Das Schloss der blauen Vögel

 
  • Deutscher Titel: Das Schloss der blauen Vögel
  • Original-Titel: La bestia uccide a sangue freddo
  • Alternative Titel: The Cold-Blooded Beast | Asylum Erotica | Der Triebmörder | The Beast Kills in Cold Blood | Slaughter Hotel |
  • Regie: Fernando di Leo
  • Land: Italien
  • Jahr: 1971
  • Darsteller:

    Dr. Bernd Keller (Klaus Kinski)
    Professor Dorian (John Karlsen)
    Luise Sassner (Margaret Lee)
    Ann (Rosalba Neri)
    Pearl (Jane Garret)
    Ruth (Gioia Desideri)
    Gärtner (John Ely)
    Angela Dorian (Monica Strebel)
    N.A. Fernando Cerulli
    N.A. Sandro Rossi


Vorwort

Ob man´s glaubt oder nicht, als Filmfreund kann einem tatsächlich ein noch undankbareres Schicksal widerfahren als Anhänger der Joseph-Lai-Ninja-Filme oder Hardcore-Albert-Pyun-Enthusiast zu sein. Man könnte z.B. nämlich auch Klaus-Kinski-Fan sein. Kinski ist bzw. war nicht nur unbestritten einer der größten deutschen Nachkriegsschauspieler und berufsmäßiger Real-Life-Psychopath, sondern auch einer, der neben seinen „wichtigen“, seriösen Rollen (in Werner Herzogs Filmen, bleistiftsweise) auch sprichwörtlich hunderte unterprivilegierte Schotterfilme in Italien oder sonstwo, wo man bereit war, Herrn Kinski ein paar DM Gage zu zahlen, abdrehte. Theoretisch könnte man nun als geneigter Cineast diese Schmuddelfilmchen der Herren Franco, Margheriti etc. ja gepflegt ignorieren, wenn da nicht ein kleines Problem auftauchen würde. Im Gegensatz zu den meisten Darstellern höheren Kalibers, die sich gelegentlich der lieben Kohle willen (irgendwie müssen die Drogen ja finanziert werden) in das Ghetto des Schundfilms verirrten, bestand bei Klaus Kinski nämlich durchaus die realistische Möglichkeit, dass er seine Rolle, so unbedeutend sie auch sein mochte (weil´s den meisten der erwähnten Schundfilmer ja hauptsächlich darum ging, den Namen „KLAUS KINSKI“ in großen Lettern aufs Filmplakat klatschen zu können), nicht im „ich-bin-nur-wegen-der-Gage-hier“-Schlafwandel-Modus absolvierte, sondern wirklich im letzten Güllestreifen eine große schauspielerische Leistung abrief (vgl. seinen prägnanten 5-Minuten-Kurzauftritt im hier besprochenen Adios Companeros oder seine Tour de Force als Marquis de Sade im demnächstigst auch von X-Rated erscheinenden Franco-Heuler Justine). Ergo: will man als Kinski-Fan nicht das Risiko laufen, eine Glanzvorstellung seiner Ikone zu verpassen, muss man, so schwer´s einem fällt, eigentlich alles sehen, was der Herr im Laufe seiner langjährigen Karriere so abdrehte und das ist so einiges und in vielen Fällen einfach (abseits etwaiger Kinski-Leistungen) Müll.

Der Doc würde sich jetzt nicht als Kinski-Fan bezeichnen – ich seh den ollen Klaus einfach gerne und wenn sich die Möglichkeit bietet, das Zerfleddern eines schlechten Films mit dem Spaß an einer Kinski-Performance zu kombinieren, ist das allemal ein Argument pro des entsprechenden Films. Als ich also neulich auf ´ner Börse rumschlurchte und (wie bereits anderweitig geschildert) nicht gerade die angestrebten 5-Euro-Schnäppchen machte, sondern mich dafür mit diversen X-Rated-Hartboxen eindeckte, war relativ beschlossene Sache, dass da ein Kinski-Film mit dabei sein mußte, auch wenn das für den geplagten Doc bedeutet, sich höchstwahrscheinlich wieder mal mit einem italienischen Schotterfilm abgeben zu müssen.

Was die perfekte Überleitung (hehe) dazu darstellt, wieder mal zugeben können zu dürfen, für die heute zu würdigende Materie eigentlich sachlich unzuständig zu sein – ich bin kein Experte für Giallos. Giallos (benannt nach billigen italienischen Kriminalromanen, die an ihren gelben Umschlägen zu erkennen waren) waren sozusagen die Fortsetzung der deutschen Edgar-Wallace-Filme mit anderen Mitteln (divere frühe italienische Giallos bedienten sich noch lose literarischer Vorlagen von Edgar Wallace oder seinem Sohn Bryan Edgar Wallace, wurden gern mit deutschen Stars besetzt und fanden als Bestandteile der Edgar-Wallace-Reihe in arg verstümmelten Versionen ihren Weg in deutsche Lichtspielhäuser) stellen in gewisser Weise Vorläufer späterer Slasher-Horrorfilme dar – zumeist geht´s um Serienmörder und ihre mehr oder weniger blutigen Umtriebe (und nicht von ungefähr debütierte manch späterer Horrormaestro wie Dario Argento mit Giallos und kaum ein späterer Italogorefilmer hat keinen Giallo in seiner Filmographie), oft und gern auch mit einer ausgeprägten erotischen Komponente (für diese Kurzanalyse werden mich die Hardcore-Giallo-Fans wieder steinigen, aber man kann´s nicht allen Recht machen. Bätsch).

Und um einen Giallo handelt es sich bei Das Schloß der blauen Vögel aka Der Triebmörder zweifellos, aber was die restlichen Coveranspreisungen von X-Rated angeht, bewahre ich mir eine gesunde Portion Skepsis – „Erotik-Gore-Fassung“? „An Hardcore grenzende, nie gesehene Sexszenen“? Na, ob die Realität mit der Ankündigung mithalten kann? (Ich würd´s ja schon für ein Wunder halten, wenn in dem Film „blaue Vögel“ und nicht nur „Blaue vögeln“ vorkommen würden…).


Inhalt

Wir beginnen mit einer Totalen des bewußten blauen Schlosses, eh, Schloß „Hohenschwandt“ („-gau“ hat man sich dann doch nicht mehr getraut… da hätte vermutlich auch die Füssener Dorfverwaltung was dagegen) im Abendrot, ein eher wenig impressiver grauer Kasten (Villa wäre schon geprahlt). Kurzes Hin- und Herwackeln der Kamera kündigt Unheil an – und da ist er schon, der geheimnisvolle Killer (na, wir verschwenden auch keine Sekunde), eine maskierte schwarze Figur mit Cape und einem ordnungsgemäßen Hinken (wir wollen ja auch kein Klischee auslassen). Hochgradig aufregend und breit (auf ungefähr drei Minuten ausgewalzt) geschildert, verfolgen wir, wie der Killer sich ins Schloß Einlaß verschafft, die Treppe hochläuft und sich schließlich in einer Art Schloß-Halle, die neben Rüstungen praktischerweise mit allen für einen Psychokiller nützlichen Utensilien wie Dolche, Morgensterne, Armbrüste, Schwerter, Äxte und einer eisernen Jungfrau ausgestattet ist, mit einer Waffe auszustatten. Er entscheidet sich für eine Axt (und atmet Darth-Vader-mäßig sein Approval). Das potentielle Opfer ist natürlich ein attraktives Weibsstück, das sich in seinem Zimmer nackig auf dem Bettchen räkelt und offenbar angeregte Träume träumt (du weißt, du bist in einem 70er-Jahre-Italo-Film, wenn Biberpelz kein Tabu ist). Bevor der Killer allerdings sein garstiges Werk vollbringen kann, wacht die Dame auf, drückt einen Buzzer und ruft damit einen Pfleger und eine Krankenschwester herbei. Der Killer verschwindet in den Schatten. Boah, das war wahnsinnig aufregend, ungeheuer spannend und geradezu elefantös mitreißend.

Klare Sache, von dieser nervenzermürbenden Erfahrung müssen wir uns erst mal erholen und, weil Regisseur Fernando di Leo mitdenkt und unser Freund ist, spult er jetzt seine Credit-Sequenz ab. In der vorliegenden Fassung (ersichtlich ein US-Print mit dem Titel Cold-Blooded Beast) ist selbige grün eingefärbt und zeigt wie in einer TV-Serie die prinzipiellen handelnden Akteure in einer typischen Filmszene mit der dazugehörigen Namenseinblendung. Auch irgendwie schick.

