Das Vermächtnis des Prof. Bondi

 
  • Deutscher Titel: Das Vermächtnis des Prof. Bondi
  • Original-Titel: A Bucket of Blood
  •  
  • Regie: Roger Corman
  • Land: USA
  • Jahr: 1959
  • Darsteller:

    Dick Miller (Walter Paisley/Bondi), Barboura Morris (Clare), Anthony Carbone (Leonard), Julian Burton (Maxwell H. Brock), Judy Bamber (Alice), Ed Nelson (Art Lacroix), John Brinkley (Will), John Herman Shaner (Oscar), Myrtle Vail (Mrs. Swickert), Bert Convy (Lou Raby)


Vorwort

Um die Jahrhundertwende treibt ein Massenmörder sein Unwesen in London – Professor Bondi tötet haufenweise Leute, um sie zu „Kunstwerken“ für sein Figurenkabinett zu verarbeiten. Als das schreckliche Geheimnis auffliegt, stürzt Bondi in einen Bottich kochenden Wachses (o.ä..) und verscheidet mutmaßlich. Doch halt! Bondi hat überlebt und seine Methoden in einem“ Vermächtnis“ niedergeschrieben. Viele Jahre später ist Bondi am Sterben, doch der einzige Nachfahre, der mit seinem „Vermächtnis“ etwas anfangen könnte, ist ein entfernter nichtsnutziger Verwandter im fernen Amerika… (zu diesem Prolog später mehr).

Besagter Verwandter ist Walter Bondi (im Original: Paisley), der als diplomierter Loser sein Dasein als Kellner in einer viertklassigen Künstlerkneipe in L.A. fristet. Walter möchte gern zu dem von ihm bewunderten Künstlerkreis, angeführt von dem selbsternannten Poetenfürsten Matthew Brock, gehören, doch man betrachtet den armen Kerl bestenfalls mit milde mitleidiger Sympathie, doch gewiss nicht als talentierten Künstler.

Walter hat sich der Bildhauerei verschrieben – ohne die geringste Begabung dafür mitzubringen. Eines schönen Abends ist ihm das Schicksal jedoch hold. Versehentlich tötet er die Katze seiner Zimmerwirtin, doch das bringt ihn auf eine Idee. Die tote Katze wird in Ton verpackt und am nächsten Tag als extrem lebensnahe Skulptur (mit dem einfallsreichen Namen „Tote Katze“) in der Kneipe vorgestellt. Kneipenchef Leonard und die von Walter angehimmelte Carla finden die Skulptur überraschend gelungen und weil Walter so sehr bettelt, lässt sich Leonard breit schlagen, die Figur in Kommission zu nehmen.

Die versammelte Künstlermischpoke ist begeistert – insbesondere Brock ist sofort bereit, Walter als neuen Genius der Bildhauerei zu preisen. Neue Werke sollen her! Und weil Walter den Annäherungsversuchen der örtlichen Heroin-Dealerin tapfer widersteht, gibt’s keine heiße Liebesnacht mit der dicken Pharmazeutikaverschacherin, sondern nur eine Probierpackung H. Schlecht für Walter, denn die Kneipe steht schon unter polizeilicher Undercover-Beobachtung als Drogenspelunke und Walter wird von Cop Lou verdächtigt, als Distributor tätig zu sein. Der naive Walter versteht Bahnhof, aber das Bild einer gezückten Dienstwaffe spricht Bände. Mit einer Bratpfanne erlegt Walter den Bullen… und kann wenig später Carla und Leonard sein neues Werk, „Blutopfer“, vorstellen. Carla findet’s grausig schön, Leonard allerdings kommt rasch zu dem Schluss, dass sein neuer Protegé eine ordentliche Klatsche hat.

Noch allerdings stinkt Geld nicht und einem 500-Dollar-Angebot für die Tote Katze kann Leo nicht widerstehen (zumal er Walter weismacht, das Tier für nur 100 Dollar verscherbelt zu haben und 50 Dollar an den Künstler auszahlt).

