäre verfault und voller Maden (Alexei kann die eingebildeten Maden sogar in die Hand nehmen). Diese Superkraft bringt er Alexei bei – als er später – SPOILERWARNUNG – absolut nach Plan von De Scherg gefangen und gefoltert wird, kann er SPRICHWÖRTLICH in den Geist seines Folterknechts eindringen und dort die notwendigen Erinnerungen abrufen, um den Verräter zu identifizieren. Wie schon gesagt, das ist keine Martial-Arts-Fähigkeit mehr, das ist eine fuckin‘ Superkraft, mit der er sich bei den Avengers – oder wenigstens den russischen „Guardians“ bewerben kann.
Psychologisch kreiselt die Geschichte neben der Entwicklung Alexeis vom ziellosen Kleingauner zum selbstbewussten, modernen Vertreter eines souverän auftretenden, Großmachtsansprüche stellenden Russlands (wie schon gesagt, man kann Alexeis „Way“ als in Putins Sinne stehende Metapher für Niedergang, Wirrnis und Neu-Konsolidierung von Mütterchen Russland sehen) auch um die Frauen in Alexeis Leben – oder… sie soll darum kreiseln, schafft es aber nicht wirklich. Anknüpfungspunkt für die ganze Geschichte ist die Rettung der Selbstmörderin, die Alexei an eine alte Flamme erinnert, aber wie Ihr sicher bemerkt hab, habe ich diese Person in der Inhaltsangabe mangels großartiger Bedeutung für den Film nicht mal erwähnt (zwar rettet ihm diese Frau, Angetraute eines Gangsters, von dem Fuka sich die Knarre für den Marktüberfall geliehen hat, das Leben, als Fuka ihn absticht, aber die einzige wirkliche Konsequenz dieser Episode ist, dass der Film nicht frühzeitig auf einem Moskowiter Gehsteig endet. Okay, das ist jetzt schon irgendwie WICHTIG, aber nicht unbedingt für Alexeis fortfolgende psychologische Entwicklung. Um Kopf und Kragen red…). Die anderen Frauen in seinem Leben, Nasdja und seine Militär-Liebschaft Svetja, haben noch weniger echte Bedeutung, so dass der „feel good“-Moment zum Ende, als (SPOILER again) Alexei zufällig Nasdja und ihren Sohn (Dimis Sohn, mutmaßlich) wieder trifft und sie unter seine Fittiche nehmen kann, ein wenig flach fällt.
Ansonsten fällt storytechnisch auf, dass man dem Film sein Baujahr 2009 anmerkt – das amerikanisch-russische Verhältnis ist hier noch intakt, man führt gemeinsame Manöver durch und den großen Angriff auf De Shergs Drogenlabor starten die Russen von einem amerikanischen Flugzeugträger aus. Zehn Jahre später sieht das alles doch wieder ein wenig anders aus…
Eigentlich habe ich zur handwerklichen, technischen, inszenatorischen Seite des Films durch die Blume schon einiges gesagt. Das Tempo des Streifens ist naturgemäß sehr hoch, so wie er durch die verschiedenen Episoden aus Alexeis Geschichte hetzt, aber da dem Film ein gewisser dramaturgischer Gesamtzusammenhang fehlt (den versucht der voice-over zwar künstlich aufzuoktroyieren, bekommt das aber aufgrund heftiger Tendenz zum Schwurbeln nicht besonders gut hin), verkommt das schon zu einer ziemlichen Nummernrevue, die die Identifikation mit Alexei schon erschwert bis verunmöglicht (zumal Alexei sich auch nicht unbedingt als Sympathieträger des Monats qualifiziert). Der betriebene Aufwand ist allemal beachtlich – praktisch alles, was irgendwie on location geschossen werden konnte, wurde auch on location gedreht. Und dennoch ist der Look irgendwie steril, „slightly off“. Der Schnitt ist manchmal etwas seltsam. Die Action-set-pieces fahren sicher noch am besten, wobei der kurze, aber ziemlich fetzige Kampf zwischen Soldaten und den Verbrechern recht ansprechend choreographiert ist, wie auch einige der Trainingsmontage, wohingegen der große Dschungelshowdown nicht mal mit den italienischen Randalefilmen der 80er mithalten kann, Pyrotechnik, „Menschenverschleiß“, Dynamik der Action und Shoot-outs, das alles ist eher zweite Liga Mittelfeld.