Nun, hätten wir die Packungsbeilage nicht gelesen, wüssten wir spätestens jetzt, dass Schloß Hohenschwandt nicht ein x-beliebiges Lustschloß in der Prärie ist, sondern eine Art Krankenhaus und/oder Sanatorium. Wohl eher letzteres, denn am nächsten Morgen spielen die Patienten (genauer: die Patientinnen) und die Krankenschwestern im weitläufigen Park um das Schloß Krocket. Auf dem Weg zum Schlosse ist ein Ehepaar namens Hans und Ruth. Hans ist zuständig für die Exposition – Schloß Hohenschwan ist ein Sanatorium („ein Irrenhaus“, meint Ruth korrigierend einwerfen zu müssen) unter der Leitung der Koryphäe Professor Dorian, und zwar ein luxuriöses. Der Aufenthalt „kann sehr viel Spaß machen“ (was weiß Hans, was wir und seine Frau nicht wissen?) und er beabsichtigt, Ruth eben dort einzuliefern. Die zieht allerdings nicht richtig, bzw. ist grummelig und verleiht ihrem Unwillen nachhaltig Ausdruck, indem sie ihrem Göttergatten beherzt ins Lenkrad greift. Hans gelingt es, das Auto auf der Straße zu halten und Ruth hat sich bzw. ihrem geschätzten Geisteszustand einen Bärendienst erwiesen: „Du BIST krank“, stellt Hans fest (er könnte richtig liegen).

In der Klapse beschäftigt sich eine rothaarige Krankenschwester mit einer einsam und traurig auf einer Parkbank rumsitzenden dunkelhäutigen Patientin, die sich nicht an den fröhlichen Juxereien auf dem grünen Rasen (nur Krocket, verdammich) beteiligt. Rotschopf meint, dass es der Patientin doch schon viel besser geht, aber die (okay, ich löse, sie heißt Pearl) meint, die „Schocktherapie“ sei reine Zeitverschwendung. „Sie sehen doch erholt und hübsch aus“, behauptet Rotschopf wider besseres Wissen und faktischen Beweis durch Inaugenscheinnahme, aber Pearl fühlt sich allein und einsam, weil (insert tragic backstory here) sie ihre Eltern nie richtig kennengelernt, auf der ganzen Welt gesucht habe und darüber offenbar bekloppt geworden sei. Rotschopf mimt die gaaaanz Verständnisvolle (etwas verdächtig ARG verständnisvoll) und unterbreitet den sachdienlichen Vorschlag, Pearls Freundin werden zu wollen (ob nur aus rein therapeutischen Gründen, wage ich mal wieder leicht zu bezweifeln).

Hans setzt geringfügig säuerlich Ruth vor der Türe des Sanatoriums ab. „Verzeih mir, ich wollte dich nicht umbringen“, säuselt Ruthie, aber Männe hat die Schnauze voll, tritt aufs Gaspedal und saust grußlos von hinnen. Ich kann ein gewisses Verständnis für den Kerl aufbringen. Ruth wird von einem Weißkittel namens Dr. Kamphausen in Empfang genommen. „Wir haben hier sehr wenig Regeln, eigentlich können sie tun und lassen, was sie wollen“, erklärt er die überschaubare Hausordnung. Das hätte er besser nicht getan, denn Ruth scheint das sehr frei zu interpretieren, schnappt sich einen stabilen Ast und beabsichtigt, selbigen Dr. Kamphausen über die Rübe zu ziehen. Der Doc (also Kamphausen, newa) allerdings, als erfahrener Klapsmüller auf alle Eventualitäten vorbereitet, fängt den Schlag ab. „So was wollen wir in Zukunft lassen“, sagt er cool (ich beginne, diesen Film zu mögen).

Während im Park weiter Krocket gespielt wird, schalten wir um in den Salon des Schlosses, wo wir weitere Mitglieder der Patientenschaft sowie wichtiges Personal kennenlernen. Zum einen Professor Dorian (den kenn ich, den kenn ich, das ist Crest aus dem Perry Rhodan-Film [von-sich-selbst-begeistert-auf-der-Fernsehcouch-rumhüpf]) und seine rechte Hand Dr. Bernd Keller alias Klaus Kinski (man kann sagen, was man will, aber als Irrenarzt wirkt Kinski von Haus aus geringfügig fehlbesetzt). Dorian ist sich jetzt schon sicher, dass die neu angelieferte Ruth „unser schwierigster Fall“ wird und überrascht des weiteren Keller damit, eine gewisse Lisa als geheilt entlassen zu wollen. Kellers mittelmäßig entgleistem Gesichtsausdruck (sofern man das bei Kinski feststellenk ann) entnehmen wir, dass er von dieser Maßnahme nicht hundertprozentig überzeugt ist (ist sie seines Erachtens noch gaga oder hat er irgendwelche eigenen Pläne mit ihr?).

Aus eher unerfindlichen Gründen hält Hans in der Nähe des Schlosses noch mal an und stiert nachdenklich auf ebenjenes, um sich danach auf Nimmerwiedersehen aus der Handlung zu verabschieden. Eine eher suspekte Szene.

Der Soundtrack trällert beschwingte Easy-Listening-Rhythmen, Chauffeur Alfred wienert den hauseigenen Rolls (ja, es ist ein eher elitäres Sanatorium) und eine gewisse Ann geifert im Park den Sensenmann an. Der Sensenmann ist natürlich, trotz der ominösen Kameraeinstellung, nicht der grimme Schnitter persönlich, sondern nur der leicht debil aus der Wäsche guckende Gärtner. Und ich möchte doch darum bitten, dass die Krankenschwestern, die immer noch mit den Patientinnen spielen, wenigstens so TUN, als wüssten sie, was beim Krocket Sinn des Spiels ist. Was die Bekittelten da treiben, hat mit dem offiziellen Krocket-Regelwerk ungefähr so viel zu tun wie badmovie-Kater Pucki mit dem „Nachher“-Foto einer Diätkatzenfutterwerbung (uh-oh, das werde ich bereuen…). Dorian ahnt, dass Ann schelmischen Schabernack im Sinn hat und pfeift sie energisch zurück: „Wollen sie denn nicht gesund werden?“

Hmtja, es mangelt Ann an der grundlegenden Einsicht, krank zu sein: „Ich bin nicht wie die verrückten Frauen hier. Ich will nur mit einem Mann schlafen! Männer sind alles, was ich brauche!“ Mir deucht, ich ahne, unter welch schrecklicher Krankheit die Dame leidet (sie möge sich doch schnell bei mir melden…). Dorian ist besorgt – Anns Sexualtrieb nimmt „manische Züge“ an. Für aufgestaute Hitzewallungen erotischer Art gibt´s ein bewährtes Hausmittel und selbiges wird Ann nun zwangsweise straf-verabreicht: eine kalte Dusche! In der Hinsicht versteht man bei Dorian wirklich keinen Spaß… Anne hüpft in der Duschkammer von einer Wand zur anderen, krümmt sich auf dem Boden und liefert so fast schon einen Ausdruckstanz, aber der Prof kennt kein Einsehen, das wird minutenlang (sehr zur Freude des Zuschauers, sofern er männlich oder lesbisch ist) zelebriert.

Dr. Keller überreicht währenddessen dem Ehepaar Sassner frohe Kunde. Luise ist laut Dorians Auskunft entlassungsreif (Luise? Vorhin hieß sie noch Lisa? Könnten wir uns bittschön einigen? [Future Doc: Jo, man kann. Luise]). Herr Sassner steht dem positiv aufgeschlossen gegenüber, nicht nur hält er Dorian für einen Wunderdoktor („seit er die Gehirnoperation an mir vorgenommen hat, geht´s mir besser“. Woah. Medizinische Allzweckwaffe. Klatschenkurierer UND Gehirnchirurg) und außerdem wird Luise in der Firma dringend benötigt – weil er nämlich entmündigt ist (und dies auch fröhlich-frei Dr. Keller ins Gesicht lächelt), ist Luise Chefin der Firma und wird für die nächste Aktionärsversammlung dringend benötigt (als Anteilseigner hätte ich meine Scheine schon längst verscherbelt. Chef entmündigt, Chefin in der Klapsmühle, ist ja schlimmer als bei Borussia Dortmund. Idealer Hort für ein langfristiges Investment).

