Das Grauen aus der Tiefe

 
  • Deutscher Titel: Das Grauen aus der Tiefe
  • Original-Titel: It Came From Benath the Sea
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  • Regie: Robert Gordon
  • Land: USA
  • Jahr: 1955
  • Darsteller:

    Kenneth Tobey (Cmdr. Pete Matthews), Faith Domergue (Prof. Lesley Joyce), Donald Curtis (Dr. John Carter), Ian Keith (Adm. Burns), Dean Maddox jr. (Adm. Norman), Chuck Griffiths (Lt. Griff), Harry Lauter (Dep. Nash), Richard W. Peterson (Capt. Stacy)


Vorwort

Ein amerikanisches Atom-U-Boot hat im Pazifik eine unheimliche Begegnung mit *irgendetwas*. Commander Matthews‘ Leute finden, nachdem das Boot sich aus der Bredouille manöveriert hat, am Heckruder nur eine Art radioaktiven, organischen Schleim. Die Navy zwangsrekrutiert die Meeresbiologen Dr. John Carter (of Mars?) und Professor Lesley Joyce, letzteres ein attraktives Frauenzimmer, das sich, ehe es sich’s verdient, im Zentrum eines von Matthews vermuteten Liebesdreiecks, dessen andere Beteiligte der U-Boot-Kommandeur und Carter sind, wiederfindet.

Nach länglichem Herumforschen kommen Carter und Joyce zum unumstößlichen Schluss, das Ding, mit dem das U-Boot kollidierte, wäre ein riesiger Oktopus – eine These, die zur Überraschung der Weißkittel von den Navy-Admirälen nicht mit uneingeschränkter Begeisterung aufgenommen wird. Einige rätselhafte Vorfälle und dazu passende Zeugenaussagen von Überlebenden später allerdings finden sich die Eierköpfe bestätigt – es macht tatsächlich ein durch Wasserstoffbombentests aufgeschreckter und verstrahlter Cephalopode die amerikanische Westküste unsicher.
Jetzt, wo die Gefahr erkannt ist, lässt sich das Militär nicht lumpen, sperrt den internationalen Schiffsverkehr, legt Minenfelder aus und sichert die Hafeneinfahrten mit elektrisch aufgeladenen Anti-U-Boot-Netzen. Die Vernichtung des Untiers soll durch einen speziellen fernzündbaren Torpedo erfolgen. Der Oktopus entscheidet sich, den Landgang in San Francisco zu vollziehen und bei der Gelegenheit die dortigen Sehenswürdigkeiten geringfügig umzuarrangieren. Wird Matthews und seiner U-Boot-Truppe der goldene Schuss gelingen?


Inhalt

Ich bin manchmal ein komischer Kauz – letztes Jahr kaufte ich mir im Irland-Urlaub einen Schwung DVDs, aber wie üblich stellte ich sie zu Hause erst mal ins Regal und wartete, bis sie Staub ansetzten. Gestern aber war es dann soweit; mir war’s nach einem geradlinigen, guten Monsterfilm ohne neumodischen Tinnef. Hatte ich nicht in Dublin zwei Scheiben aus der „Ray Harryhausen Collection“ erstanden? Hatte ich. Für schlappe 6 Euronen pro Stück wanderten dort 2-Disc-Editionen von „20 Million Miles to Earth“ und „It Came from Beneath the Sea“ in meinen Koffer, tutti kompletti mit deutschem Ton, Audiokommentar, tonnenweise Extras etc. Gab’s die Dinger jemals In Deutschland zu kaufen?

Okay, falls ich jemandem wirklich erklären muss, wer Ray Harryhausen ist – ich tu’s nicht, denn dieser Leser ist dann wirklich auf der falschen Website. Für elementare Fragen der Allgemeinbildung halte ich mich nicht zuständig, dafür gibt’s Wikipedia. Hier also nur die Kurzfassung – nach dem Erfolg von „The Beast from 20,000 Fathoms“, Harryhausens erstem Solo-Werk als FX-Tüftler, wandte sich der Columbia-Produzent Charles Schneer an Ray. Schneer hatte eine fixe Idee: er wollte einen Film machen, in dem ein Riesentintenfisch die Golden Gate Bridge zerstört. Harryhausen war verständlicherweise von der Idee angetan. Mit geringem Budget (so gering, dass Harryhausen, um Kosten zu sparen, seinem Oktopus nur sechs Tentakel spendierte) realisiert, erwies sich der Streifen als Hit und begründete eine Zusammenarbeit zwischen Harryhausen und Schneer, die bis 1981 und dem „Kampf der Titanen“ andauern sollte.