Walters Ruhm als genialer Künstler in den Augen von Brock und seiner Entourage steigt ins Unermeßliche – nach einer blumigen „Krönung“ zum König der Kunst lässt sich eine Änderung in Walters Charakter nicht mehr verleugnen. Aus dem scheuen, naiven Möchtegern wird ein arroganter Sack, dem die Bauchpinseleien zu Kopf steigen. Und als Alicia, ein Blondchen aus Brocks Tross, dass Walters Arbeiten für nun nich so dolle hält, Walter auf die Nerven geht, beschließt er, aus dem Mädchen sein nächstes Modell-slash-Objekt zu machen. Aus dem harmlosen kleinen Spinner, der unabsichtlich Totschläger wurde, wird nun ein berechnender eiskalter Mörder…


Inhalt

Roger Corman. Ich muss Lesern auf diesen Seiten hoffentlich nichts zum Thema Corman erzählen – Legenden des Filmemachens kann ich doch als Grundwissen voraussetzen. Eins in der schier unüberschaubaren Karriere des größten aller B-Produzenten ist aber recht schwer auszumachen – der Zeitpunkt, an dem aus einem cleveren, aber recht undistinguierten Fabrikanten uninspirierten Drive-in-Fodders das „Genie“ wurde, dessen Werken man das „approved cult movie“-Etikett ankleben konnte. Meiner bescheidenen Ansicht nach lässt sich ein Argument für „A Bucket of Blood“ basteln – es ist vielleicht der erste richtige Beweis dafür, dass Corman nicht nur ein findiger Sparfuchs war, der mit noch weniger Geld als seine Zeitgenossen die üblichen Horror-/Monster-Klischees bedienen konnte, sondern den Budgetmangel als kreativen Schub begriff, aus dem sich unterhaltsame, aber *frische* Stoffe entwickeln ließen (ganz abgesehen davon, dass Corman hier erstmals eine „Subkultur“ in den Mittelpunkt stellte, ein Rezept, das bei seinen späteren Biker-und-Rocker-Filmen fröhliche Urständ feierte).

Mit Hindsight 20/20 fallen dem Zuschauer erstaunliche Parallelen zum Cormanschen Kultschlager „Little Shop of Horrors“ ein. Wenig verwunderlich, stammten doch beide Drehbücher aus der eiligen Feder von Charles B. Griffiths, der Meister in der von Corman geforderten Disziplin, um ein paar Kulissen, stock actors und die ein oder andere vielleicht schon mal auf Verdacht abgedrehte Szene eine halbwegs plausible Geschichte zu schreiben, aber die Ähnlichkeiten sind hier wirklich frappierend – beide Storys stellen einen sympathischen Loser in den Mittelpunkt, der sich wünscht, von seinem Umfeld – und seiner Herzdame – anerkannt und gewürdigt zu werden, durch Zufall eine Möglichkeit entdeckt, diesen Traum zu verwirklichen, reichlich unfreiwillig dazu gezwungen wird, Leben zu nehmen, dies aber bald als Machtinstrument zu begreifen, echter Killer zu werden und am Ende (huch, SPOILER?) nach einer Verfolgungsjagd Opfer der eigenen Ambition zu werden. Phasenweise ähneln sich Plot- und Charakterentwicklungen so sehr, dass man „Little Shop of Horrors“ beinahe für ein Remake (oder wenigstens ein rip-off, wie’s Corman später ja oft genug zu tun pflegte) halten könnte.

Allerdings ist, obwohl der Horrorladen durch den Kult, das Bühnenmusical und die starbesetzte Filmversion wesentlich bekannter ist, „A Bucket of Blood“ der deutlich bessere (und auch witzigere) Film ist (auch aus dem könnte man allerdings ein lustiges Off-Broadway-Stück basteln). Das liegt hauptsächlich daran, dass Corman und Griffiths ein punktgenaues, treffsicheres und bitterböses Bild der Underground-Kunst-Community zeichnen: ein Haufen prätentiöser Vollidioten mit planetengroßen Egos, von künstlerischem Sachverstand weiter entfernt als die Erde vom Saturn – wenn sie Glück haben, können die einen Picasso von einem Rodin unterscheiden und ja, ich weiß, dass der eine malte und der andere bildhauerte -, und stets bereit, an den Lippen ihres großen Vorbeters zu hängen, in diesem Falle Brock, dessen Verachtung für den gemeinen unkünstlerischen Pöbel nur von seiner eigenen Dilettanz als „Beat-Poet“ übetroffen wird. Ein zeitloses Bild, das 1859 genauso gültig gewesen sen dürfte wie 1959 und auch 2059 noch so stimmig sein wird. Und Walter? Der will unbedingt zu diesem Haufen gehören, plappert nach, was Brock rezitiert und versucht verzweifelt, Aufnahme in diesen ach-so-elitären Zirkel zu finden, nur, dass er NOCH weniger künstlerische Begabung hat als diese Proto-Hipster.

Das alles ist eine Nummer schärfer, satirischer als im Horrorladen, auch wenn wir davon ausgehen können, dass weder Corman noch Griffiths ernstlich an einer satirischen Auseinandersetzung mit der Untergrund-Kunstszene interessiert waren, sondern einfach einen launigen Backdrop für die Mordgeschichte suchten. Aber es passt zur Thematik des Films – wahre „Kunst“ entsteht manchmal aus reinem Zufall.

