Das Parfüm der Dame in Schwarz

 
  • Deutscher Titel: Das Parfüm der Dame in Schwarz
  • Original-Titel: Il profumo della signora in nero
  • Alternative Titel: The Perfume of the Lady in Black |
  • Regie: Francesco Barilli
  • Land: Italien
  • Jahr: 1974
  • Darsteller:

    Mimsy Farmer (Silvia Hacherman), Maurizio Bonuglia (Roberto), Mario Scaccia (Signor Rossetti), Jho Jenkins (Andy), Nike Arrighi (Orchidea), Lara Wendel (Silvia als Kind), Aleka Paizi (Signorina Cardini), Renata Zamenga (Marta), Donna Jordan (Francesca Vincenzi), Orazio Orlando (Nicola)


Vorwort

ITALIA, ITALIA… ladadada, ladadadaaa… Unsere Freunde vom Stiefel haben zweifellos einen etwas seltsamen Geschmack, was ihre politischen Führer angeht (vom Duce über Berlusconi bis hin zu Salvini), aber was das Ausbeuten einer als potentiell lira-bringenden Filmvogue angeht, da machte ihnen bis zum totalen Zusammenbruch der hauseigenen Kommerzfilmindustrie so Anfang der 90er niemand was vor. Ergo – als Roman Polanski ROSEMARIES BABY in die Kinos brachte und damit einer der ersten war, der Leute das Fürchten lehrte, die normalerweise keine Horrorfilme ansahen, dachte sich so mancher Filmemacher in Cinecittá „das kann ich auch“, zumal Polanski anzudeuten schien, dass man für dieses neue Spielzeug kein nennenswertes Budget auftreiben brauchte.

Natürlich kam eine Geschichte wie ROSEMARIES BABY nicht aus der hohlen Hand ihres Autors Ira Levin – vom okkulten Schwurbel befreit lässt sich die Plotte natürlich auf das beliebte Thema „treib die Olle in den Wahnsinn“ zurückführen. In welche Geschmacksrichtung man diese Grundprämisse dann weiterentwickelt, sei es eben Okkulthorror oder eher weltliche Motivation der Schurkenfraktion, das kann man ja, insbesondere als italienischer Filmemacher, noch in den letzten fünf Minuten des Films entscheiden.

Mit UNA FIOCCO NERO PER DEBORAH, in seiner deutschen Videoauswertung ganz besonders pfiffig PSYCHOMANIAC’S genannt (wenn man so einen Film auch Verleihern überlässt, die normalerweise Pornos verticken), haben wir vor geraumer Zeit ja schon einmal einen italienischen ROSEMARIE-Rip-off unter die Lupe genommen. Wie so oft kamen wir, d.h. wenigstens ich, zu dem Ergebnis, dass der Streifen keine human denkbare Definition von „gut“ erfüllt (schon allein, weil ich als friedfertiger Mensch der „Heldin“ praktisch permanent Gehirnfunktionwiederherstellungskloppe angedeihen lassen wollte), ist es doch ein interessanter Film, dessen einmalige Ansicht ich jedem Freund tiefschürfender Psychosen-Studien ans Herz legen möchte.

Ob das PARFÜM DER DAME IN SCHWARZ nun auch eine eher interne Macke der Protagonistin beleuchtet oder hier doch ein böser Plot von außerhalb das arme Mädel ins Bockshorn jagt? Lassen wir uns überraschen…
 