Die Schneer/Harryhausen-Kooperation ist insofern bemerkenswert, als es nur selten solche Produzenten-/Effektemacher-Combos gibt, die sich auf Augenhöhe gegenüberstanden. Scheer und Harryhausen waren gemeinsam die kreativen Köpfe der Projekte, Autoren und Regisseure waren austauschbare Auftragsarbeiter, die das umsetzten, was Scheer als Handlungsgerüst vorgab und Harryhausen glaubte, an FX-Sequenzen realisieren zu können (ein weiterer Punkt, warum Harryhausen gerne mit Scheer arbeitete, war, dass der ihn, einen eher eigenbrötlicherisch in der eigenen Werkstatt vor sich hin tüftelnden Exzentriker, alleine machen ließ und darauf vertraute, dass Ray etwas brauchbares abliefern würde).
Für „It…“ heuerte Schneer (noch unter der Oberaufsicht von Sam Katzman, aus dessen Schatten sich Schneer aber rasch befreite) Hal Smith (der damals noch ein kleines Licht war, aber schon wenige Jahre später „Gesprengte Ketten“ und „Wer den Sturm sät“ mitschreiben sollte) und George Worthington Yates (ein Veteran aus Serial-Zeiten, der sich in den 50ern zum B-SF-Experten entwickelte und u.a. „Formicula“, „Earth vs. the Flying Saucers“ [das nächste Schneer/Harryhausen-Projekt], „The Amazing Colossal Man“oder Earth vs. the Spider schreiben würde) als Autoren an.
Die Regie übernahm mit Robert Gordon („The Joe Louis Story“) ein eher undistinugierter Director, der in den Ende der 50er hauptsächlich für’s Fernsehen arbeitete – man merkt’s, der „Vision“ von Schneer und Harryhausen sollte um Himmels Willen kein „auteur“ in die Quere kommen; inwiefern Gordon überhaupt freie Hand bei der Inszenierung hatte, bleibt fraglich. Harryhausen machte exakte Vorgaben bis hin zur Kamerapositionierung für die Aufnahmen, die er als Rückprojektion für seine stop-motion-Shots brauchte, die „dramatischen“ Teile überwachte Schneer pedantisch. Waren vermutlich für Gordon nicht die künstlerisch befriedigensten drei Wochen seines Lebens…

Zu den Vorgaben von Scheer und Harryhausen gehörte (ich hätte gesagt, vielleicht beeinflusst von den packendsten Momenten „Godzillas“, doch kam der erst ein Jahr später in die US-Kinos) ein semi-dokumentarischer Stil. Wie Harryhausen ausführt, wollte man die Verunsicherung der Bevölkerung über etwaige Auswirkungen der H-Bomben-Tests kommerziell ausnutzen und die Mär vom Killerkopffüssler so matter-of-factly wie möglich präsentieren. D.h., dass wir einen omnipräsenten Erzähler haben, der tatsächlich oder vermutete Lücken im Narrative, Übergänge und Zeitsprünge durch beherztes (und sachliches) Labern schließt (bzw. es wenigstens versucht). Der gesamte Ton der Geschichte ist von hoher Ernsthaftigkeit und dem Bemühen um ein seriöses „was-wäre-wenn“-Fabulieren geprägt – der notdürftig aufoktroyierte romantische Subplot (ganz ohne den geht’s halt nicht) ist erkennbar nur da, weil die Produzenten davon ausgehen, dass das Publikum anno 1955 noch nicht so weit ist, eine Frau *nur* aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation in einer derart hervorgehobenen (Plot-)Position zu akzeptieren, also dichtet man schnell das (wenig überzeugend vorgebrachte) Interesse Matthews‘ und dessen Vermutung, es mit Carter mit einem potentiellen Rivalen zu tun zu haben, hinzu – das Script spricht aber mehr als einmal aus, dass Joyce ein „neuer Typ Frau“, selbstbewusst, intelligent, smart und krisenfest sei und dass man sich daran als Mann alten Schlages besser gewöhnen sollte (dass der Film dieser Charakterisierung ein bis zwei Beine stellt, indem er Joyce, nach Eigenauskunft „im Krisenfall hilfreich“, beim ersten Anblick des Riesenoktopus und später, als der Angriff des Viechs auf die Golden Gate Bridge John Carter in Gefahr bringt… ausschließlich kreischen lässt. Aber gut, auch das ist ein Job, den jemand erledigen muss).

