Das Loch im Himmel

 
  • Deutscher Titel: Das Loch im Himmel
  • Original-Titel: The Body Stealers
  • Alternative Titel: Invasion of the Body Stealers |
  • Regie: Gerry Levy
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1969
  • Darsteller:

    George Sanders (General Armstrong), Maurice Evans (Dr. Matthews), Patrick Allen (Bob Megan), Neil Connery (Jim Radford), Robert Flemying (Baldwin), Pamela Conway (Lorna), Hilary Dwyer (Dr. Julie Slade), Allan Cuthberthson (Hindesmith), Michael Culver (Lt. Bailes), Michael Warren (Harry)


Vorwort

Die NATO testet im schönen Engeland neue Fallschirme, die ihrem Hersteller, Jim Radford, im Erfolgsfalle einen ordentlichen Reibach bescheren dürften. Nicht geplant ist allerdings, dass die Fallschirme ohne die von rechts und links wegen eigentlich dranhängen müssenden Fallschirmspringer landen. Die sind ohne Zweifel aber aus dem Flugzeug gesprungen. Das ist, gelinde gesagt, seltsam und wird auch von General Armstrong und Radford als solches empfunden. Wenig später ereilt bei einer Flugschau eine andere Springergruppe das gleiche Schicksal – dieses Mal aber gibt’s zigtausend Zeugen und viele von denen beschwören, dass die Springer von merkwürdigen Lichtern umhüllt wurden, ehe sie spurlos verschwanden.

Der zuständige Minister will Antworten, und Armstrongs und Radfords kollektives „keine Ahnung“-Schulterzucken reicht ihm nicht. Zwar soll die Sache unter Verschluss gehalten werden, aber ein externer Ermittler eingeschaltet werden. Radford schlägt seinen alten Kumpel und Springerfreund Bob Megan vor. Der muss zwar erst aus den Armen einer willigen Blondine geschält werden und ist auch sonst wenig begeistert von der Aufgabe, lässt sich aber durch eine ordentliche monetäre Gegenleistung und nicht zuletzt den Umstand, dass er viele der inzwischen elf vermissten Fallschirmspringer persönlich kannte, breitschlagen.

Nur wo anfangen? Die Fallschirme selbst, das einzige, was von den ersten vermissten Springern übrig geblieben ist, sind laut Laborbericht absolut unauffällig. Das walten NATO-Chefweißkittel Dr. Matthews und seine attraktive Koryphäe Dr. Julie Slade, bei der Bob gleich mal zu landen versucht, aber eiskalt abgeblitzt wird. Für Bob kein Grund zur Veranlassung, denn – obwohl er Radford versprochen hat, für die Dauer der Ermittlung die Finger vom Weibsvolk zu lassen – er hat gleich noch ne andere Biene am Start, die mysteriöse Blondine Lorna, die Bob bevorzugt nachts am Strand trifft und die Eigenschaft hat, nach einem aufgedrängten Bützche aufgeregt das Weite zu suchen (nennt man ja auch sexual assault, heutzutage. Ein toxisches Maskulinistenschwein!).

Allerdings geht die Ermittlung eher schleppend voran – abgesehen davon, dass er an der Landungsstelle einen Karabiner findet, kann Bob wenig vorweisen, und das macht weder General Armstrong glücklich noch Staatssekretär Hindesmith, der jedenfalls nicht auf Bobs vages Bauchgrimmen hin ein generelles Sprungverbot für die Fallschirmjägertruppe aussprechen will.

Während Bob sowohl an Julie als auch an Lorna herumbaggert, kommt die Ermittlung durch einen mehr oder weniger glücklichen Zufall ins Rollen – einer der vermissten Springer wird halbtot im Wald gefunden. Bis er bei Dr. Matthews auf dem Untersuchungstisch landet, hat sich das halbtot allerdings in richtig tot entwickelt, also kann Harry, der Unglückselige, persönlich nicht mehr sonderlich viel zur Aufklärung der Ereignisse beitragen. Das tut dafür Julie, als sie an der Leiche herumforscht – sie macht eine erstaunliche Entdeckung und beordert telefonisch Bob herbei, doch noch während des Telefonats wird sie von unbekannter Hand niedergeschlagen.