Inhalt

Zumindest scheint unsere hiesige Heroine Silvia Hacherman (Mimsy Farmer, VIER FLIEGEN AUF GRAUEM SAMT, DAS CONCORDE INFERNO, GEHEIMCODE WILDGÄNSE) im Vergleich zu Rosemarie oder Deborah (die auf den ersten Blick wirkten als seien sie irrer als eine Irrenanstalt voller irrer Irrer) mit beiden Beinen im realen Leben zu stehen. Klar, sie ist wohl ein bisschen langweilig, wenn man ihrer konservative Mode, ihren Mangel an make-up und ihre allgemein eher zurückhaltende Art in Betracht zieht, aber sie hat einen soliden Job als Industriechemikerin mit augenscheinlich zumindest gewisser Führungsverantwortung (sie hat jedenfalls Unterlinge, die sie herumschubsen kann), und einen festen Freund in Roberto (Maurizio Bonuglia, DAS ANTLITZ DES TODES, TODESPISTE LE MANS, DIE MÜHLE DER JUNGFRAUEN), einen dieser typischen schnöseligen attraktiven Kerle, der ständig ein selbstgefälliges Grinsen auf den Lippen trägt (ich weiß, Frauen fliegen auf sowas, aber ich habe bereits jetzt entschieden, dass dieser Kerl ein Arsch ist und höchstwahrscheinlich nichts Gutes im Schilde führt), und seine Brötchen als Geo-, Archäo- oder sonstiger –loge verdient. Silvia hat allerdings keinen besonders großen Freundeskreis – Francesca (Donna Jordan,  L’AMOUR) ist ein steiler Feger (sofern man auf Hasenzähne steht) und sowas wie Silvias BFF, aber das basiert augenscheinlich hauptsächlich auf dem Ausschlussprinzip (und weil Francesca eine Etage höher in dem Mietbunker für Nicht-schlecht-Verdienende residiert). Sowas ähnliches wie ein „Freund“ ist vielleicht noch Etagennachbar Signor Rossetti (Mario Scaccia, ZWEI SÄRGE AUF BESTELLUNG,  DER ANTICHRIST), ein etwas wunderlicher alter Kauz, der mir zumindest etwas creepy vorkommt (so, wie er sich bei der freundlichen Bitte, ihm mit ein bisschen Tee auszuhelfen, ungefragt in Silvias Wohnung drängt).

Roberto ist augenscheinlich einem schwarzafrikanischen Kollegen namens Andy (Jho Jhenkins, SIE NANNTEN IHN PLATTFUSS, PLATFUSS IN HONG KONG) und dessen Familie (Weib + 1 Kind) freundschaftlich genug verbunden, um Silvia auf eine abendliche Soiree mitzuschleppen. Dort ist das Gesprächsthema, wie das bei geselligen Anlässen so zu sein pflegt, Aberglaube und schwarze Magie, und Andy versichert glaubhaft, dass wilde Riten, Zaubersprüche und Menschenopfer bei Negers noch absolut Tagesgeschäft sind, und die Opfer solcher okkulter Beeinflussung das gar nicht mitbekommen. Silvia reagiert angemessen verstört, aber Andy kugelt sich vor Lachen – war natürlich alles nur ein Witz, nudge-nudge-wink-wink.

Nun mag Silvia auf den ersten Blick ein halbwegs psychisch stabiles Frauenzimmer sein, aber weit gefehlt – Fräulein Hacherman schleppt selbstverständlich genug frühkindliche Traumata mit sich herum, um einem Rudel Dachschadenskurierer die nächsten zwei-drei Jahre Golfspiel zu finanzieren. Nämlichst hat ihre liebe Mama Marta (Renata Zamengo, SUSPIRIA, DAS CONCORDE INFERNO) im zarten Alter von 32 Jahren den Löffel geworfen, und, wie uns der Film erst viel später verraten wird, dies an- und vorgeblich auf Freitodbasis. Das allein wäre ja schon für die zarte Kinderseele ein Schock, aber vorher hat Marta noch Silvias Vater, einen echten Seebären und, zumindest was Silvia angeht, Traumpapa, in die Wüste geschickt, um sich stattdessen einen widerlichen grobschlächtigen Vollhorst namens Nicola (Orazio Orlando, ERMITTLUNGEN GEGEN EINEN ÜBER JEDEN VERDACHT ERHABENEN BÜRGER, HIGHWAY RACER) als neuen Bettgefährten anzulachen, und der war jetzt nicht unbedingt Silvias bester Freund.

Das hat solche Nachwirkungen hinterlassen, dass Silvia noch 20 Jahre später dem Hobby fröhnt, aus Fotos die Rübe des Muttischänders herauszuschneiden, und das einzige Foto der glücklichen Ursprungsfamilie auf dem Nachttisch zu deponieren und regelmäßig anzuhimmeln, ebenso wie eine, hm, daumengroße Babypuppe, die Silvia stets in ihrer Handtasche bei sich trägt. Wir realisieren also: um die Tussi in den Wahnsinn zu treiben, muss man höchstwahrscheinlich noch nicht mal alle Register aus dem GASLICHT-Lehrbuch ziehen.