Ann bekommt Besuch von einem gewissen Peter und spielt die „Ich bin ein Star – hol mich hier raus“-Karte, beißt aber auf Granit, trotz ihres Flehens: „Hab mich so lieb, wie damals, als wir Kinder waren“ (holla, Maladolescenza II?). Peter zieht immer noch nicht, auch nicht, als Ann ihm verklickert, dass sie aufgrund der kindlichen Erfahrungen mit ihm und dem Abflauen seines Interesses für sie „dich in jedem Mann (der nicht bei drei auf´m Baum ist, Anm. d. Red.) sucht“, aber nur Peter könne „das Feuer in mir stillen“. Ah ja, und Ann, du meinst also wirklich, du bist NICHT krank? Nein, denn Nymphomanin zu sein, was sie freimütig zugibt, dünkt ihr nicht wirklich ein Krankheitsbild zu sein und schon gar keins, weswegen man sich kurieren lassen sollte (wie schon gesagt, ich hätte noch ein Bettchen frei, ich bin da gar nicht so): „Ich bin nymphoman – was gibt´s da zu heilen?“. Peter allerdings ist unerbittlich, lässt ihre Liebesschwüre abblitzen und verkündet herzlos, dass es ein für allemal vorbei ist mit der Liebelei, und wenn sie sich nicht einkriegt, wird er sie nicht mehr besuchen kommen (was für ein Unmensch). Das ganze kommt natürlich noch ein wenig schärfer als eh schon, wenn wir anhand der rätselhafterweise nicht in den Film integrierten, als Extra vorliegenden „Bonusszenen“ erfahren, dass Peter Anns Bruder ist! Und jetzt alle – „das befriedigt meine Triebe, Geschwisterliebe, Geschwisterliebe…“ (kommt man so als Website eigentlich durch das Zitieren eines indizierten Liedes auch auf´n Index?).

Dorian bittet die entzückende rothaarige Krankenschwester, die wir ja schon kennen, von der wir aber erst jetzt erfahren, dass es sich dabei um seine Tochter Angela handelt, sich ganz speziell um eine agoraphobische (Angst vor weiten Räumen und vielen Menschen) Patientin, nämlich Pearl, zu kümmern. Wenn Papa wüßte, dass sein braves Töchterlein längst schon die Fühler dahingehend ausgestreckt hat… Naja, auf jeden Fall tut Angela das, was ihr Vater ihr sagt und übernimmt daher sofort und ohne weiteres die Nacktmassage Pearls von einer Kollegin (Pearl darf man sich dabei als Laura Gemser in weniger hübsch vorstellen). Ich beginne langsam ernsthaft zu glauben, dass Angela was von Pearl will…

So, wir hätten jetzt, gute dreißig Minuten im Film, schon zahlreiche Nebenkriegsschauplätze eröffnet, aber die Killergeschichte scheint unser Herr Regisseur und Co-Drehbuchautor über all den durchgeknallten mehr oder weniger gutaussehenden Schnecken vergessen zu haben. Naja. Wenigstens kann man sich nicht beklagen, dass der Film ansonsten zu wenig Plot hätte – wir haben ja schon mindestens vier Plots am Laufen, den mit dem Killer nicht eingerechnet.

Im Salon spielt Keller mit einer Patientin Dame und loost, mangels angemessener Konzentration, mächtig ab. Ann wirft ein paar Probe-Blicke auf Keller (so weit scheint der Nymphomanismus aber noch nicht zu gehen) und wandert etwas ziellos durch den Raum. Angela wünscht sich, dass auch Pearl sich am gesellschaftlichen Leben beteilit („man muss nachhelfen“) und Paps empfiehlt ihr, doch „mal zu ihr zu gehen“ (ich wiederhole mich: wenn der wüßte, was er da sanktioniert). Keller räumt seinen Platz am Dametisch für Luise (er muss ja schließlich anfangen, Verdacht auf sich zu lenken. Wozu haben wir denn Kinski an Bord, wenn er nicht entweder der Killer oder zumindest ein Hauptverdächtiger ist?). Ann hat sich ins Gewächshaus begeben und sucht dort nach dem Gärtner. Und, haha, welch Zufall, grad wo auch Keller den Salon verlassen hat, taucht auf einmal draußen im mittlerweile nächtlichen Park der Killer auf. Eine der seltsameren Szenen: eine Krankenschwester läuft etwas sinnlos durch den Park, würdigt den Killer eines Blickes der Sorte „ach, du bist´s“ und läuft weiter, worauf der Killer sich die vom Gärtner an einen Baum geparkte Sense packt und der Schwester den Kopf abhackt (simpelster Trick: Einstellung Krankenschwester lebendig – Einstellung Sense – Einstellung Krankenschwester-Dummy fliegt die Rübe weg). Seltsam ist die Szene wegen des Blicks der Schwester auf den Killer – soll dieser Blick den Verdacht auf Keller lenken, der ja als Arzt am Institut jedes Recht hat, auch nachts im Garten rumzulaufen? Möglicherweise, aber – der Killer ist doch bekanntlich maskiert! Vielleicht ist die Schwester ja aber auch nur in SM-Kreisen aktiv und grüßt daher jeden maskierten Kerl, der ihr über den Weg läuft…

Ann hat endlich den Gärtner ausfindig gemacht und bemüht sich, ihm in die Hose zu steigen (nachdem sie sich aus ihrem durchaus aufregenden Gewand geschält hat). Dem Gärtner steht nicht so sehr nach Beischlaf der Sinn, denn Sex mit Patientinnen ist ersichtlich fristloser Kündigungsgrund. Ann lässt sich jedoch nicht beirren (ich liebe Frauen, die wissen, was sie wollen), der Widerstand des Gärtners ist schnell gebrochen, also ab in eine Softsexszene (oder sowas ähnliches).

Im Schloß sucht Angela Pearl, wie von Paps verlangt auf, schmatzt ihr links und rechts ein Küßchen auf die Wange und verspricht, später noch mal wiederzukommen (ja, ja, ich HABE begriffen). Im Salon fällt auf, dass Ann abgängig ist. „Wie hat sie das nur wieder geschafft?“, fragt sich Dorian (eh, also, najaaa, wie soll ich´s sagen… sonderlich schwer war´s nicht. Unter „tighter Security“ verstehe ich was anderes). Keller unterhält sich dieweil mit Luise, die sich besorgt darüber äußert, nach Entlassung in der freien Wildbahn wieder rückfällig zu werden und sich „allein und verlassen“ zu fühlen. Sichtlich nicht von dem überzeugt, was er erzählt, zitiert er Dorian, wonach sie ein für allemal von ihrer Delle geheilt sei. „Können wir uns trotzdem sehen?“, will Luise wissen. Die wird doch nicht???

Indes schwärmen die Pfleger aus und suchen nach Ann. Dem Gärtner wäre es recht, wenn die sich postkoital nun wieder verpissen würde, bevor´s für ihn Ärger gibt, aber Ann ist bockig. „Nein“, zickt sie und weigert sich entschieden, sich wieder anzuziehen, geschweige denn, sich vom Acker bzw. vom Gewächshaus zu machen. Der Gärtner (einen Namen kriegt der arme Kerl nie) besinnt sich auf das alte Mittel „leichte Schläge erhöhen das Denkvermögen“ und scheuert ihr ein paar saftige Watsch´n. Wutschnaubend revanchiert sich Ann mit einer ihrerseitig ausgeteilten Ohrfeige, packt sich in ihre Klamotten und verlässt angefressen das Areal (Ziel erreicht), um den nach ihr pirschenden Pflegern betrunken spielend an die Wäsche zu gehen (wenn du´s einmal hast besorgt bekommen, dann verschiebe nix auf morgen, oder so ähnlich). Dorian spricht das finale Machtwort.

Schlafenszeit. Kamphausen schließt Ruth (die gibt´s auch noch) in ihrem Zimmer ein, wo diese ein paar Flashbacks träumt (ihren Griff ins Lenkrad, ihr Attentat auf Kamphausen etc.). Der Killer schleicht durch´s Haus (ein etwas sinnloser Zwischenschnitt verdeutlicht uns, dass die Schwestern in einem Gemeinschaftsschlafraum nächtigen) und bedient sich in der Halle beim Waffen-Discount (jetzt mal Klartext: wer hält es für eine gute Idee, in einer Klapsmühle, und nichts anderes ist der Schuppen ja, mit diversen depressiven, suizidgefährdeten oder sonstwie durchgeknallten Weibern, in einem Raum frei zugänglich für jeden echte, scharfe, tödliche Waffen rumhängen und -liegen zu haben? Da zahlt doch keine Versicherung, das ist doch schon grob fahrlässig…), heute entscheidet er sich für einen Dolch. Und jawoll, Ruth ist sein designiertes Opfer. Die verschlossene Tür stellt kein Problem dar, da Kamphausen den Schlüssel hat stecken lassen. Angesichts der zukünftigen Leiche scheint der Killer seinen Plan zu ändern. Er drückt der Schlafenden den Dolch in die Hand, nimmt seine Maske (die wirre Frisur, selbstredend ist das Gesicht der suspense halber weiterhin im Schatten, erinnert an Kinski) ab und wartet, bis sie aufwacht (? Hat der Kerl ´nen Todeswunsch?).