Als Bob eintrifft, reibt sich Julie noch die Birne – es wurden die Fallschirme gestohlen. Aber warum? Das könnte etwas mit Julies Entdeckung zu tun haben. Harrys Zellen waren völlig verändert, kaum noch menschlich, und dafür aber radioaktiv, wie auch sein Anzug. Der Bericht über die Fallschirme sagte aber kein Wort über Radioaktivität, und deshalb hat der unbekannte Dieb sie wohl verschwinden lassen, damit keine neue Untersuchung an ihnen vorgenommen werden kann (nein, ich versteh den Zusammenhang auch nicht so ganz).

Jedenfalls ist klar, dass Harry und damit vermutlich auch seinen Springerkameraden, während des Sprungs etwas … fremdartiges widerfahren ist. Bob verfällt auf den Gedanken, selbst einen Fallschirmsprung durchzuführen, sicherheitshalber in einem Schutzanzug gegen Radioaktivität. Das hält eigentlich so niemand, inklusive ihm selbst, für eine gute Idee – sogar Lorna, die überhaupt nicht wissen dürfte, was er vorhat, versucht ihn davon abzubringen…


Inhalt

Science fiction war in den 1960ern nicht gerade das Spezial-Leib-und-Magen-Genre der britischen Filmproduktion. Hammers Space-Western „Moon Zero Two“ hindert bestenfalls Modelltrick-Enthusiasten am Einschlagen, Amicus‘ „Dr. Who“-Leinwandadaptionen mochten mehr Geld haben als ihre TV-Gegenstücke, aber keinesfalls den Charme. Eine rühmliche Ausnahme mochte Hammers dritter Quatermass-Film sein, der aber auch als reinrassiger Horrorfilm durchaus funktioniert hätte. Tigon, die nach Hammer und Amicus abgeschlagene Nummer 3 der britischen Genrefilmschmieden dieser Zeit, versuchte es trotzdem mit einem utopischen Thema. „The Body Stealers“, zu schlecht Deutsch „Das Loch im Himmel“, versicherte sich immerhin der Mitwirkung des renommierten Mimen George Sanders , „Witchfinder General“-Leading-Lady Hilary Dywer und Neil „Seans kleiner Bruder“ Connery.
 
Was der Film allerdings nötiger gehabt hätte als den Bruder eines Superstars wäre womöglich ein vernünftiges Drehbuch gewesen… Dabei wurde das Drehbuch des hauptamtlichen Schauspielers Michael St. Clair (als solcher u.a. dabei gewesen in „Derek Flint schickt seine Leiche“, „My Fair Lady“ oder „Abenteuer in Neuguinea“), der etwa zur gleichen Zeit auch den Langweiler „Endstation Mars“ in die Tasten gehauen hatte, von Regisseur Gerry Levy unter dem Pseudonym Peter Marcus noch mal heftig überarbeitet. Ist natürlich die Frage, ob Levy, der zuvor das Script von Tigons „Die Hexen des Grafen Dracula“ gedoktort hatte, im Endeffekt etwas verbessert oder vielleicht doch nur größeres Chaos angerichtet hat.

Dabei ist das originäre Mystery gar nicht schlecht – das Rätsel der im Sprung verschwundenen Fallschirmspringer ist eine interessante Variante des locked-door-mysterys. Nach menschlichem Ermessen gibt es keine Möglichkeit, wie man einen Fallschirmspringer während des Sprungs verschwinden lassen kann (erst recht nicht auf die Weise, dass ihre Sprungausrüstung übrig bleibt). Das macht neugierig, wie der Autor das Rätsel auflösen will. Das Problem dabei ist nur, dass das Mystery praktisch zu perfekt ist – es GIBT schlicht und ergreifend keinen logischen Anknüpfungspunkt für eine erfolgversprechende Ermittlung, kein Motiv, keine Zeugen, keine Methode. Da stellt sich allein schon die Frage, auf welcher Grundlage ausgerechnet Bob Megan als Ermittler ausgewählt wird – eine Qualifikation weist er nicht auf (wenn man nicht die Tatsache, dass er auch schon gesprungen ist), weder hat er besondere kriminalistische noch wissenschaftliche Befähigung. Genauso gut hätte man den nächsten Penner von der Straße engagieren können (oder jemanden, der sich damit auskennt. Yellow Pages!). Nun, Bob ermittelt vor sich hin und gewinnt genau keine Erkenntnisse. Das Ergebnis, dass die elf Opfer alle dem selben Trainingsprogramm angehörten, kann man nicht ihm als Verdienst anrechnen (eher wirft es ein mieses Licht auf das Militär, dass sie diesen nun nicht gerade unermittelbaren Umstand nicht selbst ermitteln konnten), und der Karabinerhaken, den er auf dem Landefeld findet, hat ermittlungstechnisch keine wirkliche Bedeutung. Ergo ist Bob eigentlich mehr damit beschäftigt, die Damenwelt zu becircen (und keinerlei Gewissensbisse deswegen zu haben, gleichzeitig zwei Mädels zu beackern. Naja, vielleicht ist er auf nen flotten Dreier aus. Er tut ja auch nichts dafür, die beiden voreinander geheim zu halten) und kommt irgendwann auf die Idee, selbst zu springen. Beeindruckt mich beides nicht sonderlich, zumindest im Hinblick auf seinen Job.