Man tut’s trotzdem. Als sie nach einer Auseinandersetzung mit Roberto aus nichtigem Anlass ihre Familienbild kaputt macht, bringt sie’s zwecks Neurahmung in eine Werkstatt – aber als sie es ein-zwei Tage später wieder abholen will, muss der Meister des Ladens gramerfüllt zugeben, dass das Bild nicht mehr da ist.

In einem Antiquitätenladen entdeckt sie eine Vase, die der gleicht, die ihre Mama auf dem Nachtkästchen stehen hatte, während der grobe Unhold sie penetrierte. Aber als Silvia ein-zwei Tage später das Ding käuflich erwerben will, schwört die Ladenbesitzerin (Roberta Cadringher) Stein und Bein, dass ein derartiges Objekt niemals ein Schaufenster zierte.

Bei einem Tennis-Nachmittag mit Andy und Francesca, zu dem Roberto Silvia zwangsverpflichtet hat, verletzt sich Silvia noch vor dem ersten Schlag an einem hervorstehenden Nagel in genau dem Schläger, mit dem Francesca bis dahin gespielt hat.
In Robertos Wohnung hat Silvia im Spiegel eine Vision ihrer Mutter, und immer öfter erscheint ihr die Gestalt eines kleinen Mädchens (Lara Wendel, MALADOLESCENZA, GHOST HOUSE) in einem entzückenden weißen Kleid. Da Silvia für eine mutmaßlich studierte Person reichlich dämlich ist, wird ihr bis zum Schlussakt nicht aufgehen, dass dies eine jüngere Ausgabe ihrer selbst (faktisch zum Zeitpunkt des mütterlichen Dahinscheidens) ist. Zum Glück ist man als handelsüblicher und leidgeprüfter Vielseher von Horror- und Gruselfilmen in der Hinsicht etwas blitzmerkerischer. Silvia Junior fühlt sich jedenfalls in Silvia Seniors Wohnung pudelwohl, ist aber auch ein wenig aggressiv für ihr Alter.

Während Robertos beruflicher Abwesenheit halten es Francesca und Andy für eine gar lustige Idee, Silvia einem blinden Medium, Orchidea (Nike Arrighi, DIE BRAUT DES TEUFELS, COMTESSE DES GRAUENS) zuzuführen, auf dass die ihr die Leviten, oder zumindest aus Vergangenheit und/oder Zukunft lese. Orchidea trifft mit ihren – ihr ganz offenkundig vorgesagten – Aussagen über Silvias Kindheit, Mutter- und Vaterkomplex voll ins Schwarze, bis Silvia angemessen hysterisch die Flucht ergreift. Dass sich Silvia Junior diesen Abend für einen weiteren Hausbesuch ausgekuckt hat, hilft jetzt an dieser Stelle nicht weiter – auch wenn der zu Hilfe gerufene Rossetti nach Prüfung der Wohnung feststellt, dass von einem unheimlichen kleinen Mädchen keine Spur zu finden ist.
Der nächste mysteriöse Vorfall lässt aber nicht lang auf sich warten – Nachbarin Signorina Cardini (Aleka Paizi, EIN VERDORBENES WOCHENENDE, ERMITTLUNGEN GEGEN EINEN ÜBER JEDEN VERDACHT ERHABENEN BÜRGER) vermisst ihren Kater Chopin – der wird sich doch nicht auf der Straße mit felinen Huren rumtreiben? (Was soll er sich holen? Katzenaids?). Silvia Junior erscheint erneut und hat ein Geschenk für die Ältere. Neben einer ganzen Kiste identischer entzückender weißer Kleider u.a. einen toten schwarzen Kater, der seine neun Leben unter dem Namen Chopin geführt hat. Silvia, die Kleine, erläutert fachfrauisch, dass sie gedenkt, jetzt hier einzuziehen und Chopin, bitteschön, in ausgestopfter Form ihr Haustier sein solle.

