- Deutscher Titel: Das tödliche Wespennest
- Original-Titel: Nid de guèpes
- Regie: Florente Emilio Siri
- Land: Frankreich
- Jahr: 2002
- Darsteller:
Samy Naceri (Nasser), Benoit Magimel (Santino), Nadia Farès (Laborie), Pascal Greggory (Louis), Sami Bouajila (Selim), Anasia Uzeyman (Nadia), Richard Sammel (Winfried), Angelo Infanti (Nexep), Valerio Mastrandrea (Giovanni)
Vorwort
In Straßburg soll dem gemeingefährlichen albanischen Mafiaboss Nexep, der den Fahndern in Deutschland in die Hände gefallen ist, der Prozeß gemacht werden – Elitepolizistin Laborie soll mit einem Team aus italienischen und deutschen Kollegen den Hochsicherheitstransfer des Gefangenen beaufsichtigen. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen scheint niemand ernstlich damit zu rechnen, dass Nexeps albanische Bande einen Befreiungsversuch startet, was natürlich prompt passiert. Der generalstabsmäßig geplanten Attacke entziehen sich Laborie und ihr Team durch Flucht auf ein Straßburger Industriegelände, ohne zu ahnen, dass in eben jenem gerade eine Bande junger Krimineller um Nasser und Santino ein kleines Ding zu drehen beabsichtigt. Ehe sie sich’s versehen, sehen sich die jungen Leute in die blutige Schlacht um den albanischen Paten hineingezogen und müssen, ob sie wollen oder nicht, auf seiten von Recht und Gesetz mitkämpfen, um die Nacht zu überleben…
Inhalt
Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich das „neue“ französische Kino mag oder nicht. Vermutlich sollte ich einfach nicht verallgemeinern – wie in jeder Filmindustrie gibt’s dort prätentiösen Mist wie „Baise-Moi“ (eine Materialverschwendung ersten Ranges) und Highlights wie den feuchten Traum eines jeden Horrorfans „High Tension“. Mit „Das tödliche Wespennest“ nahm ich nun, mit einiger Verspätung, einen Vertreter des jungen französischen Action-Kinos unter die Lupe, der doch mit einigen Vorschußlorbeeren bedacht wurde.
Die Story ist nicht der Rede wert und streng genommen austauschbar – anstelle der albanischen Mafiosi, die aufgrund ihrer „schemenhaften“ Erscheinung in der ersten Hälfte des Films und dank ihrer monströsen Nachtsichtgeräte eh wie Wesen aus einer anderen Dimension wirken, könnten genauso gut Aliens oder Zombies sein; Autor/Regisseur Siri entschied sich halt für den etwas realistischeren Approach und machte aus der Geschichte einen „irdischen“ Actionfilm; letztendlich ist das ganze Szenario aber durchaus ein horribles (im Endeffekt bedient sich Siri recht unbefangen bei John Carpenters Klassiker „Assault on Precinct 13“ – allerdings löst Siri das wesentlich packender als Carpenter in seinem Selbst-rip-off „Ghosts of Mars“). Viel Platz für ausgefeilte Charakterisierungen gibt’s da nicht, obwohl… und da sind wir beim kleinen Manko des Films… der Streifen sich eine verdammt lange Auftaktphase nimmt, in der die Figuren, ohne dass das Script sich dabei zu Tode labert (die Dialoge sind bewußt knapp gehalten), vorgestellt werden (wer gleich zur Action kommen will, möge bitte bis Minute 35 vorspulen, vorher tut sich diesbezüglich niente). So könnte man kritisieren, dass die höchst unterschiedliche Gruppe der Belagerten (Elite-Cops, noch dazu aus verschiedenen Ländern, Kleinkriminelle, zwei Wachmänner) sich relativ unkompliziert zusammenrauft (ja, es gibt Konflikte auch innerhalb der Gruppe, aber sie werden verhältnismäßig unproblematisch gelöst, d.h. man schießt sich nicht gegenseitig über den Haufen). In sich ist die Story recht schlüssig (wenn man sich auch wundern darf, wie die albanische Mafia eine größere Armee ohne, dass es irgendjemandem auffällt, in Stellung bringen kann), und wenn die Action mal in Gang gekommen ist, gibt’s kaum mehr eine Atempause, da entwickelt der Film eine ungeheure Energie und Dynamik.