Nun, sein Plan (?) geht auf – Ruth erwacht, findet a) Dolch in ihrer Hand und b) fremden Kerl in ihrem Zimmer, zählt 2+2 zusammen und unternimmt einen mit „halbherzig“ noch euphorisch umschriebenen Versuch, a) auf b) anzuwenden. Offenbar war das, was der Killer wollte (warum auch immer), jetzt kann er sie würgen. Und nachdem er sie zu Tode gewürgt hat, würgt er sie noch ein bissl weiter (warum auch aufhören, wenn´s Spaß macht). An der toten Ruth beginnt er dann mit dem Dolch ein wenig rumzuspielen, er kratzt ihr ein Kreuz (? Sah zumindest so aus, aber ob das absichtliche Symbolik ist, I don´t know) in den Bauch und schnippelt ihr den Slip auf. (Hm, war das jetzt „Erotik“ oder „Gore“?) – Für Leute, die so was wissen wollen. Wir sind jetzt gut 50 Minuten im Film und das war der erste Kill.

Eine Gestalt kraucht mit Taschenlampe durch die Gänge – es ist Dorian und er ertappt… Angela (Motto: wie züchten wir uns eine weitere Verdächtige). Beide kunften aus, von Geräuschen geweckt worden zu sein, aber nix ist zu sehen oder hören, also sagt man sich wieder gut´ Nacht. In der Nacht ist auf den Korridoren des Schlosses aber fast so viel Betrieb wie am Bahnhof Zoo zur Rush Hour, denn auch Keller schleicht durch die Gänge, dito Alfred. Letzterer, da von „funny incidental music“ begleitet, ist aber erst mal für comic relief zuständig, indem er die von den Patientinnen nicht ausgetrunkenen Wein- und Schnapsgläser leert (wirklich sehr, eh, laxe Regeln in diesem Sanatorium. Alk für die Durchgeknallten. Wundern muss man sich da über gar nix mehr). Auch Alfred hört verdächtige Geräusche und folgt ihnen zwecks Inspektion in die Waffen-Halle. Doof, wie er ist, macht er die eiserne Jungfrau auf. Der Killer, nicht faul, schubst ihn rein und die Jungfrau zu (I told ya it´s a stupid idea keepin´ that thing around!). Während aus der Blutablaufrinne der Jungfrau Blut abläuft, sucht sich der Killer die nächste Mordwaffe aus und entscheidet sich nun für ein Schwert. Pech nur, dass das Zimmer seines designierten Opfers leer ist. Wo er schon mal da ist, vermöbelt er mit dem Schwert wenigstens das Bett. Übrigens – das ganze ist ungefähr sooo aufregend und packend inszeniert wie 1000 Meisterwerke, nur ohne so unterhaltsamen Erzähler.

Mir deucht, abgesehen hatte er es auf Luisa, die ist aber gerade unterwegs, um sich Keller an den Hals zu schmeißen (und er hat schon gewartet: „Warum kommst du erst jetzt?“ Professionelles Arzt-Patient-Verhältnis). Pearl hat sich entschlossen, ein nächtliches Bad zu nehmen (sehr praktisch für die Filmemacher ist übrigens, dass sich das Mädel den Soundtrack des Films auf´m Kassettenrecorder anhört). Es fehlt nicht viel, und wir dürften das Füllen der Wanne und Pearls Badevorbereitungen in Echtzeit mitansehen (yep, the film is THAT slow). Wenigstens verblüfft uns Pearl mit der überraschenden Tatsache, dass ihre Langhaarmähne eine Perücke ist, die sie vor´m nackig-in-die-Wanne-steigen abnimmt (?). Kaum sitzt sie in der Wanne, öffnet sich ihre Zimmertüre… wuaaah… ist es der Killer oder ist es Angela (oder ist es Angela, die Killerin?). Natürlich ist es Angela – und Pearl ist sogar leicht pikiert, dass sie sie so lang hat warten lassen. Aber sie ist schnell versöhnt, weil Angela sie zärtlich mit dem Schwamm abrubbelt. Und damit dabei die Schwesterntracht nicht nass wird (kost ja auch alles Geld), zieht sie die auch vorsichtshalber aus (trägt man da wirklich direkt die Unterwäsche drunter?). Zu Angelas sichtlicher Enttäuschung mag sich Pearl aber nicht im Intimbereich abschwammen lassen: „Lass nur, das mach ich selber!“ Angela zieht ´nen Flunsch und sich ins Schlafzimmer zurück.

Luise gesteht dieweil Keller ihre Liebe (! Man kann auch geschmacksverirrt sein), was der Doktor nicht per se für ungewöhnlich hält („das kommt zwischen Ärzten und Patienten vor“), aber ihre Aussage „du hast mir Hoffnung in einer leeren Ehe gegeben“ für ein wenig übertrieben hält. Egal, Luise hat sich in den Kopf gesetzt, Keller an Ort und Stelle zu vernaschen. Den Zudringlichkeiten des Weibsstücks entzieht er sich durch den Verweis auf dringende Rundgangspflichten.

Ann pennt in ihrem Bett, hat Flashbacks und masturbiert dabei (im Schlaf? Geht das? Also, bei uns Kerlen ist das zumindest recht schwierig). Ich glaube, wir haben unser nächstes Opfer gefunden. Der Killer sucht auch schon sein Werkzeug aus und, unkreativ, wie er ist, wählt er erneut die Streitaxt (andererseits, hat ja im ersten Anlauf nicht geklappt, und nein, ich bin mir immer noch nicht sicher, wer das Mädchen in der Pre-Title-Sequenz war. Luise?). Staunend wird der Killer Zeuge, wie Ann mehr oder weniger ihr Kopfkissen vergewaltigt und noch größere Bauklötze (mindestens Lego-Duplo) staunt er, als sie aufwacht und angesichts eines maskierten Kerls mit Axt in der Hand im Schlafzimmer nicht kreischend in Panik verfällt, sondern in ihm einen vom Himmel geschickten Bettgefährten sieht. „Leg dich zu mir, zieh dich aus!“ Das haut den stärksten Killer um… aber nicht den unseren, der schwingt die Axt und hackt auf Ann ein (großes Kino: die Axtschwünge sehen wir per Schattenspiel und nur die blutigen, aber reichlich konservativ gestalteten Resultate an Anns Körper gibt´s großformatig [die einzige Szene, in der die Axt tatsächlich in sie eindringt, hab ich im deutschen Trailer geortet, wenn ich an der entsprechenden Stelle im Film nicht gerade geblinzelt habe. Stopp, gerade nachgeprüft, ich HATTE geblinzelt, die Szene ist im Film drin). Und wir merken – wir ziehen das Tempo an, das war der zweite Mord innerhalb von 20 Minuten! Edge-of-the-seat-excitement!

Pearl badet immer noch, Angela sitzt geduldig neben an und betreibt ebenfalls fröhliche Selbstbefriedigungsspiele. Der Killer hat seine Mordquote für den heutigen Abend noch nicht erfüllt und sucht sich eine neue Waffe aus (komischerweise hängt die Axt ordnungsgemäß da, wo sie hingehört und es sieht dem Schnitt nach nicht so aus, als hätte der Killer sie gerade wieder aufgeräumt). Jetzt soll´s die Armbrust richten (scheinbar steht unserem Mörder nun nach einer Missetat aus größerer Entfernung der Sinn). Der Film überrascht mich indes nun doch – sollte Bertucci mit „an Hardcore grenzend“ doch ins Schwarze getroffen haben? Großaufnahme einer, hm, wie sag ich´s nicht-jugendgefährdend, Mumu, deren Besitzerin an selbiger fingertechnisch rumspielt (ich wage aber zu bezweifeln, dass das tatsächlich Angelas Muschi, bzw. die deren Darstellerin ist, da selbige bis dato und auch in Folgezeit [danke an Future Doc für diese Info] nicht mal aus ihrem BH fährt. Das wäre schon seltsam inkonsequent).