Silvia, die Ältere, dackelt pflichtschuldigst am nächsten Tag zu einem Taxidermisten, um den entsprechenden Job in Auftrag zu geben. Zu ihrer großen Bestürzung ist der Chef des Präparationsladens niemand geringeres als… Trommelwirbel… Nicola! Und der ist auf Silvia immer noch miserabel zu sprechen. Silvia nimmt mal wieder Reißaus und kommt auf die großartige Idee, an die Heimat ihrer Jugend zurückzukehren – eine Villa am Rande der Stadt, die mittlerweile verlassen und überwuchert ist. Dort hat sie zunächst eine Vision ihrer Mutter, wie sie eine große Feier vorbereitet, und schubst sie vom Balkon (ein Indiz dafür, dass Marta vielleicht doch nicht Selbstmord beging?), und wird unmittelbar danach von Nicola, der Hellseher sein muss, angegriffen und, in einer ausgesprochen unappetitlichen Sequenz, vergewaltigt. Not your day, Silvia, not your day. Silvia gelingt es, dem Widerling mit einem Backstein den Schädel einzuschlagen und zu flüchten.
Zuhause wartet zum Glück der heimgekehrte Roberto auf sie, der ihre Geschichte vom vergewaltigenden Sort-of-Stiefvater natürlich für einen Ausbund blühender weiblicher Fantasie hält. Und der sich anschließende Ortstermin bestätigt ihn – kein toter Nicola, keine Spur eines Kampfes, kein gar nichts. Wüssten wir nicht längst, dass Roberto, Francesca, Andy, Nicola, die Antiquitätentante, Orchidea, Rossetti – mithin also jeder Mensch, mit dem Silvia im Filmverlauf mehr als drei Worte gewechselt hat, Mitglieder eines kuttentragenden Kults sind, wir wären echt verdutzt.

Neben Roberto wartet auf Silvia aber noch eine schlimme Nachricht – Francesca ist tot, nach Auskunft von Hausmeister Luigi (Renato Chiantoni, DIE FARBEN DER NACHT, EIN GENERAL UND NOCH ZWEI TROTTEL) hat sie sprichwörtlich – festhalten – zu heiß gebadet – Herzversagen. Das demoralisiert Silvia natürlich weiter… Naja, würde mich vermutlich bei den herrschenden italienischen Sitten auch mental beeinträchtigen – offenbar darf man nämlich bei italienischen Trauerfeiern wirklich den letzten Weg bis zum bitteren Ende mitgehen, will sagen, zukucken, wenn die Leiche (ohne Sarg!) in den Verbrennungsofen geschoben wird. Das hat wohl noch der Duce eingeführt.

Die Asche wird Orchidea und Andy überreicht, und die haben damit eine gar juxige Schelmerei im Sinn. Siliva kommt nach Hause und findet dort ein Geschenkpaket. Der Inhalt sind (mutmaßlich) Francescas sterbliche Überreste. Na, wenn da keine Hochstimmung aufkommt… Silvia flüchtet sich in das einzige, was „heiler Welt“ momentan nahe kommt, das Familienspiel mit der kleinen Silvia. Die freut sich zwar sehr, dass Silvia Senior sie nun endgültig als Mitbewohnerin akzeptiert, macht aber auch deutlich, wer jetzt hier bestimmt, wo’s lang geht, und das ist bestimmt nicht die ältere Silvia. Und was die kleine Silvia sehen will, ist ganz ersichtlich BLUT! WUAH! Ausbaden muss das erst mal Rossetti, der eigentlich nur in Frieden eins seiner geliebten Keramik-Nilpferde anpinseln will, statt dessen aber ein Hackebeil in die Rübe bekommt. Dann ruft Silvia Roberto, von dem sie sich vorher im Streite getrennt hat, auf einen Versöhnungsfick herbei, nur um dem davon natürlich sehr angetanen Stecher das gleiche Mordinstrument in den Rücken zu treiben. Schpla-dauz!