Gezeigt wird all dies in alleredelster Luc-Besson-inspirierter Optik – das kann man mögen, muss man aber nicht (wer von seinem harten Gangsterreißer eher den brutal-dreckigen „Reservoir Dogs“-Look bevorzugt, wird vermutlich Schreikrämpfe kriegen, aber wer bleistiftsweise von Bessons „Leon – Der Profi“ angetan war, wird wohl begeistert sein), aber es ermöglicht jede Menge eindrucksvolle Bilder dank ausgezeichneter Kamera- und Schnittarbeit (ein-zweimal während zentraler Action-Set-Pieces überschlägt sich der Schnitt allerdings zu sehr und wird ein wenig hektisch und unübersichtlich). Siri sorgt nach dem Einsetzen der Action für ein brutal hohes Tempo und einen immensen Bodycount. Die bleihaltige Action ist dabei absolut top-notch inszeniert, wobei, wie gesagt, die Stilisierung der Albaner zu gesichtslosen Gegnern auf Kosten des Realismus geht. Was die Härte angeht, so verdient sich der Streifen seine KJ-Freigabe weniger durch explizite Effekte, sondern allein durch die Quanität der Tode (ich hab nicht mitgezählt, aber dreistellig wird wohl gestorben). Dabei verkommt der Streifen allerdings nie zum bloßen Shoot’em-up; Siri hält den Streifen spannend und schafft es, dass die Charaktere einem regelrecht ans Herz wachsen (genauso, wie man beim Schuft Nexep am liebsten selbst Hand anlegen würde). Großes Kompliment an den Jungregisseur, der mit „Das tödliche Wespennest“ erst seine zweite Regiearbeit vorlegte und folgerichtig sofort nach Hollywood berufen wurde, um den neuen Bruce-Willis-Action-Thriller „Hostage“ zu inszenieren (wollen wir hoffen, dass es ihm besser ergeht als Pitof mit „Catwoman“).
Es schadet sicherlich nicht, dass Siri einen ausgezeichneten Cast zur Verfügung hat. Samy Naceri dürfte hierzulande allein aufgrund der ziemlich erfolgreichen „Taxi“-Trilogie ein Begriff sein, der besonders eindrucksvolle Benoit Magimel stellte sich u.a. in „Die Klavierspielerin“ und „Die purpurnen Flüsse 2“ vor. Nadia Farès, ebenfalls sehr beeindruckend als taffe Elite-Polizistin, war dagegen im ersten Teil der „Purpurnen Flüsse“ am Start. Aber auch Neuentdeckung Anisia Uzeyman kann sich für höhere Weihen empfehlen (übrigens durchaus interessant, dass der Cast sozusagen multi-ethnisch ist. Die Polizisten kommen aus drei Ländern, die Bande der Kleinkriminellen besteht größtenteils aus Immigranten). Den angemessen verachtenswerten Mafiaboss Nexep mimt Angelo Infanti, der in so unterschiedlichen Werken wie „Der Pate“ und „Emmanuelle in Amerika“ mit von der Partie war.
Bildqualität: Universum legt den Streife in erlesenem 2.35:1-Widescreen vor (natürlich anamorph, wobei es sich zumindest bei meinem Player störend bemerkbar machte, dass selbiger die anamorphe Codierung offensichtlich falsch interpretierte und sich in den 4:3-Modus schaltete. Passierte mir noch nie, IIRC). Die Schärfewerte sind ausgezeichnet, der Kontrast angesichts der Tatsache, dass ein Großteil des Films in Dunkelheit spielt, hervorragend, die Kompression lässt kaum Wünsche offen. Bildstörungen und/oder Defekte sind nicht zu verzeichnen.
Audioqualität: Zwei Tonspuren werden geboten, beide in Dolby Digital 5.1. Den deutschen Ton habe ich nur sehr kurz angetestet, sondern bin als O-Ton-Fuzzi beim Originalsprachtrack hängengeblieben (eine Mischung aus natürlich hauptsächlich Französisch, Italienisch, Englisch und Deutsch). Die Sprachqualität ist ausgezeichnet, der Mix aus Musik, Dialog und Soundeffekten bestens abgestimmt – die Effekte knallen auch ordentlich rein. Kann man auch nicht meckern…
Ausstattung: Nicht schlecht, was Universum noch zusätzlich auf die Disc gepackt hat, denn neben Originaltrailer, Cast- und Crew-Bios und der obligaten Trailershow findet sich ein satt 81-minütiges Making-of (also ein solches, das seinen Namen auch verdient; französisch mit deutschen Untertiteln).
Fazit: Das Actiongenre wird von „Das tödliche Wespennest“ sicher nicht neu erfunden – aber ich wurde positiv überrascht. Nach der betulichen Auftaktphase entwickelt sich der Streifen zu einem wahrhaft infernalischen Actiongewitter in feinster Optik, ohne dabei schauspielerische Leistungen völlig zu vernachlässigen. Wie schon oben angesprochen – wem der Look der Actionszenen von „Leon – Der Profi“ gefallen hat und auf den tiefergehenden Anspruch des zitierten Besson-Werkes zugunsten einer gut einstündigen einzigen Action-Szene gern verzichtet, kommt hier voll auf seine Kosten. Stellt sich nur noch die Frage, warum man auf der linken Rhein-Seite hochklassige Actionfilme inszenieren kann, bei uns allerdings scheinbar nicht… Die Universum-DVD ist technisch sehr gelungen, so dass man, auch angesichts der Tatsache, dass die Scheibe momentan bei einigen Händlern recht günstig zu haben ist, unbürokratisch zuschlagen kann.
4/5
(c) 2003 Dr. Acula