Das Phantom der Oper

 
  • Deutscher Titel: Das Phantom der Oper
  • Original-Titel: Il fantasma dell'opera
  • Alternative Titel: The Phantom of the Opera |
  • Regie: Dario Argento
  • Land: Italien/Ungarn
  • Jahr: 1998
  • Darsteller:

    Julian Sands (Phantom), Asia Argento (Christine Daaé), Andrea Di Stefano (Baron Raoul de Chagny), Nadia Rinaldi (Carlotta Altieri), Coraline Cataldi-Tassoni (Honorine), Istvan Bubik (Ignace), Lucia Guzzardi (Madame Giry), Aldo Massasso (Pourdieu), Zoltan Barabas (Poligny), Gianni Franco (Montluc), David D’Ingeo (Alfred), Kitty Keri (Paulette), John Pedeferri (Dr. Princard), Massimo Sarchielli (Buquet)


Vorwort

Paris 1877, an der weltberühmten Oper. Die junge und hochtalentierte (und natürlich auch hochattraktive) Sängerin Christine steht im Schatten der eitlen, egoistischen (und natürlich fetten) italienischen Stardiva Carlotta. Carlotta lässt auch keine Gelegenheit aus, ihre Zweitbesetzung wissen zu lassen, wie wenig sie von ihr hält. Christine muss also auf ihren Durchbruch auf der Bühne warten und kann ihn sich bestenfalls nach Probenende auf der verlassenen Bühne erträumen, kann sich aber zumindest damit trösten, dass sie nicht einen, sondern zwei mehr oder weniger (un-)heimliche Verehrer hat. Da wäre zum einen der junge Baron Raoul, ein Vertreter des wohl eher verarmten Adels, denn Honoria, Christines Anstandswauwau und Vertraute, hält von dem Blumenbouqets, die er sich vermutlich nicht wirklich leisten kann, schickenden jungen Mann so in etwa gar nichts und empfiehlt Christine, auf bessere Optionen zu warten. Zum anderen gibt es da aber noch einen merkwürdigen geheimnisvollen Unbekannten, zu dem Christine eine Art übersinnliche Verbindung fühlt.
Naja, was soll ich sagen, es handelt sich bei dem schwarz gekleideten Herren im Ledercape um das Phantom, der vor vielen Jahren als Baby von seinen Eltern ausgesetzt wurde und – so viel zur Werktreue – in die unterirdischen Katakomben gespült und dort von Ratten gerettet und aufgepäppelt wurde. Unter den Theaterleuten ist die Existenz des Phantoms weitgehend unstreitig und wird – wohl nicht zu Unrecht – für alle Garstigkeiten, die den Betrieb des Hauses stören, verantwortlich gemacht. So sind vor Jahresfrist drei Handwerker spurlos verschwunden, und niemand hegt ernstliche Zweifel daran, dass es sich um eine Bluttat des Phantoms gehandelt haben muss.
Indes Christine zunehmend den Einflüsterungen des Phantoms verfällt, sich andererseits aber auch Raouls Charme nicht entziehen kann, häufen sich die Probleme im Opernhaus. Chef-Rattenfänger Ignace wird von einer unsichtbaren Macht dazu getrieben, die eigene Flosse in eine Rattenfalle zu halten, und verliert dabei nicht nur erheblich Fleisch am Daumen, sondern auch die beschaulichen Reste seines Verstandes. Mit seinem Gehilfen konstruiert er eine Maschine, die seine Rattenvernichtungsquote in astronomische Höhen schrauben soll. Dem neuen Direktor der Oper verstirbt sein Vorgänger mit einer Warnung vor dem ominösen Phantom auf den Lippen, und sein Mitstreiter Buquet versucht, die jungen Ballettschülerinnen erst mit Schokolade, und dann mit eher anderen Dingen zu verführen. Und über allem thront Carlotta.
In einem beinahe unerwarteten Rückgriff auf den Originalstoff sieht sich aber auch unser hiesiges, nicht verunstaltetes und deswegen auch keine Maske tragendes Phantom genötigt, die Sangeskarriere seiner Angebeteten zu protegieren. Zu diesem Behufe lotst er erst Christine in sein unterirdisches Reich und legt sie dort flach, um anschließend dafür Sorge tragen zu wollen, dass die Direktion Christine wohl oder übel in die Hauptrolle befördern muss, ansonsten droht er in einem Brief finstere Konsequenzen an. Die Direktion lässt sich nicht erpressen und auch Carlotta, der er persönlich einen Besuch abstattet, lässt sich nicht erpressen. Während das Phantom Christine nötigt, in seinem Versteck zu bleiben, damit ihr nichts passiert, schreitet es zur Tat und bringt den Kronleuchter im vollbesetzten Theatersaal zum Absturz. Une catastrophe mit einer Handvoll Todesopfer – was natürlich nicht bedeutet, dass der Theaterbetrieb eingestellt werden wird…
 