Silvia arrangiert die frischgebackenen Leichen plus Nicola, den sie offenbar eigenfüßig von der alten Villa in ihre neue Wohnung geschleift hat, zu einer Teeparty beim Verrückten Hutmacher (denn seit neuestem plagt sie und auch ihre jüngere Ausgabe ein Alice-im-Wunderland-Fimmel). Die jüngere Silvia mahnt, dass ein hoher staatlicher Feiertag ansteht und hierfür noch geeignete Maßnahmen ergriffen werden müssen. Silvia die Ältere schwingt sich auf den Dachboden, der nun verdächtig ihrer früheren Vision des Mutti-vom-Balkon-Schubsens ähnelt und wir sind uns ziemlich sicher, wo das hinführt, nämlich im Zweifel auf sehr direktem Wege abwärts zum Straßenpflaster. Aber das bereitet sicherlich niemanden auf die Schlusspointe vor… (die werde ich aber erst im untigen Analyseteil sezieren, weil’s mal wieder schwer ist, den Film generell einzordnen, ohne seinen Twist zu berücksichtigen).

Bis zu seinem Twist ist DAS PARFÜM DER DAME IN SCHWARZ (was natürlich mal wieder ein Titel ist, der in bester italienischer Genre-Filmtradition alles und vor allem nichts mit dem Filminhalt zu tun hat) nämlich exakt das, was man erwarten kann – ein nicht sonderlich origineller, aber routinierter Thriller aus genau der „mach-die-Alte-irre-“Schule, die ich oben erwähnt habe.Wie in ROSEMARIES BABY ist so ziemlich jede Figur, die im Film vorkommt, außer der Protagonistin selbst, Bestandteil und Komplize der Verschwörung, was den Eindruck erweckt, dass praktisch die ganze Welt nur zu dem Zweck existiert, in den Suizid zu treiben. Natürlich ist das einer dieser im „echten Leben“ ungeheuer erfolgversprechenden Pläne, der nur aufgehen kann, wenn das Opfer sich zu jedem beliebigen Zeitpunkt des bösen Spiels auf den Punkt genau SO verhält, wie die Verschwörer es vorgesehen haben. Jaja, natürlich ist Silvia durch die geheimen Voodoo-Riten (von denen wir exakt nichts sehen) „programmiert“, sich wie gewünscht zu verhalten. Ich hab auch noch exzellente Gebrauchtwagen zu verkaufen.

SPOILERWARNUNG
Aber das alles ist mir ja relativ wurscht, wenn der pay-off denn dann einigermaßen logisch ist, aber was Francesco Barilli, der sich bis dato als Drehbuchautor (u.a. für den jüngst besprochenen THE CHILD – EINE STADT WIRD ZUM ALPTRAUM oder MONDO CANNIBALE) hervorgetan hatte, sich hierfür ausgedacht hatte… seufz… Naja, es kommt am Ende sicherlich daher, dass Barilli zwei unabhängige Drehbuchideen zu einem Film kombinierte – eben die klassische „mach-sie-irre“-Plotte und… resigniert-den-Kopf-schüttel… eine Kannibalismusstory.

Ja, der ganze Grund, warum Roberto, Rosatti, Francesca, Nicola (die natürlich alle mitnichten tot sind, weil Silvia sich ihre Mordtaten nur eingebildet hat…), Andy, Orchidea und all die anderen Nebenfiguren sich wünschen, Silvia wäre tot ist – sie wollen sie essen. In der tonal völlig dem bisherigen Film konträren Schlussszene wird Silvias nackte Leiche von Roberto aufgeschnitten und die ganze Rasselbande von ca. 30-40 Kultisten bedient sich an ihren leckeren Innereien. Was sie sich davon versprechen? Wieso es unbedingt Silvia sein muss? Warum man sie nicht einfach umbringen konnte, anstatt einen hysterisch komplizierten Plan auszuknobeln, um sie in den Selbstmord zu treiben? Pffzzz… Gründe sind uns zu vulgär, wir wünschen vielmehr guten Appetit. Ich hab da jetzt keine Recherchen angestrengt, aber es besteht eine ganz gute Chance, dass DAS PARFÜM DER DAME IN SCHWARZ der erste Genrefilm ist, der die Kannibalen aus ihrem angestammten Dschungelsetting in die moderne Zivilisation holt (wobei ich zu meiner Schande gestehen muss, dass Barellis ursprüngliche Idee eines Kannibalen-Clans der Superreichen in Genf nicht übel ist. Nur leider ist davon außer dem „lasst uns das Mädel fressen“ im finalen Film nichts übrig geblieben, also insbesondere auch keine „gesellschaftskritische“ Aussage), sofern das etwas ist, worauf jemand stolz sein möchte.

