Das Monster aus der Tiefe

 
  • Deutscher Titel: Das Monster aus der Tiefe
  • Original-Titel: Blood Tide
  • Alternative Titel: Bloodtide | Demon Island | The Red Tide | Die Gezeiten des Blutes |
  • Regie: Richard Jefferies
  • Land: Großbritannien/Griechenland
  • Jahr: 1982
  • Darsteller:

    James Earl Jones (Frye), Jose Ferrer (Nereus), Lila Kedrova (Sister Anna), Mary Louise Weller (Sherry Grice), Martin Kove (Neil Grice), Deborah Shelton (Madeline Grice), Lydia Cornell (Barbara)


Vorwort

Weil seine Schwester Madeline, aspirierende Künstlerin, seit Jahren abgängig ist und zuletzt irgendwo auf einer griechischen Insel gesichtet wurde, verbindet Neil seine Hochzeitsreise („keine Hochzeitsreise, mehr ein Urlaub nach der Hochzeit“, wie seine glückliche Braut Sherry erklärt) mit einer ausgedehnten Suchaktion per gemietetem Kajütkreuzer. Auf einer kleinen Ägaisinsel wird man fündig – zwar ist der Bürgermeister abweisend und die Bevölkerung allgemein schräg drauf, aber nichtsdestotrotz findet sich Madeline (mittlerweile „Mad Maddy“ genannt) im Schlepptau des bevorzugt in Shakespeare-Reimen parlierenden Hobby-Archäologen und -Schatzsuchers Frye, der seinerseits den blonden Bimbo Barbara als Matratze und allgemeinen Fußabtreter sein Eigen weiß.
Maddy ist sehr seltsam drauf, hat sich im örtlichen Frauenkloster eingenistet und arbeitet, wenn sie nicht gerade entrückt auf irgendwelchen Felsen sitzt, ins Meer starrt oder sich flaschenweise Parfüm über die Haartracht schüttet, wie besessen an der Rekonstruktion einer mehrfach übermalten Ikone, die sie auf vorchristliche Zeit schätzt. Frye hingegen sammelt, wenn er nicht gerade Barbara demütigt, aus einer Höhle, deren Eingang nur per Scuba-Diving zugänglich ist, antike Münzen – und hinter einer verdächtig zugemauerten Pforte wittert er noch größeren Reichtum. Eine Handvoll Plastiksprengstoff, und der Sache kann man näherkommen.

Doch kaum ist die Pforte geöffnet, verschwindet eine junge Frau aus dem Dorf und findet sich wenig später Barbara zerstückelt am Strand angespült wieder. Sollten die alten, vorzeitlichen Legenden doch richtig sein und die Höhle Wohn- und Schlafzimmer eines grauslichen (und mit, zumindest der Ikone nach, mächtigem Schwengel ausgestatteten) Seemonsters? Bürgermeister Nereus weiß Rat – ein Jungfrauenopfer müsste das Untier besänftigen, doch das entsprechende Girl müsste sich schon wissentlich und freiwillig dem Monster hingeben…


Inhalt

Kucken wir halt mal wieder in eine der wundervollen 50-Filme-auf-12-DVDs-Boxen, namentlich in die „SciFi Classics“-Box von Treeline (ersatzweise Mill Creek). Mit SF hat die Chose, wie sich obiger Inhaltsangabe unschwer entnehmen lässt, nicht wirklich was am Hut, ordinärer 80er-Horror ist das Motto des Tages.

Und wenn’s um a) Horror und b) Griechenland geht, kann einer nicht weit sein – Hellas‘ Nummer-1-Schundologe Nikos Masterakis („Die Teuflischen von Mykonos“, „Zero Boys“, The Wind). Zwar führt er hier nicht Regie, kritzelte aber zusammen mit Richard Jefferies das Drehbuch und produzierte mit Donald Langdon (als „co-producer and special creative consultant“ wird übrigens uns aller Freund Brian Trenchard-Smith kreditiert, was m.E. auf, äh, interessante Produktionsbedingungen schließen lässt, speziell weil Trenchard-Smith auch einen gewissen Ruf als „Retter“ verkorkster Produktionen gewonnen hat). Auf dem Regiestuhl nahm Co-Writer Jefferies (Schreiberling u.a. von „Scarecrows“, „Cold Creek Manor“ und – schluck „Tron: Legacy“), der erst 26 Jahre später einen zweiten Regie-Anlauf mit dem TV-SF-Horrorthriller „Living Hell“ (der actually ganz interessant klingt – sogar so interessant, dass ich Idiot den in dieser Sekunde bestellt habe) unternahm, Platz.