Der Kassettenrecorder dudelt latin jazz – „Musik aus deiner Heimat“, stellt Angela sachkundig fest. „Ja, dazu haben wir als Kinder oft getanzt“, erinnert sich Pearl wehmütig und legt sofort eine kesse Sohle exotischen Tanzes aufs Parkett (ob ihre Kindertänze auch diesen eindeutig verführerisch-erotischen Charakter hatten? Those South Americans…). Und übrigens – just what this movie needed – exotic dancing. Angela, die zunächst etwas unrhythmisch zappelnd beiseite steht, steigt ins lustige Rumgehüpfe mit ein – ich frage mich an dieser Stelle, was dem Film nun wichtiger ist: den Killer zu enthüllen oder Angela und Pearl in die Koje zu kriegen? Zumindest letzteres bewerkstelligt der Streifen nun endlich. Angela küßt Pearl und nun geht´s tatsächlich ins Bettchen – Angela macht sich daran, Pearls Intimzone zu bearbeiten (das Grillenzirpen, das in genauso irrational – schließlich ist das eine Indoor-Szene – wie übertrieben laut, vom Soundman eingefiedelt wird, nervt gewaltig)… und – DAS WAR´S??? Da macht man uns den Mund wäßrig (an Hardcore grenzende Sexszenen, you remember) und dann sehen wir zehn Sekunden lang Pearls Pelz (und in diesem Falle auch nicht mehr) und ann sind die beiden schon fertig mit der heißen Nummer? Buuuh! Spielverderber! Das giltet nicht!

Das denkt sich offenbar auch unser Killer, der draußen im Garten steht, wartet, bis Pearl ans Fenster tritt (hm, scheinbar ist der Kerl Gedankenleser und wußte, dass Pearl nach´m Akt frische Luft schnappt oder er hat sich einfach auf Verdacht draußen hingestellt und gewartet, dass irgendwann mal irgendeine Schnepfe ein Fenster aufmacht. So´n Psychokiller braucht echte Engelsgeduld) und jagt ihr dann einen Armbrustbolzen durch den Hals (ist das „Gore“?). Angela macht erwartungsgemäß KREISCH (wenigstens wissen wir jetzt, dass sie´s nicht gewesen sein kann) und trommelt damit das ganze Haus zusammen. Dazu gehören auch Dorian und Keller. Keller mimt das Stoneface, den die ganze Killerei nicht wirklich zu tangieren scheint, Angela ist reichlich hysterisch. „Nimm dich gefälligst zusammen“, pfeift Papa Dorian seine Tochter zusammen (!! Da hat mal eine Frau wirklichen Grund, hysterisch zu sein und dann wird sie auch noch deswegen zusammengefaltet. Wenn man ihr jetzt das letzte Paar Gucci-Schuhe vor der Nase weggekauft hätte [macht Gucci Damenschuhe? Ich kenn mich da nicht aus…] und deswegen so rumheulen würde, hätte ich für Papas Rüffel ja noch Verständnis). Auch Luise kommt am Tatort vorbei. Dorian wundert sich zwar, aber Kellers „Sie war bei mir“ stellt ihn überraschenderweise zufrieden (andererseits – er hat durchaus andere Sorgen als unerlaubte Verhältnisse zwischen Arzt und Patient). „Wir sollten uns mal genauer umsehen“, schlägt Dorian intelligenterweise vor – in der Waffenhalle fällt der gestrenge Blick des Oberarztes auf einen blutigen Dolch und eine blutige Axt. „Ich rufe die Polizei!“, hat er den Einfall des Jahrhunderts, dieweil Luise bemerkt, dass aus der eisernen Jungfrau was raussabbert. Neugierig macht Dorian den Kasten auf – drin steckt natürlich der vielfältig durchbohrte (und gerade den aufgebohrten Hinterkopf kann man jetzt doch mit Fug und Recht „Gore“ nennen) Alfred und ist tot. Keller fällt auf, dass eins der Dekoschwerter fehlt, woraus flugs kombiniert wird, dass dieses im Besitz des Killers und letzterer noch im Haus ist. „Das ist ein Psychopath, ein kaltblütiger Killer“, stellt Dorian eine fachlich fundierte Blitzdiagnose (wie kommt er nur darauf…) und wiederholt sein Ansinnen, die Gesetzeshüter zu alarmieren (dann TU´S halt endlich, Nase!).

Die Kamera fährt liebevoll nochmals die bisherigen Opfer ab und Dorian schaft es tatsächlich, die Polizei zu verständigen, die möge doch bitte schleunigst, aber, um die reichen Patientinnen nicht zu verunsichern (ha), „ohne Aufsehen“ kommen. Was Dorian nicht erwartet hat, ist, dass der eintreffende Kommissar und sein Gehilfentschakl ihn erst mal ordentlich zur Sau machen: „Alle Leichen bewegt, die Mordwaffen entfernt, und dann sollen wir schnell kommen! Sie sind ja übergeschnappt!“ Ok, der Kommissar hat nicht ganz unrecht, aber sein nachfolgendes Statement „so sind wir nicht in der Lage, weitere Morde zu verhindern“ halte ich für erstens reichlich frech und zweitens doch ziemlich unproduktiv. Auch Dr. Keller kriegt sein Fett weg: „Wissen sie nicht, dass man die Polizei anruft, wenn ein Verbrechen verübt wurde?“ (Ja und? Hat Keller etwa eins entdeckt? Eben nicht. A rather cryptic remark, if you ask me). Immerhin – die Bullen lassen die Klapsmüller nicht mit einem (un)freundlichen Gruß und besten Wünschen für das Überstehen der Nacht stehen, sondern rufen Verstärkung. Einen genialen Plan zur Ergreifung der Bestie hat man auch schon erarbeitet – eine Falle soll gestellt werden, und den passenden Köder hätte Dorian auch an der Hand – Luise, denn „da könnte ich gleich testen, ob sie wirklich schon geheilt ist!“ (!!!! Wie das? Wenn sie sich vom Killer umbringen lässt, ist sie „nicht geheilt“, oder was? Meine Fresse, und sowas ist Psycho-Konifere??). Keller findet den Plan nicht so gut (immer noch schweren Verdacht auf sich lenkend, und weil er Luise ja wohl auch nicht gänzlich unsympathisch findet, dürfte es ihm, wenn er der Killer wäre, nicht angenehm sein, sie umbringen zu müssen. Ganz abgesehen davon, dass es etwas dödelig ist, davon auszugehen – seitens der Filmemacher, mein ich jetzt -, wenn Keller tatsächlich der Mörder wäre, dass er dumm genug ist, in eine Falle, deren Ausheckung er selbst mitgehört hat, auch noch reinzutappen), da zu riskant. Der Kommissar allerdings schafft an und spricht mit Luise (was wir aber nicht sehen).

Keller will von ihr wissen, was der Gesetzesmann ihr erzählt hat. Dazu äußert sich das Mädel aber nicht, sondern vielmehr blumig und begeistert, dass sie enthusiastisch mitmacht, denn das wäre eine Möglichkeit, Keller und Dorian für die erfolgreiche Behandlung zu danken (!). Und abgesehen davon erneuert sie ihre Liebeserklärung. „Wenn du es so willst“, murmelt Keller und zieht dazu eine typisch undurchsichtig-fiese Kinski-Schnute.

Luise wartet im Salon auf den Killer (mir ist nicht ganz klar, wie der Killer eigentlich wissen soll, dass Luise zum Abschuß freigegeben ist) und flashbackt, in case we´ve forgotten, noch mal auf die bisherigen Opfer. Der Killer lässt sich in der Tat nicht lumpen und greift zur nächsten Waffe aus dem Fundus – ein Stück Seil zum Strangulieren. Damit stürzt er sich auf sie und wird ohne größere suspense-Erzeugung sofort demaskiert. Es ist… Trommelwirbel… Sassner, Luises Ehemann!!! (Boah, das ist jetzt aber wirklich ´ne Überraschung. Der hatte bis jetzt ja so ziemlich genau eine Minute Screentime und fünf Zeilen Text). Sassner nimmt angesichts einer Horde einfallender Bullen die Beine in die Hand, die Cops stürmen hinterher. Und Luise sieht klar: „Er hat´s auf mich abgesehen!“ Die schmalbrüstige Motivation ist wohl, dass Sassner Luise der Firma wegen umbringen wollte (was ihm das helfen sollte, bleibt ungeklärt, weil er ja entmündigt ist. Mit Luise würde sein einziger Einfluß auf die Firma ja verschwinden) und die anderen fünf Morde (ah, hat man die namen- und jetzt kopflose Krankenschwester mittlerweile auch gefunden?) nur der Tarnung wegen ermordet habe (dazu paßt aber nicht wirklich, dass er Luise eigentlich schon nach Ruth umbringen wollte). „Er hat den Psychopathen nur gespielt“, greint Dorian (??? Dann war die Mordserie also Ausdruck eines gesunden Geists in einem gesunden Körper? Ich meine, was ist psychopathischer, als fünf Morde zu begehen, nur um einen sechsten zu tarnen?).