Christine ist von des Phantoms Taten wenig angetan und flüchtet aus seinem Reich, gerade rechtzeitig, um vom verzweifelten Direktor, nachdem Carlotta unpässlich geworden ist, in die Hauptrolle befördert zu werden. Doch ihre Premiere wird nachhaltig gestört – von Ignace, der bei einer Probefahrt mit seinem neuen Ratcatcher 2000 in des Phantoms Reich vorgedrungen ist und das Phantom mit Christine hat poppen sehen. Klare Schlussfolgerung für Ignace – die beiden sind Komplizen! Christine schwinden die Sinne und das Phantom verschleppt sie erneut in sein Reich. Raoul, seinerseits verfolgt von der Polizei, die Phantom und notfalls Christine endgültig ausschalten will, macht sich auf die Pirsch.
 


Inhalt

Gaston Leroux‘ klassischer Schauerroman „Das Phantom der Oper“ hat, über den Daumen gepeilt, eine recht ordentliche Trefferquote in Punkto Verfilmungen. Sei’s die legendäre Stummfilmversion mit Lon Chaney Senior, Universals prächtige Farbversion mit Claude Rains, Hammers Variante mit Herbert Lom, es sind veritable Gernreklassiker. Variationen wie „KISS meets the Phantom of the Park“, DePalmas „Phantom of Paradise“ oder die 80er-Horror-Version mit Robert Englund sorgten dafür (honorable mention an Ronny Yus HK-Version „Phantom Lover“, die ich ohne weiteres in die Top 5 der Verfilmungen des Stoffes einordnen würde), dass es dem Fan des Themas kaum langweilig wurde, dieweil sich die Mainstream-Welt an Andrew Lloyd Webbers Musical-Fassung erfreuen durfte.
1998 wagte sich einer der Großmeister des europäischen Horrorkintopps an eine Neuauflage – niemand geringeres als Dario Argento, Schöpfer von Meisterwerken wie „Suspiria“, „Tenebrae“, „Profundo rosso“ oder, thematisch ja durchaus passend, „Opera“, nahm die neue Version in Angriff. Prinzipiell könnte man meinen, die Idee, Argento an das Material zu lassen, wäre nicht die schlechteste, scheint der Stoff für Argentos patentiertes Zusammenspiel von visueller Wucht und treffendem Musikeinsatz ideal zu sein. Der Haken daran: wir reden von Argento 1998 und nicht 1978. Der gute Dario ist ein Argument für die Theorie (und wenn’s diese Theorie bislang nicht gab, stelle ich sie hiermit auf), dass jeder Mensch nur eine bestimmte Menge Kreativität zur Verfügung hat, und wenn die aufgebraucht ist, kommt nix mehr Vernünftiges bei rum. Und Dario hat, da dürften sich selbst größte Apologeten des Italo-Maestros nicht zu sehr auf den Schlips getreten fühlen, sein Pulver wohl 1996 mit „The Stendhal Syndrome“ verschossen (einzelne Partisanenmeinungen vertreten die Ansicht, „Sleepless“ von 2001 wäre noch zu gebrauchen, aber das ist bestenfalls diskutabel. Und dass „Sleepless“ mit seinen größten Hits mithalten kann, werden auch beinhafte Argento-Fans nicht behaupten).
Argento schrieb (und da haben wir schon ein Problem, denn Dario mag viele Stärken haben, das Schreiben guter Drehbücher gehört da aber nicht dazu) das Script gemeinsam mit dem französischen Autor Gérard Brach, der es als frequenter Kollaborateur von Roman Polanski („Ekel“, „Tanz der Vampire“, „Der Mieter“) und Jean-Jacques Annaud („Am Anfang war das Feuer“ „Der Name der Rose“) eigentlich besser wissen müsste, aber in diesem gemeinsamen Werk nicht mehr zustande bringt als die Schändung eines literarischen Klassikers.