„Drama“ im Wortsinne ist die Sache des Scripts nicht – im Endeffekt haben wir’s mit einem ganz simplen Drei-Stufen-Plan zu tun: 1. Navy entdeckt Monster. 2. Navy entwickelt Methode, um Monster zu vernichten. 3 . Navy vernichtet Monster. Ende. Alles andere ist als überflüssiger Tinnef identifiziert und eliminiert – es gibt niemanden, der Plädoyers dafür hält, das Monster zu fangen und zu studieren (man verpasst ihm andeutungsweise einen tragischen Background – durch die radioaktive Verstrahlung halten sich seine Beutetiere von ihm fern, also ist der Oktopus gezwungen, Schiffe anzugreifen, um nicht zu verhungern), niemanden, der die Pläne der Helden aus Eigennutz sabotiert, keinen „B-Plot“, der zur Hauptstory parallel läuft und irgendwann mal ihre Bahn kreuzt, es ist ein auf das absolute Mindestmaß an „Plot“ reduzierter Monsterfilm. Das wirkt, wo der novelty value der FX heutzutage wegfällt, etwas dünn, zumal das, was 1955 als „semi-dokumentarisch“ durchgeht, solche Ansprüche 2012 nicht mehr erfüllt, aber es ist eine legitime Herangehensweise.

Dass Robert Gordon die Szenen zwischen den Monster-/FX-Shots SO dröge inszeniert, hätte dann allerdings wieder nicht unbedingt sein müssen. Abseits der Harryhausen-Footage ist „It Came from Beneath the Sea“, da beißt die Maus keinen Faden ab, reichlich trocken und ziemlich statisch (dass die drei Hauptdarsteller nicht unbedingt die spielfreudigsten Aktivbolzen unter der Sonne sind, hat einen gewissen Anteil daran). Jau, der Film verdient sich Pluspunkte dafür, dass seine U-Boot-Szenen tatsächlich in einem echten U-Boot gedreht wurden, aber die Qualität von Asylum-Filmen hängt auch nicht primär an der Tatsache, dass dort die berüchtigte Schalttafel-of-doom von U-Boot bis Militärzentrale alles darstellt, was vage „technisch“ sein soll.
„It Came from Beneath the Sea“ wird nur lebendig, wenn die Harryhausen-FX das Kommando übernehmen – und meiner Seel, auch wenn dem Oktopus, schlicht und ergreifend dadurch bedingt, dass ein Oktopus dafür nun mal nicht sonderlich gut geeignet ist, die „Persönlichkeit“ abgeht (und jeder, der z.B. den Ymir aus „20 Million Miles to Earth“ gesehen hat, weiß, dass es eine von Harryhausens große Stärke ist, seine Monster so zu gestalten, dass man als Zuschauer eine emotionale Verbindung mit ihnen eingehen kann), sind die FX *gut*. Harryhausen studierte ausführlich die Bewegungsabläufe echter Kopffüßler; seine Schöpfung dankt es ihm. Natürlich sind die stop-motion-Tricks als solche erkennbar, dennoch, das Monster wirkt „lebendig“ (auch in den „Unterwasseraufnahmen“ die natürlich nicht unter Wasser, sondern auf dem Trockenen unter Zuhilfenahme einiger fotografischer Tricks entstanden). Der Angriff des Oktopus auf den französischen Tramp-Dampfer, die Zerstörung der Golden Gate Bridge und des Oktopus versuchter Landgang sind auch heute noch herausragende FX-Sequenzen – es ist halt so: niemand macht/e stop-motion besser als Ray Harryhausen, der’s besser als jeder seiner Kollegen verstand, seinen Kreaturen eine wirkliche *organische* Qualität mitzugeben als auch beinahe vollständig darüber hinwegzutäuschen, dass er mit Miniaturen arbeitete.
Mit ganz viel Beckmesserei kann man kritteln, dass speziell in der Golden-Gate-Szene der vom Oktopus aufgewirbelte „Schaum“ nicht hundertpro passt, aber dafür muss man schon außergewöhnlich miesepetrig sein (ähnliches gilt dafür, dass in der Szene, in der des Oktopus‘ Tentakel durch die Straßen von San Francisco – ha! – krauchen, der Verkehr hiervon relaiv unbeeindruckt bleibt…). Ein wenig schade ist ob der aquatischen Natur des Monsters, dass es keine full-scale-Stadtverwüstung betreiben kann, sondern sich darauf beschränken muss, seine Tentakel ein wenig Gassi gehen zu lassen und sich ansonsten maximal halb aus dem Hafenbecken zu hieven. Aber das liegt halt in der Natur des Monstrums…

Als Soundtrack funktioniert ein Sammelsurium ausgewählter stock music, zusammengestellt und dirigiert von Mischa Bakaleinikoff.