Immerhin – ich bewundere ein wenig Barillis Einfallsreichtum, die ganze Nummer in ihrer erstaunlichen Drastik für 1974 durch die Zensur zu bringen. Der Maestro bediente sich dafür eines soliden Tricks – er drehte einfach ein paar super-extreme Goreszenen, zu keinem anderen Zweck als sie gönnerhaft den Zensoren zu opfern, um das, was er eigentlich wirklich im Film haben wollte, behalten zu können. Freilich konzentrieren sich die sudeligen Gewalttätigkeiten und das Herumkauen auf Rinderinnereien auf die letzten zehn Minuten, bis dahin ist die Sache eher betulich und wirkt selbst in dem gemäßigten Tempo noch etwas überstürzt, was das fortschreitende Abgleiten Silvias in ihre Fantasiewelt angeht (was wiederum mit meinem Eröffnungs-Absatz im Inhalts-Teil korrespondiert… im Vergleich zu Rosemarie und Deborah ist Silvia zu Beginn einfach zu rational gezeichnet, um so schnell in den totalen Wahn zu rutschen).

Das Schauspiel ist… okay. Mimsy Farmer ist keine Mia Farrow, zieht sich aber wenigstens aus – wobei alles, was an Sexszenen im Film vorkommt, gegen Barillis Willen auf Wunsch der Produzenten eingabaut wurde, wie im Übrigen auch der ganze Charakter Roberto und sein Darsteller Maurizio Bonuglia (der mit seinem Grinsen mehr oder weniger die ganze Pointe des Films versenkt. Wer nicht von der ersten Sekunde an weiß, dass der ein fieser Hund ist, sollte wieder zum Wort zum Sonntag zurückkehren). Mario Scacchi ist als mal unheimlicher, mal freundlicher Nachbar Rossetti gut, wie auch Donna Jordan als Francesca. Jho Jenkins wirft die Anti-Rassismus-Bewegung um Jahre zurück, und Orazio Orlando ist als widerliches Ekelpaket Nicola schon eine Schau. Lara Wendels Kinderstar-Performance ist erträglich.

Die Kameraarbeit von Mario Masini (DAS NIMMERSATTE WEIB) ist anständig. Zu erwähnen wäre noch die Musik von Nicola Piovani (GINGER UND FRED, DAS LEBEN IST SCHÖN), dessen zentrales Theme mich komischerweise permanent an das PATE-Theme erinnert.
Die mir vorliegende italienische DVD von Raro hat prinzipiell ein schönen 1.85:1-Transfer, der aber leider oft und gern schlierig wird und sich bei Farbübergängen in prachtvolle Linien auflöst. Man kann sich den Film auf Italienisch und mit englischen Untertitel zu Gemüte führen. Als Extra gibt’s ein gut zwanzigminütiges Interview mit Barilli, erfreulicherweise auch englisch untertitelt, und ein schmales Booklet mit auch englischsprachigen Infos zum Film.

Letztlich hat mich DAS PARFÜM DER DAME IN SCHWARZ nicht vom Hocker gehauen – okay, ich gebe zu, ich habe den Twist SO nicht kommen sehen und wenn man mich nach den zigtausend Filmen, die ich gesehen habe, noch überraschen kann, sollte man das dem betreffenden Film schon anrechnen, aber es ist halt nicht unbedingt eine positive Überraschung – der ganze Film macht – was zwar irgendwie auch gelebte italienische Tradition ist – not a fuckin‘ lick of sense, aber es gibt italienische Filme, die auf packendere, interessantere Art keinen Sinn ergeben…

© 2019 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 5


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