Sind also nicht gerade die günstigsten Voraussetzungen: Regiedebütant am Ruder und Pflaumenaugust Mastorakis, dessen Horoskop nur selten „Heute werden sie ’nen passablen Film drehen“ ausspuckte, als Schreiber und Produzent… da ahnen wir, dass uns viel Laufzeitstreckung durch ach-so-pittoreske Aufnahmen idyllischer griechischer Szenerie, unterkühlte 80er-Optik en gros und ebenso unterkühltes Synthigeblubber als Soundtrack bevorsteht. Dabei beginnt die ganze Chose noch recht vielversprechend mit dem Opfer einer Jungfrau in antiken Zeiten – nicht originell, aber ziemlich stimmungsvoll (wenngleich ich glaube, eine ähnliche Szene in einem der ollen Godzillas gesehen zu haben). Das führt nur zu einem Problem – wir als Zuschauer wissen (theoretisch sowieso, wenn wir den Klappentext gelesen haben) somit von Anfang an, was Sache ist, aber bis die Handlung sich überhaupt nur in die Nähe einer Monsterhorrorgeschichte begibt, vergeht eine geschlagene dreiviertel Stunde (und ’ne weitere Viertelstunde bis zum ersten und eigentlich einzigen guten Blick auf das Monster). Suspense im Hitchcock’schen Sinn des Wissensvorsprungs schön und gut, aber man kann alles übertreiben – denn das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir – genau – mit den oben angesprochenen Mastorakis-Trademarks (stilistisch setzt sich der Produzent hier eindeutig durch) verbringen, d.h. sich nicht unbedingt helle verhaltende Charaktere reden dummes Zeug, laufen sinnlos durch die Gegend, hängen am Strand rum oder kippen sich einen Ouzo nach dem anderen hinter die Binde. Mag ungefähr das sein, was man eben so tut, wenn man in der Ägais urlaubt, aber ich hab mich nicht mein Lebtag lang vor Familien- und Freundes-Urlaubsdia-Abenden gedrückt, um das jetzt konzentriert in Filmform nachzuholen…

Über die Hälfte der Laufzeit schleppt sich „Blood Tide“ als furchtbar öder Langweiler so dahin – wenn wir nicht wüssten, dass zwangsläufig noch ein Monster auftauchen muss (obwohl Mastorakis normalerweise von Monsterhorror seine Griffel ließ und auf menschliche Bösewichter setzte), wir würden selig entschlafen (und, ehrlich, ich hatte nach ’ner Stunde die Nase auch erst mal voll, schlief ’ne Nacht drüber und gab mir den Schlussakt am nächsten Tag um 8 Uhr früh), und würde nicht eine halbseidene Alptraumsequenz kurz andeuten, dass da noch was kommen könnte, man könnte annehmen, in irgendeinem VOX-Dokutainment-Special gelandet zu sein.

Es dauert tatsächlich bis zur letzten halben Stunde, bis sich irgendetwas auch nur viertelwegs sehenswertes tut (wenn man nicht, wie’s Chauvis wie ich natürlich bedenkenlos unterschreiben würden, Deborah Shelton als Wet-T-Shirt-Model prinzipiell für sehenswert hält) – auch dann nimmt „Blood Tide“ nicht wirklich Fahrt auf (der Bodycount ist einigermaßen konservativ – acht, wenn ich korrekt mitgezählt habe -, die meisten Kills off-screen, und einen im Showdown müssen wir eh abziehen), aber Jefferies gelingt da zumindest ein Trio nicht völlig wirkungsloser Szenen: Da hätten wir einmal ein Rudel Dorfkinder, die über die Legende augenscheinlich auch bestens im Bild sind und versuchen, im Rahmen eines Kinderspiels ein Außenseiter-Mädchen zu „opfern“, da gibt’s die Doppelbeerdigung Barbaras und der jungen Einheimischen, in der Nereus das christliche Prozedere durch sein paganistisches (alt-hellenisches) Ritual (inklusive Münze-für-Charon-in-den-Mund-legen) stört und, vor allem, das blutige Resultat des Monsterangriffs auf das Nonnenkloster. Das sind gelegentliche Momente, die, okay, den hartgesottenen Horrorkucker nun nicht gerade pausenlos vom Stengel fetzen, aber zumindest ein bisschen creepy sind und für ein wenig Stimmung sorgen .