Sassner türmt also durch die Korridore, die Polizisten eher relaxed hinterher (so richtig eilig, den Kerl zu fangen, scheinen sie´s nicht zu haben). Sassner hat sich zwischenzeitlich den Morgenstern organisiert (hatte mir doch gedacht, dass die Produzenten diese Waffe nicht auslassen werden), haut damit zwei Bullen um und stürmt in den Schwesternschlafraum. Blöd, wie die Nurses sind, drängeln sie sich alle panisch in eine Ecke ohne Notausgang und erlauben dem total durchgeknallten (und vollkommen unpsychopathischen, gelle) Sassner, ein Morgenstern-Massaker anzurichten, erst eine, dann zwei, dann drei, dann vier bekommen den mittelalterlichen Apparillo um die Ohren und sonstige Körperteile geschlagen (zwar ist die Szene ordentlich blutig, hat aber mit „Gore“ und „Splatter“ nichts am Hut. Simple Technik – wir sehen Sassner beim Zuschlagen und er wird mit Blut bespritzt, Gegenschnitt auf die blutverschmierten Körper der Schwestern). Die Filmmusik steigert sich zum finalen Crescendo – endlich (dauert lang genug) hecheln die Bullen in den Raum, brauchen zwei Sekunden, um die Lage zu peilen (hm, in der Ecke ein ganzer Haufen toter Krankenschwestern, in der anderen Ecke ein blutbespritzter Typ mit irrem Blick und ´nem Morgenstern, was tun?) und schießen ihn zu Klump (jetzt doch mal verhältnismäßig explizit blutig, aber ein bissl übertrieben – der arme Kerl wird mindestens ein dutzend Mal erschossen…). ENDE.

First things first – ich weiß ja, was meine Klientel wissen will.. mit „Gore“ hat Das Schloss der blauen Vögel, von wenigen etwas expliziteren Blutszenen abgesehen, nichts am Hut. Es ist nun mal ein Giallo und Anfang der 70er Jahre waren das eben keine Schlachtefeste, sondern lediglich eine exploitativere (hm, Wort?) Ausrichtung des Kriminalfilms. Und wenn man sich vor Augen hält, dass dieser Streifen nach einer, hüstel, literarischen Vorlage aus der Feder niemand Geringeres als Heinz G. Konsalik (ja, der mit den ganzen „Arzt von Stalingrad“-Schmonzetten, die Eure Omas gelesen haben) gedreht wurde, dürfte klar sein, dass der Konsument selbst bei Mitwirkung diveser italienischer Spezialisten keine Splattergemetzel erwarten darf.

Selbstverständlich hat aber Vielschreiber Konsalik nicht mal solche dezenteren Schweinereien zu Papier gebracht, wie sie hier serviert werden. Fernando di Leo und sein Co-Autor Nino Latino (wenn der Name echt ist, dann Respekt), die´s zumindest in der internationalen Fassung auch nicht nötig hatten, Konsalik in irgendeiner Form zu kreditieren, verwendeten nämlich nur einige Motive der Romanvorlage (und bevor jetzt einer glaubt, ich hätte das Buch ernstlich gelesen – nein, ich hab im Internet den Covertext der Taschenbuchausgabe gefunden) für eine eigentlich komplett andere Story. In Konsaliks Roman geht´s mehr um den Mad-Scientist-Aspekt der Story. Sassner ist dort ein erfolgreicher Geschäftsmann, der eines Tages eine mittelschwere Klatsche entwickelt und sich deswegen nach Hohenschwandt einliefern lässt, wo Professor Dorian angesichts des vermeintlich unheilbar Dachgeschädigten auf die Idee kommt, seine revolutionären Gehirnchirurgie-Thesen praktisch umzusetzen, und das scheinbar erfolgreich. Bei der „zweiten Hochzeitsreise“ mit Luise (in den schönen Schwarzwald) verschwindet Sassner jedoch spurlos und wird vor tot erklärt (an dieser Stelle endet der Klappentext, so dass ich es durchaus für möglich halte, dass Sassner als eine Art Frankenstein-Monster auf eine killing spree geht, aber, Ihr seht schon, von Nymphomaninnen etc. ist im Buch nicht die Rede).

Was mich angesichts der tatsächlichen filmischen Umsetzung doch stark wundert, ist, dass die Italiener die rein inhaltlichen Horror-Elemente der Vorlage eher abgeschwächt denn verstärkt haben. Die Konsalik-Plotte hat, wie wir gerade festgestellt haben, ein astreines Frankenstein-Motiv, das aber in der Filmfassung vollkommen ignoriert wird (zwar wird die Gehirnoperation an Sassner kurz angesprochen, aber seine anschließenden Morde werden mitnichten auf den chirurgischen Eingriff, sondern auf schlichte Geldgier geschoben – ist aber nicht auszuschließen, dass die deutsche Synchro hier entschärft hat). Ich denke, dass dies in dem Zeitgeist und ganz besonders dem deutschen Kinopublikum geschuldet ist (ich setze mich mal wieder gern filmanalytisch in die Nesseln, sprich: es kommt eine vermutlich vollkommen unhaltbare filmtheoretische These auf Euch zu. Wenn Ihr auf blöde Witze auf Kosten des Regisseurs oder der Schauspieler wartet, überspringt zwei-drei Absätze. Mal sehen, was ich dann für Euch tun kann).

Es wird nämlich klar, dass Das Schloss der blauen Vögel in einer Übergangsphase des italienischen Genrefilms entstand, und zwar von den ganz oben angesprochenen Edgar-Wallace-Filmchen hin zu dem, was wir heute als „klassischen 70er-Italo-Horror“ a la Argento kennen. Das ganze Genre hatte also noch frischeste Erinnerungen an die harmlosen Wallace-Gruselkrimis (wenn man sie überhaupt so nennen will), weswegen meiner Meinung nach im Schloss versucht wurde, die Frankenstein´eske Horrorstory zu vernachlässigen und die Plotte vielmehr in das typische Korsett einer Wallace-Verfilmung zu drängen, und dabei sachte den Sleaze-Faktor zu steigern, in Form von mehr nackter Haut, als man sich in einem Wallace-Film (die ja ein eher konservatives Publikum anzogen) zu zeigen traute, und mehr expliziter Gewalt, als wollten die Filmemacher langsam ausloten, wieviel sie dem Publikum zumuten konnten (nach Ansicht der bundesrepublikanischen Filmzensoren nicht viel, denn von den sleazigen Szenen bekam der gemeine deutsche Kinozuschauer natürlich keine einzige zu Gesicht. Satte neunzehn Minuten wurden der kompletten Fassung entnommen, bis sie Tauglichkeit für deutsche Filmtheater erlangte. Schätze, diese Rumpffassung war schon eher auf Konsalik-Niveau).

Ich hab geschwindelt – ich mache in diesem Ansatz schon mit der regulären Kritik weiter und baue später noch ein paar Vergleichsargumente ein. Zunächst also noch zur Story – für die Verhältnisse eines italienischen Dünnbrettbohrerfilms bemüht sich der Film – ungeachtet seiner spekulativen Exploitation-Elemente – um eine relativ geradlinig erzählte Geschichte (bevor mir jemand ins Gesichts pringt: ich sage „bemüht“, das impliziert nicht einen Erfolg dieser Bemühungen), die versucht, die angerissenen Subplots einigermaßen schlüssig in die Story zu integrieren (das klappt allerdings weniger gut – die durchgeknallte Ruth gibt einen lausigen red herring ab, weil der erste Mordanschlag bereits vor ihrer Ankunft verübt wird, die Romanze zwischen Angela und Pearl ist eindeutig darauf hinkonstruiert dass die beiden miteinander schlafen und das wird schon nach der ersten gemeinsamen Szene der beiden klar, Anns nymphomanische Ader trägt zum Film schlichtweg gar nichts bei [außer, dass wir drei Sekunden lang überlegen dürfen, ob vielleicht doch der Gärtner der Mörder ist] und die Liebesbeziehung zwischen Keller und Luise ist ebenfalls nicht glaubhaft genug gezeichnet; es wird weder wirklich klar, warum Luise sich in Keller verliebt hat noch warum der diese Gefühle sichtlich erwidert. Immerhin, der Film wird damit Mitglied eines elitären Clubs, nämlich dem der Filme, in denen Kinski am Ende das Mädchen kriegt. Kommt nicht so oft vor).
Covervariante B: Der Triebmörder