Natürlich ist ein großer Vorteil des Films, dass er mit Dick Miller – in seiner einzigen Hauptrolle – ideal besetzt ist. Sowohl optisch als auch von Habitus, Mimik, Stimme ist er die Traumbesetzung für den traurig-sympathischen Verlierer, dem das Schicksal scheinbar seine große Chance serviert, nur um ihm dann erst recht die grobe Kelle überzuziehen. Miller, ansonsten immer gern als exzentrische Nebenfigur von Corman eingesetzt, stellt unter Beweis, dass er, wenn die Rolle stimmt, einen Film tragen kann. Corman stellt ihm aber auch gute Mitspieler an die Seite – Anthony Carbone („Creature from the Haunted Sea“) überzeugt als geplagter Kneipenwirt und Künstler-Mentor Leonard ebenso wie – vor allem – der großartige Julian Burton („Satanas – Schloss der blutigen Bestie“) als mainstreamverachtender Maxwell Brock, der, wenn der Preis stimmt, gern bereit ist, seine antikapitalitischen Ideale zu verraten. Barboura Morris („The Haunted Palace“, „Die Wespenfrau“) als unerreichbare Muse des „Künstlers“ und „Bombshell“ Judy Bamber („The Atomic Brain“, „Dragstrip Girl“) als einzige, die den plötzlich erwachenden Genius Walters anzweifelt, runden ein ausgesprochen adäquates B-Ensemble formvollendet (hihi) ab.

Natürlich ist „A Bucket of Blood“ gnadenlos billig – drei Sets, eine Handvoll Außenaufnahmen und der praktisch konsequente Verzicht auf alles, was nach „teurem Spezialeffekt“ aussieht, machen den Streifen geradezu zu einer idealen Vorlage für abenteuerlustige Theatermacher. Der einzige echte „Effekt“ ist die tote Katze, und das Prop sieht im „Naturzustand“ wesentlich weniger lebendig aus denn als eingetöpferte Skulptur. Dennoch erlaubt sich der Streifen einen überraschend brutalen (implizierten) Kill – wenn Walter ein Zufallsopfer mit einer Kreissäge enthauptet, entbehrt das, obschon völlig ohne graphisch-blutige Elemente geschildert, nicht seiner Wirkung.

Ich erwähnte ganz oben den Prolog. Der erklärt sich durch teutonische Beteiligung… „A Bucket of Blood“ (ein Titel, der auch nicht mehr Sinn ergibt als – ignoriert man den Prolog – der deutsche Verleihtitel „Das Vermächtnis des Prof. Bondi“) geriet ins Repertoire des Mercator-Filmverleihs, und dieser Schuppen hatte nie Skrupel, einen einmal angekauften Film im eigenen Sinne zu „bearbeiten“. So schändete der Verleih den „Perser und die Schwedin“ durch den Einbau unendlicher Striptease-Sequenzen und veredelte das britische Shockumentary „Primitive London“ (dessen Originalfassung vom British Film Institute für so historisch wertvoll gehalten wird, dass sie in deren Blu-Ray-Reihe veröffentlicht wurde) durch eine neugedrehte Rahmenhandlung, in der ein (beinahe durchgängig halb bis ganz nacktes) Pärchen den Britenfilm in der Glotze kuckt und dadurch zu Poppereien angeregt wird. Hier sahen die Mercatoren zumindest davon ab, den Film selbst umzuschneiden, sondern fügten eine gut sechsminütige Prologsequenz hinzu, die Walter zum Nachfahren eines „historischen“ Serienkillers macht und postuliert, dass dieser jener Professor Bondi auf übernatürliche Weise sein Geheimnis, echte Leichen in seine Plastiken zu packen, an Walter übergibt. Macht im Filmkontext wenig bis keinen Sinn, ergibt aber eine sehr lustige Sequenz und streckt die Filmlaufzeit von Cormans knappen 66 Minuten auf mit vielen zugedrückten Hühneraugen „abendfüllend“ zu nennende 72 Minuten. Die günstig erhältliche DVD von Ostalgica enthält nur diese Mercator-Fassung, aber wenigstens englischen O-Ton für den „Hauptfilm“. Als Zugabe gibt’s ein Rudel Trailer und die Super8-Fassung. Rundes Paket für den schmalen Obolus.

Insgesamt ist „A Bucket of Blood“ zweifellos ein Highlight in der Regiekarriere Cormans – es ist eine witzige, charmante und scharfsinnig beobachtete Horror-Komödie, die den „Kult“ eigentlich mehr verdient hätte als der „Little Shop of Horror“…

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 8


mm
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