Ich habe schon erwähnt – die darstellerischen Leistungen sind nicht gerade der GROSSE Pluspunkt des Films. Kenneth Tobey, mit Monstern seit Das Ding aus einer anderen Welt quasi auf Du und Du, spielt den üblichen aufrechten 08/15-Soldaten mit aller innewohnenden Pflichtverbundenheit und Selbstopferungsbereitschaft, aber halt auch steif wie ein Türpfosten, was speziell in den angedeuteten „romantischen“ Szenen ins Auge springt.
Gut, auch Faith Domergue, eine Howard-Hughes-Entdeckung, die sich nach der chaotischen Entstehung ihres angedachte breakthrough-Vehikels „Vendetta“ (an dem bzw. an Howard Hughes‘ berühmt-erratischem Verhalten sich u.a. Meisterregisseure wie Max Ophüls und Preston Sturges die Zähne ausbissen, bis Mel Ferrer – of all people – die Scherben zusammenfegen durfte) als Freelancer durch B-Film-Lande kämpfte (unmittelbar im Anschluss drehte sie „Metaluna 4 antwortet nicht“) befleißigt sich nicht gerade einer feurigen Performance (und im Gegensatz zu landläufiger und zeitgenössischer Meinung finde ich sie jetzt auch nicht speziell „hot“).
Die griffigste Leistung bietet für mich Donald Curtis („Ich kämpfe für dich“, „Schnellboote vor Bataan“, „The Amazing Mr. X“), der zumindest mit erkennbarem guten Willen und gewisser Leidenschaft ans Werk geht.

Bildqualität: Respekt, Sony, so geht man mit einem Klassiker auf DVD um. Der für sein Alter tadellose 1.85:1-Widescreen-Transfer kann sowohl in originalem s/w als auch in nachkolorierter Form genossen werden und zwar, ist doch endlich mal jemande eine vernünftige Verwendung für die Angle-Funktion eingefallen, kann im laufenden Filmbetrieb per Angle-Setting zwischen den Fassungen hin- und hergeschaltet werden. Die kolorierte Fassung ist – und das sage ich als bekennender s/w-Freund und Feind-des-nachträglichen-Herumfummelns-an-klassischen-Filmen – exzellent und wirkt derart natürlich, man mag kaum glauben, dass hier erst nachträglich das „Bunt“ über den Film geschüttet wurde. Liegt natürlich auch daran, dass Ray Harryhausen den Color-Transfer persönlich überwacht hat und dafür gesorgt hat, dass die Farben so ausfallen, wie sie, wenn Schneer damals das Budget dafür gehabt hätte, bei einer Farbproduktion gewählt worden wären. Zu erwähnen wäre höchstens, dass die Scheibe recht fuddelig war, was Screenshots angeht, weswegen ich mich diesbezüglich auf ein Minimum beschränkt habe.

Tonqualität: Deutscher, englischer, italienischer und spanischer Ton in Dolby 5.1 (plus gut 20 Untertitelspuren) – auch aus den alten Tonspuren hat man das Maximum herausgeholt. Natürlich sind speziell Score und Soundeffekte in Dynamik und Differenziertheit nicht mit modernen Produktionen zu verwechseln, aber man kann nicht mehr verlangen, ohne sich in purer Phantasterei zu ergehen.

Extras: Jede Menge – was meint Ihr, wofür die zweite Disc da ist? Neben einem Audiokommentar, den Harryhausen mit einem Trio moderner FX-Macher wie John Bruno bestreitet, gibt’s eine gut 20-minütige Featurette, in der Harryhausen sich an den Dreh erinnert, ein ausführliches Interview, dass Tim Burton in Fanboy-Modus mit Harryhausen führt (allerdings muss man sagen, dass die Informationen aus Audiokommentar, Featurette und Interview sich stark überschneiden – wenn man zum dritten Mal angehört hat, wie Harryhausen über das Interview mit Forry Ackerman berichtet, in dem er „gestand“, dass der Oktopus nur 6 Fangarme hat, neigt man zum schnellen Vorlauf), eine Featurette über die stop-motion-Technik an und für sich, ein Sequel-Comic, Bilder- und Artworkgalerie. Auch hier: viel mehr geht nicht…

Fazit: Das ist heute ’ne einfache Sache – auch wenn „It Came from Beneath the Sea“ sicher kein perfekter Film ist, ist er ein must-have für Genrefreunde. Es ist vielleicht einer der letzten Monsterfilme (mit Ausnahme von Harryhausens eigenem „20 Million Miles to Earth“), der sich *ernst * nimmt und nicht als lustiger fun-romp für das Drive-In-Publikum konzipiert war. Der „dokumentarische“ Ansatz mag heutezutage etwas bieder und altbacken wirken und der praktisch völlige Verzicht auf „human drama“ (man merkt doch erst, wie sehr’s fehlt, wenn’s fehlt) ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, doch Harryhausens superbe Tricks allein hieven den Streifen auf sein berechtigterweise eingenommenes Klassiker-Podest. Die DVD von Sony ist praktisch nicht verbesserungsfähig.

4/5
(c) 2012 Dr. Acula


mm
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