Was enorm auffällt, ist das Fehlen einer echten, richtigen, plausiblen Hauptfigur. Frye ist praktisch der Protagonist bzw. die einzige Figur mit einem echten character arc: Der ganze Schlamassel ist im Endeffekt seine Schuld, er gibt sich überwiegend eher unnahbar, abweisend bis schlicht arschloch-prollig, und am Ende ist er doch derjenige, der die Situation – nachdem er durch Barbaras Ableben persönlich betroffen ist – zum Guten wenden muss (und es auch tut); insofern ist er die Hauptfigur, aber er hat nur eingeschränkt Screentime und wird generell vom Script als Randfigur behandelt, der vielleicht per reaction shot in eine Szene geschnitten wird oder sie pointiert beenden darf, aber nur selten wirklich im Mittelpunkt steht. Demgegenüber stehen die nominellen „Helden“ Neil und Sherry, die, was die Überflüssigkeit von Hauptcharakteren angeht, neue Rekorde aufstellen – beide machen keinerlei Entwicklung durch, stehen zumeist doof glotzend irgendwo sinnlos rum und tragen zur Handlung exaktemang ZIP bei. „Blood Tide“ würde genauso gut, um nicht zu sagen wesentlich besser funktionieren, hätte man Neil und Sherry komplett gestrichen und statt dessen Frye und Maddie zu echten zentralen Charakteren ausgebaut (Maddie bleibt, sicherlich teilweise beabsichtigt, recht „mysteriös“, es kommt nicht wirklich rüber, wie sie inden „Bann“ des Monsters, unter dem sie offenkundig steht, gerät, warum sie sich ins Kloster zurückgezogen hat und wie genau ihre Beziehung zu Frye ist). In der vorliegenden Form halten die Beiden den Betrieb nur auf und nehmen Raum ein, der den wichtigen Figuren hätte nutzen können, die Folge: quälende Langeweile, speziell eben in der langwierigen, schwafeligen und ziellos umhermäandernden „Auftaktphase“ der ersten Stunde.

Stilistisch hat sich, obwohl Jefferies offiziell auf dem Regiestuhl saß, Mastorakis eindeutig durchgesetzt: wer „The Wind“, „Sky High“ oder einen seiner zahllosen anderen Billigklopfer gesehen hat, weiß, worauf er sich einzustellen hat. Die Einstellungen mühen sich redlich, aus der Landschaft und dem ach-so-malerischen Fischerdorf Atmosphäre zu ziehen, das gelang Mastorakis beim (allerdings wesentlich unheimlicheren) Dorf deutlich besser; „Blood Tide“ bedient sich weitgehend einer 80er-Reiseführer-Optik, ohne sonderliche Dynamik in Kameraführung und Schnitt, mit einem Faible für blau-hintergrundbeleuchtete Nacht-Shots und Bild-„Kompositionen“ der point-and-shoot-Schule. Tempo und Spannung ist die Sache Jeffries‘ und Mastorakis‘ nicht – wie auch. Einerseits lassen sie die Katze ja von Anfang an aus dem Sack (was übrigens in gewisser Weise wörtlich zu verstehen ist – sie entblöden sich nicht, den vermutlich deppertsten Katapult-Katzen-„scare“ gleich mal nach zehn Minuten förmlich zu zelebrieren), andererseits unternehmen sie dann keinerlei Anstrengungen, die Horrorgeschichte ernstlich forsch voranzutreiben, verlieren sich in Belanglosigkeiten, müssen dann notwendigerweise den ganzen „Plot“ in die letzten 20-25 Minuten packen und kriegen’s dann nicht mal da fertig, etwas Drive, etwas Spannung oder wenigstens ein paar wirklich zupackende Scares in das müde Prozedere zu injizieren (die drei oben genannten Szenen mal ausgenommen, aber die stehen so einsam und verlassen in einer Ägais der Langeweile, dass sie sich, wenn sie könnten, vermutlich selbstmördern würden). Dass der Showdown noch als ausgesprochene Antiklimax daherkommt, muss dann nicht wundern. Zumindest ist der ganze Kram mit gewisser handwerklicher Professionalität gewerkelt.

Obwohl der ganze Schmand in seiner deutschen Videoinkarnation selbstredend keine Jugendfreigabe hatte, wäre ich gewillt, dem Ding nach heutigen Maßstäben eine lockere FSK 12 zu verpassen… die blutigen Szenen kann man an einer Hand abzählen und hat dabei noch ein-zwei Finger übrig, gerade zwei Szenen kommen mit prosthetic effects daher, die Monstermaskerade ist… naja… doch eher auf der 50er-Jahre-Gummimonster-im-Corman-Film-Skala zu werten (und dann auch nur im Mittelklassenbereich), und in Sachen „nudity“ ist das höchste der Gefühle Deborah Shelton, wie erwähnt, im nass-durchsichtigen T-Shirt (dazu gibt’s noch Lydia Cornell oben ohne von hinten).