Natürlich spricht nichts gegen eine Neuinterpretation eines dem Publikum wohl vertrauten Stoffes, aber nicht eine der Änderungen oder neuen Ideen, die Argento und Brach in Leroux‘ Geschichte implementieren, „verbessert“ das Material. Mit der neuen „Origin-Story“ des Phantoms als von Geburt an ausgestoßene Figur, die mit den Ratten im Untergrund lebt, versuchen die Autoren womöglich, die tragische Komponente des Charakters zu verstärken, aber das ursprüngliche Phantom war tragisch genug – und vor allem glaubwürdig, während diese neue Background-Geschichte wie aus einem schlechten 70er-Jahre-Comic entsprungen scheint. Ratten ziehen ein menschliches Baby groß? Okay, ich *mag* Ratten durchaus und stimme zu, dass die Nager zu den intelligentesten Viechern gehören, die unseren Planeten bevölkern, aber wie soll das alleine logistisch funktionieren? Von der vom Film durchaus mehr als angedeuteten sexuellen Komponente im Verhältnis des Phantoms zu seinen Rattenfreunden mal ganz zu schweigen. Ich lasse mich ja noch darauf ein, dass das Phantom sich eines gar fürnehmen Sprachstils bedient (und denke resigniert daran, wie Mary Shelley ihrem Monster das Sprechen beibrachte), aber wenigstens die Konstruktion seines unterirdischen Reichs (inklusive der riesigen Orgel) gibt mir zumindest einige Rätsel auf.
Keine weise Entscheidung ist es natürlich auch, dem Phantom die Maske abzunehmen. Ich habe mich nicht durch den Audiokommentar gepflügt, um herauszufinden, ob das von Anfang an eine bewusste Entscheidung war, oder Julian Sands (in der Tradition von Claude Rains) kein Special-FX-Make-up tragen wolle, aber die Maske des Phantoms ist ein integraler Bestandteil des Charakters, sie macht aus dem Phantom erst ein solches, verleiht ihm die unwirkliche, surreale Ausstrahlung, die Sands – fraglos ein Charakterkopf – ohne Maske, dafür aber mit Langhaarmatte bis zum Ellbogen, nicht hat. Um es salopp zu sagen – Sands sieht nicht aus wie ein grusliges Phantom, sondern wie ein ungepflegter Penner.
Was insofern wieder konsequent ist, als Argento und Brach aus dem vielschichtigen Charakter des Phantoms ein simples „just another Horror monster“ machen und ihm Fähigkeiten und Eigenschaften andichten, die nicht nur Puristen des Quellmaterials zur Weißglut treiben dürften. Die Kontrolle über die Rattenpopulation der Oper lasse ich aufgrund der geänderten Origin-Story zähneknirschend durchgehen, aber dass das Phantom jetzt plötzlich auch superstark ist, sich kannibalisch betätigt und im Finale Schuss- und Stichverletzungen überlebt, die eine ganze Infantriekompanie auslöschen würden, rückt dieses Phantom aus der „tragische gothische Schauerfigur“-Schublade zu „unkillbarer stereotyper Slasher-Killer“ und das beißt sich so ziemlich mit allem, was die Geschichte (die letztendlich bei allen Schauerelementen eine melodramatische Liebesgeschichte ist) ausmacht.
Wenn das Phantom aber seine „positiven“ Eigenschaften verliert, wie sollen wir da als Zuschauer die Dreiecksbeziehung Phantom-Christine-Raoul überhaupt begreifen? Argento und Brach begehen eh den fatalen Fehler, dass Phantom und Christine zu Filmbeginn bereits miteinander in Verbindung stehen, wir bekommen also überhaupt kein Gefühl dafür, wieso Christine sich zu dem geheimnisvollen Unbekannten hingezogen fühlt. Aber „Gefühle“ scheinen für Christine eh ein Fremdwort zu sein (was auch an Asia Argentos Schauspiel liegen kann, ähm), denn ihre Stimmungsschwankungen und Launen sind so extrem, dass mir Carlotta mit ihrem immerhin konsequenten Egoismus beinahe schon sympathischer wird. Sie lässt Raoul bei einem „Date“ abblitzen, entflammt in Lust und Liebe für das Phantom, verachtet und hasst es drei Minuten später und wirft sich wieder Raoul an den Hals – fast schon kein Wunder, dass das Phantom (SPOILER) im Finale angesichts der anrückenden Polente Christine dem Rivalen in die Arme wirft und sich lieber umbringen lässt, als mit Raoul um die Liebe seines Lebens zu kämpfen.
Die Subplots um Rattenfänger Ignace (der wohl für etwas schwarzhumorige Auflockerung sorgen soll, leider Gottes aber nicht im Geringsten lustig ist) und den Pädophilen Bouquet sind genauso unnötig wie ein Ausflug in ein türkisches Bad, in dem Raouls Bruder ihm andere Weiber schmackhaft machen will (und den Piephahn- und fette-nackte-Weiber-Quotienten erfüllt). Nichts davon erweitert die Story oder trägt in irgendeiner Form dazu bei (btw, die Möpse bzw. den einen der Carlotta hätte ich auch nicht unbedingt sehen müssen); ein kurzer Sidequest mit zwei Nebenfiguren, die im Reich des Phantoms einen Schatz wähnen, sorgt neben einer Erhöhung des Titten- auch für eine solche des Bodycounts und wird daher von mir nicht von Grund auf abgelehnt.
