Das Wirtshaus im Spessart

 
  • Deutscher Titel: Das Wirtshaus im Spessart
  • Original-Titel: Das Wirtshaus im Spessart
  •  
  • Regie: Kurt Hoffmann
  • Land: BR Deutschland
  • Jahr: 1958
  • Darsteller:

    Liselotte Pulver (Komteß Franziska von Sandau), Carlos Thompson (Räuberhauptmann), Günther Lüders (Baron Sperling), Rudolf Vogel (Buffon Parucchio), Hubert von Meyerinck (Polizeimajor), Herbert Hübner (Graf Sandau), Paul Esser (Korporal), Ina Peters (Zofe Barbara), Kai Fischer (Räuberbraut Bettina), Veronika Fitz (Luise), Hans Clarin (Peter), Hellmuth Lohner (Felix), Wolfgang Neuss, Wolfgang Müller, Ralf Wolter


Vorwort

Im Spessart sind die Rä-häu-ber… deswegen wagt sich niemand, der ganz bei Trost ist, bei Nacht durch den Wald. Auch die reisenden Gesellen Felix und Peter suchen rechtzeitig Unterschlupf in einem Gasthaus, aber natürlich können sie nicht wissen, dass die Betreiber der Spelunke mit der Räuberbande im Bunde sind.

Aber es gelingt den beiden, die Komtess von Sandau und ihre Entourage inklusive ihres Zukünftigen, vor Ungemach zu warnen. Die Räuber lassen nicht lang auf sich warten und verkünden, die Komtess zu entführen und nur gegen Zahlung eines üppigen Lösegelds wieder in einem Stück zurückgeben zu wollen. Da die Räuber die Komtess nicht persönlich kennen, verfällt man auf einen tollkühnen Plan. Komtesschen und Felix tauschen die Kleider – dieweil Felix als Komtess getarnt und mit dem Beistand ihrer Kammerzofe und des Haus- und Hofpriesters zu den Räubern mitgehen soll, will Franziska bei ihrem Vater das Lösegeld locker machen.

Dem Herrn Grafen von Sandau ist es allerdings nur recht, dass sein Töchtling wieder da ist, ohne dass er Kohle latzen muss, und wenn dafür ein Priester, eine Zofe und ein Herumtreiber draufgehen, naja, dann ist das kosmisches Karma usw. Ersatzweise schaltet der Graf das Militär ein.

Franziska packt sich wieder in Männerklamotten und schließt sich der Bande des Räuberhauptmanns an, in der Hoffnung, irgendwie auf einen Trichter zu kommen, wie ihre Freunde zu befreien sind. Ihr Geheimnis bleibt allerdings nicht lang ein solches, denn der Räuberhauptmann ist in den Augen seiner Bande zwar ein Weichei, das vor unnötiger Gewaltanwendung zurückschreckt, aber auf keinen Fall doof und als das Geheimnis erst mal gelüftet ist, nunja, da kann sich Franziska vielleicht eine aufregendere Partie als ihren ausgekuckten Baron Sperling vorstellen…


Inhalt

Frei nach der Erzählung von Wilhelm Hauff, der sich von kontemporären Räubergeschichten inspirieren ließ und die Geschichte als Rahmenhandlung für seinen dritten Märchenband verwendete, inszenierte Kurt Hoffmann einen der erfolgreichsten deutschen Nachkriegsfilme, und auch wenn der Streifen in Punkto Frechheit, Einfallsreichtum und all-around witzischkeit nicht mit dem legendären Nachfolger „Das Spukschloss im Spessart“ mithalten kann, so ist doch durchaus verständlich, warum.

Auch wenn simple Räuberballaden filmisch seit den 30ern locker abgefrühstückt waren, bringt Hoffmann genug Lebendigkeit in den eigentlich althergebrachten Stoff, der mit seinen Ideen zwar kaum Neuland betritt (Kleidertausch und Verwechslungen gehören ja zum kleinen Komödien-1×1), aber so auf herzerfrischende Weise kombiniert, sie unaufdringlich musikalisch kommentiert (der Film *ist* ein Musical, aber die Lieder sind elegant in die Dialoge eingebettet und fallen eigentlich nie als „Shownummern“ auf – es sind einfach die Charaktere, die nicht mal unbedingt singen, sondern nur für ein-zwei Minuten gereimt artikulieren).

Auch wenn das „Wirtshaus“ nicht an Subversivität mit dem „Spukschloss“ mithalten kann (was klar ist, denn das Schloss ist ja mehr oder weniger offene Satire auf das piefige Nachkriegsdeutschland), so bauen Hoffmann und seine Akteure immer wieder kleine Spitzen gegen Militarismus, Kapitalismus und Autoritätsgläubigkeit auf (gerne dem Duo Wolfgang Neuss/Wolfgang Müller in den Mund gelegt), und auch im Score verbergen sich immer wieder mal kleine, unauffällige Anspielungen, die man nur mitbekommt, wenn man richtig aufpasst.

Zudem ersäuft der Film geradezu in der unwirklich-märchenhaften Atmosphäre des titelgebenden Wirtshauses, dem finsteren Spessart und dem Räuberlager – man möchte förmlich hineingreifen.

Was dem Film etwas fehlt, ist Tempo. Die Handlung plätschert doch eher betulich vor sich hin und muss ohne ganz große Höhepunkte auskommen (vielleicht auch ganz gut, denn die große Keilerei im Räuberlager ist eher… naja… sagen wir mal… Spencer/Hill konnten das besser), und Überraschungsmomente sind auch nicht des Films große Stärke. Dafür allerdings leistet ein grundsympathisches Ensemble Maßarbeit – bis auf Carlos Thompson, einen gebürtigen Argentinier, der nach einem Hollywood-Stint Lili Palmer ehelichte und eine Weile in Deutschland arbeitete, und dem man anmerkt, dass das nicht unbedingt seine Welt ist, ist wirklich jeder, der mehr als zwei Takte zu sagen hat, likeable oder wenigstens als fieser Räuber überzeugend ungewaschen. Neben der wie stets süßen Lilo Pulver (der ihre Zierlichkeit zupass kommt, alldieweil sie recht problemlos einen jungen Knaben spielen kann) überzeugen Neuss, Müller, Hubert von Meyerinck („Zack-zack!“), Hans Clarin, Helmuth Lohner, Günther Lüders, Rudolf Vogel, Herbert Hübner, Kai Fischer sowie in einer kleinen Nebenrolle Ralf Wolter. Eine tolle Besetzung, die nur von der aus dem „Spukschloss“ übertroffen wird…

Die brandneue Blu-Ray von Filmjuwelen holt aus dem Streifen das Maximum heraus – schöner kann’s am Premierentag nicht ausgesehen haben. Das Bonusmaterial ist nicht wahnsinnig umfangreich (Trailer, eine kurze Hommage an Rudolf Vogel und ungefähr 15 Minuten behind-the-scenes-Aufnahmen, kommentiert von Joe Hembus), dafür gibt’s ein ausführliches Booklet.

Das „Spukschloss“ mag der unangefochtene Titan der „Spessart“-Trilogie sein, aber auch das „Wirtshaus“ sorgt immer noch für viel gute Laune und beste Unterhaltung. Kaufen, zack-zack!

4/5
(c) 2017 Dr. Acula


mm
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