Der Score ist absolut vergessenswürdig, aber auch nicht nervig, und für Freunde schrecklich-schleimiger 80er-Popballaden schmachtet niemand anderes als die Shelton selbst den Endtitelsong (selbstredend komponiert von Shuki Levy).

Der Cast ist für ’n B-Heuler Marke Mastorakis plausibel – James Earl Jones („Conan, der Barbar“) findet dank seiner Shakespeare-Dialoge die ein oder andere Gelegenheit, seine bekanntermaßen eindrucksvolle Stimme einzusetzen, gibt sich ein-zweimal dem Overacting hin und versucht ansonsten offensichtlich, schöne Ferien zu machen, was man ihm nicht verübeln kann.
Altmeister Jose Ferrer („Dune“, „Die große Keilerei“, „Lawrence von Arabien“), auch immer da, wo ein Gagenscheck einigermaßen arbeitsneutral zu verdienen war, hat als Bürgermeister nicht viel zu tun außer grimmig zu kucken und vage Drohungen zu äußern, das macht er aber mit Altersroutine.
B-Body Martin Kove (Last House on the Left, Death Race 2000) würde ich glatt bescheinigen, als passables David-Hasselhoff-Double (inklusive 80er-Wolle auf der Rübe, offenem T-Shirt und Brusthaartierfarm) durchzugehen, hätte der Hoff seine echte Karriere nicht erst ein-zwei Jahre später gestartet. Einer echten darstellerischen Leistung befleißigt er sich sicherheitshalber ebenso wenig wie Mary Louise Weller („American Monster“, „Animal House“) in der zugegeben undankbaren Rolle der Shelly.
Lydia Cornell (106 Folgen in der hier nie gelaufenen Serie „Too Close To Comfort“) hat als Bimbo zumindest ein wenig Spaß, Deborah Shelton, mit einem „introducing“-Credit ausgestattet, obschon schon in einigen griechischen Filmen und amerikanischer TV-Ware aufgetreten, muss auch nicht viel mehr tun als entrückt kucken und einigermaßen sexy auszusehen. Gelingt der späteren „Dallas“-Mieze einigermaßen erfolgreich.
Als Oberpinguin Sister Anne begrüßen wir die unterforderte Lila Kedrova („Der zerrissene Vorhang“, „Alexis Zorbas“, „Der Mieter“).

Bildqualität: Die Treeline-Fassung, die womöglich gekürzt ist (die IMDb gibt eine Laufzeit von 97 Minuten für die UK-Fassung an, was ich aber ungesehen mal eher nicht glaube), ist selbstverständlich ein hingeschluderter VHS-Rip (4:3, non-anamorph) mit den üblichen Schwächen dieser Art „Mastering“. Weich, kontrastarm (was besonders bei den Nachtszenen stört), gelegentlich leicht pumpend, aber zumindest nicht sonderlich verschmutzt. Für die 50er-Boxen-Verhältnisse schon fast Criterion-Standard.

Tonqualität: Der englische Ton ist dumpf, leicht rauschig und leiernd, aber noch einigermaßen verständlich.

Extras: –

Fazit: „Blood Tide“ ist ein Film nur für jene, die wirklich JEDEN Monsterfilm auf Gottes Erdboden gesehen haben müssen, auch wenn das Monster vielleicht ungefähr drei Sekunden Screentime hat und die restlichen 83 Minuten 57 Sekunden von gähnender Langeweile dominiert werden. Schätze mal, wenn man Jones, Kove, Ferrer und Shelton einfach 90 Minuten am Starnd improvisieren hätte lassen, wäre ein unterhaltsamerer Film ‚bei rumgekommen. Zumindest ist damit geklärt, dass Mastorakis sich nicht darauf rausreden kann, seine eigenen Filme wären irgendwie durch externe Umstände oder fiese Produzenten so langweilig geworden, auch wenn er selbst als Producer andere Regisseure antreibt, kommt eben doch nur uninspirierter, heillos verspätet irgendwelchen Trends hinterherhechelnder Blödsinn dabei raus. „The Wind“ bleibt mit seiner zumindest soliden Durchschnittlichkeit echt der positive Ausreißer im Ouevre des griechischen Chef-Schlockmeisters.

2/5
(c) 2010 Dr. Acula


mm
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