Aber er hat ja letztlich keine Chance, denn das große Kuriosum des Scripts ist es, dass es für sein eigentliches Mystery keine Auflösung bietet. Wie genau die Springer verschwinden – und auch was Bob während seines Sprungs erlebt – verrät uns der Film nicht. Er ist voll und ganz damit zufrieden (SPOILER), uns als universelle Lösung für alle losen Fäden des Buchs ein „Aliens!“ hinzuwerfen und zu erwarten, dass uns das reicht. Es sind Außerirdische mit uns überlegener Technologie, die können das halt, und wie sie das können, na, das sind Einzelheiten, über die wir uns nicht unsere zarten Brägen zermartern sollen. Das bedeutet im Umkehrschluss aber natürlich auch, dass nichts von dem, was unser Held tut (so wenig es auch sein mag) im Filmkontext eine Bedeutung hat – Bob tapst durch die Handlung, betatscht oder beschläft hier mal Lorna in einer Form, die in einem #metoo-Zeitalter nicht unter lebenslanger Ächtung bestraft wurde, und bearbeitet dort mal Dr. Slade („lustig“ ist die Ungleichbehandlung von Charakteren. Während Bobs Promiskuität ganz ersichtlich eine positive Eigenschaft ist, wird’s bei Staatssekretär Hindesmith als negativ – und comic relief – ausgelegt, dass er seine ständig wechselnden Sekretärinnen beschläft). Zwischendurch wird mal Radford ermordet (was im Filmkontext wenig Sinn ergibt, und wir eigentlich auch nicht wirklich erfahren, wer das tut), und die „Erklärung“ des Chef-Aliens im Finale ergibt null Sinn (SPOILER: Der Ober-Alien ist Dr. Matthews, bzw. hat der Ober-Alien Matthews‘ Gestalt angenommen, um im NATO-Stützpunkt sein Hauptquartier aufzuschlagen. Denknotwendigerweise muss Matthews bereits ersetzt worden sein, bevor die ersten Springer verschwinden. Warum reitet Matthews dann gegenüber Megan mehrfach darauf herum, dass die Lösung des Rätsels jenseits des bisherigen menschlichen Wissensstandes liegt und heftig Richtung Außerirdische hintet?).

Will sagen – der Film ist aus sich heraus nicht sonderlich spannend, weil die Story total abhängig von Zufälligkeiten ist. Würde nicht plötzlich Harry (wie auch immer – auch das interessiert den Film nicht weiter) auftauchen, würden die Aliens nicht entscheiden, die Fallschirme zu klauen, würden sie nicht aus unerfindlichen Gründen Radford umbringen, würden sie Megan während seines Sprungs nicht erst verschwinden und dann wieder erscheinen lassen, ohne dass es dafür einen Grund gibt… die Geschichte würde nicht vorankommen. Es ist also das Gegenteil eines „idiot movie“ – die Story „funktioniert“ nicht nur, weil die Protagonisten sich wie Idioten verhalten, sondern weil’s die Antagonisten tun. Wären die Aliens nur halb so clever wie sie glauben, sie hätten kein Problem, ihren Plan (der – wie sich herausstellt – auch gar nicht mal so EVIL ist) umzusetzen.