Jajaja, hör ich Euch sagen, aber waren nicht die meisten Argento-Plotten, selbst in den Filmen, die mittlerweile von der seriösen Filmkritik gefeiert werden, wenn man zwei Sekunden darüber nachdachte, dumm wie Bohnenstroh? Mais oui, mon amis, mais oui (vor allem über „Opera“ darf man sich wirklich nicht mal ansatzweise Gedanken machen, um sich nicht die Laune am Film zu verderben). Aber früher mal… da hatten wir nicht nur noch nen Kaiser, sondern Argento auch Willen und Talent, Schwächen in der Dramaturgie durch seine inszenatorische Klasse nicht nur zu kompensieren, sondern völlig vergessen zu machen. Beim „Phantom“ ist von dieser Klasse aber bis auf die (sicher nicht ursächlich vom Regisseur zu verantwortenden) opulenten Ausstattung und einem durchaus stimmungsvollen Blick hinter die Kulissen des Theaters des späten 19. Jahrhunderts schlicht und ergreifend nichts übrig. Argento findet weder einen dramaturgischen Rhythmus noch eine stringente visuelle Handschrift (geschweige denn einen Draht zu seinen Schauspielern). Der Streifen sieht zwar ziemlich teuer aus (gedreht wurde aus Budgetgründen in Budapest), aber weder Ausstattung noch Kostüme, und auch nicht das beachtliche Statistenaufgebot, verleihen dem Film wirklichen „scope“ – zumal auch das unterirdische Reich des Phantoms reichlich langweilig daherkommt und keinen echten künstlerischen Kontrast zum Fake-Luxus der Theaterwelt darstellen kann.
Schlicht enttäuschend ist es, dass ein Könner an der Kamera wie Ronnie Taylor („Gandhi“, „A Chorus Line“, „Cry Freedom“ und tatsächlich auch Argentos eigener „Opera“), mithin also eigentlich ein Garant für gute Bilder, kaum eine memorable Einstellung zusammenbringt – einzig die Sequenz, in der Asia Argento alleine auf der leeren Bühne des verlassenen Theaters singt, bringt ein bisschen visuelles Flair ein.
Auch die Spezialeffekte sind ein ungeheuer erfreuliches Thema. Die praktischen Gore- und Splatter-FX sind, wie man’s bei Altmeister Sergio Stivaletti erwarten darf, durchaus gekonnt und rustikal (auch wenn ich das „Phantom“ aus erwähnten Gründen nicht unbedingt für einen Stoff halte, den man in Gore und Kunstblut ersäufen muss), aber die visuellen Effekte… Herrgott, die visuellen Effekte! Sure, sure, wir reden über 1998 und Stivalettis Versuch, einiges an praktischen FX durch CGI zu ersetzen, und CGI war eben 1998, speziell bei etwas preiswerteren Produktionen, noch nicht soweit, wirklich realistisch sein zu können, aber die CG-Effekte, die das „Phantom“ sich gönnt, sind schlichtweg technisch indiskutabel – garniert mit den schlechtesten Rückprojektionseffekte seit einer 70er-TV-Serie kulminiert das in „FX-Sequenzen“, die allenfalls für ein gag reel tauglich wären, exemplarisch die rasende Fahrt von Ignace in seinem Rattenmobil und, ganz besonders tragisch, das designierte set-piece einer jeden Phantom-Verfilmung, die Kronleuchterszene, die man wirklich nur als abschreckendes Beispiel für eine von A bis Z vergeigte Effektsequenz vorführen sollte. Ein paar Ratten-Animatronik-Effekte machen das Kraut sicher nicht fett, und am Ende des Tages wundert’s einen gar nicht mehr, dass Stivaletti für einige Shots von Fledermäusen auf guten alten Zeichentrick zurückgegriffen hat. Es ist ein Gesamtpaket, für das man sich als renommierter FX-Artist nun wirklich schämen sollte (einen ganz besonderen Minuspunkt verdient sich eine Sequenz auf dem Dach der Oper, in der das Phantom sein Dasein kontempliert und bizarre Visionen erduldet).
 