Die eigentliche Geschichte um den irren Mörder interessiert Fernando di Leo (nicht überraschenderweise) dabei weniger als das Potential der Story, möglichst viele Frauen in spärlich bis gar nicht bekleidetem Zustand zu zeigen (wo ich bei einem Fulci-Film nun sagen würde, er baut seine Gore-Szenen im Minutentakt zum Selbstzweck ein, sind´s hier halt die Nacktszenen. Wobei ich grundsätzlich Nacktszenen aufgeschlossener gegenüber stehe als Goregeschmodder mit dickflüssigem schwarzen „Blut“). Konsequenterweise kommt die Auflösung des Mysterys (und, nachdem wir uns nominell in einem Giallo befinden, sollt das eigentlich noch das Hauptaugenmerk des Films sein) aus dem luftleeren Raum. Auf Sassner deutet außer seiner Kinski-ähnlichen Frisur überhaupt nichts hin, zumal der Bursch, wie erwähnt, vielleicht eine gute Minute Screentime hatte und 90 % des Publikums wahrscheinlich völlig vergessen hatte, wer das eigentlich ist (was wohl auch dem Regisseur klar war, weswegen er sicherheitshalber kurz vor die „Enttarnung“ ein paar Flashbacks mogelte). Als Murder-Mystery funktioniert der Streifen also schlicht und ergreifend gar nicht, aber haben wir das erwartet? Nö, nicht wirklich.

Auch stilistisch lässt sich die Verwandschaft zu den Edgar-Wallace-Filmen nicht völlig von der Hand weisen: die plüschige Ausstattung des Schlosses, die Fülle der Charaktere, das „10-kleine-Negerlein“-Prinzip mit eher obskuren Mordwerkzeugen, wie es viele der Wallace-Krimifilme auszeichnet, sogar Klaus Kinski darf eine typische „Kinski-in-Wallace-Filmen“-Rolle spielen. Einzig auf comic relief (also das, was Eddi Arent etc. in einem deutschen Wallace gespielt hätte) wurde (dankenswerterweise) nahezu vollständig verzichtet (die einzige diesbezügliche Szene liefert Chauffeur Alfred mit dem Restesüffeln im Salon, kurz bevor er ins Gras bzw. in die eiserne Jungfrau beißt). Di Leo filmt das ganze handwerklich auf einem erstaunlich hohen Niveau – Kameraführung und Schnitt wagen tatsächlich ein paar vorwitzige Experimente (besonders der Schnitt überrascht mit einigen für 1971 geradezu spektakulären rapid-cut-Sequenzen, die ich Italienern im allgemeinen und denen von anno tobak im speziellen gar nicht zugetraut hätte), aber ein Problem, und das ist leider Gottes ein arg gravierendes, kann ich halt nicht verschweigen – der Film ist himmelelendiglich laaaaaaangsaaaaaaaam. Um einen unpassenden Vergleich zu liefern, aber es fällt mir halt momentan kein besserer ein, bei Roger Corman wäre der Film maximal 50 Minuten lang geworden (ohne auch nur ein Storyelemente auszulassen). Di Leo ist ein wahrer Meister darin, eine bedeutungslose Szene in geradezu epische Breite auszuwalzen. Das fängt schon mit der Pre-Title-Sequenz an, in der der Killer ungelogen drei Minuten braucht, bis er sich seinem potentiellen Opfer auf Schlagdistanz genähert hat (bereits in dieser Phase läuft ein modernen Sehgewohnheiten anhängendes Publikum Gefahr, sanft zu entschlafen, weil da nichts, gar nichts, an „Spannung“ oder „suspense“ erzeugt wird). Die nächsten 30 Minuten könnte man, wäre man böswillig, sowieso komplett überspringen, weil sich wesentliches für die „Handlung“ nicht tut, wir statt dessen Hans und Ruth beim Autofahren (zwei-drei Minuten), Krankenschwestern beim (schlechten) Krocketspielen (in drei Blöcken insgesamt sicher anderthalb Minuten), den Patientinnen beim Dame-Spielen und Wein trinken im Salon (ewig) zusehen dürfen etc. pp. Selbst als der eigentliche Killer-Plot in die Gänge kommt, bleibt der Film stilistisch hiervon völlig unbeeindruckt und spielt sich weiter im schlafwandlerischen Tempo ab (das trifft sogar auf die ein oder andere Killszene selbst zu – namentlich die von Ruth und Alfred). Und obwohl wir an dieser Stelle mittlerweile offiziell einen wahnsinnigen Mörder durch die Korridore schleichend wissen, dünkt es den Filmemachern, dass wir Zeit genug dafür haben, Pearl sicher drei-vier Minuten bei ihren Badevorbereitungen zuzusehen (von sicher auch noch mal drei Minuten pseudolateinamerikanischem erotischen Ausdruckstanz nach dem Bad mal ganz abgesehen). Wenn Ihr jetzt mal zusammenrechnet, dass allein die eben aufgeführten Szenen über 20 Minuten ausmachen, habt Ihr sicher ein Gefühl dafür bekommen, mit welchen Mitteln Fernando di Leo Zeit totschlägt. Und auch ein gewisses Verständnis dafür, warum der eigentliche Showdown (besonders das Massaker an den Krankenschwestern bedient sich dabei wieder eines effektiven Schnitts) in seiner vergleichsweisen Dynamik wie aus einem anderen Film stammend wirkt.

Spezialeffekttechnisch lassen die Italiener nichts anbrennen – zwar sind nur sehr wenige der Effekte wirklich expliziter Natur (einmal eine eindringende Axt, das Loch im Kopf von Alfred und die Erschießung im Finale, der Rest sind einfache aufgetragene Kunstblutspritzer), die sind aber auf anständigem Niveau (bzw. so kurz eingeblendet, dass man sich über etwaige technische Mängel keine Gedanken machen kann). Als „Gore“-Film würde ich den Streifen allerdings trotzdem nicht verkaufen wollen (was aber den Kollegen Bethmann sichtlich nicht hindert), es ist halt ein Exploitation-„Thriller“ mit ein paar etwas härteren Szenen. Was die „Erotik“ angeht, hat Bertucci sicher eher Recht, obwohl das Versprechen der „an Hardcore grenzenden Sexszenen“ natürlich nicht eingehalten werden kann, wenn man von einer explizit zu sehenden Mumu absieht (das kommt zugegeben im „Mainstreamfilm“ schon eher seltener vor, aber „Hardcore“ würde ich das nun auch nicht nennen, zumal die Szene ungefähr zweieinhalb Sekunden dauert).

Die typischen beschwingten (und aus heutiger Sicht hübsch unpassend) wirkenden Easy-Listening-Rhythmen des Soundtracks steuert Silvano Spadaccino bei, die wie erwähnt teils opulente Kameraführung besorgt Franco Villa, der zuvor schon zahlreiche Spaghettiwestern wie Django e Sartana und danach noch „Klassiker“ wie Giallo a Venezia oder Patrick Still Lives fotografierte.

Zu den Schauspielern – mit Klaus Kinski war das Budget für renommierte Darsteller internationalen Ranges sichtlich erschöpft. Kinski plagt sich, wie so oft in seiner Karriere, mit dem Faktum, seines Namens wegen eingekauft worden zu sein, aber eine streng genommen eher unwichtige Rolle spielen zu müssen. Sein Dr. Keller ist nicht mehr als ein relativ verzweifelter red herring – man verlässt sich seitens der Filmemacher darauf, dass das Publikum Kinski automatisch als Verdächtigen klassifiziert und sich deswegen tiefergehende Charakterisierung, geschweige denn Screentime, in der Kinski irgendwas bedeutungsvolles anstellen könnte, ersparen zu können. Wie üblch überzeugt Kinski, obwohl sichtlich mit angezogener Handbremse agierend, durch schiere Präsenz und selbst, wenn ein Klaus Kinski nicht mit vollem Einsatz dabei ist, gibt´s immer wieder kleine Momente des Glücks (für den Kinksi-Fan), wenn eins seiner typischen sardonischen Lächeln oder ein rätselhaft-undurchsichtigen Gesichtsausdruck zu bewundern ist. Zu seinen größten Rollen zählt diese allerdings zweifelsfrei nicht, da er einfach zu wenig Chancen hat, sich zu profilieren – das ist sowieso eine der großen Schwächen des Films bzw. seines Scripts – ihm mangelt es an einer Hauptfigur. Durch die Episodenhaftigkeit der diversen Subplots mit ihren ebenso diversen Protagonisten entwickelt sich keine durchgängige zentrale Figur, sondern man hat den Eindruck, wie in einer Seifenoper drei-vier Handlungsstränge parallel zu verfolgen. Das kann mit einem qualitativ guten Ensemble funktionieren (siehe Robert Altman), aber natürlich eher weniger in einem italienischen Früh-Giallo.