Regisseur Levy inszeniert die ganze Chose auch ziemlich tranig – es gibt kaum Actionsequenzen, optisch ist der Film kein sonderlicher Hinkucker, die Spezialeffekte sind auch für 1968 völlig unaufregend, und wenn der Film in seinen letzten Minuten dann noch die wirkliche SF-Kiste aufmacht, wissen wir auch, warum er sich damit zurückhält (das UFO, das am Ende kurz auftaucht, ist dann auch ein Modell, das die Produzenten aus „Dalek Invasion of Earth 2150 A.D.“ wieder verwendeten)…

John Coquillon („The Changeling“, „Wer Gewalt sät“, „Die lebenden Leichen des Dr. Mabuse“) fällt an der Kamera auch nichts sonderlich gewinnbringendes ein (ein paar Aerials sind nicht ganz unbeeindruckend). Der Score von Reg Tilsley („The Haunted House of Horror“) ist oft unangemessen beschwingt.

Im Cast sind zwar einige prominente Nasen, aber die Hauptrolle spielt nun mal Patrick Allen, der ob seiner distinkten Stimme in England populärer voice actor und professioneller „narrator“ war, vor der Kamera aber nicht so oft in großen Rollen gesehen wurde (u.a. in „Die Wildgänse kommen“, „Mondbasis Alpha 1“). Allen könnte neben Jay Leno und Bruce Campbell ein Superchin-Trio aufmachen, aber echter leading man (vor allem ein solcher, dem man abnimmt, dass er jede Frau ins Bett kriegt) ist er nicht. George Sanders („Rebecca“, „Das Bildnis des Dorian Gray“) legt seinen General überraschend jovial und verständig an, eine annehmbare Abwechslung zur typischen eindimensionalen Kommiskopp-Darstellung. Maurice Evans (Dr. Matthews) sahen wir unter Affen-Make-up als Dr. Zaius in der „Planet der Affen“-Reihe. Dort hat er mich mehr überzeugt… Neil Connery liefert eine überraschend gute Performance als Radford ab und beweist, dass er sich, hätte er die Schauspielerlaufbahn professionell verfolgt, durchaus vom Image des kleiner-Sean-Bruders hätte absetzen können, so aber blieb „Das Loch im Himmel“ sein letzter Leinwandauftritt vor einem kleinen Mini-Comeback 1984 als „Mr. Bond“ im dritten Teil der „Mad Mission“-Reihe.

Pamela Conway (Lorna, hauptsächlich in kleinen Rollen zu sehen gewesen, immerhin aber auch in Freddie Francis‘ vergessenem „Son of Dracula“-Rockmusical mit Harry Nilsson und Ringo Starr) ist nicht halb so sexy wie sich die Produzenten das wohl vorgestellt haben, ganz im Gegenteil zu Hilary Dwyer – science is sexy! – als Julie Slade.

Die deutsche DVD stammt wohl aus dem Daredo/Great Movies-Umfeld und weist die entsprechende Qualität auf. Der 1.85:1-Print ist zwar anamorph, aber ohne jegliche Restaurationsbemühungen, daher mit Defekten und Verunreinigungen gespickt, nicht sonderlich scharf und ohne großen Kontrast. Zudem ist die vorliegende Fassung nicht durchgängig deutsch synchronisiert – zwischendurch gibt’s minutenlange Passagen in England (und die scheinen mir nicht in erster Linie auf frühere Kürzungen zurückzuführen sein), die Untertitel muss man manuell zuschalten. Extras gibt’s keine.

Insgesamt ein Film, den man eher als kuriose Fußnote des britischen 60er-Filmschaffens sehen muss denn als wirklich unterhaltsames Stück SciFi. Sicher hat Tigon versucht, sich hier etwas an den Erfolg von „Mit Schirm, Charme & Melone“ anzuhängen, aber die legendäre Serie war wesentlich besser (und more entertaining) darin, SF-Motive einzubauen (vor allem hatte die Serie auch einen Sinn für Humor, der diesem Film auch nicht geschadet hätte). Wer Neil Connery und Hilary Dwyer in vergleichsweise guten Rollen sehen will und einen George Sanders, der hier ganz offenbar noch nicht in suizidaler Stimmung war, kommt auf seine Kosten, aber wie gesagt, dies eher aus filmhistorischen Interesse.

© 2019 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 7

BIER-Skala: 4


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