Aufgewertet wird der Film freilich durch den Score von Ennio Morricone. Der klingt zwar nicht unbedingt einheitlich (ich würde mich nicht wundern, wenn Morricone einfach durch seine Bibliothek unverwendeter Stücke gegangen wäre und ein paar passende Suiten ausgesucht hat), aber natürlich viel besser, als es der Film verdient. Zwangsläufig lassen sich bei einem im Opernmillieu angesiedelten Geschichte ein paar Arien nicht vermeiden. Die Produktion verdient Lob dafür, nicht einige der üblichen Verdächtigen wiederverwendet zu haben, sondern mit „Faust“ und „Romeo und Julia“ zwei Opern des auch als Charakter auftretenden Pariser Dirigenten und Komponisten Charles Gounod zu benutzen.
 
Keine besondere Freude macht auch das Schauspiel. Julian Sands ist, erst mal für sich genommen, eigentlich keine schlechte Wahl. Ich bin seit ich diesen Film zum ersten Mal gesehen habe, der Ansicht, dass er ein gutes Phantom abgeben hätte können, aber natürlich nicht *dieses* Phantom, an dessen Charakterisierung jeder gescheitert wäre. Sands scheint das auch erkannt zu haben und schwankt zwischen herbem Overacting und dem Anspruch, mit dem geringstmöglichen Aufwand durch den Film zu kommen. Satans Sohn hat sich schon mit mehr Motivation in eine Rolle geworfen.
Asia Argento ist ein Spezialfall. Darios Faible dafür, seine Töchter nackig und beim simulierten Sex zu filmen, ist schon mittelschwer creepy (bereits in ihrer ersten Szene sehen wir Asia hier in einem Kleid mit durchsichtigem Oberteil, durch das die Nippel unschwer zu erkennen sind). Asia selbst kann durchaus eine gute Schauspielerin sein, aber die Rolle der jungen Operndiva liegt ihr gar nicht, anstatt ihre Gefühle nuanciert auszudrücken, belässt sie’s oft beim Rollen der großen Augen, und selten habe ich jemanden gesehen, der so schlecht zu Gesang den Mund bewegt wie Asia. Dass sie es ist, die die Arien singt, die Phantom und Publikum in Verzückung treiben, glaubt man keine Sekunde lang (ja, sie ist’s ja auch nicht, aber wir sollen’s im Filmkontext ja glauben).
Andrea di Stefano („Eat Pray Love“, „Life of Pi“) hat seine schauspielerischen Qualitäten wohl erst im Nachgang dieses Films entwickelt. Hier ist er ein selten farbloser, langweiliger Schnösel, der „im wahren Leben“ nicht mal gegen ein kannibalisches Killer-Phantom eine Chance um die Gunst einer Frau haben sollte. Nadia Rinaldi („Germanikus“) hat zumindest ein wenig Spaß an ihrer Rolle der widerwärtigen Carlotta, Istvan Bubik („Sunshine – Ein Hauch von Sonnenschein“) könnte als Rattenfänger Ignace Spaß machen, wenn die Figur ansatzweise in den Film passen würde. In kleineren Rollen finden sich Kämpen wie Aldo Massado („Contraband“, „Suspicious Death of a Minor“), John Pedeferri („Stendhal Syndrome“) und Massimo Sarchielli („Ein Skandal in besten Kreisen“, „Ladyhawke)“. Kitty Keri sorgt für weitere nackte Tatsachen.
 
VZM vertreibt den Director’s Cut des Films in einer leicht gekürzten FSK-16-Ausgabe (die Schnitte fallen nicht weiter auf) zum Grabbeltischtarif in einer Blu-Ray/DVD-Combo. Die Bildqualität (1.85:1) ist so lala, der Ton ordentlich. Als Extras gibt’s u.a. einen Audiokommentar sowie ein Making-of.
 
Es bleibt dabei – post „Stendhal Syndrome“-Argento kann man getrost vergessen. Das Wiedersehen mit dem „Phantom“ fast 20 Jahre nach der Erstsichtung hat keine Besserung gebracht und die paar Minuten DIrector’s Cut mehr helfen dem Streifen auch nicht weiter. Es ist schlicht und ergreifend eine „ill-advised“ Version des Stoffes, zweifellos eine der schlechtesten Adaptionen des Leroux-Romans und gesellt sich als Sargnagel in der Karriere des Maestros zu unsagbaren Spätwerken wie „Giallo“ oder „Dracula“.
 
© 2019 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 8

BIER-Skala: 3


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