Der Score ist passabel, wobei ein paar der Songs Einblicke in die russische Hip-Hop-Kultur geben. Muss man ja auch mal kennenlernen.
Den Alexei-Part teilen sich Dmitriy Nysov („Zona“), ein legitimer Kampfsportler mit einer olympischen Bronzemedaille im Judo, Sambo- und Judo-Schwarzgurten sowie einem Braungurt in brasilanischem Jiu-jitsu, als erwachsener Alexei, dem leider wieder mal jegliche Ausstrahlung jenseits eines austauschbaren Kampfsportschinkens fehlt, und der wesentlich bessere Aleksey Orlov als Teenager. Generell sind die darstellerischen Leistungen recht undistinguiert, und die Herrschaften hier auch überwiegend unbekannt, also gehe ich mal auf ein paar der Namen ein, die der geneigte Konsument schon mal gehört haben könnte und der Publisher groß vorne aufs Cover schreibt. Alexeis Spezialeinheitvorgesetzten Dilov spielt nicht unsympathisch Oleg Taktarov, Ex-UFC-Fighter und mittlerweile gut als Action-Darsteller auf beiden Seiten des ehemaligen Eisernen Vorhangs etabliert („Supreme Champion“, „Predators“, „Fürst der Dämonen“, „Zombie Shooter“). Ex-Schwergewichts-Box-Weltmeister Nikolai Valuev (der 2,13 m-Riese mit dem distinkten Neandertaler-Look) spielt den entsprungenen Schwerverbrecher, mit dem Alexei sich hauptamtlich prügeln muss (ohne eine Zeile Dialog zu haben, wenn ich mich recht erinnere. Aber ein Boxer, auch ein mindertalentierter wie Valuev, spricht halt auch mit den Fäusten). Michael Madsen, immer da, wo ein Gagenscheck (und, vermute ich, eine Pulle Alkoholika) zu finden ist, absolviert einen Fünf-Lines-Cameo als Kommandant des US-Flugzeugträgers, der mit Dilov befreundet ist.
Die Bildqualität (1.78:1) der DVD aus dem Hause White Goatee/Savoy/Intergroove ist in Ordnung, die deutsche Synchro (Dolby Digital 5.1/2.0) passabel, russischer O-Ton (Dolby Digital 5.1) wird mit deutschen Untertiteln mitgeliefert. Es sei angemerkt, dass ein paar im Original englische Dialogzeilen (in der deutschen Synchro gleich mitübersetzt) mit hartcodierten russischen Untertiteln versehen wurden. Als Extras gibt’s den Trailer, zwei Musikvideos und eine Bildergalerie.
„The Way“ ist letztlich kein objektiv schlechter Film – er ist technisch ordentlich gemacht, wenn auch wieder mit dem russischen Caveat, dass man es dem Film einfach anmerkt, woher er kommt, durch seine Herkunft als Romanadaption, bei der man offenkundig nicht gewagt hat, weniger wichtige Passagen auch mal zu streichen, arg überplottet, aber eben auch ein ganz netter Blick ins moderne russische Selbstverständnis, garniert mit ein paar Albernheiten aus der Martial-Arts-Ecke. Kein Film, bei dem man sich über die verschwendete Lebenszeit ärgern muss, sonderlich gewinnbringend aber auch nicht.
© 2019 Dr. Acula
BOMBEN-Skala: 5
BIER-Skala: 5
Review verfasst am: 13.04.2019