Abschweifung beendet, zurück zu den Darstellern. Professor Dorian wird von John Karlsen verkörpert, den ich korrekt als Mimen des Arkoniden Crest in der bodenlosen Perry Rhodan-Verfilmung (am entsprechenden Ort hier nachzulesen) identifizierte. Karlsen ist bis heute aktiv und kann behaupten, neben zahlreichen Schotterfilmen in Italien auch für Fellini (8 ½, Polanski (What?) und Corman (Roger Corman´s Frankenstein) gearbeiter zu haben. Karlsen bietet hier eine sachliche, einigermaßen glaubhafte Vorstellung.

Den Rest des Ensembles machen (bis auf vernachlässigenswerte Ausnahmen wie den Gärtner und den Mörder, von dem ich nicht mal weiß, von wem er gespielt wird), die Frauen aus. Mitlesende Chauvinisten (und ein anderes Publikum wird sich für den Film eh nicht großartig interessieren, also kann ich ja gleich für die Zielgruppe schreiben) wird´s freuen, dass die meisten Damen durchaus hübsch anzuschauen sind (Ruth wirkt mir ein wenig zu alt, tschuldigung, und die Dunkelhäutigen sind einfach nicht mein Typ, weswegen das Laura-Gemser-Phänomen an mir auch relativ spurlos vorbeigeht).

Margaret Lee (Luise) befand sich schon beinahe am Ende ihrer bewegten Italo-Schund-Karriere, die 1962 mit den üblichen Sandalenfilmen begann, sich über Eurospy-Agentenfilmchen wie Agent 077 fortsetzte, den in Deutschland unglücklich als Gern hab ich die Frauen gekillt betitelten semikultigen Killer´s Carnival beinhaltete, 1969 auch in einem italienischen Wallace-Film (a-haa!) namens Das Gesicht im Dunkeln mitwirkte (ich geb zu, den kenn ich nicht) und dann Jess Franco in die Hände fiel, der mit ihr Venus in Furs und Der Hexentöter von Blackmoor drehte. Lee hat hier die undankdbare Aufgabe, glaubhaft in Klaus Kinski verliebt zu sein und, naja, ich beneide sie darum nicht… sie zieht sich letztlich achtbar aus der Affäre, innerhalb der Beschränkungen des Drehbuchs, das auch bezüglich ihres Charakters das Problem hat, eine letztlich als Hauptfigur zu bezeichnende Figur viel zu lange als Nebenfigur zu behandeln.

Nymphomanin Ann wird von Rosalba Neri gespielt. Sie startete ihre Filmkarriere bereits 1955, mimte sich durch das übliche Programm Sandalenfilme/Eurospy/Historienfilm (so z.B. zwei Angelique-Filmen) und Western, ehe sie ebenfalls 1969 ins Exploitation-Fach wechselte und in rascher Folge unter Jess Francos kompetenter Regie 99 Women, Marquis de Sade: Justine und Die Folterkammer des Dr. Fu Man Chu abdrehte. Es folgte zahlreiche weitere Western und Horrorfilme (sowie Cormans Italo-Eskapade The Arena, was ihr kultische Verehrung unter Fankreisen als „die italienische Sphinx“ einbrachte. Neri zeigt hier nicht nur jede Menge Haut, sondern auch überraschende, wenn gleich nicht immer überzeugende Anflüge von Schauspielerei.

„Pearl“ Jane Garret verzeichnet hier ihren einzigen Screencredit (obwohl sie auf den ersten Blick auch nicht viel, eh, schlechter agiert als Laura Gemser), Gioia Desideri („Ruth“, Die Rache der Musketiere) hat nach ihrer durchaus einprägsamen Eröffnungsszene bis zu ihrem Ableben nichts mehr zu tun. Monica „Angela“ Strebel hat hübsche Haare und einen beeindruckenden Schlafzimmerblick zu bieten, fiel filmhistorisch ansonsten aber nicht weiter auf.

Die DVD von X-Rated hat sich, rein was die Bildqualität angeht, wirklich mal wieder gewaschen. Bertucci legt den Film in feinem anamorphen 2.35:1-Widescreen vor. Wirklich bemerkenswert, was man aus dem 33 Jahre alten Material rausholen konnte. Die Farben sind brillant und wirken so lebendig wie am ersten Tag, Detail- und Kantenschärfe sind für eine Produktion dieses Alters absolut im grünen Bereich, ebenso der Kontrast. Erfreulicherweise ist der Print dann auch noch frei von jeglichen Verschmutzungen und Verunreinigungen, und auch die Kompression vermag durchaus zu überzeugen.

Der singulär mitgelieferte deutsche Ton (seinerzeit nicht synchronisierte Szenen, zwei an der Zahl, werden englisch mit fest eingebrannten Untertiteln serviert) kann nicht ganz so überzeugen – zwar sind die Dialoge gut verständlich und besonders die Musik erschallt angemessen fröhlich-klar, aber ein deutliches Grundrauschen lässt sich nicht verleugnen.

Wie üblich sind bei X-Rated die Extras das Gedöns („+ 28 Minuten Bonus“) nicht wert. Es gibt den überraschend heftig auf psychedelisch getrimmten italienischen Export-Trailer (überraschend deshalb, weil der Film unpsychedelischer gar nicht sein kann), den vermutlich von Bertucci selbst wenig überraschend auf seine Sleaze-Elemente getrimmten deutschen Trailer, einen alternativen deutschen Anfang (fehlender Prolog, fehlende grün getintete Vorspannsequenz, dafür ein kurzer deutscher Vorspann über die Autofahr-Szene von Hans und Peter gelegt, unter dem Titel „Der Triebmörder“) sowie insgesamt 20 Sekunden in zwei „Bonusszenen“, die vermutlich aufgrund ihrer stärkeren Verschmutzung nicht in den Film integriert wurden (das hätte ich, ehrlich gesagt, verkraftet, da es, wie oben ausgeführt, deutlich macht, dass Peter Anns Bruder ist, was ihre kindliche Liebesbeziehung ja doch ein wenig, naja, verwerflicher macht. Nicht, dass es letztendlich für den Film von Bedeutung ist, ob Ann und Peter früher Inzest trieben oder nicht, aber es ist nun mal eine gewisse Aussage, die im Film fehlt). Die übliche X-Rated-Trailershow treibt die Extralaufzeit dann auf die avisierten 28 Minuten.

Letztlich lässt mich Das Schloss der blauen Vögel mit einem zwiespältigen Gefühl zurück. Ist es inkonsequent, wenn ich sage, dass der Film ähnlich langweilig wie ein Fulci-Gorefilm ist, mir aber trotzdem irgendwie besser gefallen hat? (Vermutlich ja, und das wird man mir im Forum sicher um die Ohren hauen. Pah, screw ´em!) Im Gegensatz zu Fulci-Gorefilmen hat das Schloss ja eine Geschichte (okay, dass der Film selbige zugunsten nackter Tatsachen völlig verdrängt, geb ich ja gerne zu) und abgesehen davon bin ich einsichtiger Chauvi genug, um festzustellen, dass mir gratitious nudity „mehr“ gibt als gratitious gore – ist angenehmer anzuschauen. Zudem hat das Schloss (wenn auch einen zurückhaltenden) Kinski und liegt handwerklich schon mindestens eine Liga über Fulci…

Als spannender Giallo funktioniert der Film natürlich nicht – von Suspenseerzeugung und Spannugsaufbau hat Fernando di Leo vermutlich gerüchtehalber mal gehört oder was in einem Handbuch gelesen, verstehen tut er davon nichts. Der Film ist objektiv gesehen daher nicht mehr als eine auf äußerst gemächlichem Tempo basierende Nummernrevue diverser nackter Frauen und aus heutiger Sicht unspektakulärer Mordszenen. Historisch wegen der oben angesprochenen Wegscheide zwischen Wallace-Film, Giallo und reinrassigem Horror nicht uninteressant, aber nicht das, was ich mir für einen bunten Halligalli-Abend in den Player schieben würde. Die DVD von X-Rated ist bild-schön, ton-durchschnittlich und extra-schwach. Ich verbleibe letztlich mit einer neutralen Bewertung und einem „Ihr werdet schon wissen, ob´s Euch gefällt“. Ich werd mir den Film sicher nicht alle Tage ansehen, aber den Kauf bereuen tu ich nicht…


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 5


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